TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/3 W147 2196360-1

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Veröffentlicht am 03.07.2019
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Entscheidungsdatum

03.07.2019

Norm

ASVG §133 Abs2
ASVG §31
ASVG §351c Abs8
ASVG §351f Abs1
ASVG §351g
ASVG §351h
ASVG §351i
ASVG §351j Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VO-EKO §23 Abs1 Z2
VO-EKO §24 Abs1
VO-EKO §24 Abs2 Z2
VO-EKO §25 Abs1
VO-EKO §25 Abs2
VO-EKO §25 Abs3
VO-EKO §25 Abs6
VO-EKO §36 Abs1
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W147 2196360-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan KANHÄUSER als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichterinnen Dr.in Anna BUCSICS und Mag. Dr.in Sabine VOGLER sowie die fachkundigen Laienrichter DDr. Wolfgang KÖNIGSHOFER und ao. Univ.-Prof. Dr. Peter PLACHETA über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch DAX und Partner, Rechtsanwälte GmbH, gegen den Bescheid des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger vom 23. April 2018, VPM-68.1/18 Na:Pat:Dob/Hd Abschnitt VII/1867-16, betreffend Streichung der Arzneispezialität XXXX aus dem Erstattungskodex nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, und § 351f Abs. 1 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 in der Fassung BGBl. I Nr. 130/2013, als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 351j Abs. 1 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 in der Fassung BGBl. I Nr. 130/2013, hat die Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens in der Höhe von 2 620 Euro binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Erkenntnisses bei sonstiger Exekution zu tragen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Mit Schreiben vom 11. August 2017 leitete der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (in weiterer Folge: Hauptverband) ein Verfahren auf Streichung der im Spruch genannten Arzneispezialität (mit dem Wirkstoff: Oxybutynin) aus dem Gelben Bereich des Erstattungskodex ein. In diesem Schreiben wird ausgeführt, dass der Hauptverband gemäß § 36 Abs. 1 VO-EKO ein Verfahren einleiten könne, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme in den Erstattungskodex nicht oder nur für bestimmte Verwendungen erfüllt seien, insbesondere weil neue pharmakologische oder medizinisch-therapeutische oder gesundheitsökonomische Umstände eingetreten seien.

Zu der im Spruch genannten Arzneispezialität bestünden folgende Bedenken bzw. Zweifel:

1.1. Pharmakologische Evaluation

Die Streichung aus dem Gelben Bereich erfolge nicht aus pharmakologischen, sondern aus medizinischen und ökonomischen Gründen.

1.1.2 Festlegung der therapeutischen Alternativen und deren Dosierung als Grundlage für die medizinisch-therapeutische Evaluation gemäß § 23 Abs. 1 Z 2 VO-EKO:

Die folgenden Präparate und deren Dosierungen würden zum Vergleich mit der gegenständlichen Arzneispezialität herangezogen:

XXXX *Der Faktor diene der Umrechnung der single dose unit (vorgegebene Einheit pro Packung: Kapsel, Tablette,...) auf eine therapeutisch vergleichbare Größe (Dosierung/Tag)

Begründung:

Die oben gelisteten Arzneispezialitäten würden ebenfalls zur Gruppe der Antimuskarinika (gleicher ATC-Code auf Ebene 4) gehören und hätten vergleichbare Indikationen. Alle Vergleichsprodukte seien darüber hinaus mit einer zweckmäßigen Verwendung im Grünen Bereich des EKO gelistet. Sie seien die in der klinischen Praxis verwendeten therapeutischen Alternativen. Nachdem retardierte Formen (wie XXXX ) mit niedrigeren Nebenwirkungsraten, allen voran weniger Mundtrockenheit, in Verbindung gebracht würden, seien Retardprodukte als besonders relevante Vergleichsprodukte anzusehen.

1.1.3 Überprüfung der Zweckmäßigkeit der Packungsgrößen:

Die gegenständlichen Packungsgrößen seien zweckmäßig.

1.2. Medizinisch-therapeutische Evaluation

1.2.1 Überprüfung der Verwendung

Die derzeitige Verwendung:

"Bei Dranginkontinenz, die aufgrund von therapiebegrenzender Sicca-Symptomatik durch mind. zwei orale Anticholinergika mit unterschiedlichen Wirkstoffen (ATC-Code G04BD) aus dem Grünen Bereich nach Titration auf die maximal verträgliche Dosis nachweislich (Miktionsprotokoll) nicht ausreichend behandelt werden konnte. Therapiefortsetzung nur bei anhaltender Symptomkontrolle bei gleichzeitig reduzierter Sicca-Symptomatik."

sei aus medizinischer Sicht nicht zweckmäßig.

Die Verwendung sollte wie folgt festgelegt werden:

Streichung aus dem Gelben Bereich des Erstattungskodex

Begründung:

Die aktuelle wissenschaftliche Datenlage rechtfertige keine Sonderstellung von transdermalem Oxybutynin - also die Anführung im Gelben Bereich des EKO - gegenüber den Vergleichsprodukten. Im Grünen Bereich des EKO seien Arzneispezialitäten mit gleichem oder ähnlichem Nutzen frei verschreibbar gelistet. Ein (wesentlicher) Vorteil in Bezug auf Sicca-Symptomatik sei für das Oxybutynin-Pflaster gegenüber relevanten, aktuellen Vergleichsprodukten im Grünen Bereich nicht nachgewiesen.

Alternativ sei aus medizinischer Sicht auch folgende Verwendung vertretbar:

"Grüner Bereich

Frei verschreibbar"

Begründung:

Es gebe ausreichend Alternativen im Grünen Bereich des EKO, die medizinisch vergleichbar seien. Die im Spruch genannte Arzneispezialität stelle innerhalb dieses Spektrums eine weitere Therapieoption dar und wäre deshalb ebenfalls im Grünen Bereich anzuführen.

1.2.2 Festlegung und Quantifizierung der Gruppen von Patienten/Patientinnen, die für die Behandlung mit der beantragten Arzneispezialität in Frage kommen und Festlegung und Quantifizierung des Nutzens für Patienten/Patientinnen durch die Behandlung mit der beantragten Arzneispezialität im Vergleich zu den therapeutischen Alternativen gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 und 2 VO-EKO:

Die Fallgruppe werde wie folgt festgestellt:

"Die beantragte Arzneispezialität ist eine weitere Therapieoption mit gleichem oder ähnlichem therapeutischen Nutzen für Patienten/Patientinnen im Vergleich zu den im Rahmen der pharmakologischen Evaluation festgelegten Arzneispezialitäten (§ 24 Abs. 2 Z 2 VO-EKO)."

Begründung:

Die im Spruch genannte Arzneispezialität sei seit 01.12.2006 im Gelben Bereich des EKO gelistet. Zum Zeitpunkt der Aufnahme seien nur schnell-freisetzende orale Präparate (Immediate-Release = IR) im EKO gewesen. Nachdem solche Präparate häufig mit Mundtrockenheit einhergingen, sei die bestimmte Verwendung des Pflasters bei der Aufnahme in den EKO auf Patienten/Patientinnen mit Dranginkontinenz und therapiebedingter Sicca-Symptomatik eingeschränkt worden. Seit Aufnahme von der im Spruch genannten Arzneispezialität in den Gelben Bereich des EKO habe sich das therapeutische Umfeld grundlegend geändert. Retardierte Formen, bei denen Mundtrockenheit seltener auftrete, seien zwischenzeitlich in den Grünen Bereich des EKO aufgenommen worden. Daher sei der Vergleich von retardierten Formen (Extended-Release = ER) mit der im Spruch genannten Arzneispezialität von besonderem Interesse [Madhuvrata 2012; American Urological Association 2014].

Eine systematische Übersichtsarbeit der Cochrane Collaboration von 2012 habe die verfügbare komparative Evidenz der Antimuskarinika zusammengefasst [Madhuvrata 2012]. Darin sei nur eine Studie identifiziert worden, die transdermales Oxybutynin 3,9 mg/Tag mit Tolterodin 4 mg ER und Placebo [Dmochowski 2003] verglichen habe.

Die anderen Studien hätten entweder unterschiedliche Dosierungen von Oxybutynin-Pflaster (1,3 mg, 2,6 mg, 3,9 mg bzw. 5,2 mg) mit Placebo [Davila 2001a; Homma 2006] oder Oxybutynin 1,3 mg/Tag Pflaster mit <10 mg bis 20 mg oralem Oxybutynin/Tag [Davila 2001a] verglichen. Die tägliche Dosis des Pflasters habe allerdings nur 1,3 mg betragen und entspräche daher nicht der Dosierung der gegenständlichen Arzneispezialität. Die tatsächlich verabreichte Dosis von oralem Oxybutynin bleibe unklar. Aufgrund der Dosierung von Oxybutynin und den gewählten Komparatoren seien diese Studien nicht geeignet, einen etwaigen (wesentlichen) Zusatznutzen von transdermalem Oxybutynin belegen zu können.

In der einzigen Studie, die die gegenständliche Arzneispezialität in der entsprechenden Dosierung mit einem anderen (retardierten) Antimuskarinikum - Tolterodin 4 mg ER - verglichen habe [Dmochowski 2003], seien 320 inkontinente Patienten/Patientinnen, die bereits Therapien für überaktive Blase (OAB) erhielten, nach einer 2-wöchigen Wash-out Phase eingeschlossen worden. Zwischen den beiden aktiven Therapien hätten sich vergleichbare Wirksamkeitsergebnisse in Bezug auf Anzahl der Inkontinenzepisoden, Kontinenz und Miktionsfrequenz gezeigt. Beim Nebenwirkungsprofil seien folgende Angaben gemacht worden. Therapie-bedingte Nebenwirkungen mit Tolterodin ER (moderate 10,6 %; schwere 2,4 %) und mit Oxybutynin (moderate 5,8 %; schwere 0,8 %); davon sei Mundtrockenheit die häufigste Nebenwirkung gewesen (Tolterodin ER 7,3 % vs. Oxybutynin 4,1 %). Im Vergleich zu Tolterodin ER seien mit dem Pflaster numerisch sowohl Reaktionen an der Applikationsstelle (Oxybutynin Pflaster: moderate 14,0 %; schwere 5,0 % vs. Tolterodin ER: moderate 3,3 %; schwere 0,8 %) als auch Therapieabbrüche aufgrund von Nebenwirkungen häufiger beschrieben worden (Oxybutynin-Pflaster: 10,7 % vs. Tolterodin ER 1,6 %). Die Studie sei jedoch nicht darauf gepowert gewesen, Unterschiede oder eine Überlegenheit bei einzelnen Nebenwirkungen statistisch zu belegen.

Der Cochrane Review schließe, dass Mundtrockenheit mit transdermalem Oxybutynin möglicherweise seltener auftrete als mit Tolterodin ER, manche Patienten/Patientinnen mit Oxybutinin aber aufgrund der Hautreaktionen die Pflastertherapie beendet hätten.

In weiteren Guidelines und systematischen Übersichtsarbeiten werde erwähnt, dass die verfügbare Evidenz generell keinen Schluss zulasse, welches Präparat das wirksamste sei, prinzipiell sollten aber ER-Präparate aufgrund von weniger Mundtrockenheit bevorzugt werden [European Association of Urology 2015; American Urological Association 2014; American College of Physicians 2014].

Fazit

Seit der Aufnahme der im Spruch genannten Arzneispezialität in den Gelben Bereich des EKO habe sich das therapeutische Umfeld grundlegend geändert. Retardierte Formen, bei denen Mundtrockenheit seltener auftrete, seien zwischenzeitlich in den Grünen Bereich des EKO aufgenommen worden. Die im Spruch genannten Arzneispezialität sei daher eine von mehreren ähnlichen Therapieoptionen bei Patienten/Patientinnen mit Dranginkontinenz. In Summe sei am ehesten ein gleicher oder ähnlicher Nutzen anzunehmen wie bei den therapeutischen Alternativen.

Der Verbleib der gegenständlichen Arzneispezialität im Gelben Bereich des EKO sei aufgrund dieser geänderten Umstände nicht mehr gerechtfertigt. Voraussetzung für eine Aufnahme in den Gelben Bereich des EKO sei das Vorliegen einer wesentlichen therapeutischen Innovation im Vergleich zu den vorliegenden therapeutischen Alternativen (vgl. VwGH 6. Juli 2016, Ro 2016/08/0012, Pkt. 4.2. der Entscheidungsgründe). Aufgrund des, wie bereits erörtert, geänderten therapeutischen Umfeldes sei diese Voraussetzung im konkreten Fall nicht erfüllt. Aus heutiger Sicht würde die im Spruch genannten Arzneispezialität also nicht mehr in den Gelben Bereich aufgenommen werden. Zudem sei festzustellen, dass ein wesentlicher Zusatznutzen der insgesamt schwach wirksamen Substanzgruppe sogar versus Placebo nicht gegeben sei.

1.3. Gesundheitsökonomische Evaluation

Gemäß § 36 Abs. 1 VO-EKO könne der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger ein Verfahren einleiten, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme in den Erstattungskodex nicht oder nur für bestimmte Verwendungen erfüllt seien, insbesondere weil neue pharmakologische oder medizinisch-therapeutische oder gesundheitsökonomische Umstände eingetreten seien.

Die im Spruch genannte Arzneispezialität sei seit 1. Dezember 2006 im Gelben Bereich des EKO angeführt. Der FAP habe seit der Aufnahme in den Gelben Bereich des EKO für XXXX betragen. Das therapeutische Umfeld habe sich, wie bereits ausgeführt, seit 2006 aufgrund der Aufnahme von retardierten Formen von Antimuskarinika in den Grünen Bereich des EKO verändert. Diese Produkte seien dort mit weit günstigeren Tagestherapiekosten als die im Spruch genannte Arzneispezialität angeführt. Die Wirtschaftlichkeit sei daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gegeben und eine weitere Anführung im Gelben Bereich aufgrund der vorliegenden Datenlage und der vorhandenen therapeutischen Alternativen im Grünen Bereich nicht zweckmäßig. Wie ausgeführt, sei alternativ eine Anführung der ggs. Arzneispezialität im EKO möglich, wenn die derzeitige Verwendung (RE2) auf frei verschreibbar im Grünen Bereich geändert werden würde. Die gesundheitsökonomischen Zweifel könnten ausgeräumt werden, wenn die Verwendung auf "frei verschreibbar" geändert würde und gleichzeitig der Preis der im Spruch genannten Arzneispezialität mindestens auf den FAP des günstigsten Vergleichsprodukts - das sei XXXX - gesenkt werden würde.

1.3.2 Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der gegenständlichen Arzneispezialität im Rahmen eines EU-Preisvergleiches:

Dem Hauptverband stünden rezente Daten der Gesundheit Österreich GmbH vom Erfassungszeitraum Oktober 2016 zur Verfügung, die zeigen würden, dass die Anforderungen gemäß § 31 Abs. 3 Z 12 lit. b ASVG iVm § 25 Abs. 6 VO-EKO, wonach für die Aufnahme in den Gelben Bereich des Erstattungskodex der Preis der im Spruch genannten Arzneispezialität den EU-Durchschnittspreis jedenfalls nicht überschreiten dürfe, nicht erfüllt seien.

Bei alternativer Anführung im Grünen Bereich des EKO mit dem derzeitigen Preis wären die Anforderungen gemäß § 25 Abs. 3 Z 2 VO-EKO, wonach für die Aufnahme in den Grünen Bereich des Erstattungskodex der Preis unter dem EU-Durchschnittspreis liegen müsse, ebenso nicht erfüllt.

2. In ihrer Stellungnahme vom 13. September 2017 merkte die Beschwerdeführerin an, der Hauptverband führe aus, dass "die Streichung aus dem Gelben Bereich nicht aus pharmakologischen, sondern aus medizinischen und ökonomischen Gründen erfolgt", dennoch würden in der Folge Arzneispezialitäten gelistet werden, die sich laut Hauptverband für den Vergleich mit der im Spruch genannten Arzneispezialität eignen. So werde angegeben, dass die angeführten Arzneispezialitäten "vergleichbare Indikationen" und v.a. in retardierter Form "niedrige Nebenwirkungsraten" hätten und es sich "in der klinischen Praxis um therapeutische Alternativen" (sic !) handle. Seitens der Beschwerdeführerin werde in diesem Zusammenhang festgehalten, dass alle vom Hauptverband im Einleitungsbrief genannten Arzneispezialitäten Wirkstoffe enthalten, welche bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme der im Spruch genannten Arzneispezialität im Grünen Bereich des EKOs gelistet gewesen seien.

Somit seien aus pharmakologischer Sicht keine Änderungen eingetreten, welche die Einleitungen eines Streichungsverfahren zu begründen vermögen. Die Tatsache, dass (generische) Arzneispezialitäten mit verzögerter Wirkstofffreisetzung auf der Liste aufscheinen, tue nichts zur Sache, da der Hauptverband für Retardpräperate einen höheren Patienten-/Patientinnennutzen (geschweige denn einen wesentlich höheren Patienten-/Patientinnennutzen) nicht anerkennen würde.

In der Darstellung des Hauptverbands nicht erwähnt werde hingegen die Tatsache, dass es sich bei der im Spruch genannten Arzneispezialität um ein Pflaster zur transdermalen Applikation handle, wohingegen alle vom Hauptverband ins Treffen geführten Vergleichsprodukte oral einzunehmen seien.

Der wesentliche höhere Patienten-/Patientinnennutzen bestehe somit in dem, durch die transdermale Applikation erzielten, gleichmäßigen Wirkstoffspiegel (ein solcher Plasmaspiegelverlauf wäre alternativ nur mit einer Dauerinfusion machbar).

Weiters werde bei oraler Gabe durch den First-Pass Effekt Oxybutynin in den aktiven Metaboliten N-Desethyloxybutynin verstoffwechselt, und dieser sei überwiegend für die anticholinergen Nebenwirkungen verantwortlich. Durch die transdermale Verabreichung werde der First-Pass-Metabolismus vermieden und somit durch die Art der Anwendung ein direkter Patienten-/Patientinnennutzen erzielt.

Es werde auf die Beilage der medizinischen Zusammenfassung verwiesen und betont, dass in dieser die (im Ausland damals bereits verfügbaren, in Österreich aus Preisgründen nicht erhältlichen Retardformen) bereits mitberücksichtigt worden seien.

Zusammenfassend stehe mit der gegenständlichen Arzneispezialität nach wie vor die einzige transdermale Formulierung zur Verfügung, deren wesentlicher zusätzlicher Patienten-/ Patientinnennutzen sich heute nicht anders darstelle, als zum Zeitpunkt der Evaluierung durch den Hauptverband bei der Aufnahme in den Gelben Bereich des EKO.

Die Begründung des Hauptverbandes aus medizinisch-therapeutischer Sicht stelle einen Widerspruch dar, weil es gerade Alternativen im Grünen Bereich gebe, solle doch die gegenständliche Arzneispezialität gemäß der Bestimmten Verwendung (Regeltext) ja erst dann eingesetzt werden, wenn

"aufgrund von therapiebegrenzender Sicca-Symptomatik durch mind. zwei orale Anticholinergika mit unterschiedlichen Wirkstoffen (ATC-Code G04BD) aus dem Grünen Bereich nach Titration auf die maximal verträgliche Dosis nachweislich (Miktionsprotokoll) nicht ausreichend behandelt werden konnte."

Die Tatsache, dass in den Grünen Bereich Retardfomulierungen aufgenommen worden seien, reduziere die Wahrscheinlichkeit, dass Patienten/Patientinnen obigen Regeltext erfüllen, gleichwohl sei nicht denkunmöglich, dass für Patienten/Patientinnen, welche eben mit den Arzneispezialitäten des Grünen Bereichs nicht ausreichend behandelt werden können, als Alternative eine Behandlung mit der im Spruch genannten Arzneispezialität benötigen.

Da, aufgrund des Regeltextes ja nur solche Patienten/Patientinnen mit der im Spruch genannten Arzneispezialität behandelt werden könnten, welche eben nicht mit den Arzneispezialitäten des Grünen Bereichs das Auslangen fänden, seien die Patientenkollektive eben nicht vergleichbar.

Von besonderer Bedeutung aber sei, dass der Hauptverband Studien heranziehe, um seine Aussagen zu unterstützen, auch wenn diese sehr wohl die Vorteile der im Spruch genannten Arzneispezialität herausstreichen würden. Hier sei exemplarisch auf die Studie von Dmochowski et al., 2003 verwiesen.

Im Original würden die Autoren zu folgender conclusio kommen:

"OXY-TDS [die ggst AS] and TOL-LA [retardiertes Tolterodin] are effective and comparable treatments for patients with urge and mixed incontinence. OXY-TDS improves systemic safety with regard to anticholinergic side effects. Local skin irritation occurs in some OXY-TDS patients."

Diese Schlussfolgerung entspreche genau dem durch den Regeltext angegebenen Einsatzgebiet (die Hauptanticholinerge NW ist die "therapiebegrenzende Sicca-Symptomatik).

Die vom Hauptverband zitierte Übersichtsarbeit Madhuvrata et al., 2012 komme zu folgendem Schluss:

"There was no statistically significant difference in any of the outcomes between oxybutynin and other anticholinergics or among different doses and preparations of anticholinergic drugs."

Es stelle sich hier die Frage, über welchen Stellenwert eine Arbeit verfüge, die keine Dosisabhängigkeit in der Wirksamkeit feststelle.

Dies sei auch ein klarer Widerspruch zu den Guidelines der European Association of Urology (Burkhard et al., 2015). Hier werde die Gabe von transdermalen Oxybutynin empfohlen, wenn aufgrund der Mundtrockenheit die Gabe von oralen antimuskarinergen Substanzen nicht toleriert werde.

Mit besonderem Interesse sei die vom Hauptverband vorgebrachte Argumentation aufgenommen worden, wonach sich seit Aufnahme der im Spruch genannten Arzneispezialität in den Gelben Bereich des EKO das therapeutische Umfeld grundlegend geändert habe. Retardierte Formen, bei denen Mundtrockenheit seltener auftrete, seien zwischenzeitlich in den Grünen Bereich des EKO aufgenommen worden. Hier würden nochmals die retardierten Antimuskarinergika als Ursache für das "grundlegend geänderte therapeutische Umfeld" herangezogen werden. Dieses "Paradigmenwechsels" sei man sich seitens des Hauptverbands bei der Aufnahme von einer retardierten Form nicht gegenwärtig gewesen, sei diese doch nur gleichpreisig mit der nicht-retardierten Form in den EKO aufgenommen worden.

3. Nach der Übermittlung einer vorläufigen Feststellung und einer weiteren Stellungnahme der Beschwerdeführerin erging seitens des Hauptverbandes nach Befassung der Heilmittel-Evaluierungskommission der im Spruch genannte Bescheid. In seiner Begründung verwies der Hauptverband auf zwei weitere therapeutische Alternativen, die bereits in der vorläufigen Feststellung herangezogen wurden:

XXXX

(Wirkstoff: Solifenacin; ATC: G04BD08; Grüner Bereich) 1 Ftbl/Tag Faktor 1

XXXX

(Wirkstoff: Mirabegron; ATC: G04BD12: Grüner Bereich) 1Retardkps./Tag Faktor 1

Die als therapeutische Alternativen gelisteten Arzneispezialitäten würden - bis auf eine Ausnahme ( XXXX ) - ebenfalls zur Gruppe der Antimuskarinika gehören. Alle genannten therapeutischen Alternativen hätten den gleichen ATC Code (G04BD) und vergleichbare Indikationen. Diese Vergleichsprodukte seien darüber hinaus mit einer zweckmäßigen Verwendung im Grünen Bereich des EKO gelistet. Sie seien die in der klinischen Praxis verwendeten therapeutischen Alternativen. Nachdem retardierte Formen (wie XXXX ) mit niedrigeren Nebenwirkungsraten, allen voran weniger Mundtrockenheit, in Verbindung gebracht würden, seien Retardprodukte als besonders relevante Vergleichsprodukte anzusehen.

Das Wirkprinzip des selektiven Beta-3-Adrenozeptoragonisten Mirabegron unterscheide sich von den in der Gruppe G04BD genannten Wirkstoffen, allerdings habe es wie die weiteren Therapiealternativen den gleichen ATC-Code auf 4. Ebene (G04BD), es gehöre auch in die Gruppe der urologischen Spasmolytika und werde in gleichen Indikationen eingesetzt. Daher sei auch Mirabegron als Vergleichspräparat heranzuziehen.

Hinsichtlich Solifenacin sei anzumerken, dass dessen Anführung im Gelben Bereich des EKO unter Beachtung des aktuellen therapeutischen Umfeldes nicht mehr gerechtfertigt sei, da die Voraussetzungen für eine Anführung von XXXX im Gelben Bereich des EKO unter Beachtung der aktuellen therapeutischen Alternativen im EKO nach dem aktuellen Stand des Wissens nicht gegeben wären. Vom Hauptverband sei daher ein Streichungsverfahren aus dem Gelben Bereich des EKO eingeleitet worden und XXXX sei mit 1. April 2018 in den Grünen Bereich überführt worden.

Die Streichung erfolge nicht aus pharmakologischen, sondern aus medizinischen und ökonomischen Gründen.

Die Fallgruppe werde wie folgt festgestellt:

Die beantragte Arzneispezialität ist eine weitere Therapieoption mit gleichem oder ähnlichem therapeutischen Nutzen für Patienten/Patientinnen im Vergleich zu den im Rahmen der pharmakologischen Evaluation festgelegten Arzneispezialitäten (§ 24 Abs. 2 Z 2 VO-EKO).

Ergänzend wurde seitens des Hauptverbandes als Fazit geschlossen:

Die im Spruch genannte Arzneispezialität sei eine weitere Therapieoption bei Patienten/Patientinnen mit Dranginkontinenz. Bei gleicher Wirksamkeit sei Mundtrockenheit mit dem Pflaster vermutlich seltener als mit oralen ER Präparaten, Hautreaktionen und daraus folgende Therapieabbrüche mit dem Pflaster seien aber häufiger. Vorbehaltlich einer ökonomischen Einigung wäre die Anführung im Grünen Bereich als weitere therapeutische Alternative aus medizinischer Sicht daher wünschenswert gewesen.

Für den Verbleib im Gelben Bereich sei vom Unternehmen kein Beleg für einen wesentlichen Zusatznutzen gegenüber anderen im Grünen Bereich gelisteten therapeutischen Alternativen erbracht worden. Dies sei jedoch gemäß höchstgerichtlicher Rechtsprechung Voraussetzung für die Aufnahme in den Gelben Bereich des EKO (vgl. VwGH vom 14.9.2016, Ra 2016/08/0090). Das gelte ebenso für den weiteren Verbleib einer Arzneispezialität im Gelben Bereich des EKO, da im Streichungsverfahren die allgemeinen Kriterien für die Aufnahme gleichsam spiegelverkehrt anzuwenden seien (vgl. Rebhahn in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm, § 351f Rz 6).

Belege, die einen Zusatznutzen für die laut derzeitiger bestimmter Verwendung im Gelben Bereich in Frage kommende Patientenpopulation (d.h. mit mindestens zwei oralen Anticholinergika vorbehandelt) beweisen, seien ebenso wenig erbracht worden.

Zur Stellungnahme des Unternehmens vom 13. September 2017 wurde ausgeführt:

Das Unternehmen merke an, dass

a. sich das pharmakologische Umfeld seit Aufnahme der im Spruch genannten Arzneispezialität in den EKO nicht geändert hätte, da alle in der jetzigen Evaluation herangezogenen Wirkstoffe bereits bei Aufnahme dieser im EKO gelistet gewesen seien. Darüber hinaus sei den retardierten Formulierungen kein Zusatznutzen anerkannt worden; daher habe sich das therapeutische Umfeld nicht verändert.

Dem sei entgegenzuhalten, dass das Unternehmen in seiner Stellungnahme selbst belege, dass nur schnell-freisetzende Wirkstoffe im EKO enthalten gewesen seien. Retardierte Formen, die als primäre Vergleichsprodukte heranzuziehen seien, seien dagegen erst nach der Aufnahme der im Spruch genannten Arzneispezialität in den EKO aufgenommen worden. Voraussetzung für eine Aufnahme in den Gelben Bereich des EKO sei das Vorliegen einer wesentlichen therapeutischen Innovation im Vergleich zu den vorliegenden therapeutischen Alternativen (vgl. VwGH 6. Juli 2016, Ro 2016/08/0012) bzw. eines wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzens gegenüber jenen aus dem Grünen Bereich (vgl. erneut VwGH vom 14.9.2016, Ra 2016/08/0090). Diesen Nachweis habe das Unternehmen nicht erbracht. Aus heutiger Sicht würde die im Spruch genannte Arzneispezialität nicht mehr in den Gelben Bereich aufgenommen werden.

b. die im Spruch genannte Arzneispezialität das einzige transdermale Präparat sei, durch das der First-Pass Effekt vermieden werde (Anmerkung: bei oraler Gabe werde Oxybutynin in den aktiven Metaboliten N-Desethlyoxybutynin verstoffwechselt, welcher primär für die anticholinergen Nebenwirkungen verantwortlich zeichne).

Diesem Argument sei entgegenzuhalten, dass die Darreichungsform alleine keinen Zusatznutzen begründe; die orale Darreichung unterscheide sich möglicherweise von der transdermalen in ihrem Nebenwirkungsprofil - wie auch in dieser Evaluation ausgeführt werde. Hinsichtlich der Wirksamkeit zeige sich jedoch kein Unterschied, sodass nicht von einem Zusatznutzen ausgegangen werden könne.

c. sich der Patientennutzen nicht anders darstellen würde als zum Zeitpunkt der Aufnahme.

Darauf sei zu entgegnen, dass bei Aufnahme der im Spruch genannten Arzneispezialität ebenfalls kein Zusatznutzen, sondern im Vergleich zu den damals im EKO befindlichen Substanzen, nur ein gleicher oder ähnlicher therapeutischer Nutzen zuerkannt worden sei.

Auch in der vom Unternehmen herangezogenen Guideline der European Association of Urology werde festgehalten, dass für keine antimuskarine Substanz Überlegenheit gezeigt worden sei.

d. dass eine Überführung in den Grünen Bereich aufgrund der derzeitigen bestimmten Verwendung einen Widerspruch darstellen würde, da die Verwendung den Einsatz erst nach mindestens zwei oralen Produkten aus dem Grünen Bereich erlaube. Selbst wenn mit retardierten Formen mehr Patienten/Patientinnen therapiert werden könnten, würde sich das Patientengut für die im Spruch genannten Arzneispezialität dementsprechend reduzieren.

Hierzu sei festzuhalten, dass die bestimmte Verwendung nicht zum Ziel habe, eine möglichst große Patienten-/Patientinnenpopulation für die Arzneispezialität des Unternehmens zu definieren. Vielmehr sei zu betonen, dass die Zulassung der im Spruch genannten Arzneispezialität deutlich breiter und vergleichbar mit im Grünen Bereich angeführten Retardprodukten sei. Die Einschränkung auf "erst nach zwei oralen Vortherapien" sei daher eher ökonomisch als medizinisch zu erklären. Eine Überführung in Grün sei daher aus medizinischen Gründen durchaus auch im Sinne der Patientenversorgung angezeigt.

Hier sei auch neuerlich anzuführen, dass sich die Patientenpopulation der einzigen Studie, die die im Spruch genannte Arzneispezialität in der zugelassenen Dosierung mit einem retardierten Präparat verglichen habe [Dmochowski 2003] nicht mit der bestimmten Verwendung decke ("die aufgrund von therapiebegrenzender Sicca-Symptomatik durch mind. zwei orale Anticholinergika [...] nicht ausreichend behandelt werden konnten

").

e. In den in der Evaluation zitierten Studien der Vorteil der Arzneispezialität herausgestrichen werde:

• Dmochowski 2003 weise weniger systemische, anticholinerge Nebenwirkungen auf als retardiertes Tolterodin bei gleicher Wirksamkeit. Auf der anderen Seite weist das Unternehmen auf die eingeschränkte externe Validität hin, da in der Studie zwei Pflaster mit 1,3 und 2,6 mg und nicht eines mit XXXX verwendet worden seien und die Applikationsstelle nicht gewechselt worden sei. Daher sei mit noch weniger Hautirritationen zu rechnen.

• In Dmochowski 2005 Mundtrockenheit zu 7,0 % mit XXXX und zu 5,3 % mit Placebo auftraten und sich im Vergleich zu Placebo eine Reduktion der Inkontinenzepisoden sowie eine Verbesserung der Lebensqualität gezeigt hätte.

• Chapple 2005 belege, dass OXY-TDS nicht signifikant mehr Nebenwirkungen wie etwa Mundtrockenheit habe, als Placebo. Dies sei vor allem durch die transdermale Applikation gegeben.

• Die Therapietreue laut Dmochowski 2002 und 2003 und die Patientenzufriedenheit laut Dmochowski 2003 hoch sei.

• Madhuvrata 2012: in der Studie seien keine Unterschiede in der Dosierung und den einzelnen Wirkstoffen festgestellt worden. Aufgrund der fehlenden Dosisabhängigkeit werde daher die Aussagekraft der gesamten Studie vom Unternehmen kritisiert.

• Davila 2001 eine vergleichbare Wirksamkeit wie Oxybutynin IR zeige.

Dem sei entgegenzuhalten, dass

• Dmochowski 2003 in der Evaluation bereits berücksichtigt worden sei. Unklar sei, inwiefern diese Publikation für den Nachweis eines wesentlichen therapeutischen Zusatznutzens und nicht nur der Gleichwertigkeit geeignet sei, da sich die Wirksamkeitsdaten nicht unterscheiden, lediglich die Nebenwirkungsprofile (numerisch!) anders gewesen seien. Inwiefern die Verwendung von zwei Pflastern anstatt einem mit einer höheren Dosierung zu einer Reduktion an Hautirritationen führe, bleibe unklar; vielmehr sei eine Erhöhung aufgrund der höheren Dosierung denkbar. Bezüglich der Applikationsstelle sei der Studie nur zu entnehmen, dass das Pflaster am Abdomen zu applizieren gewesen sei; weitere Details würden sich nicht finden.

• ein Vergleich mit Placebo [Dmochowski 2005; Dmochowski 2002; Chapple 2005] kein Beleg für einen wesentlichen therapeutischen Zusatznutzen sei; daher seien diese Publikationen hier nicht relevant.

• das Unternehmen - laut Selbstdefinition ganz der Wissenschaftlichkeit verpflichtet - zwar einem Cochrane Review misstraue, der allgemein als Übersichtsarbeit rein auf RCTs (randomized controlled trial = randomisierte kontrollierte Studie = RCT) basierend als höchste Evidenzstufe gelte, als vermeintlichen Beleg für einen Zusatznutzen ihres Produkts aber einzelne und teilweise nur 6 Wochen dauernde RCTs anführe, die in der Evidenzhierarchie unter systematischen Reviews stehen würden.

• als Vergleichsprodukt primär retardierte Produkte heranzuziehen seien.

e. Dass die Guidelines der European Association of Urology die Gabe von transdermalem Oxybutynin empfehlen würden, wenn aufgrund von Mundtrockenheit orale antimuskarinerge Substanzen nicht toleriert würden.

Das Unternehmen vergesse bei Erwähnung der Guidelines aber darauf hinzuweisen, wie diese "Empfehlung" lautet. Laut Publikation soll die Gabe von transdermalem Oxybutynin "considered" werden. Lese man nach, wie dieses "consider" zu interpretieren sei, so finde sich in den Guidelines folgender Wortlaut: "This word is used when there is not enough evidence to say whether the action causes benefit or risk to the patient. However, in the opinion of the Panel, the action may be justified in some circumstances. Action is optional.''

Abschließend sei daher festzuhalten, dass kein Nachweis für einen wesentlichen Zusatznutzen von der im Spruch genannten Arzneispezialität gegenüber anderen im EKO gelisteten Therapiealternativen, insbesondere gegenüber retardierten Formen, belegt sei.

In der Stellungnahme vom 6. März 2018, die das Unternehmen in Reaktion auf die vorläufige Feststellung vom 19. Februar 2018 übermittelt habe, moniere das Unternehmen, dass die erste Stellungnahme vom 13. September 2017 nicht ausreichend berücksichtigt worden sei und lege sie daher erneut zur Prüfung vor.

Jetzt wiederhole das Unternehmen, dass die im Spruch genannte Arzneispezialität anhand seines Patientennutzens zu beurteilen sei und der Hauptverband Unterschiede im Nebenwirkungsprofil mit dem Verweis auf fehlende Unterschiede der Wirksamkeit nicht ausreichend gewürdigt habe. Das Unternehmen ergänze, "Der Terminus Patientennutzen stellt nicht (nur) auf die Wirksamkeit, sondern eben auch auf die Verträglichkeit (i.e. Nebenwirkungen) ab. Zwingend hat eine Nutzen/Risiko-Bewertung neben dem Nutzen auch das Risiko von Nebenwirkungen zu beachten und ergibt so in Summe der Patientennutzen."

Dem sei zu entgegen, dass die erste Stellungnahme des Unternehmens ausführlich behandelt worden sei; ein nochmaliges Eingehen auf diese Argumente erübrige sich daher. Auf die wiederholt vorgebrachte Argumentation der zweiten Stellungnahme (6. März 2018) sei ebenfalls nur zu wiederholen, dass rein durch ein anderes Nebenwirkungsprofil bei vergleichbarer Wirksamkeit kein Zusatznutzen festgestellt werden könne. Anzumerken sei auch, dass in den vom Unternehmen angeführten Studien [Dmochowski 2002; Dmochowski 2003; Dmochowski 2005; Davila 2001; Chapple 2005], gerade jene Patienten/Patientinnen, die laut Unternehmen besonders von einer transdermalen Therapie profitieren würden (= PatientInnen, die mit mindestens zwei oralen Anticholinergika vorbehandelt wurden), nicht oder nur in sehr geringem Ausmaß untersucht worden seien.

Bemerkenswert sei auch, dass das Unternehmen mit keinem Wort auf den Vorschlag, das Produkt "Frei verschreibbar" in Grün aufzunehmen, eingegangen sei. Wie bei anderen Produkten sehe die zugelassene Verwendung keine Einschränkung auf vorbehandelte Patienten/Patientinnen vor. Damit sei die im Spruch genannte Arzneispezialität derzeit das einzige im Gelben Bereich des EKO gelistete Produkt. Nachdem das Unternehmen aber keinen Beleg erbracht habe, dass dieses wirksamer und/oder sicherer als relevante Vergleichsprodukte sei, somit den wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für den weiteren Verbleib im EKO nicht nachgewiesen habe (vgl. VwGH vom 14.9.2016, Ra 2016/08/0090, Pkt. 5.2. der Entscheidungsgründe sowie VwGH vom 7.9.2017, Ra 2017/08/0024, Rz 15) sei eine weitere Anführung in Gelb nicht gerechtfertigt. Aufgrund von etwaigen Unterschieden im Nebenwirkungsprofil wäre eine Anführung von der im Spruch genannten Arzneispezialität im Grünen Bereich des EKO wünschenswert, um Patienten/Patientinnen weitere therapeutische Optionen anbieten zu können.

4. Gegen diesen Bescheid wurde firstgerecht Beschwerde erhoben, dieser im vollen Umfang angefochten und im Wesentlichen die Argumentation der Stellungnahme im Verfahren vor dem Hauptverband wiedergegeben. In Einem wurde unter der Voraussetzung des Verbleibs im Gelben Bereich ein neues Preisangebot gestellt.

Die belangte Behörde versuche ihre Entscheidung mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14.09.2016 zu Ra 2016/09/0090 zu stützen, verabsäume es aber, eingehend auf die Argumente der Beschwerdeführerin einzugehen. Die belangte Behörde vermeine, dass durch die Beschwerdeführerin kein Beleg für einen wesentlichen Zusatznutzen gegenüber anderen im Grünen Bereich gelisteten therapeutischen Alternativen erbracht worden sei. Diese Feststellung sei verfehlt, da die Beschwerdeführerin den Zusatznutzen detailliert und mit entsprechenden Belegen ausgestattet, dargelegt habe.

Auch vermeine die belangte Behörde, dass die erste Stellungnahme der Beschwerdeführerin ausführlich behandelt worden sei und ein nochmaliges Eingehen auf diese Argumente sich erübrigen würde. Diese Ansicht der belangten Behörde sei verfehlt, da aus der unterlassenen Begründung des Bescheides in diesem Punkt eine Verletzung der Begründungspflicht der Behörde nach § 58 Abs. 2 bzw. § 60 AVG folge. Nach § 60 AVG seien in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Ein Verweis auf zuvor ergangene Stellungnahmen, o.Ä. sei nicht ausreichend. Der Bescheid sei daher in seiner Begründung fehlerhaft.

Die Beschwerdeführerin stellte die Anträge,

das Bundesverwaltungsgericht möge

a. den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufheben,

in eventu

b. gemäß Art 130 Abs. 4 B-VG iVm § 28 Abs. 2 VwGVG in der Sache selbst entscheiden und den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass die gegenständliche Arzneispezialität nicht aus dem Gelben Bereich des Erstattungskodex gestrichen wird.

in eventu

c. den angefochtenen Bescheid gern. § 28 Abs. 3 VwGVG mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen,

d. jedenfalls eine mündliche Verhandlung durchführen.

5. Mit der Stellungnahme zur Beschwerde vom 18. Juni 2018 stellte der Hauptverband den Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge die Beschwerde abweisen.

6. Am 18. Februar 2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Den Parteien wurde darin nochmals die Gelegenheit gegeben, ihre Standpunkte darzulegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die im Spruch genannte Arzneispezialität enthält den Wirkstoff Oxybutynin, wurde mit 1. Dezember 2006 in den Gelben Bereich des Erstattungskodex aufgenommen und weist seit 1. Jänner 2008 folgende bestimmte Verwendung auf:

"Bei Dranginkontinenz, die aufgrund von therapiebegrenzender Sicca-Symptomatik durch mind. zwei orale Anticholinergika mit unterschiedlichen Wirkstoffen (ATC-Code G04BD) aus dem Grünen Bereich nach Titration auf die maximal verträgliche Dosis nachweislich (Miktionsprotokoll) nicht ausreichend behandelt werden konnte. Therapiefortsetzung nur bei anhaltender Symptomkontrolle bei gleichzeitig reduzierter Sicca-Symptomatik."

Seit dem Jahre 2006 wurden weitere Arzneispezialitäten mit Wirkstoffen auf der selben 4. ATC-Ebene (G04BD - Mittel bei Pollakisurie und Harninkontinenz) für die gleiche Indikation in den Grünen Bereich des Erstattungskodex aufgenommen. Dazu gehören Arzneispezialitäten mit verzögerter Wirkstofffreisetzung und eine Arzneispezialität mit dem Wirkstoff Mirabegron, welche andere pharmakologische Eigenschaften (Beta-3-Adrenozeptoragonist) und ein anderes Nebenwirkungsprofil besitzt als die übrigen Wirkstoffe (Antimuskarinika, Anticholinergika) der Gruppe G04BD. Das therapeutische Umfeld hat sich somit seit der Aufnahme der im Spruch genannten Arzneispezialität in den EKO geändert.

Bei der im Spruch genannten Arzneispezialität handelt es sich um eine neue Darreichungsform eines im Grünen Bereich des Erstattungskodexes angeführten Wirkstoffes. Somit unterscheidet sich die im Spruch genannte Arzneispezialität gegenüber den sonstigen therapeutischen Alternativen lediglich in seiner transdermalen Darreichungsform.

Die im Spruch genannte Arzneispezialität ist zum Entscheidungszeitpunkt eine weitere Therapieoption mit gleichem oder ähnlichem therapeutischen Nutzen für Patienten/Patientinnen im Vergleich zu den im Grünen Bereich gelisteten therapeutischen Alternativen. Gegenüber diesen wurde seitens der Beschwerdeführerin kein wesentlicher therapeutischer Zusatznutzen nachgewiesen.

2. Beweiswürdigung:

Die angeführten Feststellungen ergeben sich aus den Verfahrensakten, Einsichtnahme in die Fachinformationen und in den Erstattungskodex, Einsichtnahme in die vorgelegten Studien und den Ergebnissen der Beschwerdeverhandlung vom 18. Februar 2019.

2.1. Zum Eintritt "neuer" medizinisch-therapeutischer Umstände im Sinne des § 351f ASVG:

Zum Zeitpunkt der Aufnahme der im Spruch genannten Arzneispezialität im Jahre 2006 waren zwei der nunmehr gelisteten Wirkstoffe bereits im EKO enthalten (Oxybutynin und Trospium). Hiebei handelte es sich jedoch um schnell-freisetzende Formulierungen. Retardierte Formulierungen wurden erst danach in den Grünen Bereich des EKO aufgenommen. Retardierte Formen werden mit weniger Mundtrockenheit in Verbindung gebracht als schnell-freisetzende Formen.

Der Hauptverband ging somit zu Recht davon aus, dass im Vergleich zum Zeitpunkt der Aufnahme der im Spruch genannten Arzneispezialität in den EKO neue Umstände vorliegen, die zumindest einen ausreichenden Verdacht darstellen, ein Verfahren gemäß § 351f Abs. 1 ASVG einzuleiten und diese auf Grundlage der im EKO zur Verfügung stehenden Alternativen neu zu evaluieren.

2.2. Prüfung der Voraussetzungen für die Aufnahme in den EKO zum Entscheidungszeitpunkt:

§ 351c Abs. 8 iVm § 31 Abs. 3 Z 12 lit. b ASVG setzt in Bezug auf den medizinischen Zusatznutzen für die Aufnahme einer Arzneispezialität in den Gelben Bereich voraus, dass die Arzneispezialität im Vergleich zu den maßgeblichen therapeutischen Alternativen aus dem Grünen Bereich des EKO einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für Patienten/Patientinnen (bzw. für eine bestimmte Untergruppe von Patienten/Patientinnen) aufweist (Eintrittsvoraussetzung).

2.3. Therapeutische Alternativen aus dem Grünen Bereich:

Die in weiterer Folge dargestellten, im Grünen Bereich gelisteten Arzneispezialitäten gehören ebenfalls zur Gruppe der Antimuskarinika (gleicher ATC-Code auf Ebene 4), haben vergleichbare Indikationen und werden in der klinischen Praxis als therapeutische Alternativen verwendet. Durch den Eintritt retardierter Formen mit niedrigeren Nebenwirkungsraten, allen voran weniger Mundtrockenheit, hat sich das therapeutische Umfeld geändert und deshalb sind insbesondere diese Retardprodukte als Vergleichsprodukte anzusehen.

Das Wirkprinzip des selektiven Beta-3-Adrenozeptoragonisten Mirabegron unterscheidet sich von den übrigen in der Gruppe G04BD genannten Wirkstoffen, allerdings hat es wie die weiteren Therapiealternativen den gleichen ATC-Code auf 4. Ebene (G04BD), gehört auch in die Gruppe der urologischen Spasmolytika und wird in gleichen Indikationen eingesetzt. Daher ist auch Mirabegron als Vergleichspräparat heranzuziehen.

Darstellung der im Grünen Bereich gelisteten therapeutische Alternativen:

XXXX Gegenüber diesen therapeutischen Alternativen (orale Gabe) unterscheidet sich die im Spruch genannte Arzneispezialität in ihrer Darreichungsform (transdermal) und handelt es sich somit jedenfalls "um eine neue Darreichungsform eines im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffes" (§ 23 Abs. 2 Z 4 VO-EKO).

Der Unterschied der im Spruch genannten Arzneispezialität im Vergleich zu den antimuskarinisch wirkenden oralen Alternativen liegt in der Darreichungsform. Wie mehrfach von der Beschwerdeführerin dargelegt, unterliegt Oxybutynin bei oraler Gabe zu 90 bis 96 % einem First-Pass-Metabolismus. Die Leber ist der Hauptmetabolisierungsort im Körper und dort werden ca. 90 % zum Metaboliten in Desethyloxybutynin abgebaut. Es ist vor allem dieser Metabolit, der für die Nebenwirkung der Mundtrockenheit vorwiegend verantwortlich gemacht wird. Durch die transdermale Verabreichung tritt dieser First-Pass-Effekt geringer auf und dadurch wird der Metabolit entsprechend weniger gebildet.

Zusätzlich erfolgen durch die transdermale Verabreichung eine kontinuierliche Wirkstoffabgabe und eine Vermeidung von Blutspiegel-Spitzen. Antimuskarinika mit retardierter Wirkstofffreisetzung weisen ebenfalls weniger deutliche Blutspiegel-Spitzen auf als schnell freisetzende Formen.

Ob und inwieweit allerdings diese pharmakokinetischen Eigenschaften des Pflasters tatsächlich wesentliche therapeutische Vorteile bringen, wäre anhand klinischer Studien nachzuweisen. Solche geeigneten Studien wurden allerdings nicht vorgelegt.

Die Beschwerdeführerin vermeint, dass die Sonderstellung der transdermalen Darreichungsform nicht berücksichtigt worden ist, und weist darauf hin, dass die im Spruch genannten Arzneispezialität nach wie vor das einzige Präparat mit dieser Darreichungsform sei. Die VO-EKO hält jedoch fest, dass ein Vergleich - unbeschadet der Darreichungsform - mit den verfügbaren therapeutischen Alternativen in der häufigsten Indikation zu erfolgen hat (vgl. § 22 Abs. 1 VO-EKO) und bei der Auswahl der Vergleichsprodukte, sofern zweckmäßig, auf die 4. ATC Ebene abzustellen ist (vgl. § 23 Abs. 1 Z 2 VO-EKO).

2.4. Medizinisch-therapeutische Evaluation:

Um zu klären, ob der belangte Hauptverband sein gesetzlich eingeräumtes Ermessen bei der Streichung der im Spruch genannten Arzneispezialität überschritten hat, ist nach Festlegung der therapeutischen Alternativen folgende weitere Frage aus dem Tatsachenbereich im Rahmen der medizinisch-therapeutischen Evaluation von Relevanz:

Wurde für die im Spruch genannte Arzneispezialität im Vergleich zu den maßgeblichen therapeutischen Alternativen ein wesentlicher zusätzlicher therapeutischer Nutzen für Patienten/Patientinnen (bzw. für eine bestimmte Untergruppe von Patienten/Patientinnen) nachgewiesen?

Ein wesentlicher zusätzlicher therapeutischer Nutzen wäre gegeben, wenn (allenfalls durch anerkannte Surrogatparameter) bedeutende Verbesserungen gegenüber vorhandenen therapeutischen Alternativen nachweisbar sind, etwa - je nach Art der Erkrankung - der (deutlich raschere und/oder vollständigere) Rückgang der Symptome, die Verlängerung der Überlebensdauer, das Vermeiden bzw. Hinauszögern von Folgeschäden oder das Ausbleiben von schweren Nebenwirkungen. Bei chronischen Erkrankungen kann auch eine - eindeutig objektivierbare, erhebliche Verbesserung der Lebensqualität einen wesentlichen therapeutischen Zusatznutzen begründen.

Nochmals ist zu betonen, dass zum Zeitpunkt der Aufnahme der im Spruch genannten Arzneispezialität in den EKO nur schnell-freisetzende orale Präparate (IR = Immediate Release) als therapeutische Alternativen im Grünen Bereich des EKO gelistet waren. Nachdem gerade solche Präparate häufig mit Mundtrockenheit einhergehen, und diese bei der im Spruch genannten Arzneispezialität seltener auftritt, als bei IR-Anticholinergika, wurde die bestimmte Verwendung der im Spruch genannten Arzneispezialität auf Patienten/Patientinnen mit Dranginkontinenz und therapiebedingter Sicca-Symptomatik eingeschränkt. Bei retardierten Formen (ER = Extended Release) ist die unerwünschte Nebenwirkung der Mundtrockenheit seltener (Madhuvrata et al., 2012; American Urological Association 2014). Die Argumentation der Beschwerdeführerin, dass für retardierte Formen kein Zusatznutzen anerkannt worden sei und sich der Zusatznutzen der im Spruch genannten Arzneispezialität deshalb genauso darstelle wie zum Zeitpunkt der Evaluierung im Zuge des Aufnahmeverfahrens, geht daher ins Leere.

Verfahrensgegenständlich stellt sich nämlich nicht die Frage eines Zusatznutzens der retardierten Formen gegenüber den schnell-freisetzenden oralen Präparaten sondern inwieweit die im Spruch genannte Arzneispezialität gegenüber den im Grünen Bereich gelisteten therapeutischen Alternativen zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt, somit unter Berücksichtigung der retardierten Formen - (weiterhin) einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen aufweist, der einen Verbleib im Gelben Bereich rechtfertigt.

In der einzigen Studie, die die im Spruch genannte Arzneispezialität in der entsprechenden Dosierung mit einem retardierten Antimuskarinikum - Tolterodin 4 mg ER - verglich (Dmochowski et al., Transdermal Oxybutynin Study Group: Comparative efficacy and safety of transdermal oxybutynin and oral tolterodine versus placebo in previously treated patients with urge and mixed urinary incontinence, 2003), und auf die sich auch die Beschwerdeführerin berief, wurden 320 inkontinente Patienten/Patientinnen, die bereits auf Therapien für überaktiver Blase (OAB) angesprochen hatten, nach einer zweiwöchigen Wash-out Phase eingeschlossen. Zwischen den beiden aktiven Therapien zeigten sich vergleichbare Wirksamkeitsergebnisse in Bezug auf Anzahl der Inkontinenzepisoden, Kontinenz und Miktionsfrequenz.

Unterschiede zeigten sich hingegen beim Nebenwirkungsprofil. Mehr Patienten/Patientinnen litten unter systemischen, therapiebedingten Nebenwirkungen mit Tolterodin ER (moderate 10,6 %; schwere 2,4 %) als mit Oxybutynin-Pflaster (moderate 5,8 %; schwere 0,8 %); davon war Mundtrockenheit die häufigste Nebenwirkung (Tolterodin ER 7,3 % vs. Oxybutynin-Pflaster 4,1 %). Im Vergleich zu Tolterodin ER waren mit dem Pflaster allerdings sowohl Reaktionen an der Applikationsstelle (Oxybutynin-Pflaster: moderate 14,0 %; schwere 5,0 % vs. Tolterodin ER: moderate 3,3 %; schwere 0,8 %) als insbesondere auch Therapieabbrüche aufgrund von Nebenwirkungen häufiger (Oxybutynin-Pflaster: 10,7 % vs. Tolterodin ER 1,6 %). Die Studie zeigte - wie bereits ausgeführt - eine ähnliche Wirksamkeit von retardiertem Tolterodin und Oxybutynin-Pflaster und inkludierte neben einem aktiven Behandlungsarm mit retardiertem Tolterodin auch einen Placebo-Arm. Beide Wirkstoffe wurden mit Placebo verglichen. Der relevante Vergleich in Bezug auf den Endpunkt Mundtrockenheit wäre jedoch zwischen retardiertem Tolterodin und Oxybutynin-Pflaster durchzuführen gewesen. Die Ergebnisse sind deshalb nur rein explorativ zu sehen und können einen etwaigen Unterschied zwischen Oxybutynin-Pflaster und retardiertem Tolterodin nicht unter Kontrolle der Fehlerwahrscheinlichkeiten 1. und 2. Art bestätigten. Ein etwaiger numerischer Unterschied kann daher allenfalls als Indiz, gestützt auf pharmakokinetische Überlegungen, jedoch keinesfalls als gesicherter Beleg für einen tatsächlichen Unterschied sein. Grundsätzlich bestand in der Beschwerdeverhandlung Einigkeit dahingehend, dass die Fallzahl dieser Studie auch nicht auf die statistische Sicherung von Unterschieden hinsichtlich Nebenwirkungen der Wirkstoffe ausgerichtet war.

In rezenten Guidelines und Positionspapieren finden sich Aussagen, dass hinsichtlich der klinischen Wirksamkeit derzeit keine eindeutige Evidenz existiert, die belegt, dass ein Wirkstoff einem anderen in Hinsicht Heilung oder Verbesserung der Dranginkontinenz überlegen sei (European Association of Urology, 2015). Auch ein rezenter Cochrane Review basierend auf 86 randomisiert kontrollierten Studien gibt für keines der untersuchten Präparate eine eindeutige Empfehlung ab. Für ER-Formulierungen wird allgemein erwähnt, dass diese "might be preferred to immediate release preparations because there is less risk of dry mouth" (Madhuvrata et al., 2012). Der Cochrane Review schließt, dass Mundtrockenheit mit transdermalem Oxybutynin möglicherweise seltener auftritt als mit Tolterodin ER, manche Patienten/Patientinnen aber aufgrund der Hautreaktionen die Pflastertherapie beendeten.

Prinzipiell sollten entsprechend einer Empfehlung ER Präparate aufgrund von weniger Mundtrockenheit bevorzugt werden (European Association of Urology, 2015; American Urological Association, 2014; American College of Physicians, 2014). Die transdermale Verabreichung von Oxybutynin in Form des Pflasters wird ebenfalls als Alternative mit reduzierter Mundtrockenheit erwähnt, allerdings stehen diesem Vorteil mehr lokale Hautreaktionen und dadurch häufigere Therapieabbrüche entgegen, die zusätzlich zu Abbrüchen aufgrund der anticholinergen Nebenwirkungen entstehen (European Association of Urology, 2015).

Die Beschwerdeführerin selbst legte keine Studien vor, die einen etwaigen Zusatznutzen, insbesondere wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen der im Spruch genannten Arzneispezialität, auch in Bezug auf Darreichungsform und den damit verbundenen gleichmäßigeren Wirkstoffspiegel, im Vergleich zu den im Grünen Bereich des EKO angeführten therapeutischen Alternativen belegen würden.

Durch die bestimmte Verwendung festgelegte Gruppe von Patienten/Patientinnen:

Die Beschwerdeführerin beanstandet die Streichung aus dem Gelben Bereich des EKO (und auch die im Verfahren vo

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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