Entscheidungsdatum
08.08.2019Norm
ABGB §7Spruch
W131 2221576-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. Reinhard GRASBÖCK als Einzelrichter im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "Winterdienst, ProVia ID. 27468" jedenfalls namens der Auftraggeberinnen ÖBB-Holding AG, ÖBB-Immobilienmanagement GmbH, ÖBB-Infrastruktur AG, ÖBB-Produktion GmbH, ÖBB-Technische Services GmbH, Rail Equipment GmbH und Rail Cargo Logistics-Austria GmbH, alle vertreten durch die vergebende Stelle ÖBB-Business Competence Center GmbH und letztlich vor dem BVwG vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte aufgrund des Antrags der anwaltlich vertretenen Antragstellerin XXXX (ASt) vom (protokoliert) 22.07.2019 "das Bundesverwaltungsgericht möge der Auftraggeberin nach Mitteilung über diesen Antrag mittels einstweiliger Verfügung für die Dauer des gegenständlichen Nachprüfungsverfahrens untersagen, im Vergabeverfahren "Winterdienst, ProVia ID. 27468" hinsichtlich der Lose 6.02WD, 6.03WD, 6.04WD, 6.05WD, 6.06WD, 6.09WD, 6.10WD, 6.11WD und 6.12WD die betreffenden Rahmenvereinbarungen abzuschließen", folgenden Beschluss:
A)
Es wird für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt, im gegenständlichen Vergabeverfahren namens der Auftraggeberinnen ÖBB-Holding AG, ÖBB-Immobilienmanagement GmbH, ÖBB-Infrastruktur AG, ÖBB-Produktion GmbH, ÖBB-Technische Services GmbH, Rail Equipment GmbH und Rail Cargo Logistics-Austria GmbH die Rahmenvereinbarungen für die Lose 6.02WD, 6.03WD, 6.04WD, 6.05WD, 6.06WD, 6.09WD, 6.10WD, 6.11WD und 6.12WD abzuschließen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Im Internet findet sich mit Datum 13.04.2018 die (letzte) Bekanntmachung eines Prüfsystems ua betreffend Winterdienste mit der Auftraggeberbezeichnung "ÖBB Holding AG, sowie die mit ihr im Sinne des § 228 (3) UGB verbundenen Gesellschaften", wobei § 228 Abs 3 UGB gemäß § 906 Abs 28 UGB damals bereits außer Kraft getreten war.
Mit Eingabe vom 22.07.2019 begehrte die Antragstellerin (ASt) die Nichtigerklärung der am 16.07.2019 von der Auftraggeberseite bekannt gegebenen Entscheidung, mit welchen Unternehmen die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, betreffend die Lose 6.02WD, 6.03WD, 6.04WD, 6.05WD, 6.06WD, 6.09WD, 6.10WD, 6.11WD und 6.12WD, und insb auch die mit dem Spruch betreffend die im Spruch angeführten Auftraggeberinnen erlassene einstweilige Verfügung.
Die Auftraggebervertretung brachte zu dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Punkte des Sicherungsmeritums vor, dass keine Einwände gegen die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung bestehen würden.
Der hier erkennende Richter war zum Zeitpunkt des Antragseinlangens und danach von 24.07.2019 bis 06.08.2019 nicht im Dienst und sah sich am 07.08.2019 mit der Tatsache konfrontiert, dass bis dahin nicht geklärt werden konnte, wer dem Firmennamen nach Vertragspartner der streitgegenständlichen Rahmenvereinnbarungen und damit Auftraggeber wäre.
Während die ASt ihre Rechtsschutzanträge gegen die "ÖBB - Holding AG sowie die mit ihr gemäß § 189a Z 8 UGB verbundenen Gesellschaften" richtete und der Nachprüfungseingabe eine "Auftraggeberentscheidung" ohne wirkliche Auftraggebererkennbarkeit beilegte, bezeichnete die einschreitende Rechtsvertretung der Auftagagberseite die Auftraggeber entweder bislang so wie die ASt; oder aber die ÖBB Holding AG singulär als Auftraggeberin; bzw benannte die Rechtsvertretung der Auftraggeberseite die im Spruch ersichtlichen Gesellschaften konkret, zuletzt am 07.08.2019 allerdings ohne die Rail Cargo Logistics-Austria GmbH.
Derart hat die Auftragebervertretung in ihren bisherigen Eingaben letztlich mit der OZ 17 des Verfahrensakts W131 2221576-2 sieben Gesellschaften konkret als solche mit Auftraggebereigenschaft bezeichnet, womit das BVwG - wertend iSd Rechtsschutzes - diese sieben als Adressaten dieser Entscheidung übernommen hat, nachdem in der zitierten Eingabe der Auftrtaggebervertretung im Vergleich zu deren anderen Eingaben die größte bestimmte Offenlegung von konkreten Auftraggeberinnen stattgefunden hat.
In der Verständigung über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung war die Auftraggeberseite auf die Säumnisentscheidungsbefugnis des BVwG mangels entsprechender Auskunftserteilung hingewiesen worden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (samt Besweiswürdigung)
Der Verfahrensgang wird als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt; und ergibt sich dieser aus dem Inhalt der Verfahrensakten W131 221576-1, -2 und -3
2. Zulässigkeit des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung:
2.1. Im Wege einer Grobprüfung der Antragslegitimation der Antragstellerin zur Stellung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 (= BVergG) zu prüfen, ob der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG nicht offensichtlich fehlen. Diese Grobprüfung ergibt, dass sich das Verfahren in einem Stadium vor Abschluss der Rahmenvereinbarung befindet, dass die Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung - nämlich der Entscheidung mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll - behauptet wurde, dass die Antragstellerin ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich des BVergG 2018 (=BVergG) unterliegenden Vertrages, sprich mehrer losweiser Rahmenvereinbarungen, behauptet hat, sowie dass der Antragstellerin durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden drohen könnte. Ein offensichtliches Fehlen der Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG ist somit nicht gegeben.
2.2. Gemäß § 343 Abs 1 BVergG sind Anträge auf Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung bei einer Übermittlung der Entscheidung auf elektronischem Weg oder mittels Telefax im Oberschwellenbereich binnen 10 Tagen einzubringen. Die Bekanntgabe der Entscheidung mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, erfolgte am 16.07.2019. Die Nachprüfungseingabe ist am 22.07.2019 beim BVwG eingelangt und somit rechtzeitig eingebracht worden. Die Rechtsschutzanträge wurden - nach einem Verbesserungsauftrag - auch auftragsgemäß vergebührt und erfüllen - soweit im Provisorialverfahren ersichtlich - auch die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen, zumal effektiver Rechtsschutz gemäß der RL 89/665/EWG zu grewährleisten ist und insoweit auf Tatsacheneben strittige Auftragebereigenschaften das Provisorialverfahren unionsrechtskonform nicht hindern dürfen.
2.3. Klarzustellen ist idZ insb, dass in der bzw den angefochtenen losweisen "Auswahlentscheidungen" der Name des als Bestbieter ermittelten in Aussicht genommenen Rahmenvereinbarungspartners nicht genannt ist, obwohl § 2 Z 15 lit a sublit jj BVergG dies als essentiale erscheinen könnte, wobei die ASt diese ausgewählte Bieterin dennoch selbst benannte. Da diese Frage der Zurückweisung mangels gesondert anfechtbarer Entscheidung bzw der Einschlägigkeit des § 347 Abs 1 Z 2 BVergG bislang parteienseitig nicht substantiiert wurde, wurde dieser - gemäß EuGH Rs C-424/01 im Punkte der Erfolgsaussichten des Nachprüfungsbegehrens im Sicherungsbereich rechtserhebliche - Themenbereich mangels offensichtlicher Erledigungsnotwendigkeit in bestimmter Richtung teleologisch der Senatsentscheidung vorbehalten - § 7 ABGB iVm dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes iSd RL 89/665/EWG iVm Art 47 GRC.
IdZ ist festzuhalten, dass das BVwG keinesfalls gehalten ist, die als Bestbieterin ausgewählte Rahmenvereinbarugnspartnerin gegenüber der Antragstellerin geheim zu halten - VwGH Ra 2016/04/0131.
2.4. Zur Adressierung der im Spruch ausgesprochenen Untersagung ist abstrakt festzuhalten, dass im gemäß § 333 BVergG hier (subsidiären) Anwendungsbereich des AVG aus der hoheitlichen Entscheidung des BVwG selbst die Adressaten des Spruchs bei sonstiger absoluter Nichtigkeit erkennbar sein müssen, siehe dazu zB VwGH 97/06/0217.
IdZ ist weiters festzuhalten, dass nach der Rsp des VwGH zu den §§ 8 und 9 AVG eine direkte Stellvertretung gemäß dem dann maßgeblichen bürgerlichen Recht nur bei entsprechend bestimmter Offenlegung des Vertretenen in Betracht kommt.
Wenn daher im bisherigen Verfahrensgeschehen nur die im Spruch ersichtlichen auftraggeberseitigen Gesellschaften hinreichend bestimmt iSd § 869 ABGB als vertretene Auftraggeberinnen offenglegt sind, war es bislang nur zulässig, einen individuell konkreten normativen Hoheitsakt gegenüber diesen Gesellschaften zu erlassen - VwGH 96/06/0217; dies unbeschadet der am 22.07.2019 erfolgten Verständigung der Auftraggeberseite gemäß § 350 Abs 6 BVergG rücksichtlich allfälliger zusätzlicher Auftraggeberinnen durch das Gericht, nachdem innerhalb der Auftraggeberseite im Vergabeverfahren über eine vergebende Stelle gegenüber den Bietern tätig ist.
3. Inhaltlich zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung
Gemäß § 350 Abs 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.
Gemäß § 351 Abs 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.
Gemäß § 351 Abs 3 BVergG können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.
Die Antragstellerin hat ua die Anträge auf Nichtigerklärung der Entscheidung mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll betreffend die Lose 6.02WD, 6.03WD, 6.04WD, 6.05WD, 6.06WD, 6.09WD, 6.10WD, 6.11WD und 6.12WD gestellt.
Da seitens der Auftraggeberin auf Grund der Entscheidung vom 16.07.2019 mit welchen Unternehmern die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, beabsichtigt ist, die Rahmenvereinbarung in den Losen 6.02WD, 6.03WD, 6.04WD, 6.05WD, 6.06WD, 6.09WD, 6.10WD, 6.11WD und 6.12WD mit jemand anderem abzuschließen, dies aber bei Zutreffen der Behauptungen der Antragstellerin rechtswidrig sein könnte und nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Antragstellerin für den Abschluss der Rahmenvereinbarung in Betracht kommen könnte, droht der Antragstellerin durch die behaupteten Rechtswidrigkeiten möglicherweise der Entgang eines Rahmenvereinbarungsabschlusses (als erstgereihte Bieterin) und damit letztlich ein Schaden durch evtl entgehende Absatzchancen, der nur durch die Verhinderung des Abschlusses der Rahmenvereinbarungen abgewendet werden kann, da der möglicherweise bestehende Anspruch auf Abschluss der Rahmenvereinbarung nur wirksam gesichert werden kann, wenn das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesverwaltungsgericht in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige spätere Zuschlagserteilung an die Antragstellerin und einen Abschluss der Rahmenvereinbarung mit der Antragstellerin ermöglicht.
Die Auftraggeberin hat verfahrensökonomisch keine Einwände gegen die beantragte Erlassung einer einstweiligen Verfügung erhoben.
Bei Abwägung aller möglicherweise geschädigten Interessen der Antragstellerin, der sonstigen Bieter und der Auftraggeberin, eines allfälligen besonderen öffentlichen Interesses an der Fortführung des Vergabeverfahrens sowie des öffentlichen Interesses an der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter (VfGH 15.10.2001, B 1369/01) erscheint daher (insb mangels gegenläufig konkretisierter Auftraggeberinteressen) ein Überwiegen der nachteiligen Folgen der einstweiligen Verfügung für die bewilligte Dauer nicht gegeben. Im Übrigen hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ein Auftraggeber zumindest ein Nachprüfungsverfahren sowie die damit einhergehende Verzögerung des Vergabeverfahrens einzukalkulieren.
Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst, Kommentar zur Exekutionsordnung² [2008], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. § 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit, legt im Gegensatz zu den Vorgängergesetzen keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Die Auftraggeberin ist durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichtes davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum fest gesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (vgl BVA 24.6.2010, N/0051-BVA/10/2010-EV13 mit weiteren Nachweisen).
B) Zulässigkeit Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision war gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zuzulassen, weil noch keine gefestigte Rsp des VwGH zur grundsätzlichen Rechtsfrage vorliegt, inwieweit im Provisorialverfahren als einem Eilverfahren vorzugehen ist, wenn weder die Antragstellerin noch die Vertretung der Auftraggdeberseite bestimmt und genau bezeichnet, gegen oder für welche sämtlichen Konzerngesellschaften aus der Auftraggebersphäre sie auftreten.
Schlagworte
Abschlussverbot, Dauer der Maßnahme, effektiver Rechtsschutz,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W131.2221576.1.00Zuletzt aktualisiert am
10.03.2020