Entscheidungsdatum
08.08.2019Norm
BFA-VG §18 Abs3Spruch
I419 2134981-2/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX alias XXXX, geb. XXXX, alias XXXX, geb. XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch VEREIN MENSCHENRECHTE ÖSTERREICH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 24.10.2017, Zl. XXXX, zu Recht:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und der
angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer nigerianischer Staatsangehörigkeit reiste am 25.04.2008 illegal ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 29.07.2008 wies das BAA den Antrag als unbegründet ab und verfügte die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Nigeria.
Den Spruchpunkt betreffend die Ausweisung hat dieses Gericht am 07.09.2015 aufgehoben und die Angelegenheit zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das BFA zurückverwiesen.
2. Das BFA hat darauf am 22.08.2016 dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung zulässig sei, wobei die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Diesen Bescheid hat dieses Gericht am 28.09.2016 gänzlich behoben, die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen und aufgetragen, dass dieses sich mit der Intensität des Familienlebens des Beschwerdeführers auseinandersetze. Das BFA werde nach allen nötigen Ermittlungen "allenfalls - je nach Ausgang des Ermittlungsverfahrens - einen neuen Bescheid zu erlassen haben".
3. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid hat das BFA über den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot von 10 Jahren verhängt (Spruchpunkt I), keinen Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II) und der Beschwerde dagegen die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III).
In der Beschwerde verweist der Beschwerdeführers auf seinen Status als begünstigter Drittstaatsangehöriger und bringt vor, das Aufenthaltsverbot sei im Sinn des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig. Zudem habe das BFA im Hinblick auf die Dauer des Aufenthaltsverbots eine Prognose betreffend die Gefährlichkeit unterlassen.
4. Die aufschiebende Wirkung hat dieses Gericht der Beschwerde am 28.11.2017 zuerkannt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
1.1 Zum Beschwerdeführer:
Der Beschwerdeführer hält sich seit seinem mit Alias-Daten gestellten Antrag auf internationalen Schutz im Inland auf, abgesehen von einem längeren Spanienaufenthalt 2011 anlässlich seiner Trauung und des Aufgebots, also gut 11 Jahre. Andere Reisen unternahm er zur kirchlichen Hochzeit 2013 nach Rumänien und dreimal in den Herkunftsstaat, zuletzt 2013 und 2018, als er Reisepässe besorgte. Seine Identität steht fest.
Seit 26.06.2008 ist er durchgehend mit Hauptwohnsitz im Inland gemeldet, ausgenommen von 18.05. bis 30.11.2011. Er bezog bis Sommer 2016 Grundversorgung und arbeitete, anfangs als Zeitungszusteller, dann schwarz als Autozerleger und Hilfsarbeiter, wofür er seit 2009 regelmäßig Einkommen von etwa € 400,-- bis € 500,-- monatlich erzielte. Er war 2019 für 5 Wochen bei einem Personaldienstleister und dann ab 13.05. bis 08.07 als Abwäscher in einem Restaurant in Wien 1 jeweils vollversichert tätig und erhielt monatlich rund €
1.760,-- brutto. Deutschkenntnisse auf Niveau A1 hat er 2009 nachgewiesen und 2015/16 einen "A1+"-Kurs besucht.
Er ist seit 2011 mit einer gut 10 Jahre jüngeren rumänischen Staatsangehörigen verheiratet, die seit spätestens 23.01.2012 durchgehend in Wien wohnt, und hat mit dieser eine am 20.10.2016 geborene gemeinsame Tochter. Kennengelernt hat er sie kurz nach seiner Ankunft in Österreich via Internet. Sie spricht Spanisch und wie der Beschwerdeführer Englisch, studierte anfangs der Beziehung in Rumänien und besuchte diesen bis zu viermal monatlich, wobei sie sich manchmal auch zwei Wochen oder einen Monat bei ihm aufhielt, ohne sich behördlich anzumelden.
Nach Abschluss ihres Studiums zog die Genannte nach Wien. Anschließend entschloss sich das Paar, auf Anraten von Landsleuten des Beschwerdeführers oder anderer Dritter, in Spanien staatlich zu heiraten. Anfang April 2011 reiste der Beschwerdeführer zu diesem Zweck auf dem Landweg nach Spanien, die Braut reiste nochmals nach Rumänien und kam dann per Flugzeug nach. Das Verfahren vor der Personenstandsbehörde bis zur Trauung umfasste mehrere Einvernahmen sowie eine Wohnsitzprüfung an Ort und Stelle. Es nahm mehrere Monate in Anspruch, während derer die Braut auch Arbeit suchte. Danach, spätestens am 28.11.2011, kehrte der Beschwerdeführer wieder nach Wien zurück.
Der Beschwerdeführer und seine Gattin teilen seit spätestens 27.04.2012 den Hauptwohnsitz. Mit der Tochter wohnen sie in einer Zweizimmerwohnung in Wien 10. Der Beschwerdeführer hat seit 30.10.2015 eine Aufenthaltskarte nach dem NAG als Dokumentation des Aufenthaltsrechts als Angehöriger einer EWR-Bürgerin inne, die bis 2020 gilt. Seine Gattin, mit der er Englisch spricht, war ab 08.08.2014 bis zur Mutterschaft als Arbeiterin für eine GmbH mit Sitz in Wien 15 angemeldet beschäftigt und bezieht derzeit Notstandshilfe. Die Ehegatten bezogen nacheinander pauschales Kinderbetreuungsgeld.
Das LGXXXX verurteilte den Beschwerdeführer
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am 02.06.2010 wegen der Vergehen des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt, der schweren Körperverletzung und des versuchten unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu zehn Monaten Freiheitsstrafe, neun davon bedingt nachgesehen, und
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am 24.06.2016 wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels und der Vorbereitung von Suchtgifthandel zu zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe, wobei der nach § 28a Abs. 4 SMG vorgegebene Strafrahmen ein bis 15 Jahre umfasste.
Deswegen war der Beschwerdeführer von 06.05.2010 bis 04.06.2010 und von 17.04.2016 bis 17.12.2017 in Haft, aus der er bedingt mit einer Probezeit von drei Jahren entlassen wurde. Seine Gattin besuchte den Beschwerdeführer regelmäßig in der Haft, der im gelockerten Vollzug auch im Rahmen des Ausgangs Zeit mit der Familie verbrachte.
Sachverhalt der ersten Verurteilung war, dass der Beschwerdeführer am 06.05.2010 einem Ermittler zwei Kugeln Heroin um € 60,-- überlassen und eine weitere zum Verkauf bereitgehalten, sowie anschließend, um seine Festnahme zu verhindern, einen anderen Beamten mit einem Faustschlag ins Gesicht verletzt hatte.
Die BPD Wien erließ darauf ein unbefristetes Rückkehrverbot, das am 08.11.2010 rechtskräftig wurde.
Die zweite Verurteilung, bei der die erste bereits getilgt war, beruhte darauf, dass der - selbst nicht an Suchtgift gewöhnte - Beschwerdeführer am 17.04.2016 wegen finanzieller Probleme eine Lieferung von Kokain und Heroin in Form von 90 "Bodypacks" in seinem Körper von Holland nach Österreich durchführte, wofür ihm € 1.000,-- versprochen worden waren, die er nicht erhielt, weil er vorher festgenommen wurde.
In der Begründung dazu führt das Strafgericht aus: "Der Angeklagte, der für eine Belohnung von EUR 1.000,--, die er nun auch nicht erhält, seine Gesundheit und sein Leben aufs Spiel setzte, leistete auch dadurch einen Beitrag zur Wahrheitsfindung, dass er in der Justizanstalt von sich aus seinen Aliasnamen bekannt gab. Da verhindert werden konnte, dass das [...] Suchtgift in den Verkehr gelangte, sowie aufgrund der geständigen Verantwortung und des bisher ordentlichen Lebenswandels konnte mit einer Freiheitsstrafe im unteren Bereich des [...] Strafrahmens das Auslangen gefunden werden."
Eine teilbedingte oder bedingte Strafnachsicht reichte, dem Urteil zufolge, aus generalpräventiven Gründen nicht hin, eine unbedingte Freiheitsstrafe sei vielmehr deswegen zu verhängen gewesen, weil es angesichts der internationalen Drogenkriminalität der Vollstreckung der Strafe bedürfe, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. (S. 6 des Urteils, AS 495).
Im Herkunftsstaat leben mehrere Familienangehörige des Beschwerdeführers, jedenfalls Eltern und Geschwister, mit denen dieser Telefonkontakt hat und die er besucht, wenn er dorthin reist.
2. Beweiswürdigung:
2.1 Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. ausgeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts, in denen die Entscheidungen in den bisherigen Beschwerdeverfahren Aktenbestandteile bilden. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), der Datenbank der Sozialversicherung und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.
2.2 Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Ehegattin des Beschwerdeführers konnten nach Ergänzung des Akts um die genannten Registerabfragen getroffen werden. Zu seiner Integration hat er am 21.06.2019 Urkunden nachgereicht.
Betreffend die Aufenthalte im Herkunftsstaat hat der Beschwerdeführer am 25.08.2017 angegeben, seit 2008 dreimal dort Verwandte besucht zu haben (AS 623), was mit der Angaben vom 21.06.2019 übereinstimmt, in den 10 Jahren vor 2019 zweimal dort gewesen zu sein. Aus den Passdaten (Ort und Datum der Ausstellung) ergibt sich, dass er sich dabei auch zweimal Pässe besorgt hat.
Der Nachweis der Deutschkenntnisse wurde laut Erkenntnis vom 07.09.2015 vorgelegt. Der Beschwerdeführer hat angegeben, 2008/09 und glaublich 2014/15 Deutschkurse besucht zu haben (AS 623). Da er in der Verhandlung im Beschwerdeverfahren I409 1401107-1 am 01.09.2015 angegeben hat, den Kurs A1 im Integrationshaus gemacht zu haben, und den A2-Kurs noch vor sich zu haben, sowie in der Stellungnahme vom 15.02.2016, dass er einen Kurs "A1+" besuche (AS 477), kann darüber hinaus keine Sprachqualifikation festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer hat angegeben, er "glaube", dass das Trauungsdatum der 01.06. gewesen sei, allerdings auch, dass es vier oder fünf Monate Wartezeit auf den Trauungstermin gegeben habe, (AS 619 ff). Laut Register der Grundversorgung wurde der Beschwerdeführer am 05.04.2011 wegen dreitägige Abwesenheit abgemeldet (im ZMR erst im Mai). Spätestens am 28.11.2011 war er nach beiden Registern zurück. In seiner Stellungnahme vom 21.06.2019 hat der Beschwerdeführer ergänzt, dass seine Braut in Spanien auch Arbeit suchte. Der Zeitpunkt der Heirat erschloss sich daraus nicht.
Die Beschäftigungen des Beschwerdeführers ergaben sich aus der vorliegenden Lohnabrechnung, dem Auszug der Sozialversicherung und aus seinen Angaben (S. 4 f, AS 644 f), dass er keine Drogen konsumiert konnte dem Strafurteil vom 24.06.2016 (AS 489, 491) entnommen werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgebung und Aufhebung
3.1 Zum Aufenthaltsverbot:
Der Beschwerdeführer ist Ehegatte einer EWR-Bürgerin, der das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nach § 51 NAG zukommt. Damit erfüllt er die Voraussetzung des § 52 Abs. 1 Z. 1 NAG für das Aufenthaltsrecht als Angehöriger der EWR-Bürgerin, was die nach dem NAG zuständige Behörde auch dokumentiert hat, und ist begünstigter Drittstaatsangehöriger.
3.1.1 Die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltsverbots gegen begünstigte Drittstaatsangehörige hängt davon ab, welcher Gefährdungsmaßstab anzulegen ist und ob die nach diesem Maßstab geforderte Gefährdung vorliegt. Die Voraussetzung ist grundsätzlich jene, die § 67 Abs. 1 FPG dafür vorsieht, dass nämlich auf Grund des "persönlichen Verhaltens" des Drittstaatsangehörigen "die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist." Nach dem Wortlaut der Bestimmung muss das persönliche Verhalten "eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt".
Ausdrücklich ordnet die Bestimmung weiter an: "Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig."
Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist nach § 67 Abs. 1 5. Satz FPG ferner nur dann zulässig, wenn aufgrund ihres persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch den Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.
3.1.2 Der zum erhöhten Gefährdungsmaßstab nach dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FPG führende zehnjährige Aufenthalt im Bundesgebiet muss nach der Rechtsprechung grundsätzlich ununterbrochen sein. Einzelne Abwesenheiten des Fremden können unter Berücksichtigung von Gesamtdauer, Häufigkeit und der Gründe, die ihn dazu veranlasst haben, Österreich zu verlassen, auf eine Verlagerung seiner persönlichen, familiären oder beruflichen Interessen schließen lassen. Auch die Zeit einer Freiheitsstrafe ist grundsätzlich geeignet, die Kontinuität des Aufenthaltes zu unterbrechen und sich damit auf die Gewährung des vorgesehenen verstärkten Schutzes auch in dem Fall auszuwirken, dass sich der Fremde vor dem Freiheitsentzug mehrere Jahre lang (kontinuierlich) im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat. Dies ist - bei einer umfassenden Beurteilung - im Rahmen jener Prüfung zu berücksichtigen, die sich darauf bezieht, ob die zuvor mit dem Aufnahmemitgliedstaat geknüpften Integrationsverbindungen abgerissen sind. (Vgl. VwGH 24.03.2015, Ro 2014/21/0079 mwN)
Zu klären ist demnach, ob der Aufenthalt des Beschwerdeführers trotz der Haftzeiten und der in Spanien verbrachten Zeit rechtlich als Aufenthalt seit zehn Jahren in diesem Sinne anzusehen ist oder nicht. Die anderen festgestellten Reisen werfen diese Frage deshalb nicht auf, weil sie jeweils ein Verhalten betrafen, das keinen Hinweis auf eine mögliche geografische Verlagerung der genannten Interessen liefert. Das gilt auch für die Rumänien-Reise: Hochzeiten in der Heimat der Braut sind eine allgemein bekannte Tradition, auch wenn dazu ins Ausland gereist werden muss.
Betreffend die Haftzeiten ist zu beachten, dass die Frage der Unterbrechung der Aufenthaltszeit nur nach der Feststellung beurteilt werden kann, ob die zuvor mit dem Aufnahmemitgliedstaat geknüpften Integrationsverbindungen abgerissen sind, und es dabei unter anderem auch darauf ankommt, wie lange sich der Fremde vor dem Freiheitsentzug im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat. Des Weiteren kommt es dabei auf die Gesamtdauer der "Unterbrechungen" des Aufenthalts und auf deren Häufigkeit an (vgl. VwGH 07.03.2019, Ra 2018/21/0097 mwN).
Fallbezogen sind zwei Haftzeiten zu betrachten, 2010 für 29 Tage und 2016/17 für 20 Monate, insgesamt also 21 Monate oder 1,75 Jahre.
Die erste Inhaftierung fand nach gut zwei Jahren Aufenthalt statt. Während dieser Haft blieb der Beschwerdeführer an seiner Unterkunft in Wien gemeldet, in die er anschließend zurückkehrte, und wo ihn weiterhin seine spätere Gattin besuchte, während er auf die Beschwerdeentscheidung seines Asylverfahrens wartete. Auch die Grundversorgung bezog er weiter. Angesichts dessen kann nicht davon gesprochen werden, dass seine Integrationsverbindungen in dieser Zeit abgerissen wären.
Das gilt ebenso für die zweite, wenn auch viel längere Inhaftierung, zumal der damals bereits seit rund acht Jahren, vier davon zusammen mit seiner inzwischen schwangeren Frau, im Inland lebende Beschwerdeführer von dieser regelmäßig besucht wurde, im Rahmen des Freigangs auch die Freizeit mit ihr und dem Baby verbrachte sowie seit seiner Entlassung wieder mit ihnen zusammenlebt und mit seiner jeweiligen Berufstätigkeit zum Unterhalt der Familie beiträgt.
Einzugehen ist aber auch auf die festgestellte Abwesenheit des Beschwerdeführers, während er 2011 in Spanien war. Wie erwähnt, können einzelne Abwesenheiten des Fremden unter Berücksichtigung von Gesamtdauer, Häufigkeit und der Gründe, die ihn dazu veranlasst haben, Österreich zu verlassen, auf eine Verlagerung seiner persönlichen, familiären oder beruflichen Interessen schließen lassen (VwGH 24.03.2015, Ro 2014/21/007).
Nach den Feststellungen hat der Beschwerdeführer 2011 in Spanien seine jetzige Gattin geehelicht, die Staatsangehörige Rumäniens ist. Das war auch der Zweck des Aufenthalts, der mehrere Monate dauerte, höchstens aber weniger als acht. Es entspricht dem Gerichtswissen, dass die Personenstandsbehörden vergleichsweise eingehendere Prüfungen vornehmen, wenn Drittstaatsangehörige und Unionsbürger heiraten wollen, als bei Brautpaaren ohne Drittstaatsangehörige(n). Insofern spricht die Dauer des Aufenthalts nicht für eine Verlagerung der persönlichen, familiären oder beruflichen Interessen des Beschwerdeführers nach Spanien, zumal weder er noch seine Braut dort Arbeit aufnahmen.
Anschließend dauerte das in Österreich fortgesetzte Asylverfahren des Beschwerdeführers noch weitere rund vier Jahre, was nicht dem Beschwerdeführer anzulasten ist, sondern den Behörden. Letztlich auch mit Blick auf die bald acht Ehejahre, die der Beschwerdeführer seither ohne nennenswerte Unterbrechung im Inland zugebracht hat, wo er Frau, Tochter, den Wohnsitz mit diesen und legale Arbeit hat, lässt sich nicht schlussfolgern, dass seine Integrationsverbindungen damals, 2011, abgerissen gewesen wären.
Auch die festgestellten - in mehrjährigen Intervallen stattfindenden - Besuche des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat erscheinen unter den genannten Gesichtspunkten nicht als Beeinträchtigungen seiner Integrationsverbindungen, sondern als übliches Verhalten eines Ausgewanderten, sowohl die Kontakte mit Verwandten betreffend, als auch das Beschaffen jeweils eines neuen Reisepasses bei einer solchen Gelegenheit.
Damit kommt dem Beschwerdeführer nach Ansicht des Gerichts eine mehr als zehnjährige Aufenthaltsdauer zugute, sodass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wider ihn nur zulässig ist, wenn aufgrund seines Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde (§ 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG).
3.1.3 Der VwGH hat zur Auslegung dieses "verschärften Gefährdungsmaßstabes" ausgeführt, dass damit - der EuGH-Rechtsprechung gemäß - nur "außergewöhnliche Umstände" gemeint sind, die voraussetzen, dass die vom Betroffenen ausgehende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit einen "besonders hohen Schweregrad" aufweist, was laut EuGH "etwa bei bandenmäßigem Handeln mit Betäubungsmitteln der Fall sein könne". (VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0248)
In dieser eben zitierten Entscheidung war der Fremde achtmal strafgerichtlich verurteilt worden, darunter zweimal zu unbedingten Freiheitsstrafen nach dem SMG, zuletzt wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu 14 Monaten. Aus dieser Freiheitsstrafe wurde er nach 12 Monaten bedingt entlassen und war damals seit etwa 15 Jahren im Bundesgebiet. Festgestellt war auch worden, dass er "mehrfach Probezeiten bestanden" habe und mit dem letzten Strafurteil erstmals wegen Suchtgifthandels und dem Überlassen und Anbieten von Suchtgift an Dritte verurteilt worden sei, wobei "kein professionell strukturierter Suchtgifthandel" vorgelegen habe. Außerdem sei der Fremde erstmals für längere Zeit in Haft gewesen, habe bedingt entlassen werden können und vor, seine Drogensucht behandeln zu lassen.
Der VwGH hat dazu (a. a. O.) entschieden, dass vor diesem Hintergrund nicht von "außergewöhnlichen Umständen" mit "besonders hohem Schweregrad" bzw. "besonders schwerwiegenden Merkmalen" der Straftaten gesprochen werden kann. Somit komme die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auf Basis des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG nicht in Betracht (welches das BVwG 13 Tage nach der bedingten Entlassung des Fremden aus der Strafhaft von fünf auf drei Jahre reduziert hatte).
3.1.4 Demgegenüber hat der VwGH im Fall eines wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels sowie des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z. 1 WaffG zu einer unbedingten dreijährigen Freiheitsstrafe Verurteilten, der während etwa dreier Monate insgesamt 1.019 g Kokain von den Niederlanden nach Österreich eingeführt, in zwei Fällen rund 380 g Kokain anderen Personen überlassen sowie, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt eine Selbstladepistole besessen hatte, und noch die Strafhaft verbüßte, entschieden, dass selbst beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG der dort normierte verschärfte Gefährdungsmaßstab als erfüllt anzusehen sei. (03.07.2018, Ra 2018/21/0066)
Dies begründete er mit dem "dargestellte[n] massive[n] Verbrechen des Suchtgifthandels, das zur rezenten Verhängung einer dreijährigen (im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses unbestritten noch in Vollzug befindlichen) Freiheitsstrafe geführt hatte". Der Fremde habe, "unbeschadet weiterer sozialer und beruflicher Kontakte des Revisionswerbers im Bundesgebiet, auch die Trennung von der ungarischen Freundin oder Lebensgefährtin in Kauf zu nehmen".
Dieser lasse nämlich außer Acht, dass nach ständiger Rechtsprechung "der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug der Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat, und dass bei derart schweren Verbrechen nach dem SMG weder ein langjähriger Aufenthalt in Österreich noch eine sonst vollkommene soziale Integration im Inland einem Aufenthaltsverbot entgegenstehen". (a. a. O.)
3.1.5 Die Gefährdungsannahme des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG bestätigte der VwGH als "jedenfalls vertretbar" im Fall eines wegen des Verbrechens des Raubes zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und im Jahr darauf wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von sechs Monaten Verurteilten, angesichts einer "sich über viele Jahre erstreckenden, durch einschlägige Rückfälle gekennzeichneten und kontinuierlich gesteigerten Delinquenz" "gegen die körperliche Integrität und gegen fremdes Vermögen". (25.02.2016, Ra 2016/21/0051)
3.1.6 Der VwGH hatte auch keine Bedenken gegen diese Annahme bei einem Fremden, der zunächst wegen versuchten Raubes, Körperverletzung sowie schwerer Körperverletzung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden war, dann immer wieder immer wieder Körperverletzungsdelikte beging, sich aber auch strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen, wie etwa schweren Betruges und versuchten Diebstahls, und anderer Delikte (Urkundenfälschung, Verleumdung) schuldig machte, sowie des Weiteren - insbesondere aus jüngerer Zeit - mehrere rechtskräftige Verurteilungen wegen Verstoßes gegen das SMG aufwies, wobei er zuletzt wegen gewerbsmäßigen Suchtgifthandels mit einer das 25-fache der Grenzmenge (iSd SMG) übersteigenden Menge von Suchtmitteln - zum Teil im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit anderen, insbesondere auch seiner Ehefrau - zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt wurde. (09.11.2011, 2011/22/0264)
3.1.7 In der vorliegenden Beschwerdesache gleicht der Sachverhalt am ehesten jener dessen in der oben unter 3.1.3 angesprochenen Entscheidung (VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0248), weil dort zwar eine nur knapp halb so lange Freiheitsstrafe ausgesprochen wurde, der Fremde allerdings bereits sieben Vorstrafen aufwies, darunter eine einschlägige.
Der nunmehrige Beschwerdeführer wies demgegenüber bei seiner letzten Verurteilung nur eine, bereits getilgte, einschlägige Verurteilung auf, die vor inzwischen mehr als neun Jahren verhängt wurde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass - wie der VwGH zu einer ebenfalls getilgten Strafe ausgeführt hat - aus einem "über sieben Jahre zurückliegenden Fehlverhalten [...] nicht ohne Weiteres auf das Vorliegen einer [vom Fremden] weiterhin ausgehenden tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr im Sinn des § 67 Abs. 1 FPG geschlossen werden" kann (19.06.2012, 2012/18/0026).
Wenngleich also die Tilgung für sich allein genommen der Beurteilung des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers nicht entgegensteht (VwGH 02.09.2008, 2006/18/0274; 18.03.2003, 2002/18/0198 mwN), spielt die für die Tilgung maßgebliche, tatsächlich vergangene Zeit neben der Tat selbst dabei jedenfalls auch eine Rolle.
Nach Ansicht des Gerichts ist daher die konkret im ersten Strafurteil beschriebene Vorgehensweise des einmaligen Drogenverkaufs, offenbar an einen verdeckten Fahnder, samt anschließender Verletzung des zur Festnahme schreitenden weiteren Beamten, um diese zu verhindern, mehr als neun Jahre nach der Tat entgegen der Meinung des BFA (AS 655) kein Grund, aktuell eine gravierende Gefahr anzunehmen, die vom Beschwerdeführer ausginge.
3.1.8 Auch bei der zweiten Verurteilung des Beschwerdeführers handelte es ich um einen einzigen Vorgang, der mehrere Tatbestände erfüllte. Dabei erhellt bereits aus der Begründung des Strafurteils, dass die verhängte Freiheitsstrafe nur aus generalpräventiven Gründen ohne bedingte oder teilbedingte Strafnachsicht ausgesprochen wurde. Daraus ergibt sich, dass ohne generalpräventive Erfordernisse vom Vollzug einer Freiheitsstrafe jedenfalls in der nunmehrigen Dauer hätte abgesehen werden können. Das Überwiegen strafmildernder Gründe ergibt sich ebenfalls aus dem Strafurteil.
Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist "nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen" (VwGH 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 mwN).
Der VwGH hält hat in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz kontinuierlich fest, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (01.04.2019, Ra 2018/19/0643; 15.11.2018, Ra 2018/19/0541 mwN).
Fallbezogen ist im Hinblick auf den anzulegenden verschärften Maßstab des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG jedenfalls ein Einbeziehen der Feststellungen zum persönlichen Verhalten des Beschwerdeführers und zu seiner Rolle bei der Tatbegehung in die Gefährdungsprognose nötig (vgl. VwGH 22.01.2015, Ra 2014/21/0052), die zeigen, dass dieser bei seiner Tathandlung weder in einer kriminellen Vereinigung noch gewerbsmäßig vorgegangen ist. Ihm fehlt auch das sonst für einen Rückfall häufige Gefährdungselement der nötigen Finanzierung des eigenen Drogenbedarfs.
Schließlich unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt auch noch dadurch von mehreren der zu 3.1.4 bis 3.1.6 referierten, dass der Beschwerdeführer seinen - wenngleich gravierenden und zu einer 18-monatigen Haft führenden - Angriff als "Bodypacker" nicht gegen eine Vielzahl von Rechtsgütern richtete und es bei diesem singulären Vorfall blieb. Von den strafrechtlich ereignislosen gut eineinhalb Jahren seit der bedingten Entlassung lässt sich ebenso keine maßgebliche Minderung der aus dem strafbaren Verhalten resultierenden Gefährdung ableiten wie aus dem Status als "Freigänger" (vgl. VwGH 25.02.2016 Ra 2016/21/0051 mwN). Die Tatsachen des Wohlverhaltens und des gelockerten Vollzugs unterstreichen aber das Zutreffen der Begründung des Strafgerichts, wonach für die Verhängung der ausgesprochenen unbedingten Freiheitsstrafe generalpräventive Erwägungen maßgeblich waren.
Auch zwei weitere Elemente im Sachverhalt bei 3.1.3 liegen vor, weil der Beschwerdeführer erstmals für längere Zeit in Haft gewesen ist, aus der er bedingt entlassen werden konnte.
3.1.9 In der Gesamtbetrachtung erscheint aus den angeführten Gründen die Annahme der oben angeführten "außergewöhnlichen Umstände" und einer vom Betroffenen ausgehenden Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit mit einem "besonders hohen Schweregrad" nicht hinreichend fundiert, weshalb auch nicht erwiesen ist, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch den Verbleib des Beschwerdeführers nachhaltig und maßgeblich gefährdet wäre, wie es § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG vorschreibt.
Die Erlassung des bekämpften Aufenthaltsverbotes erweist sich damit schon aus diesem Grund als rechtswidrig. Sie ist es aber auch im Hinblick auf die nach § 9 Abs. 1 f BFA-VG einzuhaltende Grenze der Notwendigkeit im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK bei Eingriffen in das Privat- und Familienleben.
3.1.10 In der Behebung der am 22.08.2016 erlassenen Rückkehrentscheidung hat dieses Gericht - in Kenntnis der jüngsten Verurteilung des Beschwerdeführers und zwei Monate vor Geburt der Tochter - dem BFA aufgetragen, sich mit der Intensität des Familienlebens des Beschwerdeführers zu seiner Ehefrau auseinanderzusetzen und dessen Angaben zu dieser zu prüfen. Das BFA gibt im bekämpften Bescheid rund sechs Seiten aus der Niederschrift vom 25.08.2017 wieder, um festzustellen, wann und wo der Beschwerdeführer geheiratet, dass er sich vorher in Wien abgemeldet und eine "etwa einjährige" Tochter habe, seine Ehegattin ihn in der Haftanstalt regelmäßig besuche, und er sich bei Freigängen in der gemeinsamen Wohnung aufhalte (S. 10, AS 650).
Das BFA schlussfolgert in seiner rechtlichen Beurteilung, dass der Beschwerdeführer zu einer Zeit geheiratet habe, als er nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt gewesen sei, und daher das Paar damals damit rechnen habe müssen, das Familienleben nicht in Österreich führen zu dürfen (S. 15, AS 655).
Nach der folgenden Erwähnung der Delinquenz des Beschwerdeführers schließt das BFA, dass bei einer Abwägung der privaten Interessen des Beschwerdeführers mit jenen der Öffentlichkeit "somit nichts zu erkennen" geblieben sei, das im Sinne des Beschwerdeführers zu bewerten [wäre] "und gegen das Aufenthaltsverbot sprechen würde", woran auch die familiären Bindungen des Beschwerdeführers nichts zu ändern vermöchten, "umso mehr" das Familienleben "auch anderswo fortgesetzt werden könnte".
Zur Begründung dafür, dass das öffentliche Interesse (an Ordnung und Sicherheit) das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib überwiege, verweist das BFA auf die Entscheidung des EGMR vom 31.07.2008, 265/07, Darren Omoregie und andere gegen Norwegen, in der dieser festgestellt habe, dass es keine unüberwindlichen Hindernisse darstelle, wenn eine Niederlassung in Nigeria für die Gattin "eventuelle Schwierigkeiten mit sich bringe". Zeitweise Besuche von Gattin und Kind in Nigeria würden kein Problem darstellen, sodass eine Ausweisung kein unverhältnismäßiger Eingriff in (die Rechte nach) Art. 8 EMRK sei.
Vergleicht man den Sachverhalt der zitierten Entscheidung des EGMR mit dem vorliegenden, fallen einige Unterschiede auf. Zunächst ist auf den deutlich kürzeren Aufenthalt des Fremden in Norwegen hinzuweisen, der am 25.08.2001 begann, als er einen Asylantrag stellte, der bereits am 22.05.2002 abgewiesen wurde, sodass die Verlobung am 10.09.2002 schon während des Rechtsmittelverfahrens stattfand, das mit der Abweisung des Rechtsmittels am nächsten Tag endete, verbunden mit einer Frist für die freiwillige Ausreise bis 30.09.2002. Nach der Heirat am 02.02.2003 durfte der Fremde nicht arbeiten, und am 26.08.2003 wurde er ausgewiesen, verbunden mit einem fünfjährigen Rückkehrverbot, dessen Aufhebung normalerweise nach zwei Jahren beantragt werden kann.
Nach der Bestätigung dieser Entscheidung durch den High Court am 27.02.2006 und der Geburt einer Tochter des Fremden und der norwegischen Gattin am 20.09.2006 wurde der Fremde am 07.03.2007 abgeschoben. Die Gattin war es gewohnt, im Ausland zu leben und hatte bereits mehrmals in Südafrika gelebt (Rz 28). Der EGMR fand, dass sie (übersetzt) "möglicher Weise trotz dieser Erfahrung aus der in einem anderen Afrikanischen Land verbrachten Zeit", wo genauso Englisch die offizielle Sprache ist wie in Nigeria, "manche Schwierigkeiten und Unbequemlichkeiten bei der Ansiedlung erleben würde", jedoch der Entwicklung eines Familienlebens dort keine unüberwindlichen Hindernisse gegenüberstünden (Rz 66).
3.1.11 Neben dem deutlich unter 10 Jahren gebliebenen Aufenthalt, 5 Jahre und 6 1/2 Monate, fällt demnach auf, dass der EGMR die Möglichkeit der Fortsetzung des Familienlebens in Nigeria unter dem Aspekt beurteilt hat, dass die Gattin zwar nicht dort, wohl aber in einem anderen afrikanischen Land gleicher Sprache gelebt hatte. Das trifft fallbezogen nicht zu, und auch das gemeinsame Kind wäre bei einer gleich frühen Ausreise des Beschwerdeführers wie im Fall "Omoregie" noch nicht gezeugt gewesen.
Damit ist die vom BFA angenommene Übertragbarkeit der zitierten EGMR-Entscheidung auf die vorliegende Rechtssache (als entscheidendes Argument für die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK im bekämpften Bescheid) nicht im erforderlichen Maß gegeben, weil sich die Sachverhalte wesentlich unterscheiden.
3.1.12 Daraus folgt, dass nicht nur die nachhaltige und maßgebliche Gefährdung im Sinn des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG nicht vorliegt, sondern auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass ein andernfalls mögliches Aufenthaltsverbot ein zulässiger Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers wäre. Was dabei die Tatsache anbelangt, dass der Beschwerdeführer und seine Gattin die Ehe im Wissen um seinen unsicheren Aufenthaltsstatus eingingen, ist zu berücksichtigen, dass das Asylverfahren bis zur ersten Beschwerdeentscheidung mehr als sieben Jahre gedauert hat, was auch nicht auf eine schuldhafte Verzögerung durch den Beschwerdeführer zurückzuführen war.
Der Verfassungsgerichtshof hat in einem vergleichbaren Fall ausgesprochen, "dass es die Verantwortung des Staates [sei], die Voraussetzung zu schaffen, um Verfahren so effizient führen zu können, dass nicht bis zur ersten rechtskräftigen Entscheidung - ohne Vorliegen außergewöhnlich komplexer Rechtsfragen und ohne, dass dem nunmehrigen Beschwerdeführer die lange Dauer des Asylverfahrens anzulasten wäre - beinahe acht Jahre verstreichen" (18.06.2012, U713/11)
Der dabei berücksichtigte Sachverhalt beinhaltete, dass der ebenfalls völlig drogenabstinente, 2003 eingereiste nigerianische Asylwerber bei Entscheidung des AsylGH (2011) seit knapp 5 Jahren ein Familienleben mit seiner österreichischen Ehegattin führte und mit dieser eine vierjährige Tochter österreichischer Staatsbürgerschaft hatte. Der AsylGH habe, so der VfGH, die erwähnte Verfahrensdauer und unter anderem auch unberücksichtigt gelassen, dass das Strafgericht durch die Verhängung einer teilbedingten Strafe zu erkennen gegeben hatte, dass beim betreffenden Fremden von einer günstigen Prognose auszugehen sei.
Wie festgestellt, hat die zweite Verurteilung des Beschwerdeführers deshalb keine (teil-) bedingte Strafnachsicht umfasst, weil sich eine solche aus Gründen der Generalprävention verbat. Wohl aber genoss er Freigang und bedingte Entlassung. Berücksichtigt man dazu die deutlich längere Aufenthaltsdauer als im Sachverhalt der eben zitierten Entscheidung, so ist davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall nicht nur die einfachgesetzliche Voraussetzung für das bekämpfte Aufenthaltsverbot fehlt, sondern mit seiner Verhängung auch das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK verletzt wäre.
Damit kann dahinstehen, ob daneben auch eine Verletzung dieses Rechts bei der Gattin oder der Tochter des Beschwerdeführers zu besorgen wäre. (Vgl. EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer gegen die Niederlande, 50.435/99)
3.2 Zur Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubs (Spruchpunkt II):
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist (u. a.) begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise des Fremden wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Das BFA verweist in der Begründung für die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubs auf die Gründe des Aufenthaltsverbots. Überlegungen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes anzustellen sind, vermögen aber nach ständiger Rechtsprechung die Begründung für die Versagung eines Durchsetzungsaufschubes keinesfalls zu ersetzen (vgl. VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0053; 12.09.2013, 2013/21/0094 mwN).
Weil die Behebung des Spruchpunkts I indes den Spruchpunkt II gegenstandslos macht, erübrigt sich die Frage nach einer anderweitigen Begründung für den Letzteren. Er war jedenfalls als obsolet aufzuheben.
3.3 Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III):
Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
Nach § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Mit der Entscheidung dieses Gerichts vom 28.11.2007, mittels derer der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, ist Spruchpunkt III bereits materiell derogiert worden. Er war ungeachtet dessen auch aufzuheben, weil er durch die mit dem vorliegenden Erkenntnis verfügte Aufhebung von Spruchpunkt I jedenfalls gänzlich gegenstandslos ist.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zu den Gefährdungsmaßstäben nach § 67 Abs. 1 FPG, zur Relevanz des Privat- und Familienlebens bei begünstigten Drittstaatsangehörigen oder zur ganzheitlichen Verhaltensbeurteilung bei der Verhängung und Bemessung von Aufenthaltsverboten.
Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.
4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:
Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.
Das BFA hat auf ihre Abhaltung verzichtet, und das Gericht musste sich auch keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da es sich um einen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 mwN).
Schlagworte
Aufenthaltsverbot, Behebung der Entscheidung, Diebstahl,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I419.2134981.2.00Zuletzt aktualisiert am
10.03.2020