TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/12 W112 2123040-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.08.2019
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Entscheidungsdatum

12.08.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W112 2122834-1/22E

W112 2123040-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1. XXXX , geb. XXXX , StA. RUSSISCHE FÖDERATION, und 2. XXXX , geb. XXXX , StA. RUSSISCHE FÖDERATION, beide vertreten durch XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.02.2016,

1. zur Zl. 1088267902 / 151394239, und 2. zur Zl. 1088268300 / 151394195, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.03.2019 zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 und 9, 55 FPG mit der Maßgabe abgewiesen, dass Spruchpunkt III. zu lauten hat:

"Ihnen wird gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen.

Es wird gemäß § 52 Abs. 9 iVm § 50 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die RUSSISCHE FÖDERATION zulässig ist."

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin, beide Staatsangehörige der RUSSISCHEN FÖDERATION, sind miteinander verheiratet. Sie reisten gemeinsam unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein, wo ihr Sohn

XXXX seit XXXX asylberechtigt ist, und sich die Tochter XXXX seit

XXXX als Asylwerberin aufhielt, und stellten beide hier am 21.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 21.09.2015 fand die Erstbefragung des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.

Der Erstbeschwerdeführer gab befragt zu seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen an, dass er und seine Frau von der Polizei und dem russischen Geheimdienst XXXX bedroht worden seien. Diese seien Ende 2012 zu den Beschwerdeführern nach Hause gekommen und hätten gedroht sie ins Gefängnis zu stecken bzw. sie umzubringen, weil ihre Kinder (ein Sohn und eine Tochter) für den IS in Syrien kämpfen würden. Daraufhin seien Mitglieder des Geheimdienstes mehrmals zum Erstbeschwerdeführer und seiner Frau gekommen und hätten sie immer wieder auch telefonisch bedroht. Im XXXX sei aus einem fahrendem Auto auf die Wohnung der Beschwerdeführer geschossen worden, es sei niemand dabei verletzt worden. Der Erstbeschwerdeführer befürchte im Fall der Rückkehr (vom Geheimdienst XXXX ) umgebracht zu werden.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab als Fluchtgrund an von der Polizei seit Anfang 2012 persönlich und telefonisch bedroht worden zu sein, weil ihre Kinder für den IS in Syrien kämpfen würden. Im XXXX sei aus einem fahrenden Auto auf die Wohnung der Beschwerdeführer geschossen worden während sie zuhause gewesen sei. Es sei dabei niemand verletzt worden. Sie befürchte im Falle der Rückkehr (vom Geheimdienst XXXX ) umgebracht zu werden.

3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vernahm die Tochter der Beschwerdeführer in ihrem Asylverfahren am 14.01.2016 und die Beschwerdeführer am 27.01.2016 niederschriftlich ein.

Hierbei gab der Erstbeschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund im Wesentlichen an, in Lebensgefahr gewesen zu sein. Die Bedrohung habe angefangen, als sein Sohn noch in Russland gelebt habe. Sein Sohn sei politisch aktiv gewesen und habe an Demonstrationen teilgenommen. Deswegen seien alle Familienmitglieder bedroht worden. Nunmehr werde vermutet, dass seine Kinder in Syrien kämpfen würden. Er und seine Frau seien deshalb von Personen des XXXX bedroht sowie ihre Wohnung durchsucht und im XXXX ihre Wohnung beschossen worden. Er könne in keinem anderen Teil seines Herkunftslandes leben, weil er mit seinen Kindern zusammenleben wolle.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab als Fluchtgrund im Wesentlichen an, Angst um ihr Leben gehabt zu haben. Die Beschwerdeführer seien telefonisch bedroht worden und es seien maskierte Männer in die Wohnung der Beschwerdeführer gekommen und haben diese durchsucht und nach ihren Kindern gefragt. Ihr sei mit dem Tod sowie mit der Ermordung ihrer Kinder in Syrien gedroht worden. Im XXXX 2015 sei der Schwiegersohn der Beschwerdeführer entführt worden, wodurch sich die Situation verschlimmert habe. Die Zweitbeschwerdeführerin wisse nicht weshalb ihr Schwiegersohn entführt worden sei; sie vermute, weil er mit ihrem Sohn befreundet oder mit ihrer Tochter verheiratet gewesen sei.

4. Am 08.02.2016 langte beim Bundesamt ein ärztliches Attest ein, wonach der Erstbeschwerdeführer an XXXX und XXXX leidet, sowie ein ärztliches Attest, demzufolge die Zweitbeschwerdeführerin an XXXX und XXXX leidet.

5. Das Bundesamt wies die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz jeweils mit Bescheid vom 22.02.2016 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf ihren Herkunftsstaat RUSSISCHE FÖDERATION (Spruchpunkt II.) ab und erteilte den Beschwerdeführern keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005. Unter einem erließ es gegen die Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte fest, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt III.). Es räumte den Beschwerdeführern gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung ein (Spruchpunkt IV.).

Ein gleichlautender Bescheid erging am selben Tag im Verfahren der Tochter der Beschwerdeführer.

Begründend führte das Bundesamt aus, dass die Beschwerdeführer ihr Fluchtvorbringen, das Bestehen der Gefahr einer Verfolgung durch unbekannte Personen, nicht glaubhaft machen konnten. Ebenso drohe den Beschwerdeführern im Falle ihrer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat auch keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde, da die Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig seien. Sie hätten zudem genügend familiäre Anknüpfungspunkte in der Russischen Föderation sowie einen Bruder in Österreich, der sie unterstützen könnte. Zudem könnten sich die Beschwerdeführer an staatliche Institutionen um Hilfe wenden bzw. allenfalls soziale Beihilfen in Anspruch nehmen. Es sei daher gesichert, dass die Beschwerdeführer ihre existenziellen Grundbedürfnisse wie bisher mit Hilfe ihrer Familie bzw. aus eigener Kraft durch selbständige Arbeit sichern können. Die Rückkehrentscheidung greife nicht in das Familienleben der Beschwerdeführer ein, da auch gegen die Tochter der Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen worden sei und die Beschwerdeführer somit gemeinsam mit ihrer Tochter ausreisen und gemeinsam mit dieser in ihrem Heimatort leben könnten. Ebenso greife die Rückkehrentscheidung auch nicht in das Recht der Beschwerdeführer auf Achtung des Privatlebens ein. Die Beschwerdeführer seien erst seit dem 21.09.2015 in Österreich aufhältig und haben ihr gesamtes bisheriges Leben in der Russischen Föderation verbracht. Sie haben in Österreich keinen Deutschkurs besucht, sondern lediglich einen Einstufungstest absolviert. Sie seien beide mittellos und leben von der Grundversorgung. Auch seien die Beschwerdeführer nicht Mitglied in einem Verein, weshalb unter Berücksichtigung der individuellen Situation in Österreich insgesamt ein Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthaltes festgestellt worden sei.

6. Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer durch ihren Rechtsberater als gewillkürten Vertreter fristgerecht Beschwerde und fochten die Bescheide wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften in vollem Umfang an.

Die Beschwerdeführer beantragten, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen, die angefochtenen Entscheidungen hinsichtlich Spruchpunkt I. beheben und den Beschwerdeführern Asyl zuerkennen; in eventu "den angefochtenen Bescheid" hinsichtlich Spruchpunkt II. beheben und den Beschwerdeführern subsidiären Schutz gewähren; feststellen, dass die Abschiebung in die Russische Föderation auf Dauer unzulässig ist sowie die erlassenen Rückkehrentscheidungen ersatzlos beheben; in eventu, die angefochtenen Bescheide gem. § 38 Abs. 3 VwGVG beheben und zur Erlassung von neuen Bescheiden an die Behörde zurückverweisen.

Begründend führte die Beschwerde aus, dass es das Bundesamt unterlassen habe, Ermittlungen zum tatsächlichen Vorliegen einer Innerstaatlichen Fluchtalternative zu erheben. Zudem seien die getroffenen Länderfeststellungen unvollständig, teilweise unrichtig und befassen sich kaum/nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer (Verfolgung von Privaten durch den Geheimdienst XXXX sowie dessen Methoden). Sie seien dadurch als Begründung zur Abweisung eines Antrages auf internationalen Schutz unzureichend. In der Beschwerde wurden Länderberichte zitiert, die dem Beschwerdevorbringen als Feststellungen im Bescheid getroffen hätten werden müssen.

Die Beurteilung des Fluchtvorbringens der Beschwerdeführer als unglaubwürdig basiere auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung und einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung. Hätte das Bundesamt das Vorbringen der Beschwerdeführer entsprechend gewürdigt und mit einschlägigen Länderberichten abgeglichen, wäre es zu dem Schluss gekommen, dass die geschilderte Verfolgungsgefahr objektiv nachvollziehbar sei. Zudem hätten sich die "Widersprüche" der Beschwerdeführer bei näherer Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen leicht aufgelöst. Entgegen der Ansicht des Bundesamtes stütze sich nicht das gesamte Vorbringen der Beschwerdeführer auf ihren Sohn, welchem der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden sei, sondern seien die Beschwerdeführer persönlich bedroht worden, was durch den Beschuss und die Durchsuchung der Wohnung, die Drohanrufe und die Entführung des Schwiegersohnes indiziert werde. Bei den Beschwerdeführern liege somit sowohl eine persönliche Verfolgung durch den Geheimdienst und Behörden als auch die Verfolgung aufgrund der sozialen Gruppe der Familie vor. Den Beschwerdeführern sei Asyl zu gewähren.

Darüber hinaus stehe den Beschwerdeführern keine Innerstaatliche Fluchtalternative offen, da die Verfolgung vom Staat ausgehe. Den Beschwerdeführern sei daher jedenfalls der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.

Im Hinblick auf die Erlassung einer Rückkehrentscheidung habe das Bundesamt den entscheidungswesentlichen Sachverhalt nicht erhoben. Die Beschwerdeführer seien unbescholten, haben sich wohlverhalten und stellen keine Gefährdung für die allgemeine Sicherheit dar. Zudem befinde sich die gesamte Kernfamilie (Sohn und Tochter) der Beschwerdeführer in Österreich. Unter einem legten sie einen ärztlichen Befund des Landeskrankenhauses XXXX vom 20.10.2015 vor, laut dem die Tochter an XXXX leidet, sowie die Kopie eines Schreibens in XXXX Schrift.

7. Die Beschwerdeführer brachten mit Schriftsatz vom 02.11.2017 vor, dass ihre Tochter 24 Stunden am Tag auf die Pflege beider Beschwerdeführer angewiesen sei. Zudem legten sie einen ärztlichen Bericht des Landeskrankenhauses XXXX vom 17.08.2017 sowie ein Schreiben des Landeskrankenhaus XXXX vom 13.10.2017 betreffend ihre Tochter vor.

8. Die Tochter der Beschwerdeführer starb am XXXX in Österreich.

9. Das Bundesverwaltungsgericht räumte den Beschwerdeführern mit Parteiengehör vom 07.01.2019 die Möglichkeit ein, bekanntzugeben, ob sich seit der Beschwerdeerhebung gravierende Veränderungen an ihrem Gesundheitszustand ergeben haben und allfällige damit im Zusammenhang stehende Beweismittel vorzulegen.

Die Beschwerdeführer brachten mit Schriftsatz vom 21.01.2019 vor, dass ihrem Sohn in Österreich der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei. Die Beziehung der Beschwerdeführer zu ihrem Sohn, ihrer Schwiegertochter und ihren Enkelkindern sei sehr intensiv. Sie verbringen viel Zeit mit ihren Enkeln und helfen regelmäßig bei der Kinderbetreuung aus. Zudem sei die Tochter der Beschwerdeführer in Österreich beerdigt worden und es sei den Beschwerdeführern wichtig das Grab ihrer Tochter regelmäßig aufzusuchen. Eine Rückkehrentscheidung verletze daher ihr Recht auf Familienleben. Zudem seien auch die Beschwerdeführer von den Fluchtgründen ihres Sohnes betroffen.

Sie legten ein ärztliches Attest vom 18.01.2019 vor, wonach der Erstbeschwerdeführer an arterieller XXXX sowie XXXX leidet und fortlaufender Medikation bedarf, sowie ein ärztliches Attest vom selben Tag, laut dem die Zweitbeschwerdeführerin an XXXX und XXXX leidet, fortlaufender Medikation bedarf und diese im XXXX 2016 an der XXXX operiert wurde. Zudem legten sie eine Bestätigung des Landeskrankenhauses XXXX vom 18.01.2019 vorwonach die Zweitbeschwerdeführerin ihre Tochter in ihrer Krankheit von XXXX bis XXXX 2017 mitbetreut und während des stationären Aufenthaltes pflegerisch unterstützt habe, und eine psychotherapeutische Bestätigung vom 14.01.2019 über die fortlaufende psychotherapeutische Behandlung wegen posttraumatischer Belastungsstörung seit 04.07.2018. Beide Beschwerdeführer legten eine Deutschkursbestätigung (Deutsch als Fremdsprache A1.3) vor.

Die Beschwerdeführer führten aus, ihnen stehe keine innerstaatliche Fluchtalternative offen, weil sie regelmäßiger ärztlicher Behandlung bedürfen und im Falle einer Neuansiedelung von einer massiven Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes ausgegangen werden müsse. Zudem seien sie landesweit einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sei beantragt worden.

10. Die Beschwerdeführer brachten mit Dokumentenvorlage vom 18.02.2019 jeweils ein Zeugnis zur bestandenen Integrationsprüfung A1 sowie die Sterbeurkunde ihrer Tochter in Vorlage.

11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 29.03.2019 eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache

XXXX durch, an der die Beschwerdeführer und ihr gewillkürter Vertreter sowie ihr Sohn XXXX und ihre Schwiegertochter XXXX als Zeugen teilnahmen. Das Bundesamt nahm an der Verhandlung nicht teil.

Die Befragung des Erstbeschwerdeführers gestaltete sich wie folgt:

"R: Haben Sie bislang die Wahrheit angegeben oder gibt es etwas, das sie richtigstellen wollen?

BF1: Nein, ich habe nur die Wahrheit gesagt.

R: Gibt es Beweismittel, die Sie vorlegen wollen und bisher nicht vorgelegt haben?

BF1: Vorgelegt wird Kursbestätigung Besuch " XXXX (wird zum Akt genommen).

R: Hat sich an Ihrem Privat- und Familienleben in Österreich seit der Beschwerdeerhebung im Februar 2016 etwas geändert?

BF 1: Nichts hat sich geändert. Es ist schon inzwischen passiert, meine Tochter war krank. Als wir voriges Mal einvernommen wurden, war unsere Tochter mit uns, wir wurden nicht zusammen befragt, aber sie wurde auch befragt. Zwischen ihrer Einvernahme und unserer Einvernahme lagen zwei Wochen, inzwischen ist sie leider verstorben. Für uns ist es ein sehr großes negatives Erlebnis.

R: Welche Sprachen sprechen Sie auf welchem Niveau?

BF 1: Ich kann gut Russisch, ich spreche auch meine Muttersprache XXXX , in XXXX werden viele Sprachen gesprochen. Das ist meine Muttersprache, ein bisschen Deutsch spreche ich auch schon, jetzt auf dem Niveau A1.

R: Welche Ausbildung haben Sie in Österreich gemacht?

BF 1: In Österreich? In Österreich habe ich Deutsch gelernt. Ich habe einen A1-Deutschkurs abgeschlossen. Wie soll ich das sagen? Unsere Tochter war wirklich sehr schwer krank, deswegen konnten wir die Ausbildung nicht gleich fertigmachen. Meine Frau hat sich nämlich sehr intensiv um unsere Tochter gekümmert, sie war mit ihr auch im Krankenhaus. Ich bin auch ins Krankenhaus gegangen und habe dort Lebensmittel gebracht. Jedenfalls habe ich immer wieder den Kurs abbrechen müssen. Meine Tochter war ja lange krank und ist dann gestorben.

R: Wie bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt seit Ihrer Einreise nach Österreich?

BF 1: Wir bekommen hier eine Beihilfe von der Caritas, wir verdienen kein Geld.

R: Sind Sie in Österreich jemals einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen?

BF 1: Nein.

R: Leisten Sie in Österreich ehrenamtliche Arbeit? Wenn ja: wo und was?

BF 1: Da wir zu Hause so viele Probleme hatten, hat sich das bis jetzt nicht ergeben. Ich habe nur zu Hause geholfen, dort, wo wir leben habe ich auch Gras gemäht und auch geputzt. Wir haben auch zweimal die Wohnung gewechselt und ich habe jeweils die ganze Wohnung renoviert. Die Caritas hat sich bei uns gedankt, die haben gemeint, dass es sonst kaum noch wer tut. Wir haben einen neuen Boden gelegt, wir haben die Wände ausgemalt.

R: D. h. Sie haben Remunerationstätigkeiten im Rahmen der Grundversorgung ausgeübt?

BF 1 Ja.

R: Sind Sie in Vereinen in Österreich engagiert? Wenn ja: bei welchen und als was?

BF 1: Nein.

R: Beschreiben Sie einen typischen Tag in Ihrem Leben in Österreich!

BF 1: Jetzt besuchen wir einen Deutschkurs. Wir versuchen diesen Deutschkurs ohne Unterbrechungen zu besuchen und wenn wir nach dem Kurs nach Hause kommen, machen wir Hausaufgaben. In der Freizeit helfen wir der Familie meines Sohnes, da investieren wir auch viel Zeit. Ich habe ja zwei Enkelkinder. Am Wochenende kommen sie zu uns. Meine Schwiegertochter hat nicht gleich Deutsch gelernt, weil die Kinder noch klein waren. Dann hat sich Deutsch gelernt und hat Deutschkurse besucht und hat sogar Deutsch auf dem Niveau B1 erlernt.

R: Ich möchte wissen, was Sie machen?

BF 1: Jedenfalls haben wir damals, wie sie so intensiv Deutsch gelernt hat, haben wir uns intensiv um die Enkelkinder gekümmert, ich und meine Frau.

R: Was machen Sie sonst noch?

BF 1: Ich kümmere mich um das Territorium rundherum, wo wir wohnen. Ich schaue, dass dort alles sauber bleibt. Ich könnte eigentlich arbeiten, vielleicht kann ich keine ganz schweren Arbeiten verrichten, aber arbeiten kann ich schon. Jetzt dürfen wir nicht arbeiten. Ich bin zwar 65 Jahre alt, aber ich bin gesund, ich könnte wirklich arbeiten. Wenn die Möglichkeit bekäme würde ich gerne arbeiten.

R: Sie haben Ihren Sohn, Ihre Schwiegertochter und Ihre Enkelkinder angesprochen. Erzählen Sie mir, welche Verwandte Sie noch in Österreich haben?

BF 1: Außer ihnen habe ich keine Verwandten.

R: Beschreiben Sie mir die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Sohn und Schwiegertochter, seit Sie in Österreich leben?

BF 1: Wir verstehen uns wirklich gut. Wir telefonieren jeden Tag, vor allem meine Frau, jeden Tag. Sie muss jeden Tag wissen, wie es im Kindergarten war, und so. Das ältere Enkelkind ist jetzt im Kindergarten, wird aber demnächst in die Schule gehen. Das jüngere wird jetzt drei und wird in den Kindergarten gehen.

R wiederholt nochmals die Frage.

BF 1: Wir sehen uns sehr oft, am Wochenende immer, aber auch Werktags sehen wir uns. Manchmal gehen sie mit einem Kind zum Arzt, dann schauen wir auf das zweite Kind. Manchmal geht meine Frau mit dem älteren Kind zum Arzt und dann schaue ich auf das jüngere. Manchmal hole ich auch mein Enkelkind vom Kindergarten ab. Unsere Kinder lieben uns sehr, auch unsere Enkelkinder können ohne uns nicht leben. Wie soll ich das sagen? Wir lieben sie auch. Ich möchte etwas ergänzen, wenn das OK ist. Wir sind heute zu dieser Gerichtsverhandlung gekommen, weil wir die Hoffnung haben, dass wir in Österreich bleiben können. Der Hauptgrund warum wir hier bleiben wollen ist, dass unsere Kinder da sind, ohne die Kinder wird uns sehr schlecht gehen. Wir hatten ja nur die Tochter und den Sohn und die Tochter ist schon verstorben, sonst haben wir keine Kinder. In XXXX haben wir schon weitschichtige Verwandten, Cousins oder Cousinen, aber keine nahen Angehörigen.

R: Haben Sie keine Geschwister?

BF 1: Ich hatte zwei Schwestern, aber eine ist schon längst verstorben, 2005. Die zweite Schwester ist älter als ich. Sie lebt in XXXX , in XXXX . Deshalb habe ich gesagt, dass ich in XXXX keine nahen Verwandten habe.

R: Und Ihre Frau?

BF 1: Ja. Meine Frau hat dort einen Bruder und zwei Schwestern.

R: Wie ist der Kontakt mit den Verwandten Ihrer Frau in XXXX , telefonieren sie miteinander?

BF 1: Wir haben eigentlich nur sehr wenig Kontakt zueinander. Meine Frau hat vorwiegend mit ihrer älteren Schwester Kontakt. Wenn wir wissen wollen, was Neues gibt, dann erfahren wir das über die ältere Schwester meiner Frau.

R: Was heißt für Sie "wenig" Kontakt, rufen Sie sich einmal im Monat oder einmal im Jahr an?

BF 1: Meine Frau ruft hin und wieder an, ehrlich gesagt, weiß ich nicht wie oft, vielleicht zwei- oder dreimal im Monat. Dazu muss ich sagen, dass sie nicht immer in meiner Anwesenheit telefoniert, es kann sein, dass sie öfters telefoniert. Was das Sprechen anbelangt, fragen Sie besser meine Frau. Ich habe gedacht, dass Sie mich heute danach fragen werden. Wissen Sie, ich persönlich telefonieren eigentlich mit niemanden. Ich verstehe mich mit meiner Schwester in XXXX nicht gut, dass bedeutet nicht, dass wir uns überhaupt nicht verstehen, aber wir verstehen uns nicht gut, wir haben kein enges Verhältnis. Es ist so, dass ich sie kontaktieren kann, wenn etwas passiert.

R: Wissen Sie, wie es Ihren Cousins und Cousinen in XXXX geht?

BF 1: Das weiß über meine Frau, weil sie telefoniert. Wenn wir etwas wissen wollen, dann ruft sie [an].

R: Wie geht es Ihren Verwandten in XXXX ?

BF 1: Die meisten sind schon älter, ich gehöre zu den Jüngeren. Ich habe zwei Cousins und eine Cousine, die sind schon alle in Pension.

R: Beschreiben Sie wie Sie Ihre Beziehung zu Z 1 und Z 2 war, als Sie noch in der Russischen Föderation gelebt haben?

BF 1: Zu meinem Sohn und zu seiner Frau, gut, sehr gut.

R: D. h. sie haben zusammengelebt?

BF 1: Ja, wir haben auch zusammengelebt.

R: Von wann bis wann?

BF 1: Warten Sie kurz... Mein Sohn hat ja geheiratet, das war. Soll ich das Datum sagen?

R: Wenn Sie es wissen?

BF 1: Am XXXX 2011. Wissen Sie, warum ich das gut weiß, weil das mein Geburtstag ist. Nach der Heirat hat er dann eine Wohnung gemietet und hat in der Wohnung gelebt. In dieser Wohnung hat er drei Monate gelebt, dann haben wir entschieden, dass es besser wäre, dass sie bei uns wohnen und deshalb sind sie wieder zu uns übersiedelt. Wir wollten, dass sie wieder bei uns leben

R: Wie lange haben sie bei Ihnen gelebt?

BF 1: Sie lebten bei uns bis XXXX 2012.

R: D. h., Sie haben ungefähr von XXXX 2012 bis XXXX 2012 zusammengelebt?

BF 1: Ja.

R: Von wann bis wann hat Ihre Tochter bei Ihnen gelebt?

BF 1: Die Tochter hat eigentlich immer bei uns gelebt, bis zu ihrer Heirat. Geheiratet hat sie etwas später. Ich werde es Ihnen gleich sagen. Das war im XXXX 2012. Sie und ihr Mann haben nach der Heirat eine Wohnung gemietet und haben in dieser Wohnung gelebt.

R: War die Hochzeit Ihrer Tochter bevor oder nachdem Ihr Sohn ausgezogen ist?

BF 1: Ich kann mich noch gut daran erinnern. Ich erkläre es Ihnen. So wie ich mich erinnere, fand am XXXX die Registrierung der Ehe statt. Ich möchte, dass Sie das gut verstanden. Das war nicht die Hochzeit an sich, bei uns wird nach dem muslimischen Ritus gefeiert, das ist das Wichtigste für uns. In unserer Religion ist es wichtig, dass man nach dem muslimischen Ritus feiert. XXXX war die staatliche Registrierung. Die muslimische Eheschließung war am XXXX .

R: Wann war jetzt die Registrierung?

BF 1: Wann die offizielle Registrierung weiß ich deswegen nicht genau, weil die alleine hingegangen sind, ohne Eltern.

R: Wann ist Ihr Sohn ausgezogen, vor oder nach der muslimischen Hochzeit?

BF 1: Er lebte damals bei mir. Er ist im XXXX 2012 mit seiner Frau übersiedelt und sie haben bei uns gelebt.

R wiederholt die Frage.

D erklärt dem BF 1 nochmals die Frage.

BF 1: Zuerst ist mein Sohn in die Wohnung übersiedelt.

R: Wann ist Ihr Sohn bei Ihnen ausgezogen, vor oder nach der Eheschließung der Tochter?

BF 1: Zuerst ist der Sohn in die Wohnung übersiedelt.

R wiederholt nochmals die Frage.

BF 1: Nein.

R: War Ihre Tochter verheiratet, als Ihr Sohn ausgezogen ist?

BF 1: Nein, sie war noch nicht verheiratet.

R: D. h., Ihr Sohn muss ungefähr am XXXX ausgezogen sein.

BF 1: Er hat in dieser Wohnung nur drei Monate gelebt.

R fasst die Aussagen des BF zusammen.

BF 1: Nein, unser Sohn hat noch bei uns gelebt.

R: D. h., Ihr Sohn ist ausgezogen, nachdem Ihre Tochter geheiratet hat?

BF 1: Ja. Mein Sohn hat nur drei Monate in einer Wohnung gelebt.

R: Wohin ist Ihr Sohn gezogen, nachdem er bei Ihnen ausgezogen ist, im XXXX 2012?

BF 1: Er ist nach XXXX gefahren.

R: Als er nach XXXX gefahren ist, war Ihre Tochter schon verheiratet?

BF 1: Ja, die Tochter war schon verheiratet.

R: Wie lange war Ihre Tochter ungefähr verheiratet, als Ihr Sohn nach XXXX gezogen ist?

BF 1: Kurz. Vielleicht zwei Wochen oder so. Vielleicht war das am

15. Oder 20., es war wirklich nur kurz, vielleicht zwei Wochen.

R: Wie hat Ihre Tochter ihren Mann kennengelernt?

BF 1: Sie haben sich über das Internet kennengelernt.

R: Waren Ihr Sohn und Ihr Schwiegersohn vor der Eheschließung schon befreundet?

BF 1: Nein. Sie kannten sich, aber sie waren nicht befreunde.

R: Was heißt das, was haben die zwei miteinander gemacht?

BF 1: Sie haben sich einige Male getroffen. Es gab Kundgebung gegen die Korruptionen und bei diesen Kundgebungen haben sie sich getroffen.

R: Das war vor der Eheschließung?

BF 1 Ja. Er sagte, dass er ihn schon ca. sechs Monate vorher kannte uns ich mit ihm getroffen hat.

R: Wer hat das gesagt? Ihr Sohn oder Ihr Schwiegersohn?

BF 1: Ich glaube, dass mir mein Sohn das gesagt hat und auch meine Tochter hat das auch gesagt. Wissen Sie, unsere Stadt ist klein, deswegen wissen die Leute, wer bei den Kundgebungen dabei war[...] oder nicht.

R: Waren sonst noch Bekannte bei den Kundgebungen?

BF 1: Ich weiß zumindest nichts davon. Ich kann das nicht gut erklären. Mein Sohn hat sich damit beschäftigt. Dann sind die Leute gekommen und haben meinen Sohn geholt.

R: Sie haben vorhin gesagt, dass Ihr Stadt so klein ist, dass die Leute wissen, wer bei den Kundgebung ist. Wer war also noch dabei, außer Ihrem Sohn und Ihrem Schwiegersohn?

BF 1: Ich weiß es deswegen nicht, weil sie vorwiegend junge Leute an diesen Kundgebungen beteiligt haben. Diese Kundgebungen fanden auch in XXXX statt, dass die Hauptstadt von XXXX , sie sind dorthin gefahren.

R: Das war nicht meine Frage. Ihre Tochter ist dann mit Ihrem Schwiegersohn ausgezogen, stimmt das?

BF 1: Ja.

R: Und sie hat bis zu ihrer Ausreise bei Ihrem Schwiegersohn gelebt, stimmt das?

BF 1: Ja.

R: Ist Ihre Tochter vor der Ausreise noch einmal zu Ihnen gezogen?

BF 1: Bei uns zu Hause hat sie nicht gelebt.

R: Beschreiben Sie Ihre Beziehung zu Z 1 und Z 2 sowie zu Ihrer Tochter während diese bereits in Österreich lebten und Sie noch in der Russischen Föderation! Wer hatte wann und wie mit wem Kontakt?

BF 1: Wie soll ich das sagen? Wir haben uns immer gut verstanden.

R: Sie sind in Russland, die sind in Österreich.

BF 1: Zuerst ist mein Sohn mit seiner Frau hierhergekommen.

R wiederholt die Frage.

BF 1: Wir haben nur sehr wenig Kontakt zueinander gehabt. Mein Sohn hat nach seiner Ausreise seinen Freund kontaktiert und der Freund hat uns dann darüber erzählt. Dass war aber erst dann, als er schon in der EU war.

R: Können Sie sich erinnern, beschreiben Sie mir wann Sie mit Ihrem Sohn direkt [Kontakt] hatten, wie, wann und was haben sie gesprochen?

BF 1: Es fällt mir schwer diese Frage zu beantworten, ich möchte Ihnen nichts Unwahres zu sagen. Er hat versucht uns nicht direkt zu kontaktieren.

R: Wann hat er Sie direkt kontaktiert und wie war das?

BF 1: Ich kann mich jetzt nicht mehr erinnern, wie das war, es war eine Zeit lang, nachdem er ausgereist ist.

R: Sie sind Vater eines Sohnes, der angegeben hat, dass er aus Furcht ums sein Leben ausreisen musste. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man sich an das erste Gespräch in Freiheit nicht mehr erinnern kann.

BF 1: Ich kann mich nicht erinnern. Ich weiß, dass er über einen Freund mitgeteilt hat, dass alles gut ist.

R: Wann haben Sie das erste Mal mit Ihrem Sohn direkten Kontakt gehabt, als Sie selbst in Österreich waren? Haben Sie in Russland nie Kontakt mit ihm gehabt?

BF 1 (denkt lange [nach]) Es hat schon einen Kontakt [gegeben], aber erst später. Es war nicht gleich nach seiner Ausreise, sondern eine längere Zeit nach seiner Ausreise.

R: Können Sie das ungefähr einordnen, wann das war. An irgendwelchen markanten Ereignissen in Ihrem Leben?

BF 1: Ich weiß es nicht mehr, ich kann mich jetzt nicht mehr daran erinnern.

R: Sie können sich nicht mehr daran erinnern, wie Sie nach langer Zeit mit Ihrem Sohn das erste Mal gesprochen haben, ich glaube Ihnen das nicht!

BF 1: Wissen Sie, wenn ich irgendetwas sage, dann glauben Sie, dass ich Sie belüge. Er hat uns über einen Freund gesagt, dass es ihm gut geht und wir waren beruhigt.

R: Hatten Sie persönlichen Kontakt mit Ihrem Sohn, als Sie in Russland waren und er in Österreich, ja oder nein?

BF 1: Ja.

R: Haben Sie telefoniert oder wie?

BF 1: Ja, das war per Telefon.

R: Wer hat wen angerufen?

BF 1: Er hat angerufen.

R: Auf einen Mobiltelefon oder Festnetz?

BF 1: Er hat das Handy meiner Frau angerufen, glaube ich.

R: Ich stelle diese Fragen besser Ihrer Frau?

BF 1: Ja, Sie können es machen.

R: Haben Sie direkt mit Ihrem Sohn gesprochen oder nur Ihre Frau?

BF 1: Ich habe auch mit ihm telefoniert.

R: Hatte Ihr Sohn auch Kontakt zu Ihrer Tochter?

BF 1: Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.

R: Ihre Tochter hat Ihnen nie etwas darüber erzählt?

BF 1: Nein. Ich weiß nicht, mir persönlich hat sie das nicht gesagt.

R: Welche Vermögenswerte haben Sie noch in der Russischen Föderation?

BF 1: Wie meinen Sie, ob wir was haben?

R: Ja.

BF 1: Ja, eine Wohnung. In der Wohnung, wo wir gelebt haben ist noch dort.

R: Ihr Schwiegertochter hat in ihrem Asylverfahren angegeben, dass diese Wohnung Ihrem Sohn gehört, wem gehört sie jetzt wirklich?

BF 1: Ja. Diese Wohnung hat uns schon lange gehört. Ich habe diese Wohnung auf meinen Sohn registriert. Wir haben zwar dort gelebt, die Wohnung war auf meinem Sohn registriert.

R: Wem gehört sie jetzt?

BF 1: Meinem Sohn.

R: Sie gaben in der Erstbefragung an, dass Ihre Tochter alleinstehend ist, laut Sterbeurkunde ist sie ledig, laut Aussage Ihres Sohnes verheiratet seit 2012, laut Heiratsurkunde verheiratet seit 2013. Was stimmt?

BF 1: Die Wahrheit ist, dass sie XXXX 2012 geheiratet hat.

R: Was passiert mit Ihren russischen Pensionszahlungen seit Ihrer Ausreise?

BF 1: Die Pension bekommt jetzt niemand. Diese Pension wurde auf eine Bankkarte ausbezahlt. Wahrscheinlich wird die Pension weiter dort überwiesen.

R: Hat sich Ihr Gesundheitszustand seit der Beschwerdeerhebung verändert?

BF 1: Nein.

R: Welcher Behandlungen und Medikamente bedürfen Sie zurzeit?

BF 1: Ich habe einen erhöhten XXXX , das habe ich schon lange. In Russland war es auch schon erhöht, deshalb nehme ich jeden Tag eine Tablette ein.

R: Haben Sie das auch schon in Russland gemacht?

BF 1: Ja.

R: Haben Sie noch Fragen an BF 1 zum Thema Privat- und Familienleben?

BFV: Nein.

R: Möchten Sie zum Thema Privat- und Familienleben abschließend noch etwas angeben?

BF 1: Sie meinen über meine Krankheit?

R: Zum Thema Privat- und Familienleben und Lebensumstände.

BF 1: Über meine familiäres Leben. Über meine Familie möchte ich nur eines sagen. Meine Kinder und meine Enkelkinder gehören zu den Verwandten, die mir am nächsten stehen. Meine Tochter ist hier bestattet. Bei uns ist das üblich, dass man die Leiche eines Verwandten in der Heimat bestatten lässt, aber wir leben hier und mein Sohn lebt hier und deswegen haben wir die Tochter hier bestatten lassen. Wir gehen zum Friedhof, zu ihrem Grab. Wir leben in einer Stadt, in XXXX . Das ist der Hauptgrund, warum wir in Österreich leben wollen.

R: Ich habe Sie vorher ausführlich zu einem typischen Tag in Ihrem Leben gefragt, Grabpflege und Friedhofsbesuche sind dabei nicht vorgekommen.

BF 1: Ich habe jetzt einen typischen Tag gemeint, wir gehen trotzdem zum Friedhof, auch mit unserem Sohn. Wir gehen einmal im Monat hin, immer am 10., weil sie einem 10. gestorben ist.

R: Ich habe jetzt zu diesem Thema keine Fragen.

R: Haben Sie die Dolmetscherin gut verstanden?

BF 1: Ja."

Die Befragung der Zweitbeschwerdeführerin gestaltete sich wie folgt:

"R: Haben Sie bislang die Wahrheit angegeben oder gibt es etwas, das Sie richtigstellen wollen?

BF2: Ich habe die Wahrheit angegeben und möchte nichts richtigstellen.

R: Gibt es Beweismittel, die Sie vorlegen wollen und bisher nicht vorgelegt haben?

BF2 legt vor: Kursbestätigung Besuch " XXXX .

R: Hat sich an Ihrem Privat- und Familienleben in Österreich seit der Beschwerdeerhebung, im Februar 2016, etwas geändert?

BF 2: Ja, meine Tochter ist verstorben

BF 2 weint.

R: Welche Sprachen sprechen Sie auf welchem Niveau?

BF 2: Ich kann Russisch, bisschen Deutsch und unsere Muttersprache Kumykisch.

R: Welche Ausbildung haben Sie in Österreich gemacht?

BF 2: Ich habe einen A1-Kurs abgeschlossen, dann habe ich einen "Brückenkurs" besucht und die Prüfung bestanden. Jetzt besuche ich einen A2-Kurs.

R: Wie bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt seit Ihrer Einreise nach Österreich?

BF 2: Wir bekommen Geld von der Caritas.

R: Sind Sie in Österreich jemals einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen?

BF 2: Nein.

R: Leisten Sie in Österreich ehrenamtliche Arbeit? Wenn ja: wo und was?

BF 2: Nein. Ich habe mich nur meine Tochter gekümmert, weil sie krank war.

R: Sind Sie in Vereinen in Österreich engagiert? Wenn ja: bei welchen und als was?

BF 2: Nein.

R: Beschreiben Sie einen typischen Tag in Ihrem Leben in Österreich!

BF 2: Wenn ich Deutschkurse besuche, dann stehe ich in der Früh auf und dann gehe ich mit meinem Mann in den Deutschkurs. Wir bemühen uns sehr. Dann gehen wir nach Hause, dann essen wir zu Mittag. Ich und mein Mann gehen spazieren. Die Enkelkinder besuchen uns, wir kümmern uns um die Enkelkinder und helfen und dann machen wir Hausaufgaben und bereiten uns für den nächsten Kurs vor.

R: Gibt es sonst noch etwas, was Sie typischer Weise machen?

BF 2: Wenn die Kinder da sind, gehen wir gemeinsam in den Hof. Ich gehe zum Psychologen, ich mache Psychotherapie. Manchmal fühle ich mich schlecht und muss Tabletten einnehmen. Eigentlich ähneln sich die Tage.

R: Seit wann gehen Sie zum Psychologen?

BF 2: Das war Ende Frühling, Anfang Sommer.

R: Welchen Jahres?

BF 2: 2018.

R: Hat das nach dem Tod Ihrer Tochter zu tun?

BF 2: Ja, das war nach dem Tod meiner Tochter.

R: Welche Verwandten haben Sie in Österreich?

BF 2: Ich habe einen Sohn, eine Schwiegertochter und zwei Enkel.

R: Ihr Sohn hat einen Onkel und Cousins irgendwo in Europa angegeben, wissen Sie, wo die sind?

BF 2: Nein.

R: Einen XXXX und einen Cousin XXXX .

BF 2: Diese Verwandten gibt es wirklich, aber wir haben keinen Kontakt zu ihnen.

R: Wo wohnen diese?

BF 2: Ich glaube in XXXX .

R: Beschreiben Sie Ihre Beziehung Z 1 und Z 2 seit Ihrer Einreise nach Österreich!

BF 2: Mein Sohn arbeitet, aber am Samstag und Sonntag reden wir miteinander. Wir essen gemeinsam zu Mittag, entweder bei ihnen oder bei uns. Unter der Woche kommt die Schwiegertochter mit den Enkelkindern zu uns. Wir helfen ihnen. Die Schwiegertochter hat eine Ausbildung gemacht. Wir haben uns um das kleinere Enkelkind gekümmert, als sie den Kurs besucht hat. Das ältere Enkelkind liebt uns sehr, will gar nicht weg von uns. Unsere Enkelkinder sind unsere Seele. Die Schwiegertochter glaubt, dass der Große uns lieber mag als sie.

R: Beschreiben Sie Ihre Beziehung zu Z 1 und Z 2 im Herkunftsstaat!

BF 2: Bei uns ist die Mentalität so, wir standen uns sehr nahe. Wir haben gemeinsam gelebt. Nach der Heirat haben meinen Sohn und seine Frau, drei Monate in einer Wohnung gelebt und dann sind sie wieder zu uns gezogen.

R: Wie lange haben sie dann bei Ihnen gelebt?

BF 2: Bis zur Ausreise nach Österreich, zuerst sind sie nach XXXX gegangen und danach nach Österreich.

R ermahnt BF 1 nicht einzusagen.

R: Wie lange hat Ihre Tochter bei Ihnen gelebt?

BF 2: Die Tochter hat 2012 geheiratet. Sie und ihr Mann haben eine Wohnung gemietet und haben in der Wohnung gelebt.

R: Ist sie nach der Heirat noch einmal zu Ihnen gezogen?

BF 2: Sie hat bei uns zwar nicht gelebt, aber hin und wieder ist sie zu uns gekommen und ist geblieben.

R: Sie war zu Besuch?

BF 2: Die Stadt ist klein, man kann eigentlich zu Fuß gehen.

R: Sie ist Sie besuchen gekommen und über Nacht geblieben?

BF 2: Sie hat uns besucht und hat übernachtet.

R: War Ihre Tochter schon verheiratet, als Ihr Sohn nach XXXX gezogen ist?

BF 2: Ja.

R: Beschreiben Sie Ihre Beziehung zu Z 1 und Z 2 und Ihrer Tochter, während diese bereits in Österreich lebten und Sie noch in der Russischen Föderation! Wer hatte wann und wie mit wem Kontakt? Briefe, Telefonate?

BF 2: Mein Sohn hat uns angerufen.

R: Am Festnetz oder am Mobiltelefon?

BF 2: Wir hatten zu Hause ein Telefon. Ich kann mich nicht mehr erinnern. Mein Mann hat mit ihnen gesprochen.

R: Ihr Mann hat gesagt sie telefonieren so gern. Da müssen Sie doch wissen, ob Sie auf einem Mobil- oder Festnetztelefon angerufen wurden?

BF 2: Mein Mann hat telefoniert, ich habe auch mit ihm gesprochen.

R: Fragewiederholung.

BF 2: Auf einen Mobiltelefon.

R: Sie haben gesagt, Ihr Mann hat mit ihnen gesprochen, meinen Sie damit die Schwiegertochter und den Sohn?

BF 2: Mit dem Sohn.

R: Können Sie mir das beschreiben, wie Ihr Sohn sich das erste Mal gemeldet hat nach seiner Ausreise?

BF 2: Es fällt mir schwer, mich daran zu erinnern. Es ist auch viel Zeit vergangen. Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht.

R: Ihr Sohn hat angegeben, dass er aus Furcht vor sein Leben ausgereist ist, dann müssen Sie doch Furcht um sein Leben gehabt haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das vergessen, wie das war, als er sich das erste Mal aus der Sicherheit meldet.

BF 2: Ich weiß nicht wie ich das sagen soll, ich kann mich nicht erinnern.

R: Können Sie ungefähr - an markanten Punkten in Ihrem Leben - einordnen, - wann dieses Gespräch war?

BF 2: Er ist 2012 ausgereist und 2013 hat es diesen Beschuss gegeben. Ich weiß, dass wir via "Skype" gesprochen haben, als es diesen Beschuss gegeben hat, daran kann ich mich erinnern. Vielleicht waren wir auch sonst noch über "Skype" in Verbindung, das kann ich jetzt nicht angeben.

R: Hatte Ihr Sohn auch Kontakt mit Ihrer Tochter, als er schon in Österreich war und die Tochter noch in Russland?

BF 2: Nein.

R: Welche Verwandten haben Sie noch in der Russischen Föderation?

BF 2: Meine zwei Schwestern und mein Bruder.

R: Sie haben insgesamt sechs Nichten und Neffen, wenn ich das richtig sehe?

BF 2: Ja.

R: Haben Sie mit Ihren Geschwistern Kontakt?

BF 2: Nur mit einer Schwester, mit der älteren Schwester, sonst nicht.

R: Wie geht es Ihren Verwandten in der Russischen Föderation?

BF 2: Sie sind schon alt und krank.

R: Aber sonst haben sie keine Probleme?

BF 2: Ich weiß es nicht. Wir sprechen miteinander über die Gesundheit. Meine ältere Schwester ist XXXX Jahre alt, sie ist sehr krank, sie hat Probleme mit den XXXX .

R: Jetzt hat Ihr Mann angegeben, eine Schwester zu haben und Sie sagen, Ihre Verwandten leben in XXXX , wie kommt der Onkel Ihres Sohns in Bild, das müsste doch der Bruder von Ihnen oder Ihrem Mann sein?

BF 2: Das ist nicht mein Bruder.

R: Und der Cousin Ihres Sohnes, XXXX , wie kommt der ins Bild?

BF 2: Das ist der Mann meiner Schwester.

R: Lebt der in XXXX oder in XXXX ?

BF 2: Er ist zurückgekehrt und dann verstorben.

R: Wann ist er verstorben?

BF 2: Ich sage es Ihnen gleich, das war vor dem Tod meiner Tochter. Das war 2016.

R: Bei der Einvernahme beim BFA haben Sie angegeben, dass er in XXXX wegen XXXX in Behandlung ist, das war am 27.01.2016.

BF 2: Ja, XXXX . Er hatte XXXX .

R: Welche Vermögenswerte haben Sie noch in der Russischen Föderation?

BF 2: Nein, es gibt nur unsere Wohnung dort.

R: Wem gehört die Wohnung dort?

BF 2: Meinen Sohn, die Großmutter hat die Wohnung auf ihn überschreiben lassen.

R: Ihr Mann hat gesagt, er hat die Wohnung auf ihn überschreiben lassen.

BF 2: Ich weiß, dass mein Sohn der Besitzer der Wohnung ist, vielleicht hat auch mein die Wohnung überschreiben lassen.

R: Was ist mit dem Grundstück Ihres Sohnes?

BF 2: Das Grundstück wurde meinem Bruder XXXX übergeben

R: Von wem?

BF 2: Es gibt eine Generalvollmacht, deswegen konnte das jeder von uns machen

R: Sie oder Ihr Mann haben das Grundstück an Ihrem Bruder übergeben? [...] Warum?

BF 2: Dort hätte man dazu bauen müssen, Fundamente bauen müssen, wir waren das nicht in Stande, wir hätten das materiell nicht geschafft.

R: Was passiert mit Ihren russischen Pensionszahlungen seit Ihrer Ausreise?

BF 2: Niemand bekommt das, wir wissen nicht, wer da jetzt bekommt.

R: Hat sich Ihr Gesundheitszustand seit der Beschwerdeerhebung verändert?

BF 2: Ich hatte eine schwere Form von XXXX . Ich war in Kontrolle beim Arzt, einmal im Jahr hatte ich eine Untersuchung.

R: Haben Sie sonstige Erkrankungen?

BF 2: Ich habe auch eine andere chronische Erkrankung, die XXXX und habe XXXX .

R: Haben Sie eine XXXX oder welche XXXX probleme haben Sie?

BF 2: Ich nehme XXXX ein.

R: Habe ich Sie richtig verstanden, Ihre Erkrankungen bestanden - abgesehen von der Osteoporose - schon in der Russischen Föderation.

BF 2: Ich habe schon alles gehabt.

R: Wurden Sie auch schon dort behandelt?

BF 2: Ja, es gab zwei Operation, 1987 die XXXX und 2004 die XXXX . Da geht es um Kalzium in den Knochen. Dann habe ich einen Bruch in XXXX gehabt und dann begangen die Probleme mit den Knochen, ich war schon in XXXX in Behandlung. Im Jahr 2000 hatte ich auch eine Operation an der XXXX . Ich hatte dort eine XXXX , es wurde ein Teil weggenommen.

R: Und aus psychischer Sicht machen Sie welche Behandlungen?

BF 2: Ich gehe zum Psychologen, wir reden dort über alles und mir geht es leichter, mit Dolmetscher.

R: Haben Sie noch Fragen an BF 2 zum Thema Privat- und Familienleben?

BFV: Nein.

R: Möchten Sie zum Thema Privat- und Familienleben abschließend noch etwas angeben?

BF 2: Was meinen Sie genau.

R erklärt nochmals die Frage.

BF 2: Nein.

R: Haben Sie die Dolmetscherin gut verstanden?

BF 2: Ja, sicher."

Der Sohn XXXX machte als Zeuge in der auf Russisch durchgeführten

Einvernahme folgende Angaben:

"R: Bitte geben Sie Ihren vollen Namen, ihr Geburtsdatum und ihre Staatsangehörigkeit an.

Z1: Ich heiße XXXX , Vatersname: XXXX , geboren am XXXX , StA.:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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