Entscheidungsdatum
16.08.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I406 2222053-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Algerien alias Libyen, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.07.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Algeriens, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen ins Bundesgebiet ein und stellte am 22.04.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen seiner Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag erklärte er, aus Libyen zu stammen und am XXXX1999 geboren zu sein. Zu seinen Fluchtgründen gab er zu Protokoll: "Mein Vater ist verstorben. Dadurch machen mir meine Onkel das Leben schwer, indem sie mich zwingen, arbeiten zu gehen, um ihnen dann das Geld zu geben. In meinem Heimatland herrscht noch immer Bürgerkrieg". Der Beschwerdeführer habe im Falle einer Rückkehr in die Heimat Angst um sein Leben und seine Zukunft.
2. Bis zum 27.04.2016 hielt sich der Beschwerdeführer in der ihm zugewiesenen Unterkunft auf. Anschließend tauchte er unter und wurde deshalb am 06.05.2016 zur Festnahme ausgeschrieben.
Mit Aktenvermerk vom 06.05.2016 wurde sein Asylverfahren wegen Verletzung der Mitwirkungspflichten gemäß § 24 Abs. 2 AsylG eingestellt.
Am 25.05.2016 kehrte der Beschwerdeführer in seine Betreuungsstelle zurück und sein Verfahren wurde weitergeführt.
3. Am 25.05.2016 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Da Zweifel an der von ihm behaupteten Minderjährigkeit bestanden, wurde eine Altersfeststellung eingeleitet. Ein medizinisches Sachverständigengutachten vom 14.07.2016 ergab, dass der Beschwerdeführer laut fiktivem, errechnetem Geburtsdatum spätestens am XXXX geboren wurde.
Mit Verfahrensanordnung teilte das BFA ihm mit, dass er mit diesem Geburtsdatum geführt werde. Dazu bezog der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 04.08.2016 Stellung.
4. Am 28.07.2016 wurde das Asylverfahren des Beschwerdeführers in Österreich zugelassen.
5. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 19.09.2016, XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des Diebstahls und des gewerbsmäßigen Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 130 Abs. 1 erster Fall StGB zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von vier Monaten rechtskräftig verurteilt.
6. Am 06.04.2017 wurde der Beschwerdeführer durch das BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, libyscher Staatsangehörigkeit zu sein. Er sei in XXXX geboren, habe dort bis zu seinem siebten Lebensjahr gelebt und sei anschließend mit seiner Familie nach Tripolis gezogen, wo er acht Jahre lang die Schule besucht und für drei Jahre auf einem Markt gearbeitet habe. Auf Vorhalt der belangten Behörde, dass seine behauptete Herkunft nicht glaubhaft sei, blieb der Beschwerdeführer bei seiner Behauptung, aus Libyen zu stammen. Er könne über seinen Cousin in Libyen eine Geburtsurkunde beschaffen. Dem Beschwerdeführer wurde eine zweiwöchige Frist zur Vorlage von Beweismitteln gewährt.
7. Der Beschwerdeführer kam diesem Auftrag nicht nach. Im Zuge einer neuerlichen niederschriftlichen Einvernahme am 20.04.2017 erklärte er, keine amtlichen Dokumente vorlegen zu können, welche geeignet wären, seine behauptete Identität zu bestätigen, blieb jedoch bei der Behauptung, aus Libyen zu stammen. Er habe seine Heimat verlassen, weil dort Krieg herrsche und es Konflikte gebe. Weiters sei er von den Geldgebern seines Vaters verfolgt worden. Er sei mit einem Messer an seinem Fuß verletzt worden. Seine Mutter habe ihren Goldbesitz verkauft, um ihm die Flucht zu ermöglichen.
8. Da weiterhin begründete Zweifel an der behaupteten Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers bestanden, wurde ein Sprachgutachten beauftragt.
9. Am 04.07.2017 fand eine forensisch-afrikanistische Befunderhebung zu den Sprachkompetenzen und den Landeskenntnissen des Beschwerdeführers statt. Diese hatte zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in Algerien und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in einem der Maghreb-Länder hauptsozialisiert wurde. Eine Hauptsozialisierung in Libyen wurde mit ebensolcher Sicherheit ausgeschlossen.
10. Der Beschwerdeführer tauchte unter und wurde am 23.05.2018 aus der Grundversorgung entlassen. Mit Schreiben vom 13.06.2019 bat der Beschwerdeführer, neuerlich in die Grundversorgung aufgenommen zu werden.
11. Am 24.06.2019 erging die Mitteilung, dass sich der Beschwerdeführer seit dem 23.06.2019 in Untersuchungshaft in der Justizanstalt XXXX befinde.
12. Das mit 16.06.2019 datierte Sachverständigengutachten bezüglich seiner Sprach- und Landeskenntnisse wurde dem Beschwerdeführer mit Verfahrensanordnung vom 25.06.2019 unter Anschluss der Länderfeststellungen zu seinem Herkunftsstaat Algerien übermittelt. Dem Beschwerdeführer wurde mitgeteilt, dass er ab sofort mit einer algerischen Identität geführt werde. Ihm wurde eine Frist von fünf Tagen zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme eingeräumt, welche der Beschwerdeführer ungenützt verstreichen ließ.
13. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl. XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 22.04.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Algerien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Es wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Ziffer 6 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.). Weiters wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 und Z 3 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VIII.).
14. Weiters traf die belangte Behörde folgende Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:
"Laut Herkunftsstaatenverordnung (BGBl. II Nr. 177/2009 idgF.) zählt Ihr Herkunftsstaat Algerien zu den sicheren Herkunftsstaaten.
1. Politische Lage
Nach der Verfassung von 1996 ist Algerien eine demokratische Volksrepublik. Der Präsident wird für fünf Jahre direkt gewählt, seine Amtszeit ist seit der letzten Verfassungsreform im Jahr 2016 auf zwei Mandate begrenzt. Neben der nach Verhältniswahlrecht (mit Fünfprozent-Klausel) gewählten Nationalen Volksversammlung (Assemblée Populaire Nationale) besteht eine zweite Kammer (Conseil de la Nation oder Sénat), deren Mitglieder zu einem Drittel vom Präsidenten bestimmt und zu zwei Dritteln von den Gemeindevertretern gewählt werden. Die Gewaltenteilung ist durch die algerische Verfassung von 1996 gewährleistet, jedoch initiiert oder hinterfragt das Parlament seither selten Gesetzesvorschläge der Regierung und die Macht hat sich innerhalb der Exekutive zunehmend gefestigt. Präsident Bouteflika regierte weitgehend durch Präsidialdekret (BS 2018). Der Senatspräsident vertritt den Staatspräsidenten (AA 17.4.2019).Präsident Abdelaziz Bouteflika übernahm sein Amt erstmals im April 1999 (AA 17.4.2019). Am 17.4.2014 wurde er mit über 81% für eine vierte Amtszeit wiedergewählt (AA 17.4.2019; vgl. ÖB 13.2.2018).
Algerien, das größte Land Afrikas, gilt als wichtiger Stabilitätsanker in der Region. Die nächsten Präsidentschaftswahlen waren für den 18.4.2019 festgelegt (KAS 27.2.2019).
Mehrere Oppositionsparteien wollten einen gemeinsamen Gegenkandidaten aufstellen - konnten sich allerdings nicht einigen (TB 22.2.2019; vgl. TS 26.3.2019).
Seit Februar 2019 kommt es in Algier und vielen anderen Städten zu massiven Protesten, um gegen die erneute Kandidatur des kranken, 81-jährigen Präsidenten Bouteflikazu protestieren. Es wird ein Wechsel des politischen Systems und der Abgang der politischen Führung des Landes gefordert (AA 17.4.2019; vgl. BAMF 18.2.2019).
Die Proteste verliefen meist friedlich (BAMF 25.2.2019), dennoch setzte die Polizei Tränengas, Wasserwerfer und Schlagstöcke ein, um die Menge zu zerstreuen. Einige Menschen wurden vorübergehend festgenommen und nach ein paar Stunden wieder freigelassen (BAMF 25.2.2019; vgl. TB 22.2.2019). Staatliche wie auch regierungstreue Medien wurden in ihrer Berichterstattung eingeschränkt. Am 28.2.2019 demonstrierten rund hundert algerische Medienvertreter in Algier. Mehrere Journalisten wurden festgenommen.
Am 1.3.2019 soll es landesweit zu ca. 200 verletzten Demonstranten und Polizisten gekommen sein (BAMF 4.3.2019).
Am 11.3.2019 verkündete Präsident Bouteflika in einer "Botschaft an das Volk", dass die für den 18.4.2019 geplanten Wahlen abgesagt wurden und dass er selbst keine fünfte Amtszeit mehr anstrebe. Außerdem entließ er die bisherige Regierung unter Premierminister Ouyahia und ernannte den bisherigen Innenminister Noureddine Bedoui zum neuen Premierminister. Generalstabschef und Vize-Verteidigungsminister Ahmed Gaid Salah verblieb im Amt. Dieses Angebot von Bouteflika wurde von den Demonstranten abgelehnt (AA 17.4.2019).
Am 26.3.2019 forderte Ahmed Gaid Salah das Verfassungsgericht und das Parlament auf, den Präsidenten gem. Artikel 102 der Verfassung aus gesundheitlichen Gründen für amtsunfähig zu erklären (AA 17.4.2019; vgl. BAMF 1.4.2019; NZZ 26.3.2019). Nachdem auch die Machteliten, die bisher hinter Präsident Bouteflika standen, seinen Rücktritt gefordert hatten, ernannte dieser am 31.3.2019 eine Übergangsregierung. Zu der 27-köpfigen Übergangsregierung gehören sechs alte und 21 neue Minister (BAMF 1.4.2019).
Wie das Staatsfernsehen mitteilte, gehörten von den 27 Ministern lediglich acht der vorherigen Regierung an. Neu besetzt wurden unter anderem die Spitzen von Außenministerium, Finanzministerium, Innenministerium und Energieministerium. Der am 11.3.2019 zum Regierungschef ernannte Noureddine Bedoui bleibt im Amt (TS 1.4.2019). Am 3.4.2019 erklärte Bouteflika mit sofortiger Wirkung seinen Rücktritt (TS 3.4.2019).
Die Bestätigung der Regierung durch das Parlament und Beauftragung von Senatspräsident Abdelkader Bensalah als Übergangspräsidenten ist am 9.4.2019 erfolgt. Präsidentschaftswahlen wurden für den 4.7.2019 anberaumt (AA 17.4.2019; BAMF 15.4.2019). Bouteflikas Nachfolger Abdelkader Bensalah unterzeichnete das entsprechende Dekret, wie die algerische Nachrichtenagentur APS meldete (TS 10.4.2019; vgl. ZO 11.4.2019) und das algerische Militär kündigte an, die politische Übergangsphase zu "begleiten", indem sie die Wahlvorbereitungen kritisch überwachen würden (TS 10.4.2019; vgl. ZO 11.4.2019). Salah versprach auch den Kreis um das ehemalige Staatsoberhaupt zu entmachten und die Mitglieder der amtierenden Führung des Landes sollten für mögliche Vergehen wie Korruption zur Verantwortung gezogen werden (ZO 11.4.2019). Die landesweiten Proteste fanden weiterhin statt (AA 17.4.2019). Der 77-jährige Bensalah, einer der engsten Vertrauten Bouteflikas, ist seit mehr als 16 Jahren Präsident der oberen Parlamentskammer (TS 9.4.2019; vgl. ZO 11.4.2019) und ein langjähriger Weggefährte des Ex-Präsidenten (TS 9.4.2019). Bensalah darf bei der Wahl nicht selbst kandidieren (ZO 11.4.2019). Ihm fällt laut Verfassung die Verantwortung für die Übergangsphase zu. Gegen die Parlamentsentscheidung gab es erneut Demonstrationen in mehreren Städten Algeriens. Viele Demonstranten sehen in ihm einen Vertreter der alten Politikelite. Sie forderten einen vollständigen Wechsel an der Staatsspitze (TS 9.4.2019).
Weder der Rücktritt von Präsident Bouteflika noch die Ankündigung von Neuwahlen für den 4.7.2019 konnten weitere Demonstrationen verhindern. Tausende Menschen kamen zusammen, darunter auch erstmals eine einflussreiche Richtervereinigung, die erklärte, die Beaufsichtigung der angekündigten Präsidentschaftswahl boykottieren zu wollen. Die Protestierenden fordern den Rücktritt der gesamten Wirtschafts- und Machtelite ("le pouvoir") um Bouteflika (BAMF 15.4.2019). Am 10.5.2019, richteten sich die Proteste in der Hauptstadt hauptsächlich gegen Übergangspräsident Bensalah (BAMF 13.5.2019) und am 17.5.2019 verlangten die Demonstrierenden die für den 4.7.2019 geplanten Neuwahlen zu verschieben. Es sollen keine ehemaligen Machtinhaber, wie z.B. der Armeechef Ahmed Gaid Salah, an einer neuen Regierung beteiligt sind. Seit Beginn der Proteste gehen noch mehr Menschen auf die Straßen, aber auch die Sicherheitsmaßnahmen wurden erhöht. Panzerfahrzeuge wurden eingesetzt und Kontrollen an den Einfallstraßen in die Hauptstadt eingerichtet. Meldungen der Nachrichtenagentur AFP zufolge, soll es wieder zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften und zum Einsatz von Tränengas gekommen sein. Über Verletzte wurde nichts bekannt. Am 19.5.2019 haben auch tausende Studenten in Algier gegen die Fortsetzung einer Regierung mit alten Machtinhabern demonstriert (BAMF 20.5.2019).
Nachdem sich lediglich zwei Kandidaten für die Wahl am 4.7.2019 gemeldet hatten, jedoch nicht die geforderten Voraussetzungen erfüllten, hat der Verfassungsrat den Termin erneut verschoben. Interimspräsident Bensalah muss jetzt innerhalb seiner Amtszeit, die am 9.7.2019 endet, einen neuen Termin festsetzen (BAMF 3.6.2019).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (17.4.2019): Algerien - Innenpolitik, https://www.auswaertigesamt.de/de/aussenpolitik/laender/algerien-node/-/222160, Zugriff 27.5.2019
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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (3.6.2019): Briefing Notes 3 Juni 2019, Zugriff 4.6.2019
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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (20.5.2019): Briefing Notes 20 Mai 2019, Zugriff 4.6.2019
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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (1.4.2019): Briefing Notes 1 April 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2006127/Deutschland___Bundesamt_f%C3%BCr_Migration_und_Fl%C3%BCchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_01.04.2019_%28deutsch%29.pdf, Zugriff 4.6.2019
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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (25.2.2019): Briefing Notes 25 Februar 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003661/Deutschland___Bundesamt_f%C3%BCr_Migration_und_Fl%C3%BCchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_25.02.2019_%28deutsch%29.pdf, Zugriff 4.6.2019
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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (18.2.2019): Briefing Notes 18 Februar 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003659/Deutschland___Bundesamt_f%C3%BCr_Migration_und_Fl%C3%BCchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_18.02.2019_%28deutsch%29.pdf, Zugriff 4.6.2019
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BBC - BBC News Africa (12.4.2019): Algeria protests: Police arrest 108 in Friday clashes,
https://www.bbc.com/news/world-africa-47915798, Zugriff 28.5.2019
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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Algeria Country Report,
https://www.btiproject.org/de/berichte/laenderberichte/detail/itc/DZA/, Zugriff 28.5.2019
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KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (27.2.2019): Algerien vor der Präsidentschaftswahl,
https://www.kas.de/laenderberichte/detail/-/content/algerien-vor-der-praesidentschaftswahl, Zugriff 28.5.2019
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NZZ - Neue Zürcher Zeitung (26.3.2019): Die algerische Armee lässt Präsident Bouteflika fallen,
https://www.nzz.ch/international/militaer-fordert-absetzung-von-praesidentbouteflika-ld.1470236, Zugriff 28.5.2019
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ÖB - Österreichische Botschaft Algier (13.12.2018):
Asylländerbericht Algerien,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1454442/5818_1544771170_alge-ob-bericht-2018-12-13.docx, Zugriff 29.5.2019
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TB - Tagesblatt (22.2.2019): Tausende protestieren in Algerien:
Polizei löst Demonstration auf, https://www.tagblatt.ch/newsticker/international/tausende-protestieren-in-algerienpolizei-lost-demonstration-auf-ld.1096496, Zugriff 28.2.2019
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TS - Tagesscshau (3.4.2019): Rücktritt von Präsident Bouteflika -
Ein historischer Moment in Algerien, https://www.tagesschau.de/ausland/bouteflika-ruecktritt-107.html, Zugriff 13.6.2019
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TS - Tagesschau (9.4.2019): Nach Bouteflika-Rücktritt Neuer Übergangspräsident für Algerien, https://www.tagesschau.de/ausland/algerien-bouteflika-bensaleh-101.html, Zugriff 28.5.2019
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TS - Tagesschau.de (26.3.2019): Protest gegen Bouteflikas fünfte Kandidatur,
https://www.tagesschau.de/ausland/algerien-proteste-101.html, Zugriff 28.5.2019
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ZO - Zeit Online (11.4.2019): Algerien: Präsidentschaftswahl soll im Juli stattfinden,
https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-04/algerien-wahl-praesident-abdelaziz-bouteflikaproteste, Zugriff 28.5.2019
2. Sicherheitslage
Demonstrationen finden seit Mitte Februar 2019 fast täglich in allen größeren Städten statt, die größten Protestmärsche nach den Freitagsgebeten. Auch wenn diese bisher weitgehend friedlich verlaufen sind, können gewaltsame Auseinandersetzungen nicht ausgeschlossen werden (AA 29.5.2019). Die Sicherheitslage in gewissen Teilen Algeriens ist weiterhin gespannt. Es gibt immer noch terroristische Strukturen, wenn auch reduziert (ÖB 13.12.2018). Das Risiko von Terroranschlägen islamistischer Gruppen und Entführungen mit kriminellem oder terroristischem Hintergrund ist besonders hoch (BMEIA 29.5.2019; vgl. AA 29.5.2019). Landesweit kann es zu Behinderungen durch Demonstrationen und Streiks kommen (BMEIA 29.5.2019). Da jedoch Algerien in den 1990er Jahren ein Jahrzehnt des Terrorismus erlebt hat, bevorzugt die große Mehrheit der Algerier Frieden und lehnt Instabilität ab (BS 2018). Algerien steht auch aufgrund seines riesigen Staatsgebietes vor Herausforderungen. Dies erschwert den Kampf gegen den Terrorismus noch mehr. Die Überreste von terroristischen Gruppen aus den 90er Jahren in der Sahara und einigen nördlichen Regionen stellen immer noch eine massive Einschränkung der Regierungsführung dar (BS 2018).
Der djihadistische Terrorismus in Algerien ist stark reduziert worden; Terroristen wurden Großteils entweder ausgeschaltet, festgenommen oder haben oft das Land verlassen, was zur Verlagerung von Problemen in die Nachbarstaaten z.B. Mali führte. Gewisse Restbestände oder Rückzugsgebiete sind jedoch v.a. in der südlichen Sahara (so z.B. angeblich Iyad ag Ghali) vorhanden. Gruppen, wie die groupe salafiste pour la prédication et le combat (GSPC), die den 1997 geschlossenen Waffenstillstand zwischen dem algerischen Militär und der AIS nicht anerkannte, sich in die Saharagebiete zurückzog und 2005 mit Al Qaida zur AQIM verband sind auf kleine Reste reduziert und in Algerien praktisch handlungsunfähig. Inzwischen hat sich diese Gruppe wieder mehrmals geteilt, 2013 u.a. in die Mouvement d'unité pour je jihad en Afrique occidentale (MUJAO). Ableger dieser Gruppen haben den Terroranschlag in In Amenas/Tigentourine im Jänner 2013 zu verantworten. 2014 haben sich mit dem Aufkommen des "Islamischen Staates" (IS) Veränderungen in der algerischen Terrorismusszene ergeben. AQIM hat sich aufgespalten und mindestens eine Teilgruppe, Jund al-Khilafa, hat sich zum IS bekannt. Diese Gruppe hat die Verantwortung für die Entführung und Enthauptung des französischen Bergführers Hervé Gourdel am 24.9.2014 übernommen. Dies war 2014 der einzige Anschlag, der auf einen Nicht-Algerier zielte. Ansonsten richteten sich die terroristischen Aktivitäten ausschließlich auf militärische Ziele (ÖB 13.12.2018).
Islamistischer Terrorismus und grenzübergreifende Kriminalität in der Sahelregion stellen weiterhin Bedrohungen für die Stabilität Algeriens dar. Algerien ist massiv in der Bekämpfung des Terrorismus engagiert und hat sein Verteidigungsbudget auf mehr als 10 Mrd. EUR erhöht (somit das höchste in Afrika). Eine kleine Anzahl islamistischer Extremisten operiert vor allem in der Sahara und den Berberregionen. Unsicherheit in der Region und die Aktivitäten des IS in einigen Nachbarländern machen diese jedoch zu einer potenziellen Bedrohung (BS 2018).
Die Sicherheitssituation betreffend terroristische Vorfälle hat sich jedoch inzwischen weiter verbessert, die Sicherheitskräfte haben auch bislang unsichere Regionen wie die Kabylei oder den Süden besser unter Kontrolle, am relativ exponiertesten ist in dieser Hinsicht noch das unmittelbare Grenzgebiet zu Tunesien und zu Mali. Es kommt jedoch mehrmals wöchentlich zu Razzien und Aktionen gegen Terroristen oder deren Unterstützer (ÖB 13.12.2019).
Spezifische regionale Risiken Von Terroranschlägen und Entführungen besonders betroffen ist die algerische Sahararegion, aber auch der Norden und Nordosten des Landes (v.a. Kabylei). Die Gefahr durch den Terrorismus, der sich in erster Linie gegen die staatlichen Sicherheitskräfte richtet, besteht fort (AA 29.5.2019). 2017 gab es (mindestens) vier Anschläge mit eindeutig islamistischem Hintergrund, und zwar in Blida, Constantine, Oued Djemaa (Wilaya Blida), Ferkane (Wilaya Tebessa) und Tiaret (ÖB 13.12.2019).
Vor Reisen in die Grenzgebiete zu Libyen, Niger, Mali, Mauretanien, Tunesien und Marokko sowie in die sonstigen Saharagebiete, in ländliche Gebiete, Bergregionen (insbesondere Kabylei) und Gebirgsausläufer (Nord-Westen von Algier und Wilaya de Batna) wird gewarnt (BMEIA 29.5.2019; vgl. AA 29.5.2019, FD 29.5.2019; ÖB 13.12.2018). Ausgenommen davon sind nur die Städte Algier, Annaba, Constantine, Tlemcen und Oran (BMEIA 29.5.2019; ). Im Rest des Landes besteht weiterhin hohes Sicherheitsrisiko (BMEIA 29.5.2019). Praktisch nicht mehr existent sind die früher häufigen Entführungen, besonders in der Region Kabylei von wohlhabenden Einheimischen mit kriminellem Hintergrund (Lösegeldforderung). In den südlichen Grenzregionen zu Niger und Mali und jenseits der Grenzen gehen terroristische Aktivitäten, Schmuggel und Drogenhandel ineinander über. Es wird angenommen, dass AQIM in Nordmali, aber auch andernorts vereinzelt mit der lokalen Bevölkerung für Schmuggel aller Art zusammenarbeitet (ÖB 13.12.2019).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (29.5.2019): Algerien: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/algeriennode/algeriensicherheit/219044#content_0, Zugriff 29.5.2019
-
BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (29.5.2019):Reiseinformationen Algerien, Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reiseaufenthalt/reiseinformation/land/algerien/, Zugriff 29.5.2019
-
BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Algeria Country Report,
https://www.btiproject.org/de/berichte/laenderberichte/detail/itc/DZA/, Zugriff 29.5.2019
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FD - France Diplomatie (29.5.2019): Conseils aux Voyageurs - Algérie - Sécurité,
http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/algerie/, Zugriff 29.5.2019
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ÖB - Österreichische Botschaft Algier (13.12.2018):
Asylländerbericht Algerien,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1454442/5818_1544771170_alge-ob-bericht-2018-12-13.docx, Zugriff 29.5.2019
3. Rechtsschutz / Justizwesen
Obwohl die Verfassung eine unabhängige Justiz vorsieht, beschränkt die Exekutive die Unabhängigkeit der Justiz (USDOS 13.3.2019; vgl. GIZ 12.2016a; BS 2018). Der Präsident hat den Vorsitz im Obersten Justizrat, der für die Ernennung aller Richter (USDOS 13.3.2019;
vgl. BS 2018), sowie Staatsanwälte zuständig ist (USDOS 13.3.2019). Der Oberste Justizrat ist für die richterliche Disziplin und die Ernennung und Entlassung aller Richter zuständig (USDOS 13.3.2019;
vgl. BS 2018). Die in der Verfassung garantierte Unabhängigkeit von Gerichten und Richtern wird in der Praxis nicht gänzlich gewährleistet (BS 2018), sie ist häufig äußerer Einflussnahme und Korruption ausgesetzt (USDOS 13.3.2019). Die Justizreform wird zudem nur äußerst schleppend umgesetzt. Algerische Richter sehen sich häufig einer außerordentlich hohen Arbeitsbelastung ausgesetzt, was insbesondere in Revisions- und Berufungsphasen zu überlangen Verfahren führt. Ein berufsständisches Gesetz zu Status und Rolle der Anwaltschaft existiert nicht (AA 4.4.2018; vgl. BS 2018), der jedoch unter dem Einfluss der Exekutive steht (BS 2018 ).
Praktische Entscheidungen über richterliche Kompetenzen werden vom Obersten Justizrat getroffen (BS 2018). Die Richter werden für eine Dauer von zehn Jahren ernannt und können u.a. im Fall von Rechtsbeugung abgelöst werden (AA 4.4.2018). Im Straf- und Zivilrecht entscheiden Justizministerium und der Präsident der Republik mittels weisungsabhängiger Beratungsgremien über das Fortkommen von Richtern und Staatsanwälten. Das Rechtswesen kann so unter Druck gesetzt werden, besonders in Fällen, in denen politische Entscheidungsträger betroffen sind. Es ist der Exekutive de facto nachgeordnet. Im Handelsrecht führt die Abhängigkeit von der Politik zur inkohärenten Anwendung der Anti-Korruptionsgesetzgebung, da auch hier die Justiz unter Druck gesetzt werden kann (GIZ 12.2016a).
Das algerische Strafrecht sieht explizit keine Strafverfolgung aus politischen Gründen vor. Es existiert allerdings eine Reihe von Strafvorschriften, die aufgrund ihrer weiten Fassung eine politisch motivierte Strafverfolgung ermöglichen. Dies betrifft bisher insbesondere die Meinungs- und Pressefreiheit, die durch Straftatbestände wie Verunglimpfung von Staatsorganen oder Aufruf zum Terrorismus eingeschränkt werden. Rechtsquellen sind dabei sowohl das algerische Strafgesetzbuch als auch eine spezielle Anti-Terrorverordnung aus dem Jahre 1992. Das Strafmaß für die Diffamierung staatlicher Organe und Institutionen durch Presseorgane bzw. Journalisten soll allerdings grundsätzlich auf Geldbußen beschränkt sein (AA 4.4.2018). Der Straftatbestand der "Diffamation" führt zu zahlreichen Anklagen durch die staatlichen Anklagebehörden und schwebt als Drohung über Journalisten und allen, die sich öffentlich äußern (GIZ 12.2016a).
Die Verfassung gewährleistet das Recht auf einen fairen Prozess (USDOS 13.3.2019), aber in der Praxis respektieren die Behörden nicht immer die rechtlichen Bestimmungen, welche die Rechte des Angeklagten wahren sollen (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 4.4.2018). Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung und sie haben das Recht auf einen Verteidiger, dieser wird falls nötig auf Staatskosten zur Verfügung gestellt. Die meisten Verhandlungen sind öffentlich. Angeklagten und ihren Anwälten wird gelegentlich der Zugang zu von der Regierung gehaltenen Beweismitteln gegen sie verwehrt. Angeklagte haben das Recht auf Berufung. Die Aussage von Frauen und Männern wiegt vor dem Gesetz gleich (USDOS 13.3.2019). Den Bürgerinnen und Bürgern fehlt nach wie vor das Vertrauen in die Justiz, und sie sehen vor allem in politisch relevanten Strafverfahren Handlungsbedarf. Nach belastbarer Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen und kritischen Journalisten nimmt die Exekutive in solchen Fällen unmittelbar Einfluss auf die Entscheidungen des Gerichts (AA 4.4.2018).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (4.4.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1432978/4598_1526980677_auswaertiges-amt-berichtasyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-demokratischen-volksrepublik-algerien-standfebruar-2018-04-04-2018.pdf, Zugriff 29.5.2019
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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Algeria Country Report,
https://www.btiproject.org/de/berichte/laenderberichte/detail/itc/DZA/, Zugriff 15.2.2018
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2016a): Algerien -Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/algerien/geschichte-staat/, Zugriff 29.5.2019
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USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004261.html, Zugriff 29.5.2019
4. Sicherheitsbehörden
Die staatlichen Sicherheitskräfte lassen sich unterteilen in nationale Polizei, Gendarmerie, Armee und Zoll (GIZ 12.2016a). Die dem Innenministerium unterstehende nationale Polizei DGSN wurde in den 90er Jahren von ihrem damaligen Präsidenten, Ali Tounsi, stark ausgebaut und personell erweitert, und zwar von 100.000 auf 200.000 Personen, darunter zahlreiche Frauen (GIZ 12.2016a). Ihre Aufgaben liegen in der Gewährleistung der örtlichen Sicherheit (GIZ 12.2016a; vgl. USDOS 13.3.2019). Sie ist in den blauen Uniformen sehr präsent und in den Städten überall wahrnehmbar (GIZ 12.2016a). Der Gendarmerie Nationale gehören ca. 180.000 [Anm. GIZ: 180.000; USDOS:
130.000] Personen an, die die Sicherheit auf überregionaler (außerstädtischer) Ebene gewährleisten sollen (GIZ 12.2016a; vgl. USDOS 13.3.2019). Sie untersteht dem Verteidigungsministerium und verfügt über zahlreiche spezielle Kompetenzen und Ressourcen, wie Hubschrauber, Spezialisten gegen Cyberkriminalität, Sprengstoffspezialisten usw. Mit ihren schwarzen Uniformen sind sie besonders außerhalb der Städte präsent, z.B. bei den häufigen Straßensperren auf den Autobahnen um Algier (GIZ 12.2016a).
Die Gendarmerie Locale wurde in den 90er Jahre als eine Art Bürgerwehr eingerichtet, um den Kampf gegen den Terrorismus in den ländlichen Gebieten lokal zielgerichteter führen zu können. Sie umfasst etwa 60.000 Personen. Die Armee ANP (Armée Nationale Populaire) hat seit der Unabhängigkeit eine dominante Stellung inne und besetzt in Staat und Gesellschaft Schlüsselpositionen. Sie zählt allein an Bodentruppen ca. 120.000 Personen und wurde und wird im Kampf gegen den Terrorismus eingesetzt. Die Armee verfügt über besondere Ressourcen, wie hochqualifizierte Militärkrankenhäuser und soziale Einrichtungen. Die Zollbehörden nehmen in einem außenhandelsorientierten Land wie Algerien eine wichtige Funktion wahr. Da in Algerien gewaltige Import- und Exportvolumina umgesetzt werden, ist die Anfälligkeit für Korruption hoch (GIZ 12.2016a).
Straffreiheit bleibt ein Problem (USDOS 13.3.2019). Übergriffe und Rechtsverletzungen der Sicherheitsbehörden werden entweder nicht verfolgt oder werden nicht Gegenstand öffentlich gemachter Verfahren (ÖB 13.12.2018). Das Strafgesetz enthält Bestimmungen zur Untersuchung von Missbrauch und Korruption, aber die Regierung veröffentlicht keine Informationen bzgl. disziplinärer oder rechtlicher Maßnahmen gegen Mitglieder der Sicherheitskräfte (USDOS 13.3.2019).
Quellen:
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2016a): Algerien - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/algerien/geschichte-staat/, Zugriff 29.5.2019
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ÖB - Österreichische Botschaft Algier (13.12.2018):
Asylländerbericht Algerien,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1454442/5818_1544771170_alge-ob-bericht-2018-12-13.docx, Zugriff 29.5.2019
-
USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004261.html, Zugriff 29.5.2019
5. Folter und unmenschliche Behandlung
Folter ist gesetzlich verboten (USDOS 13.3.2019; vgl. ÖB 13.12.2018). Unmenschliche oder erniedrigende Strafen werden gesetzlich nicht angedroht. Die Verfassung verbietet Folter und unmenschliche Behandlung (AA 4.4.2018). Das traditionelle islamische Strafrecht (Scharia) wird in Algerien nicht angewendet. Im algerischen Strafgesetz ist Folter seit 2004 ein Verbrechen (AA 4.4.2018). In den neuesten Berichten von Menschenrechtsorganisationen werden Fälle bis 2015 aufgeführt, in denen Übergriffe gegen Personen in Gewahrsam bis hin zu Folter durch die Sicherheitsdienste beklagt werden. Auf neuere Fälle gibt es keine Hinweise (AA 4.4.2018; vgl. USDOS 13.3.2019)
Das Strafmaß für Folter liegt zwischen 10 und 20 Jahren. Nach Angaben des Justizministeriums gab es im Laufe des Jahres sechs Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Strafverfolgungsbeamte wegen Folter. Menschenrechtsaktivisten gaben an, dass die Polizei manchmal übermäßige Gewalt gegen Verdächtige einschließlich Demonstranten angewendet hat (USDOS 13.3.2019).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (4.4.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Volksrepublik Algerien,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1432978/4598_1526980677_auswaertiges-amt-berichtasyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-demokratischen-volksrepublik-algerien-standfebruar-2018-04-04-2018.pdf, Zugriff 29.5.2019
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ÖB - Österreichische Botschaft Algier (13.12.2018):
Asylländerbericht Algerien,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1454442/5818_1544771170_alge-ob-bericht-2018-12-13.docx, Zugriff 29.5.2019
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USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004261.html, Zugriff 29.5.2019
6. Korruption
Gesetzlich sind zwar bis zu zehn Jahre Haft für behördliche Korruption vorgesehen, jedoch wird das Gesetz von der Regierung nicht effektiv durchgesetzt. Korruption bleibt ein Problem. Manchmal üben Beamte straflos korrupte Praktiken aus (USDOS 13.3.2019). Das dem Justizministerium unterstellte Zentralbüro zur Bekämpfung der Korruption ist das hauptverantwortliche Regierungsorgan (GIZ 12.2016a). Korruption in der Regierung beruht hauptsächlich auf einer überbordenden Bürokratie und mangelnden transparenten Strukturen (USDOS 13.3.2019). Auf dem Corruption Perceptions Index für 2018 liegt Algerien auf Platz 105 von 180 (TI 2018).
Quellen:
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2016a): Algerien -Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/algerien/geschichte-staat/, Zugriff 29.5.2019
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TI - Transparency International (2018): Table of Results:
Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/country/DZA, Zugriff 29.5.2019
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USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Algeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004261.html, Zugriff 29.5.2019
7. Allgemeine Menschenrechtslage
Staatliche Repressionen, die allein wegen Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe erfolgen, sind in Algerien nicht feststellbar (AA 4.4.2019). Algerien ist den wichtigsten internationalen Menschenrechtsabkommen beigetreten. Laut Verfassung werden die Grundrechte gewährleistet. Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen haben seit Ende der 1990er Jahre abgenommen, bestehen jedoch grundsätzlich fort (AA 17.4.2019). Meinungs- und Versammlungsfreiheit existieren lediglich auf dem Papier (GIZ 12.2016a), werden eingeschränkt (USDOS 13.3.2019; vgl. GIZ 12.2016a, BS 2018) und die Unabhängigkeit der Justiz ist mangelhaft. Weitere bedeutende Menschenrechtsprobleme sind übermäßige Gewaltanwendung durch die Polizei, inklusive Foltervorwürfe, sowie die Einschränkung der Möglichkeit der Bürger, ihre Regierung zu wählen. Weitverbreitete Korruption begleitet Berichte über eingeschränkte Transparenz bei der Regierungsführung. Straffreiheit bleibt ein Problem (USDOS 13.3.2019).
Obwohl die Verfassung Meinungs- und Pressefreiheit gewährleistet, schränkt die Regierung diese Rechte ein (USDOS 13.3.2019; vgl. HRW 17.1.2019, GIZ 12.2016a, BS 2018). NGOs kritisieren diese Einschränkungen. Bürger können die Regierung nicht ungehindert kritisieren. Es drohen Belästigungen und Verhaftungen; Bürger sind somit bei der Äußerung von Kritik zurückhaltend (USDOS 13.3.2019). Es gibt zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften (GIZ 12.2016a). Die Gründung von drei privaten Fernsehsendern durchbrach 2013 das staatliche TV-Monopol (BS 2018). Diese privaten Anbieter stehen aber unter scharfer Beobachtung. Das Tor zur Welt stellt für die algerische Bevölkerung jedoch das Satellitenfernsehen dar - Satellitenschüsseln sind in riesiger Anzahl überall installiert und erlauben den Zugang zu Europa und zur arabischen Welt (GIZ 12.2016a).
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit werden durch die algerische Verfassung garantiert, sie bleiben aber bislang - auch nach Aufhebung des Ausnahmezustands durch Präsident Bouteflika im Februar 2011 - in der Praxis stark eingeschränkt (AA 4.4.2018; vgl. USDOS 13.3.2019, HRW 9.4.2019). Ergebnis ist, dass die Möglichkeiten politischer Tätigkeit insbesondere in Algier weiterhin eng begrenzt sind. Oppositionelle politische Aktivisten beklagen, aufgrund von Anti-Terrorismus-Gesetzen und solchen zur Begrenzung der Versammlungsfreiheit festgenommen zu werden (ÖB 13.12.2018). So besteht in Algier unter Berufung auf ein Dekret aus dem Jahr 2001 weiterhin ein generelles Demonstrationsverbot (AA 4.4.2018; vgl. HRW 9.4.2019). Auch am 10.5.2019 sind die Menschen wieder in Massen auf die Straßen gegangen. In der Hauptstadt Algier richteten sich die Proteste hauptsächlich gegen Übergangspräsident Bensalah. Das Militärgericht in Blida hat am 9.5.2019 die Generalsekretärin der oppositionellen Arbeiterpartei Louisa Hanoune festgenommen. Sie hat zusammen mit ihrer Partei die Proteste unterstützt. Ein Tatvorwurf ist bisher nicht bekannt (BAMF 13.5.2019). Auch in anderen Städten werden Demonstrationen trotz Aufhebung des Ausnahmezustands weiterhin regelmäßig nicht genehmigt. Oppositionelle Gruppierungen haben zudem oft Schwierigkeiten, Genehmigungen für Veranstaltungen in geschlossenen Räumen zu erhalten (AA 4.4.2018).
Das Gesetz garantiert der Regierung we