Entscheidungsdatum
17.09.2019Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22Spruch
W185 2215984-1/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch RA Mag. Ronald Frühwirth, Grieskai 48, 8020 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2019, Zl. 1119102602-181116460, beschlossen:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs 3 2. Satz BFA-Verfahrensgesetz idgF (BFA-VG) stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Syrien. Sie reiste gemeinsam mit ihrer Mutter am 03.11.2018 unter Verwendung eines spanischen Schengen-Visums auf dem Luftweg in Österreich ein.
Am 21.11.2018 stellte sie den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Eine Eurodac-Abfrage hinsichtlich der Beschwerdeführerin ergab keine Treffermeldung.
Ein Abgleichsbericht zur VIS-Abfrage iVm mit einem Ausdruck der Datei "CVIS" des BMI, ergab, dass der Beschwerdeführerin am 10.10.2018 in Beirut ein spanisches Touristen-Visum, gültig vom 21.10.2018 bis 19.11.2018, erteilt wurde.
Im Verlauf ihrer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 21.11.2018 gab die Beschwerdeführerin zusammengefasst an, dass ihr Zielland Österreich gewesen sei, da sich hier ihr Ehegatte befinde. Eine ihrer Schwestern sei im Zuge der Familienzusammenführung nach Österreich gekommen und lebe mit ihrer Familie in Wien. Einer ihrer Brüder lebe als anerkannter Flüchtling ebenfalls in Wien. Die Beschwerdeführerin sei gemeinsam mit ihrer Mutter, welche am 20.11.2018 in Österreich um Asyl angesucht habe und sich im Flüchtlingslager XXXX befinde, von der Türkei aus legal nach Spanien und von dort aus am 02.11.2018 nach Österreich geflogen. In Spanien habe die Beschwerdeführerin nicht um Asyl angesucht. Über Spanien könne sie nichts berichten, zumal sie dort lediglich am Flughafen gewesen sei und sich dort ein Ticket nach Österreich gekauft habe. Hier könne sie bei ihrem Mann, welcher im April 2015 nach Österreich gekommen sei, wohnen. Der Genannte sei anerkannter Flüchtling, arbeite als Staplerfahrer und lebe in XXXX . Die Beschwerdeführerin habe im Vorfeld bereits zwei Mal vergeblich versucht, im Rahmen der Familienzusammenführung nach § 35 AsylG nach Österreich zu ihrem Mann zu gelangen. Nunmehr sei sie mittels eines spanischen Visums nach Österreich gekommen, da die Lage in Syrien immer schlechter geworden sei und sie von den dortigen Behörden "belästigt" worden sei. Sie und ihre Mutter hätten Glück gehabt, ein spanisches Visum zu erhalten. Über Befragen zu ihrem Gesundheitszustand gab die Beschwerdeführerin an, der Einvernahme ohne Probleme folgen zu können und keine Medikamente einzunehmen; sie sei auch nicht schwanger.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 23.11.2018 ein Aufnahmegesuch gem. Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) an Spanien. Darin wurde mitgeteilt, dass die mit der Beschwerdeführerin mitgereiste Mutter am 20.11.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt habe und hinsichtlich der Genannten bereits ein Aufnahmeersuchen an Spanien ergangen sei. Die Beschwerdeführerin habe bereits zwei Mal vergeblich im Weg der Familienzusammenführung versucht, nach Österreich zu gelangen; Nachweise einer Ehe mit der in Österreich asylberechtigten Bezugsperson seien nicht vorgelegt (AS 97).
Aufgrund Privatverzugs wurde die Beschwerdeführerin aus der Grundversorgung abgemeldet (Schreiben BFA 28.11.2018).
Mit Schreiben vom 25.01.2019 teilte die österreichische Dublin-Behörde Spanien mit, dass auf Grund der nicht fristgerecht erfolgten Antwort gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO Verfristung eingetreten und Spanien nunmehr für die Durchführung des gegenständlichen Asylverfahrens zuständig sei.
Mit Schriftsatz vom 12.02.2019 gab RA Mag. Frühwirth bekannt, nunmehr die Beschwerdeführerin (sowie deren Mutter) rechtsfreundlich zu vertreten. In der angeschlossenen Stellungnahme wurde ausgeführt, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sei, zumal dieser in Österreich Asylberechtigter sei. Auf diesen Umstand und die Ehegatteneigenschaft stütze sich die Beschwerdeführerin in diesem Verfahren. Eine Familienzusammenführung nach § 35 AsylG sei aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht möglich gewesen. Die Eheschließung nach traditionellem Ritus sei am 01.07.2014 in Syrien entsprechend den dortigen Regelungen erfolgt. Einer der damaligen Trauzeugen befinde sich in Österreich; es werde beantragt, diesen einzuvernehmen. Nach dem anzuwendenden syrischen Personalstatut werde eine vor einer religiösen Stelle vollzogenen Eheschließung staatlich anerkannt, wenn sie danach bei einem Zivilgericht bzw einer staatlichen Behörde registriert worden sei (vgl VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0094). Aufgrund der Kriegswirren sei es nicht gelungen, dieses Procedere zu erledigen. Im März 2015 habe sich die Bezugsperson dazu entschlossen, Syrien zu verlassen. Die Registrierung der Ehe sei erst zu einem späteren Zeitpunkt auf Betreiben der Beschwerdeführerin erfolgt. Die Abwesenheit der Bezugsperson bei diesem Termin ändere aber nichts am wirksamen Zustandekommen des Ehevertrages. Da die Beschwerdeführerin somit über einen in Österreich asylberechtigten Ehegatten und damit einen Familienangehörigen nach § 2 Abs 1 Z 22 AsylG und Art 2 lit g Dublin III-VO verfüge, habe sie gemäß § 34 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 AsylG Anspruch auf denselben Schutzstatus wie ihr Ehemann. Das Verfahren der Beschwerdeführerin sei somit zuzulassen. Zwischen der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter würden enge familiäre Bande bestehen, welche in den Schutzbereich des Art 8 EMRK fallen würden. Der VfGH habe ausgesprochen, dass es für das Bestehen eines Familienlebens zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern darauf ankomme, ob "jede Bindung gelöst" sei. Die besonders geschützte Verbindung könne nur unter außergewöhnlichen Bedingungen als aufgelöst betrachtet werden; gegenständlich sei nicht einmal die Hausgemeinschaft aufgelöst. Zwei weitere Geschwister der Beschwerdeführerin würden sich ebenfalls als anerkannte Flüchtlinge im Bundesgebiet aufhalten. Der VwGH halte in ständiger Rspr fest, dass bei einer drohenden Verletzung von Art 8 EMRK zwingend vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen sei. Art 17 Abs 2 Dublin III-VO sei gerade für Sachverhaltskonstellationen wie gegenständlich geschaffen worden.
Im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 13.02.2019 gab die Beschwerdeführerin - nach durchgeführter Rechtsberatung und in Anwesenheit eines Rechtsberaters - an, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, die Befragung zu absolvieren. Es gehe ihr gut und sie sei nicht in ärztlicher Behandlung. Die Beschwerdeführerin habe bereits alle Dokumente im Verfahren zur Familienzusammenführung vorgelegt. Sie habe bisher wahrheitsgemäße Angaben erstattet. Ihr Gatte XXXX lebe seit 2015 in Österreich; dieser sei mittlerweile anerkannter Flüchtling. Eine Schwester und ein Bruder würden ebenfalls als Asylberechtigte in Österreich leben. Die Beschwerdeführerin und ihre Mutter seien mit spanischen Visa nach Österreich gelangt. Die Beschwerdeführerin wohne seit ihrer Einreise in Österreich bei ihrem Mann in XXXX . Auch ihre Mutter wohne mit ihnen in XXXX . Die angeführten Geschwister der Beschwerdeführerin würden in Wien leben; zu diesen habe die Beschwerdeführerin "Kontakt". Vor Ankunft der Beschwerdeführerin in Österreich habe ihr Mann in Österreich allein gelebt. Ihr Mann komme finanziell für die Beschwerdeführerin auf. In Syrien hätten die Beschwerdeführerin und ihr Mann ca 9 Monate zusammengelebt, bevor dieser im April 2015 habe flüchten müssen. Über Vorhalt der beabsichtigten Überstellung nach Spanien gab die Beschwerdeführerin an, nach Österreich gekommen zu sein, um hier mit ihrem Gatten wieder ein Familienleben führen zu können. In Spanien kenne sich die Beschwerdeführerin nicht aus und habe auch nie dorthin gelangen wollen. In Spanien habe sie "nichts". Sie habe stets zu ihrem Gatten nach Österreich kommen wollen. Mit dem Visum habe die Beschwerdeführerin von Anfang an nur nach Österreich reisen wollen. Die Versuche, legal nach Österreich zu kommen, seien immer gescheitert. Am 15.11.2013 habe die Verlobungsfeier, am 01.07.2014 die Hochzeit stattgefunden. Die Beschwerdeführerin verfüge über einen Auszug aus dem Familienbuch, die religiöse und die standesamtliche Heiratsurkunde sowie einen Auszug aus dem Familienregister im Original und in Übersetzung. Alle Dokumente habe sie bereits im Verfahren zur Familienzusammenführung vorgelegt. Der Antrag sei damals wohl abgelehnt worden, da ihr Mann irrtümlich das Verlobungs- anstatt das Hochzeitsdatum angegeben habe und sich bei Registrierung der Ehe bereits in Österreich befunden habe. Der Rechtsberater beantragte die Verfahrenszulassung aufgrund des gemeinsamen Familienlebens (mit ihrem Gatten). Der Gatte der Beschwerdeführerin wurde in der Folge zur Einvernahme hinzugezogen und gab dieser zum Datum der Eheschließung befragt an, damals "einen Fehler gemacht" zu haben. Dieser Fehler hätte nun bereits 4 Jahre (gemeinsamen Familienlebens) gekostet. Er bestätigte, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um seine Gattin handle; mit dieser und deren Mutter lebe er auch jetzt gemeinsam.
Mit Bescheid vom 19.02.2019 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Art. 22 Abs. 7 (richtig: iVm Art 12 Abs 4) der Dublin III-VO Spanien zuständig sei. Gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF wurde in Spruchpunkt II. gegen die Beschwerdeführerin die Außerlandesbringung angeordnet. Demzufolge sei gem. § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Spanien zulässig.
Zusammengefasst wurde im Bescheid ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei unter Verwendung eines gültigen Visums legal nach Spanien eingereist, habe sich dann nach Österreich begeben und hier am 21.11.2018 um Asyl angesucht. Die Zuständigkeit Spaniens habe sich aufgrund Verfristung ergeben bzw habe sich Spanien am 01.02.2019 nachträglich für zuständig erklärt. Die Identität der Beschwerdeführerin stehe fest. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführerin an schweren psychischen Störungen und/oder an schweren Krankheiten leide. In Österreich befänden sich die Mutter der Beschwerdeführerin, welche gemeinsam mit dieser nach Österreich gereist sei, sowie ein Bruder und eine Schwester mit Familie. Die Beschwerdeführerin bringe weiter vor, mit XXXX verheiratet zu sein; dieser sei jedoch im Einreiseverfahren nach § 35 AsylG nicht als Bezugsperson anerkannt worden. Die Beschwerdeführerin lebe in Österreich (lediglich) mit ihrer Mutter und ihrem Gatten im gemeinsamen Haushalt; mit den übrigen genannten Angehörigen habe ein solcher auch bisher nicht bestanden. Zu den angeführten Verwandten bestehe weder ein finanzielles noch ein sonstiges Abhängigkeitsverhältnis. Auch für die Mutter der Beschwerdeführerin sei die Außerlandesbringung nach Spanien angeordnet worden. Es könne nicht festgestellt werden, dass eine besondere Integrationsverfestigung in Österreich bestehe. Der Beschwerdeführerin habe bereits vor Asylantragstellung in Österreich bewusst sein müssen, dass diese nach Ablauf der Gültigkeit des Visums zur Ausreise aus Österreich verpflichtet wäre. Im Einreiseverfahren sei bereits in zwei Instanzen festgestellt worden sei, dass der Bestand der Ehe bereits im Heimatland nicht habe zweifelsfrei nachgewiesen werden können. Die maßgebliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sei im März 2018 in Rechtskraft erwachsen und könne eine maßgebliche Änderung der damals zugrunde gelegten Umstände nicht erkannt werden. Es seien auch keine neuen Dokumente vorgelegt worden bzw seien diese bereits im Einreiseverfahren nach § 35 ASylG als nicht ausreichend bewertet worden, um eine Familienzusammenführung zu gewährleisten. Nicht festgestellt werden könne, dass die Beschwerdeführerin in Spanien systematischen Misshandlungen bzw Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei bzw diese dort zu erwarten hätte. Mit den Angaben der Beschwerdeführerin seien keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass diese tatsächlich konkret Gefahr liefe, in Spanien Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass dieser eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte. Aufgrund der nachträglichen Zustimmung Spaniens zur Übernahme der Beschwerdeführerin könne nicht erkannt werden, dass dieser in Spanien der Zugang zum Asylverfahren verweigert würde; eine Schutzverweigerung Spaniens sei nicht zu erwarten. Die Ausweisungsentscheidung stelle (auch) im Hinblick auf den Ehemann der Beschwerdeführerin, mit welchem diese seit ihrer Einreise nach Österreich in einem gemeinsamen Haushalt lebe, keinen Eingriff in das durch Art 8 EMRK geschützte Familienleben dar, zumal sich seit der Rechtskraft des Einreiseverfahrens keine neuen maßgeblichen Umstände zum (Nicht-)Bestehen der Ehe bereits im Herkunftsstaat ergeben hätten. Auch habe die Beschwerdeführerin seit April 2015 bis November 2018 von ihrem Gatten getrennt gelebt, sodass weder ein finanzielles noch sonstiges Abhängigkeitsverhältnis noch eine besondere Beziehungsintensität erkannt werden könne. Mit den in Österreich aufhältigen Geschwistern bestünden weder ein gemeinsamer Haushalt noch wechselseitige Abhängigkeiten oder eine besondere Beziehungsintensität; solche seien im Verfahren auch nie behauptet worden. Auch ein gravierender Eingriff in Bezug auf die Achtung des Privatlebens nach Art 8 EMRK liege nicht vor. Die Möglichkeit der Aufrechterhaltung von Kontakten zu den in Österreich befindlichen Verwandten bestehe, wenn auch in eingeschränkter Form, auch von Spanien aus (Brief, E-Mail, Telefon etc). Insgesamt sei davon auszugehen, dass die Anordnung der Außerlandesbringung nicht zu einer Verletzung der Dublin III-VO sowie von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK führe und die Zurückweisungsentscheidung daher unter diesen Aspekten zulässig sei. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG habe bei Abwägung aller Umstände nicht erschüttert werden können. Es habe sich kein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 17 Abs. 1 der Dublin III-VO ergeben. Aus gesundheitlichen Gründen spreche nichts gegen eine Überstellung nach Spanien; die Beschwerdeführerin sei aktuell transportfähig. Eine Verletzung von Art 3 EMRK sei nicht zu erkennen.
Gegen den oben angeführten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Zusammengefasst wurde darin vorgebracht, dass sich die Beschwerdeführerin aufgrund der rechtswidrigen Anwendung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und aufgrund des mangelhaften behördlichen Verfahrens in ihrem Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens nach Art 8 EMRK, im Recht auf Zulassung ihres Asylantrages sowie letztlich in ihrem Recht auf Zuerkennung jenes Status, der auch ihrem Ehemann zukomme, verletzt erachte. Dem Ehegatten der Beschwerdeführerin komme der Status des Asylberechtigten zu. Die Beschwerdeführerin habe zunächst versucht, im Rahmen eines Verfahrens nach § 35 AsylG die Erteilung eines Einreisetitels zu erwirken, was jedoch gescheitert sei, da das Bundesamt - aus für die Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbaren Gründen - mitgeteilt habe, dass die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Es sei die Vermutung in den Raum gestellt worden, dass keine Ehe bestehen würde. Auf die gegenteiligen tatsächlichen und rechtlichen Argumente der Beschwerdeführerin sei in diesem Verfahren nicht eingegangen worden. Am 21.11.2018 habe die Beschwerdeführerin nach rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet den vorliegenden Asylantrag gestellt und habe die Zuerkennung desselben Schutzes begehrt, welchem auch ihrem Ehegatten zukomme. Im nunmehr bekämpften ablehnenden Bescheid wurde ausgeführt, dass das durch Art 8 EMRK geschützte Recht auf ein Familienleben der aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht entgegenstünde, da sich im Einreiseverfahren nach § 35 AsylG "nicht in ausreichend erwiesenem Maße ergeben" hätte, dass die Ehe bereits im Herkunftsland bestanden habe und aufgrund der fluchtbedingten Trennung der Eheleute kein Familienleben mehr bestehen würde. Bei der im Bescheid angeführten Bestimmung des Art. 22 Abs 7 Dublin III-VO handle es sich nicht um einen Zuständigkeitstatbestand, woraus sich bereits die Rechtswidrigkeit des Bescheides ergebe. Aufgrund des spanischen Schengen-Visums wäre es naheliegend, als Zuständigkeitstatbestand Art 12 Dublin III-VO anzuführen. Dieser Tatbestand sei allerdings gegenüber jenem in Art 9 Dublin III-VO normierten nachrangig, sodass sich im Hinblick auf die Statuszuerkennung an den Ehegatten bereits deshalb eine Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung des Asylantrags der Beschwerdeführerin ergebe. Diese Zuständigkeit ergebe sich zudem aus Art 17 Dublin III-VO iVm § 34 AsylG. Unklar sei, ob die spanischen Behörden im Konsultationsverfahren darauf hingewiesen worden seien, dass sich der asylberechtigte Ehegatte der Beschwerdeführerin in Österreich aufhalte. Bei Zutreffen dieser Vermutung wäre das Konsultationsverfahren als mangelhaft anzusehen und müsste zu einem Vorgehen nach § 21 Abs 3 BFA-VG führen. Die Eheschließung nach traditionellem Ritus sei am 01.07.2014 in Syrien entsprechend den dortigen Regelungen erfolgt. Es seien dabei beide Eheleute und vier Trauzeugen anwesend gewesen; einer der Trauzeugen sei der Schwager der nunmehrigen Beschwerdeführerin gewesen. Diese Zeugen würden auch in der bereits vorgelegten Heiratsurkunde aufscheinen. Nach dem anzuwendenden syrischen Personalstatut werde eine vor einer religiösen Stelle vollzogenen Eheschließung staatlich anerkannt, wenn sie danach bei einem Zivilgericht bzw einer staatlichen Behörde registriert worden sei (vgl VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0094). Aufgrund der Kriegswirren sei es nicht gelungen, dieses Procedere im Anschluss an die Hochzeit zu erledigen. Im März 2015 habe sich die Bezugsperson dann dazu entschlossen, Syrien zu verlassen. Die Registrierung der Ehe sei erst zu einem späteren Zeitpunkt auf Betreiben der Beschwerdeführerin erfolgt. Die Abwesenheit der Bezugsperson bei diesem Termin ändere aber nichts am wirksamen Zustandekommen des Ehevertrages. Die im Einreiseverfahren nach § 35 AsylG formulierten Bedenken gegen eine sog Stellvertreterehe könnten seit der o.a. Klarstellung durch den VwGH nicht mehr aufrechterhalten werden. Eine Ehe wie hier dargestellt, vermittle vielmehr die Familienangehörigeneigenschaft iSd § 2 Abs 1 Z 22 AsylG. Der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang noch festzuhalten, dass im gegenständlichen Verfahren auch keine Bindungswirkung gegenüber der im Einreiseverfahren vorgenommenen rechtlichen Beurteilung bestehe. Da die Beschwerdeführerin somit über einen in Österreich als Asylberechtigten aufhältigen Ehegatten und damit Familienangehörigen iSd § 2 Abs 1 Z 22 AsylG und Art 2 lit g Dublin III-VO verfüge, habe diese gemäß der auch im Dublin-Verfahren anzuwendenden Bestimmung des § 34 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 AsylG Anspruch auf denselben Schutzstatus wie ihr Ehegatte. Wenn die Zurückweisung der Anträge aller Familienangehöriger gemäß § 5 AsylG, etwa in Folge der Zuständigkeit Österreichs für die Prüfung des Antrags eines Familienangehörigen, nicht mehr in Betracht komme, habe dies im Hinblick auf die übrigen Familienmitglieder die Verpflichtung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gem Art 17 Abs 1 Dublin III-VO zur Folge. Ein Verfahrensmangel sei weiters darin zu erblicken, dass der als Trauzeuge genannte Schwager der Beschwerdeführerin im Verfahren nicht als Zeuge einvernommen worden sei, obwohl sich dieser in Österreich befinde und dessen Einvernahme beantragt worden sei.
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.03.2019 wurde der Beschwerde gem. § 17 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Stattgebung der Beschwerde:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) lauten:
§ 2 Abs 1 Z 22 AsylG idgF lautete:
Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat.
§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
...
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
...
§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;
3. im Falle einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).
§ 35 Abs 5 AsylG 2005 idgF lautet:
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
§ 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:
§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes
im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen.
Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-Verordnung) lauten:
Art. 2 lit g "Familienangehörige"
Familienangehörige die folgenden Mitglieder der Familie des Antragstellers, die sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufhalten, sofern die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat:
-
der Ehegatte des Antragstellers oder sein nicht verheirateter Partner, der mit ihm eine dauerhafte Beziehung führt, soweit nach dem Recht oder nach den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats nicht verheiratete Paare ausländerrechtlich vergleichbar behandelt werden wie verheiratete Paare,
[....]
Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
Art. 7 Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.
Art. 9 Familienangehörige, die Begünstigte internationalen Schutzes sind
Hat der Antragsteller einen Familienangehörigen - ungeachtet der Frage, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat - der in seiner Eigenschaft als Begünstigter internationalen Schutzes in einem Mitgliedstaat aufenthaltsberechtigt ist, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, sofern die betreffenden Personen diesen Wunsch schriftlich kundtun.
Art. 12 Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa
(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:
a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;
b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;
c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.
(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.
Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.
(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.
Art. 16 Abhängige Personen
(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.
(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.
(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.
(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Art. 17 Ermessensklauseln
(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.
Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.
(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.
Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.
Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.
Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.
Art 22 Antwort auf ein Aufnahmegesuch
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(7) Wird innerhalb der Frist von zwei Monaten gemäß Absatz 1 bzw der Frist von einem Monat gemäß Absatz 6 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.
Im gegenständlichen Beschwerdefall ging das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zwar zunächst grundsätzlich zutreffend davon aus, dass in materieller Hinsicht die Zuständigkeit Spaniens zur Prüfung des in Rede stehenden Antrages auf internationalen Schutz in (richtig: Art. 12 Abs. 4 iVm) Art. 22 Abs. 7 der Dublin III-VO begründet ist, da die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt ihrer Asylantragstellung im Besitz eines Visums war, welches seit weniger als sechs Monaten abgelaufen war und die spanischen Behörden das Aufnahmegesuch des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nicht fristgerecht beantwortet haben. Angesichts der familiären und verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte der Beschwerdeführerin in Österreich, könnte der Wahrnehmung der Unzuständigkeit Österreichs jedoch möglicherweise eine Verletzung von Bestimmungen der EMRK entgegenstehen.
Die gegenständliche Entscheidung des Bundesamtes ist insofern auf der Grundlage eines ergänzungsbedürftigen Verfahrens ergangen, weshalb, wie im Folgenden näher dargelegt wird, eine Behebung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG zu erfolgen hatte.
Das Bundesamt legte seiner Ausweisungsentscheidung folgende Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:
Der von der Beschwerdeführerin als Ehegatte angeführte XXXX sei im Einreiseverfahren nach § 35 AsylG nicht als Bezugsperson anerkannt worden. Im Einreiseverfahren sei in zwei Instanzen festgestellt worden, dass der Bestand der Ehe bereits im Heimatland nicht habe zweifelsfrei nachgewiesen werden können. Die entsprechende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Einreiseverfahren sei im März 2018 in Rechtskraft erwachsen und könne eine maßgebliche Änderung der damals zugrunde gelegten Umstände nicht erkannt werden. Es seien auch keine neuen Dokumente vorgelegt worden bzw seien diese bereits im Einreiseverfahren nach § 35 AsylG als nicht ausreichend bewertet worden, um eine Familienzusammenführung zu gewährleisten. Die nunmehrige Ausweisungsentscheidung stelle im Hinblick auf den Ehemann der Beschwerdeführerin, mit welchem diese seit ihrer Einreise nach Österreich in einem gemeinsamen Haushalt lebe, keinen Eingriff in das durch Art 8 EMRK geschützte Familienleben dar, zumal sich seit der Rechtskraft des Einreiseverfahrens keine neuen maßgeblichen Umstände hinsichtlich des Bestehens der Ehe bereits im Herkunftsstaat ergeben hätten.
Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, dass die Verlobungsfeier am 15.11.2013 stattgefunden habe und die Ehe nach traditionell-islamischem Ritus am 01.07.2014 vor einem Imam, in Anwesenheit beider Brautleute und vier Trauzeugen, geschlossen worden sei. Die staatliche Registrierung der Ehe sei dann fluchtbedingt in Abwesenheit der Bezugsperson nachträglich erfolgt. Die Ehe sei staatlich anerkannt und rückwirkend mit dem 01.07.2014 rechtsgültig. Die Ehe habe somit bereits vor Einreise der Bezugsperson nach Österreich bestanden. Nach dem anzuwendenden syrischen Personalstatut würde eine vor einer religiösen Stelle vollzogene Eheschließung staatlich anerkannt, wenn sie danach bei einem Zivilgericht bzw einer staatlichen Behörde registriert worden sei. Die Abwesenheit der Bezugsperson beim Registrierungsakt ändere nichts an der rückwirkenden Wirksamkeit der Eheschließung. Die von der Behörde geäußerten Bedenken einer sog. Stellvertreterehe seien sohin unzutreffend.
Wie der VwGH mit Erkenntnis vom 06.09.2018, Ra 2018/18/0094-8, nunmehr klargestellt hat, ist bei Vorliegen der entsprechenden Formerfordernisse eine nach traditionell-islamischen Ritus geschlossene Ehe durch nachträgliche Registrierung rückwirkend mit dem Zeitpunkt der traditionellen Eheschließung staatlich anerkannt und damit gültig. Zu dieser, unter den genannten Voraussetzungen möglichen rückwirkenden Gültigkeit einer traditionell geschlossenen Ehe mit dem Zeitpunkt der traditionellen Eheschließung, hat die Behörde jedoch keine Ermittlungen durchgeführt und keine Feststellungen getroffen.
Der Behörde hat sich auch nicht erkennbar mit den in der Stellungnahme vom 12.02.2019 erfolgten (rechtlichen und tatsächlichen) Ausführungen der Beschwerdeführerin zum syrischen Eherecht und den Erklärungen zu dem angeblich vorliegenden Widerspruch bzw zur Unklarheit in den Angaben der Bezugsperson zum Eheschließungsdatum auseinandergesetzt und auch den namhaft gemachten Trauzeugen, den Schwager der Beschwerdeführerin, welcher sich in Österreich aufhält, nicht zeugenschaftlich einvernommen. Insbesondere hat es die Behörde unterlassen, sich mit den vorgelegten Urkunden in Zusammenschau mit der oben dargelegten höchstgerichtlichen Rechtsprechung auseinander zu setzen und Feststellungen zur syrischen Rechtslage betreffend die rückwirkende Gültigkeit einer traditionell geschlossenen Ehe, welche nachträglich registriert wurde, zu treffen. Was die Frage der Beurteilung der Rechtsgültigkeit einer Eheschließung von Drittstaatsangehörigen im Ausland betrifft, so entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ausländisches Recht keine Rechtsfrage, sondern eine Tatfrage darstellt, welche in einem - grundsätzlich amtswegigen - Ermittlungsverfahren festzustellen ist, wobei eine Mitwirkungspflicht der Partei besteht, soweit dies erforderlich ist (z.B. VwGH, 27.06.2017, Ra 2016/18/0277; 19.03.2009, 2007/01/0633).
Dem Akteninhalt ist wie gesagt nicht zu entnehmen, dass die Behörde Ermittlungen irgendeiner Art zum syrischen Eherecht bzw der dortigen Anwendungspraxis, insbesondere zur rückwirkenden Gültigkeit von nach traditionellem Ritus geschlossener Ehen nach anschließender staatlicher Registrierung, durchgeführt hätte.
Nach den insofern relevanten Klarstellungen des VwGH im o.a. Erkenntnis vom 06.09.2018 wird die Behörde im fortgesetzten Verfahren die vorgelegten Unterlagen zur Eheschließung in Syrien nochmals zu beurteilen und sich mit den Ausführungen der Beschwerdeführerin zu den Umständen der Eheschließung, insbesondere der staatlichen Registrierung der Ehe in Abwesenheit der Bezugsperson, auseinanderzusetzen und hiezu nachvollziehbare Feststellungen zu treffen haben.
Nach dem Gesagten kann zum jetzigen Entscheidungszeitpunkt nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführerin die Familienangehörigeneigenschaft iSd § 2 Abs 1 Z 22 AsylG bzw des Art 2 lit g Dublin III-VO zukommt. Diesfalls wäre der Zuständigkeitstatbestand des Art 9 Dublin III-VO zu prüfen. Ein unzulässiger Eingriff in die durch Art 8 EMRK gewährleisteten Rechte durch die Ausweisung der Beschwerdeführerin nach Spanien kann zum derzeitigen Zeitpunkt demnach nicht ausgeschlossen werden.
Letztlich bleibt noch festzuhalten, dass die in der Beschwerde geäußerte Vermutung, wonach das Konsultationsverfahren mangelhaft gewesen sein könnte, da die spanischen Behörden nicht über das Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass ihr asylberechtigter Ehegatte in Österreich aufhältig sei, in Kenntnis gesetzt worden wäre, unzutreffend ist. Aus dem im Akt dokumentierten Konsultationsverfahren ergibt sich zweifelsfrei, dass die spanische Dublin-Behörde hierüber informiert wurde (vgl AS 89ff).
Wie dargelegt, ist im gegenständlichen Verfahren der entscheidungsrelevante Sachverhalt gegenwärtig nicht abschließend abgeklärt, weshalb gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG zwingend mit einer Behebung des Bescheides vorzugehen war.
Eine mündliche Verhandlung konnte gem. § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG idgF unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im Übrigen trifft § 21 Abs. 3 BFA-VG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Schlagworte
Abschiebung, Asylantragstellung, Außerlandesbringung, Behebung derEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W185.2215984.1.01Zuletzt aktualisiert am
10.03.2020