TE Vwgh Erkenntnis 1998/6/23 97/08/0071

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Veröffentlicht am 23.06.1998
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs4 idF 1993/817;
AlVG 1977 §12 Abs4 idF 1996/201;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde des Dr. GV in W, vertreten durch Dr. Christine Seltmann, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Weißgerberlände 50, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 23. Jänner 1997, Zl. 12/1218/56, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den Berufungen des Beschwerdeführers vom 18. August, 31. Oktober und 2. Dezember 1996 jeweils gegen Bescheide des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste Wien vom 18. Juli 1996, 17. Oktober und 19. November 1996, jeweils betreffend die Abweisung eines Antrages auf Gewährung von Notstandshilfe vom 18. Juni 1996 bzw. 10. September 1996 und 5. November 1996 keine Folge und bestätigte die bekämpften Bescheide. In der Begründung zitierte die belangte Behörde die anzuwendenden Gesetzesstellen und stellte - teilweise - das Verwaltungsgeschehen dar. Sodann wurde ausgeführt, daß der Beschwerdeführer zufolge seiner Angaben in der Niederschrift am 5. Juli 1996 an der Universität Wien als ordentlicher Hörer der Studienrichtung Volkswirtschaft inskribiert sei. Die Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens habe der Beschwerdeführer zwar beantragt, doch sei die Einholung eines solchen nicht notwendig, weil er ein Studium - sollte es tatsächlich ärztlich verordnet worden sein - auch als außerordentlicher Hörer betreiben könnte. Der Beschwerdeführer sei im Zeitpunkt der Antragstellung (18. Juli 1996 - gemeint wohl 18. Juni 1996) ordentlicher Hörer der Universität Wien gewesen, weshalb Arbeitslosigkeit gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG nicht vorliege. Der Beschwerdeführer habe in einem vorausgegangenen Verfahren angegeben, das Studium der Rechtswissenschaften abgeschlossen zu haben. Daneben bzw. nach Abschluß dieses Studiums habe er als ordentlicher Hörer Philosophie, Volkswirtschaftslehre, Medizin, Geschichte sowie ein Doktoratstudium der Rechtswissenschaften inskribiert. Durch Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung solle Arbeitslosigkeit überbrückt werden, nicht aber sollten damit vom bisherigen Ausbildungsstand gänzlich verschiedene Studien finanziert werden (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 1994, Zl. 92/08/0066). Bezüglich der Erteilung einer "Ausnahmegenehmigung" gemäß § 12 Abs. 4 AlVG sei die (belangte) Behörde zur Ansicht gekommen, daß eine solche im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer bereits ein Studium abgeschlossen habe, nicht zuzulassen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Gewährung von Notstandshilfe verletzt. Er begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und verwies darauf, daß die bezughabenden Verwaltungsakten zu der zur Zl. 96/08/0197 protokollierten Beschwerde vorgelegt worden seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorweg ist darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde in den zu den Zlen. 96/08/0094 bzw. 96/08/0197 protokollierten Beschwerdeverfahren den Beschwerdeführer betreffende Akten vorlegte, denen jedoch die hier bezughabenden Teile nicht einliegen.

Der Beschwerdeführer verweist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Jänner 1997, Zl. 96/08/0034, das aufgrund einer vom Beschwerdeführer eingebrachten Beschwerde erging. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich in diesem Erkenntnis mit der Auslegung der Bestimmung des § 12 Abs. 4 AlVG i.d.F. BGBl. Nr. 817/1993 befaßt. Demnach werde der belangten Behörde mit dieser Bestimmung kein Ermessen eingeräumt, sondern es bestehe ein Rechtsanspruch des Antragstellers bei Vorliegen der in der Bestimmung geforderten Voraussetzungen. Diese Auffassung treffe auch im vorliegenden Beschwerdefall zu. Hätte die belangte Behörde geprüft, ob die entsprechende Parallelität zwischen Studium und arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung vorgelegen sei, wäre sie zum Ergebnis gekommen, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen erfüllt habe.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht.

Die Arbeitslosigkeit ist nach den §§ 7, 33 und 38 AlVG eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Notstandshilfe. Nach § 12 Abs. 3 lit. f AlVG gilt u.a. ein ordentlicher Hörer einer Hochschule (Universität) nicht als arbeitslos.

Im vorliegenen Fall ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht strittig, daß der Beschwerdeführer im relevanten Zeitraum ordentlicher Hörer einer Universität ist und daher nicht als arbeitslos gilt.

§ 12 Abs. 4 AlVG i.d.F. BGBl. Nr. 817/1993 bestimmte:

"Von den Bestimmungen des Abs. 3 lit. f kann das Arbeitsamt Ausnahmen zulassen, sofern der Arbeitslose dem Studium oder der praktischen Ausbildung bereits während des Dienstverhältnisses, das der Arbeitslosigkeit unmittelbar vorangegangen ist, durch längere Zeit hindurch oblag und die Beschäftigung nicht vom Arbeitslosen selbst zwecks Fortsetzung des Studiums oder der praktischen Ausbildung freiwillig gelöst wurde."

Durch die Novelle BGBl. Nr. 201/1996 erhielt diese Bestimmung mit Wirkung ab 1. Mai 1996 folgende Fassung:

"Die regionale Geschäftsstelle kann von den Bestimmungen des Abs. 3 lit. f unter folgenden Voraussetzungen Ausnahmen zulassen:

1.

Der Arbeitslose muß während eines Zeitraumes von einem Jahr vor dem Eintritt der Arbeitslosigkeit mindestens sechs Monate oder mindestens die Hälfte der Ausbildungszeit, wenn diese kürzer als zwölf Monate ist, einer oder mehreren arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungen nachgegangen sein,

2.

zugleich muß er dem Studium bzw. der praktischen Ausbildung oblegen sein und

3.

er darf die letzte Beschäftigung vor Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht selbst zwecks Fortsetzung des Studiums oder der praktischen Ausbildung freiwillig gelöst haben."

Auch diese Bestimmung räumt der Behörde bei Erteilung einer Ausnahmegenehmigung kein Ermessen ein. Es ist daher dazu an der Rechtsprechung zu § 12 Abs. 4 AlVG i.d.F. BGBl. Nr. 817/1993, wie sie der Verwaltungsgerichtshof seit dem Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, Zl. 96/08/0125, in ständiger Rechtsprechung vertritt, auszugehen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 AlVG besteht demnach ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Ausnahmebewilligung. Unter Zugrundelegung dieser - auch in dem vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnis vom 14. Jänner 1997, Zl. 96/08/0034 - dargelegten Rechtsauffassung kommt es im Beschwerdefall für den Anspruch des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe ab 18. Juni bzw. 10. September und 5. November 1996 darauf an, ob der Beschwerdeführer in dem in § 12 Abs. 4 i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 201/1996 genannten Zeitraum vor Eintritt seiner Arbeitslosigkeit mindestens 6 Monate der Parallelität von Studium und arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung aufzuweisen hat. Der Beschwerdeführer weist zutreffend darauf hin, daß die belangte Behörde solche Feststellungen nicht getroffen hat. Die belangte Behörde hat daher den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenmehrbegehren auf Ersatz der Umsatzsteuer war abzuweisen, weil es in den eben zitierten Bestimmungen keine Deckung findet.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997080071.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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