TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/20 I403 2143014-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.09.2019
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Entscheidungsdatum

20.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2143014-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH (ARGE Rechtsberatung), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 05.12.2016, Zl. 1085063408/151222446, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.09.2019, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsbürger, stellte am 30.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am folgenden Tag stattfindenden Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er an, aus Mossul zu stammen und zur religiösen Gemeinschaft der Schabak zu gehören; zu seinem Fluchtgrund meinte er: "Ich habe mein Heimatland Irak verlassen, da es dort keine Arbeit, keine Menschenrechte und keine Menschlichkeit gibt. Ich kann weder mich noch meine Familie versorgen. Es gibt dort Krieg und keine Zukunft, keine Sicherheit, nichts. Keine weiteren Fluchtgründe."

2. Am 25.11.2016 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vor der belangten Behörde einvernommen. Er gab an, wegen des Islamischen Staates gemeinsam mit seiner Mutter und seinen fünf Schwestern in ein Flüchtlingslager in Bagdad geflüchtet zu sein; dort habe ihn allerdings eine schiitische Miliz zwangsrekrutieren wollen.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 05.12.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Das Vorbringen des Beschwerdeführers wurde für nicht glaubhaft befunden. Eine mögliche Diskriminierung wegen seiner Zugehörigkeit zur Minderheit der Schabak reiche nicht aus, um eine Verfolgung glaubhaft zu machen.

4. Gegen den Bescheid wurde fristgerecht am 19.12.2016 Beschwerde erhoben und insbesondere darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde keine Feststellungen zur Situation der Schabak treffen würde.

5. Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 23.12.2016 vorgelegt; am 01.07.2019 wurde der Akt der Gerichtsabteilung der erkennenden Richterin zugewiesen. Von der erkennenden Richterin wurde eine Anfragebeantwortung in Auftrag gegeben und diese dem Beschwerdeführer übermittelt.

6. Am 16.09.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers durchgeführt. Der Beschwerdeführer wiederholte, seine Heimatstadt XXXX in der Nähe von Mossul aufgrund der Invasion des Islamischen Staates verlassen zu haben und dann in einem Flüchtlingslager in Bagdad in einen Konflikt mit Angehörigen einer Miliz geraten zu sein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ohne entsprechenden Sichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist und hält sich seit August 2015 in Österreich auf. Seine Identität steht fest. Er ist Staatsangehöriger des Irak und wurde in Mossul geboren.

Der Beschwerdeführer ist gesund und erwerbsfähig und hat Berufserfahrung in der Gastronomie. Im Irak leben seine Mutter und Geschwister. Deren Aufenthaltsort kann, ebenso wie der letzte Wohnort des Beschwerdeführers im Irak, aufgrund der mangelnden Mitwirkung des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden.

Die Beschwerdeführer setzte in Österreich Schritte zu seiner Integration. Er hat Deutschkurse besucht, jedoch keine Prüfung abgelegt. Er hat sich einen Freundeskreis aufgebaut, führt in Österreich aber kein Familienleben. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten und bestreitet seinen Lebensunterhalt über die Grundversorgung.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers und zu einer Rückkehrgefährdung:

Der Beschwerdeführer gehört nicht der Volksgruppe der Schabak an. Er wurde nicht vom Islamischen Staat vertrieben und wird auch nicht von Milizen bedroht. Eine besondere Gefährdung seiner Person liegt nicht vor. Dem Beschwerdeführer ist eine Rückkehr nach Bagdad zumutbar und möglich, er wird in keine die Existenz bedrohende Notlage geraten.

1.3. Zur Situation im Irak:

1.3.1. Zur Situation der Schabak im Irak

1.3.1.1. Einer vom Bundesverwaltungsgericht in Auftrag gegebenen Anfragebeantwortung von ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation) vom 26.07.2019 (a-11037) zur Lage der Schabak im Irak sind folgende Feststellungen zu entnehmen:

Das US-amerikanische Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in einem Bericht zur Religionsfreiheit vom Juni 2019 (Berichtszeitraum: 2018), dass es im Irak etwa 350.000 bis 400.000 Schabak gebe, dreiviertel von ihnen seien SchiitInnen und der Rest

SunnitInnen. Die meisten von ihnen würden in der Provinz Ninawa leben. Ein Sitz im irakischen Parlament sei einem Angehörigen der Schabak vorbehalten. Der Bericht erwähnt, dass religiöse Führer christlicher Gemeinschaften im Distrikt Hamdaniya (östlich der Stadt Mossul gelegen, Anm. ACCORD) eine schiitische Schabak-Miliz der Volksmobilisierungseinheiten (Popular Mobilisation Forces, PMF; Haschd) beschuldigt hätten, christliche Frauen in Bartella und anderen Orten im Distrikt Hamdaniya sexuell belästigt zu haben beziehungsweise sexuell übergriffig geworden zu sein. Die Schabak-Miliz werde vom Abgeordneten des irakischen Parlaments, Hunain Qado, und seinem Bruder Waad angeführt. Ein Vertreter des Stadtrates in Bartalla habe Gerichtsdokumente mehrerer Fälle veröffentlicht, in denen Angehörige der Miliz wegen Diebstahl, Schikanen und sexueller Belästigung angeklagt worden seien. Führende Mitglieder der sunnitischen Schabak-Gemeinschaft in Hamdaniya hätten ähnliche Vorwürfe erhoben. Es habe Berichte gegeben, denen zufolge die Behörden der Autonomen Region Kurdistan sich gegenüber Minderheiten, darunter auch Schabak, in den Gebieten im Nordirak, die sowohl von der irakischen Zentralregierung als auch von der kurdischen Autonomieregierung beansprucht würden, diskriminierend verhalten hätten.

Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office, EASO), eine Agentur der Europäischen Union zur Förderung der praktischen Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten im Asylbereich, veröffentlicht im Juni 2019 einen Bericht zum Irak mit Herkunftsländerinformationen und Handlungsempfehlungen für AsylentscheiderInnen. Dort wird berichtet, dass die Schabak zum Großteil in der Ninawa-Ebene leben würden. Diese Region sei zwischen der Zentralregierung in Bagdad und der kurdischen Regionalregierung in Erbil umstritten. Dort seien sie Opfer von demographischen Veränderungsstrategien geworden, die Araber einerseits und Kurden andererseits einsetzen würden, um die Demographie zu ihren Gunsten zu verändern. Schabak seien enormen Druck und Schikanen vonseiten der kurdischen Regionalregierung ausgesetzt, sich zu assimilieren und sich als KurdInnen zu definieren (EASO, Juni 2019, S. 71).

Die internationale NGO Minority Rights Group International (MRG), die sich für benachteiligte Minderheiten und indigene Völker einsetzt, schreibt auf ihrem zuletzt im November 2017 aktualisierten Profil zur Minderheit der Schabak im Irak, dass die von Schabak bewohnten Orte der Ninawa-Ebene Teil des zwischen der kurdischen Regionalregierung und der irakischen Zentralregierung umstrittenen Gebietes seien. Während die kurdische Regionalregierung diese Region als Teil eines zukünftigen größeren Kurdistan ansehe, seien die Schabak in Unterstützer der kurdischen Regionalregierung und Unterstützer der irakischen Regierung geteilt. Manche Schabak würden den Plan bevorzugen, die Ninawa-Ebene zu einer Autonomen Zone für Minderheiten zu machen. Im Zuge des Vormarsches der Gruppe Islamischer Staat (IS) hätten die Schabak zu den Waffen gegriffen. Ein Teil sei als reine Schabak-Brigade in die kurdischen Peschmerga-Einheiten integriert worden, andere hätten sich der Miliz Quwat Sahel Ninewa des Parteienbündnisses Schabak Democratic Assembly angeschlossen. Obwohl viele Schabak-Dörfer vom IS befreit worden seien, würden sich tausende Schabak nach wie vor als Binnenvertriebene in Kurdistan und im Zentral- und Südirak aufhalten. Weder die irakische noch die Verfassung der Autonomen Region Kurdistan würden die Schabak als separate ethnische Gruppe erwähnen. Vor dem Vorrücken des IS in die Siedlungsgebiete der Schabak hätten die Schabak in der Ninawa-Ebene über Schwierigkeiten beim Zugang zu sauberem Wasser, Elektrizität, Unterkünften, Gesundheitsversorgung und anderen grundlegenden Dienstleistungen berichtet. Schabak, die in von Kurdistan kontrolliertem Gebiet und umstrittenen Gebieten gelebt hätten, hätten berichtet, dass Druck auf sie ausgeübt worden sei, politische Ziele der KurdInnen zu unterstützen (MRG, November 2017).

Im Juni 2019 veröffentlicht die Internationale Organisation für Migration (IOM) einen Bericht zu Rückkehrperspektiven für Binnenvertriebene nach Westmossul. Darin wird erwähnt, dass

Mossul zwar traditionell eine ethnisch- und religiös-diverse Stadt gewesen sei, die Verfolgung nichtsunnitischer MuslimInnen durch Al-Qaida und später die Gruppe Islamischer Staat (IS) jedoch zu einer Massenvertreibung christlicher, schiitischer und turkmenischer Gruppen sowie von Schabak geführt habe. Daher seien laut Schätzungen eines der Autoren des Berichts bei einer Befragung von 1.458 BewohnerInnen von Mossul zwischen März und April 2018 etwa 99 Prozent sunnitische MuslimInnen gewesen (IOM, Juni 2019, S. 18).

IOM erwähnt in einem weiteren Bericht über Trends bezüglich Vertreibung und Rückkehr vom Oktober 2018 (Beobachtungszeitraum: 2014-2017), dass während arabische und kurdische SunnitInnen weitgehend wieder an ihre Wohnorte zurückgekehrt seien, schiitische Schabak sowie weitere ethnoreligiöse Gruppen weiterhin als Binnenflüchtlinge leben würden. Mehr als 20.000 Binnenflüchtlingsfamilien, die zu diesen ethnoreligiösen Gruppen gehören würden, hätten die Angst aufgrund der Veränderung der ethnoreligiösen Zusammensetzung der Gesellschaft an ihrem ursprünglichen Wohnort als einen der Hauptgründe angegeben, die einer Rückkehr im Wege stehen würden (IOM, Oktober 2018, S. 31).

In seinen im Mai 2019 veröffentlichten Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs von Asylsuchenden aus dem Irak schreibt das UNO Flüchtlingshochkommissariat (UN High Commissioner for Refugees, UNHCR), dass die Rückkehr ethnoreligiöser Minderheiten, darunter von Schabak, Berichten zufolge nur langsam verlaufe und viele weiterhin an dem Ort leben würden, zu dem sie geflohen seien (UNHCR, Mai 2019, S. 27).

Die in London ansässige Online-Nachrichtenorganisation Middle East Eye (MEE), die Artikel freiberuflicher JournalistInnen und Beiträge von Think Tanks veröffentlicht, schreibt in einem

Beitrag vom April 2017 über die Rückkehr von Schabak in ein Dorf nahe Mossul. Viele Häuser

in dem Dorf seien ausgebrannt. Ismaeil al-Barghout, ein Rückkehrer, lebe mit seiner Familie nun in einem einzigen Zimmer im Obergeschoss seines zerstörten Hauses. Eine aus Schabak bestehende Miliz patrouilliere im Ort. Schabak seien von mehreren Seiten Druck ausgesetzt, die Gruppe Islamischer Staat (IS) würde die Schabak aufgrund ihrer nichtsunnitischen Praktiken ins Visier nehmen. Viele Schabak würden angeben, kein Vertrauen mehr in die Regierung in Bagdad zu haben, dass sie sie schützen könne. Gleichzeitig würden sie der kurdischen Regionalregierung vorwerfen, Druck auf sie auszuüben, sich als KurdInnen zu identifizieren. So wolle die Regionalregierung die Kontrolle über das Land der Schabak erhalten. Laut Barghout würden die kurdischen Peschmerga und andere bewaffnete Gruppen um die Kontrolle über die Siedlungsregion der Schabak konkurrieren, um die dortigen Ressourcen auszuschöpfen. Die Distrikte Hamdaniya und Sheikhan hätten Ölvorräte (MEE, 18. April 2017).

Das in der Autonomen Region Kurdistan (Irak) ansässige kurdische Mediennetzwerk Rudaw berichtet im Juli 2018 über eine Schabak-Familie, die kürzlich aus Mosul nach Bardarasch in der kurdischen Provinz Dohuk gezogen sei. Nachdem der IS aus Mossul vertrieben worden sei, sei die Familie zunächst wieder dorthin zurückgekehrt, Sicherheitsbedenken hätten sie jedoch schon bald dazu bewogen, wieder wegzuziehen. Es gebe etwa 200.000 Schabak im Irak. Vor dem Krieg mit dem IS habe diese Minderheit vor allem in den Dörfern um Mossul gelebt. Ein binnenvertriebener Schabak habe Rudaw erklärt, dass der Staat in der Region sehr schwach sei. Wenn, so nehme man die Präsenz des Staates nicht gleichmäßig tagsüber und nachts war. Insbesondere Schabak würden sich nicht gänzlich sicher fühlen. Laut Rudaw seien mehr als 50 Familien aufgrund der mangelnden Sicherheit und den unzureichenden Basisdienstleistungen von Mossul nach Dohuk gezogen (Rudaw, 26. Juli 2018).

Al-Shahid, eine Organisation zur Erstellung und Übersetzung von Medienprodukten mit Fokus auf ZivilistInnen in Post-Konflikt-Gesellschaften in den arabischen Ländern, veröffentlicht im Jänner 2018 einen Artikel, der die Lage für RückkehrerInnen der Schabak-Gemeinschaft in ihre Dörfer bei Mossul schildert. Im Dorf Baz Gerkan seien die meisten Häuser beschädigt oder zerstört worden. Die Schule sei von den Schabak-Dorfbewohnern wieder aufgebaut worden. Wenige Kilometer entfernt hätten sie auch das Grab eines schiitischen Imams wieder hergestellt, das von sunnitischen Extremisten gesprengt worden sei. Das Leben kehre langsam wieder zur Normalität zurück, jedoch seien viele Checkpoints aufgestellt worden, die normalerweise von Schabak, turkmenischen, christlichen oder jesidischen Einheiten der Volksmobilisierungseinheiten (Haschd) besetzt seien. Die irakische Regierung setze auf lokale Kräfte, um für die Sicherheit vor Ort zu sorgen. Ein Schabak aus dem Ort Bartella, der in der Altstadt von Mossul als Polizist einen Checkpoint bemanne, habe erzählt, dass es Zeiten gegeben habe, in denen er die Stadt nur mit Begleitschutz betreten habe. Er sei als Schiit nur auf Polizeistreife und nicht privat dorthin gefahren. Sunnitische MuslimInnen würden in Mossul die Mehrheit bilden und seien auch in den umliegenden Dörfern präsent. Innerhalb der Schabak-Bevölkerungsgruppe gebe es eine kleine sunnitische Gemeinschaft. Laut der Angabe von BewohnerInnen hätten sich viele dieser sunnitischen Schabak dem IS angeschlossen und seien getötet worden. Andere seien mit ihren Familien geflohen.

Ein weiterer auf Al-Shahid abrufbarer Artikel vom Jänner 2018 geht ebenfalls auf die Lage der Schabak im Umland von Mossul ein. Viele Ortschaften der Schabak seien stark zerstört worden, RückkehrerInnen hätten ihre Häuser als Ruinen und Schutt vorgefunden. Viele hätten sich über die mangelnde Unterstützung beim Wiederaufbau beschwert. Ein Mann habe gesagt, dass sein Ort komplett zerstört sei. Die BewohnerInnen hätten die Regierung aufgefordert, den Wiederaufbau zu beginnen und die Wasser- und Elektrizitätsversorgung wiederherzustellen (Al-Shahid, 18. Jänner 2018).

Das Middle East Research Institute (MERI), eine 2014 in Erbil in der Autonomen Region Kurdistan gegründete, nichtprofitorientierte Organisation, veröffentlicht im August 2017 eine vom United States Institute of Peace (USIP) in Auftrag gegebene Studie zur Lage der Schabak nach dem Konflikt mit dem IS im Nordirak. Für diese Studie wurden im Zeitraum von Mai 2016 bis Jänner 2017 Interviews und Fokusgruppen mit GemeinschaftsführerInnen, AktivistInnen sowie mit religiösen und politischen VertreterInnen der Schabak geführt. Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen des Berichts sei, dass die Gemeinschaft der Schabak vorwiegend mit vier Konflikten konfrontiert sei. Bei zweien gehe es um die Beziehungen zu anderen ethnoreligiösen Gemeinschaften, nämlich sunnitischen AraberInnen und ChristInnen, die anderen zwei Konflikte würden Spaltungen innerhalb der Gemeinschaft betreffen und sich auf die religiöse und ethnische Identität der Gemeinschaft beziehen. Der Vormarsch des IS habe zu einer vermehrten Herausbildung bewaffneter Gruppen geführt, die die Möglichkeit einer gewaltsamen Eskalation nachhaltig steigere. Gleichzeitig habe die komplette Auflösung der vor 2014 gegebenen Strukturen zu vermehrten Diskussionen über Identität geführt, die mit der Entscheidung über den Verwaltungsstatus der umstrittenen Gebiete in der Ninawa-Ebene zu tun hätten.

1.3.1.2. Ergänzend berichtet EASO darüber, dass die Schabak-Minderheit eine kleine Gemeinschaft (rund 250.000) in der Ninewa Ebene und rund um Mossul bzw. in Mossul selbst ist. Rund 70% sehen sich selbst als Shiiten, der Rest als Sunniten. Auch sie waren Ziel der Attacken des Islamischen Staates. Viele Schabak sind aus dem IS-Gebiet in die Autonome Region Kurdistan geflohen, andere in die schiitisch dominierten Gebiete des Südens, etwa nach Kerbala. Verschiedenen Berichten zufolge ist fast die ganze Schabak-Gemeinschaft aus ihrem ursprünglichen Siedlungsgebiet geflohen. Im Juli 2018 sind etwa 50 Familien, die nach Mossul zurückgekehrt waren, aufgrund von Sicherheitsbedenken wieder zurück nach Kurdistan gezogen (EASO, Country of Origin Information Report: Iraq - Targeting of individuals, März 2019, 107f).

1.3.1.3. Von europäischen Religionswissenschaftern und Kurdologen wurden die Schabak meist als religiöse Minderheit, als weitere heterodoxe Gruppe des schiitischen Islam betrachtet. Sie selbst sehen sich heute eher als ethnische Minderheit. Zweifelslos gab es unter den Schabak eine Reihe von heterodoxen religiösen Praxen, die nicht der religiösen Praxis der Zwölferschia, also der Hauptströmung der Schiiten, entsprechen. Auch die Schabak verehren lokale Orte und treiben lokale Heiligenverehrung wesentlich weiter, als es bei den Schiiten sonst üblich ist. Durch den konfessionalisierten Bürgerkrieg zwischen 2004 und 2007 im Irak und die politische Neuordnung entlang konfessionell-ethnischer Konfliktlinien sahen sich die Schabak allerdings gezwungen, sich größeren Gruppen anzunähern und sich entweder zum Sunnitentum oder zum Schiitentum zu bekennen. Heute sehen sich etwa zwei Drittel der Schabak als Schiiten und ein Drittel als Sunniten (Artikel der Wiener Zeitung, Raub unter Nachbarn, 26.02.2015, abrufbar unter https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt-europa/weltpolitik/737541_Raub-unter-Nachbarn.html?em_cnt_page=2, Zugriff am 19.09.2019).

1.3.1.4. Einem gemeinsamen Bericht des Institute of International Law and Human Rights (IILHR), der Minority Rights Group International (MRG), der No Peace Without Justice (NPWJ) und der Unrepresented Nations and Peoples Organisation (UNPO), "Between the Millstones: Iraq's Minorities Since the Fall of Mosul" vom 27.02.2015, abrufbar unter

http://www.npwj.org/sites/default/files/ressources/MRG_Rep_Iraq_Feb15_ONLINE.pdf;

Zugriff am 19.09.2019) ist Folgendes zu den Schabak entnehmen:

Die Gemeinschaft der Schabak ist seit Jahrhunderten in der Ninewa Ebene beheimatet, zwischen den Flüssen Khazir und Tigris und rund um Mossul; die Anzahl liegt zwischen 200.000 und 500.000. Die Mehrheit sind schiitische Muslime, Sunniten machen etwa 30 bis 40% aus. Islamistische Milizen sehen sie dennoch als ungläubig an und haben sie attackiert. Mitglieder werden trotz eigener Sprache und Traditionen sowohl von kurdischer wie auch von arabischer Seite dzau gedrängt sich zu assimilieren. Nach dem Fall von Mossul durch den Islamischen Staat wurden viele Schabak gezwungen, die Stadt zu verlassen, um ihr Leben zu retten und flüchteten nach Kerbala oder nach Kurdistan.

Nach einem dreitätgigen Kampf wurde Mossul am 09.06.2014 von den irakischen Truppen aufgegeben und verlassen. Der IS übernahm die Kontrolle über die Stadt und ihre Infrastruktur. Der Fall von Mossul führte in den folgenden Tagen zu einer Massenflucht von 500.000 Personen, vornehmlich Christen. Auch die Schabak wurden von den IS-Truppen angegriffen und die Häuser mit einem 'R' (Ra?da) gekennzeichnet, was für schiitische Moslems steht. Am 12.07.2014 wurden sechs Schabak vom Dorf Bazwaya in Mossul selbst und zehn Schabak von den Dörfern Jiliocan und Gogjali außerhalb von Mossul entführt. Am 21.07.2014 wurden 43 Schabak Familien in Mossul entführt. Mindestens 160 Schabak wurden vom Islamischen Staat getötet, viele andere dazu gezwungen zu flüchten und ihren Besitz zurückzulassen.

XXXX wurde zunächst bombardiert, wobei fünf Personen starben. Der IS übernahm die Kontrolle am 07.08.2014 und zwang etwa 40.000 bis 50.000 Christen zu flüchten. Auch die Nachbargemeinde Tal Keif, in der Christen und Schabak lebten, leerte sich über Nacht. Insgesamt flohen aus XXXX und Umgebung rund 200.000 Personen, die meisten nach Erbil, Dohuk und Suleimaniya. Über die Zustände in XXXX weiß man wenig; es soll zu einer Geisterstadt des IS verkommen sein.

Auch in den Dörfern der Schabak wurden ihre Moscheen, Schreine, Mausoleen und andere historische Punkte durch den IS zerstört. So wurde etwa im Juli 2014 im Dorf der Schabak namens Umarkan 35 Personen entführt, die Moschee der Gemeinde und ein Schrein zerstört.

1.3.1.5. Der Nachfolgebericht von No Peace without Justice, the Unrepresented Nations and Peoples Organization, Institte for International Law and Human Rights und Minority Rights Group International, "No Way Home: Iraq¿s minorities on the verge of disappearance" vom Juli 2016, abrufbar unter https://minorityrights.org/wp-content/uploads/2016/07/MRG_CFRep_Iraq_Aug16_UPD-2.pdf;

Zugriff am 20.09.2019) bestätigt die unter 1.3.1.4. genannten Feststellungen und weist ergänzend etwa darauf hin, dass viele Häuser der Schabak zerstört wurden, was eine Rückkehr erschwert.

1.3.2. Zu den Milizen im Irak:

Als die Gruppe Islamischer Staat (IS) im Juni 2014 die Stadt Mossul einnahm, rief Ayatollah Ali al-Sistani, der einflussreichste schiitische Kleriker im Land, dazu auf, den Staat bei der Bekämpfung des IS zu unterstützen. Zehntausende Männer folgten dem Aufruf des Klerikers und sammelten sich unter dem losen Dachverband der Volksverteidigungskräfte (Popular Mobilization Forces, PMF). Circa 50 Milizen mit insgesamt 45.000 bis 142.000 Kämpfern sind unter diesem Dachverband gruppiert. Von manchen Quellen wird die arabische Bezeichnung der PMF, Al-Haschd Asch-Schaabi (Al-Hashd Al-Sha'abi), verwendet. Weitere gängige Bezeichnungen sind Popular Mobilization Units (PMU) oder einfach nur "Hashd" (ACCORD, Schiitische Milizen).

Im November 2016 wurde mit Unterstützung des schiitischen Blocks im Parlament ein Gesetz verabschiedet, das die Legalisierung der PMF und deren Einrichtung als separate militärische Einheit vorsieht, die dem Premierminister untersteht. Die PMF-Milizen erhalten ihren Sold aus der Staatskasse. Seit Ende 2017, als die irakische Regierung offiziell den Sieg über den IS verkündete, haben die PMF neben ihren kämpferischen Funktionen ihren Wirkungsbereich ausgeweitet. So verfügen sie über einen eigenen Parteienblock im Parlament und haben insbesondere in den vom IS zurückgewonnenen Gebieten im Zuge des Wiederaufbaus Wirtschaftssektoren übernommen, die sich der staatlichen Kontrolle entziehen. Nachdem der Parteienblock der PMF, genannt Fatah, bei den Parlamentswahlen im Mai 2018 die zweitstärkste Kraft wurde, erließ das Parlament im November 2018 ein Gesetz, das den PMF-Kämpfern den gleichen Lohn und manche der Vorzüge von Soldaten der irakischen Armee garantiert. Im Jänner 2019 wurde den PMF laut lokalen Medienberichten die Kontrolle über eine der größten in Staatsbesitz befindlichen Baufirmen übertragen. Die PMF-Kämpfer könnten folglich in Zukunft dafür eingesetzt werden, Straßen zu bauen und Häuser wieder instand zu setzen. Anfang Juli erließ Premierminister Abd Al-Mahdi ein Dekret, in dem er alle PMF-Milizen dazu aufforderte, sich bis zum 31. Juli den regulären Sicherheitskräften anzugliedern oder nur mehr als politische Bewegung zu fungieren. Die Milizenführer der Badr-Organisation, der Asa'ib Ahl al-Haq sowie Milizenführer Muqtada Al-Sadr gaben ihre Zustimmung bekannt. Laut Renad Mansour von der britischen Denkfabrik Chatham House ist das Ziel der PMF-Führung, Teil des Staates zu werden, um so Kontrolle über diesen zu erlangen (ACCORD, Schiitische Milizen).

Im Norden und Westen des Irak haben Amtspersonen und Bürger über Schikanen durch PMF-Milizen und deren Eingreifen in die Stadtverwaltungen und das alltägliche Leben berichtet. Damit geht der Versuch einher, bisweilen unter Einsatz von Demütigungen und Prügel, Kontrolle über Bürgermeister, Distriktvorsteher und andere Amtsträger auszuüben (Al-Araby Al-Jadeed, 12. Februar 2019[vii]). Seit 2003 ist der Irak von verschiedenen bewaffneten Konflikten geprägt. Der dreijährige Konflikt mit dem Islamische Staat hat einen Aufstieg der verschiedenen bewaffneten Gruppen, die man unter PMU (Popular Mobilization Units) zusammenfasst, ermöglicht. Sie waren maßgeblich an der Vertreibung des IS beteiligt und genießen hohe Anerkennung unter der schiitischen Bevölkerung. In den PMU sind Dutzende bewaffnete Gruppen mit unterschiedlichen Zielen und Programmen zusammengefasst. 2016 wurde die PMF zu einer "independent military formation as part of the Iraqi armed forces and linked to the Commander-in Chief". Im März 2018 wurden Millizangehörige den Angehörigen der Sicherheitskräfte gleichgestellt, auch etwa in Bezug auf den Lohn; dennoch variiert das Ausmaß der Integration in den Staatsapparat und gibt es Teile der Milizen innerhalb und außerhalb der formellen Sicherheitskräfte (UNHCR, Considerations 14). Der faktische Einfluss der Regierung und ihrer Sicherheitsorgane auf die Milizen ist nicht zuverlässig sichergestellt (Auswärtiges Amt 4).

Einige PMF Gruppen sind verantwortlich für Menschenrechtsverletzungen gegenüber IS-Verdächtigen, Kritikern und Personen, die sich nicht strikt an die Vorgaben einer konservativen Islamauslegung halten (UNHCR, Considerations 15). Die im Kampf gegen den IS mobilisierten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Strukturen (Auswärtiges Amt 16). Laut EASO werden die PMF generell auch als Kräfte des Staates angesehen (EASO, Guidance 43)

Die Rekrutierung durch die PMF ist gänzlich freiwillig. Einige treten bei, weil das Gehalt attraktiv ist, zugleich gelten die Milizen als einflussreich und beliebt, weil sie entscheidend zum Sieg über den IS beigetragen haben. Zwangsrekrutierungen finden nicht statt, wenn auch auf einige Personen sozialer Druck ausgeübt worden sein will beizutreten (EASO, Guidance 54).

Milizen in Bagdad

Die Quellen deuten auf mehrere Wirkungsfelder der Milizen in Bagdad hin. Sie konkurrieren mit offiziellen Sicherheitskräften, haben Mitglieder beziehungsweise Verbündete in wichtigen politischen Ämtern und sind teilweise für Übergriffe auf StadtbewohnerInnen verantwortlich:

Laut dem EASO-Bericht zur Sicherheitslage im Irak vom März 2019 befinden sich die Stadt Bagdad und ihre Vororte generell unter staatlicher Kontrolle, in der Praxis teilen sich jedoch die Behörden die Bereiche Verteidigung und Strafverfolgung mit den zumeist schiitischen PMF, was zu unvollständiger oder sich mit den Milizen überschneidender Kontrolle führt (EASO, Security Situation 75).

Im Juni 2018 berichtet das Long War Journal (LWJ) über Zusammenstöße zwischen Mitgliedern der irakischen Polizei und Kämpfern der irakischen Hisbollah-Brigaden (Kata'ib Hisbollah) in Bagdad. Bei dem Schusswechsel sind laut Angaben einer anonymen Quelle aus Sicherheitskreisen mindestens drei Personen verletzt worden. Im August 2018 räumen Asa'ib Ahl al-Haqq ein, dass rund 50 ihrer Milizkämpfer in Bagdad Verbrechen, darunter Plünderung, Erpressung, Entführungen und Morde verübt haben, um an Geld zu gelangen. Der irakische Innenminister gibt im Oktober 2018 bekannt, seine Mitgliedschaft in der Badr-Organisation auszusetzen. Zuvor hat der schiitische Kleriker Muqtada Al-Sadr verkündet, dass die Ministerien für Inneres und Verteidigung von unabhängigen Personen geleitet werden sollten. Al-Arabiya bezeichnet im Dezember 2018 den gerade vom Provinzrat gewählten Provinzgouverneur von Bagdad als Person mit Naheverhältnis zur Miliz Kata'ib Hisbollah. Im Jänner 2019 wird in Sadr City ein Restaurantbesitzer von einem Angreifer auf einem Motorrad erschossen. Zuvor ist laut Rudaw der Vorwurf an die PMF, für Verbrechen wie Erpressung, Entführung und Tötungen verantwortlich zu sein, nur verhalten vonseiten von Menschenrechtsorganisationen und BewohnerInnen sunnitischer Stadtteile geäußert worden. Dieses Mal hat jedoch ein Medium, das dem schiitischen Parteienblock Al-Hikma nahesteht, berichtet, dass der Täter später gefasst wurde und er Papiere bei sich trug, die dessen Mitgliedschaft bei Asa'ib Ahl al-Haqq bestätigen. Führende Mitglieder von Asa'ib Ahl al-Haqq lehnen diese Berichterstattung scharf ab und sehen sich als Opfer einer Verleumdungskampagne. Im Februar 2019 verweist Middle East Monitor (MEMO)[xviii] unter Berufung auf Informationen der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu auf eine Operation der Sicherheitskräfte in Bagdad, bei der vier Stützpunkte der PMF durchsucht und geschlossen wurden. Im Februar 2019 kommt es innerhalb der PMF-Strukturen in Bagdad zu Auseinandersetzungen, was eine Welle von Festnahmen und Schließungen von PMF-Stützpunkten zufolge hat. Mehrere Stützpunkte der Abu Fadl Al-Abbas-Miliz sind von den Schließungen betroffen, der Aufenthaltsort des Anführers ist unbekannt. Die Durchsuchungen erfolgen, nachdem die Führung der Abu Fadl Al-Abbas-Miliz bestimmte Kräfte für die Ermordung eines Schriftstellers verantwortlich gemacht hat. Im Mai belagern zum Präsidentenregiment gehörende Sicherheitskräfte einen PMF-Stützpunkt in Bagdad im Stadtteil Dschadiriya und fordern die PMF dazu auf, ihren Stützpunkt zu verlassen. Laut einer Meldung auf Sumer News vom Juni 2019 ruft der Provinzrat von Bagdad dazu auf, die PMF zu Hilfe zu nehmen, um den Bagdad-Gürtel zu sichern (ACCORD, Schiitische Milizen).

Quellen:

* UNHCR, International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Republic of Iraq, Mai 2019.

* Austrian Centre for Country of origin and Asylum Research and Documentation (ACCORD), Schiitische Milizen im Irak, 22.07.2019.

* EASO, Country of Origin Information Report: Iraq - Security situation, März 2019.

* EASO, Country Guidance: Iraq (Juni 2019).

1.3.3. Zur Versorgungslage im Irak und zur Rückkehr:

Auf Basis des aktuellen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zum Irak vom 25.07.2019 wird festgestellt:

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten (AA 12.2.2018). Die Iraker haben eine dramatische Verschlechterung in Bezug auf die Zurverfügungstellung von Strom, Wasser, Abwasser- und Abfallentsorgung, Gesundheitsversorgung, Bildung, Verkehr und Sicherheit erlebt. Der Konflikt hat nicht nur in Bezug auf die Armutsraten, sondern auch bei der Erbringung staatlicher Dienste zu stärker ausgeprägten räumlichen Unterschieden geführt. Der Zugang zu diesen Diensten und deren Qualität variiert demnach im gesamten Land erheblich (K4D 18.5.2018).

Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten schwierig. Die genannten Defizite werden durch die grassierende Korruption zusätzlich verstärkt. Nach Angaben des UN-Programms "Habitat" leben 70 Prozent der Iraker in Städten, die Lebensbedingungen von einem großen Teil der städtischen Bevölkerung gleichen denen von Slums (AA 12.2.2018).

In vom IS befreiten Gebieten muss eine Grundversorgung nach Räumung der Kampfmittel erst wieder hergestellt werden. Einige Städte sind weitgehend zerstört. Die Stabilisierungsbemühungen und der Wiederaufbau durch die irakische Regierung werden intensiv vom United Nations Development Programme (UNDP) und internationalen Gebern unterstützt (AA 12.2.2018).

Wirtschaftslage

Der Irak erholt sich nur langsam vom Terror des sogenannten Islamischen Staat und seinen Folgen. Nicht nur sind ökonomisch wichtige Städte wie Mosul zerstört worden. Dies trifft das Land, nachdem es seit Jahrzehnten durch Krieg, Bürgerkrieg, Sanktionen zerrüttet wurde. Wiederaufbauprogramme laufen bereits, vorsichtig-positive Wirtschaftsprognosen traf die Weltbank im Oktober 2018 für das Jahr 2019. Ob der Wiederaufbau zu einem nachhaltigen positiven Aufschwung beiträgt, hängt aus Sicht der Weltbank davon ab, ob das Land die Korruption in den Griff bekommt (GIZ 11.2018).

Das Erdöl stellt immer noch die Haupteinnahmequelle des irakischen Staates dar (GIZ 11.2018). Rund 90 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor (AA 12.2.2018).

Noch im Jahr 2016 wuchs die irakische Wirtschaft laut Economist Intelligence Unit (EIU) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) um 11 Prozent. Im Folgejahr schrumpfte sie allerdings um 0,8 Prozent. Auch 2018 wird das Wachstum um die 1 Prozent betragen, während für 2019 wieder ein Aufschwung von 5 Prozent zu erwarten ist (WKO 2.10.2018). Laut Weltbank wird erwartet, dass das gesamte BIP-Wachstum bis 2018 wieder auf positive 2,5 Prozent ansteigt. Die Wachstumsaussichten des Irak dürften sich dank der günstigeren Sicherheitslage und der allmählichen Belebung der Investitionen für den Wiederaufbau verbessern (WB 16.4.2018). Die positive Entwicklung des Ölpreises ist dafür auch ausschlaggebend. Somit scheint sich das Land nach langen Jahren bewaffneter Auseinandersetzungen wieder in Richtung einer gewissen Normalität zu bewegen. Dieser positiven Entwicklung stehen gleichwohl weiterhin Herausforderungen gegenüber (WKO 2.10.2018).

So haben der Krieg gegen den IS und der langwierige Rückgang der Ölpreise seit 2014 zu einem Rückgang der Nicht-Öl-Wirtschaft um 21,6 Prozent geführt, sowie zu einer starken Verschlechterung der Finanz- und Leistungsbilanz des Landes. Der Krieg und die weit verbreitete Unsicherheit haben auch die Zerstörung von Infrastruktur und Anlageobjekten in den vom IS kontrollierten Gebieten verursacht, Ressourcen von produktiven Investitionen abgezweigt, den privaten Konsum und das Investitionsvertrauen stark beeinträchtigt und Armut, Vulnerabilität und Arbeitslosigkeit erhöht. Dabei stieg die Armutsquote [schon vor dem IS, Anm.] von 18,9 Prozent im Jahr 2012 auf geschätzte 22,5 Prozent im Jahr 2014 (WB 18.4.2018).

Jüngste Arbeitsmarktstatistiken deuten auf eine weitere Verschlechterung der Armutssituation hin. Die Erwerbsquote von Jugendlichen (15-24 Jahre) ist seit Beginn der Krise im Jahr 2014 deutlich gesunken, von 32,5 Prozent auf 27,4 Prozent. Die Arbeitslosigkeit nahm vor allem bei Personen aus den ärmsten Haushalten und Jugendlichen und Personen im erwerbsfähigen Alter (25-49 Jahre) zu. Die Arbeitslosenquote ist in den von IS-bezogener Gewalt und Vertreibung am stärksten betroffenen Provinzen etwa doppelt so hoch wie im übrigen Land (21,1 Prozent gegenüber 11,2 Prozent), insbesondere bei Jugendlichen und Ungebildeten (WB 16.4.2018).

Der Irak besitzt kaum eigene Industrie. Hauptarbeitgeber ist der Staat (AA 12.2.2018). Grundsätzlich ist der öffentliche Sektor sehr gefragt. Die IS-Krise und die Kürzung des Budgets haben Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt im privaten und öffentlichen Sektor. Jobangebote sind mit dem Schließen mehrerer Unternehmen zurückgegangen. Im öffentlichen Sektor sind ebenfalls viele Stellen gestrichen worden. Gute Berufschancen bietet jedoch derzeit das Militär. Das durchschnittliche monatliche Einkommen im Irak beträgt derzeit 350-1.500 USD, je nach Position und Ausbildung (IOM 13.6.2018).

Das Ministerium für Arbeit und Soziales bietet Unterstützung bei der Arbeitssuche und stellt Arbeitsagenturen in den meisten Städten. Die Regierung hat auch ein Programm gestartet, um irakische Arbeitslose und Arbeiter, die weniger als 1 USD pro Tag verdienen, zu unterstützen. .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 119 von 126

Aufgrund der derzeitigen Situation im Land wurde die Hilfe jedoch eingestellt.

Weiterbildungsmöglichkeiten werden durch Berufsschulen, Trainingszentren und Agenturen

angeboten (IOM 13.6.2018).

Stromversorgung

Die Stromversorgung des Irak ist im Vergleich zu der Zeit vor 2003 schlecht (AA 12.2.2018). Sie deckt nur etwa 60 Prozent der Nachfrage ab, wobei etwa 20 Prozent der Bevölkerung überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität haben. Der verfügbare Stromvorrat variiert jedoch je nach Gebiet und Jahreszeit (Fanack 22.12.2017). Selbst in Bagdad ist die öffentliche Stromversorgung vor allem in den Sommermonaten, wenn bei Temperaturen von über 50 Grad flächendeckend Klimaanlagen eingesetzt werden, häufig unterbrochen. Dann versorgt sich die Bevölkerung aus privaten Generatoren, sofern diese vorhanden sind. Die Versorgung mit Mineralöl bleibt unzureichend und belastet die Haushalte wegen der hohen Kraftstoffpreise unverhältnismäßig. In der Autonomen Region Kurdistan erfolgt die Stromversorgung durch Betrieb eigener Kraftwerke, unterliegt jedoch wie in den anderen Regionen Iraks erheblichen Schwankungen und erreicht deutlich weniger als 20 Stunden pro Tag. Kraftwerke leiden unter Mangel an Brennstoff und es gibt erhebliche Leitungsverluste (AA 12.2.2018).

Wasserversorgung

Die Wasserversorgung wird von der schlechten Stromversorgung in Mitleidenschaft gezogen (AA 12.2.2018). Der Irak befindet sich inmitten einer schweren Wasserkrise, die durch akute Knappheit, schwindende Ressourcen und eine stark sinkende Wasserqualität gekennzeichnet ist (Clingendael 10.7.2018). Die Wasserknappheit dürfte sich kurz- bis mittelfristig noch verschärfen. Besonders betroffen sind die südlichen Provinzen, insbesondere Basra. Der Klimawandel ist dabei ein Faktor, aber auch große Staudammprojekte in der Türkei und im Iran, die sich auf den Wasserstand von Euphrat und Tigris auswirken und zur Verknappung des Wassers beitragen. Niedrige Wasserstände führen zu einem Anstieg des Salzgehalts, wodurch das bereits begrenzte Wasser für die landwirtschaftliche Nutzung ungeeignet wird (UNOCHA 31.8.2018).

Parallel zur Wasserknappheit tragen veraltete Leitungen und eine veraltete Infrastruktur zur Kontaminierung der Wasserversorgung bei (UNOCHA 31.8.2018). Es fehlt weiterhin an Chemikalien zur Wasseraufbereitung. Die völlig maroden und teilweise im Krieg zerstörten Leitungen führen zu hohen Transportverlusten und Seuchengefahr. Im gesamten Land verfügt heute nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu sauberem Wasser (AA 12.2.2018). Im August meldete Iraks südliche Provinz Basra 17.000 Fälle von Infektionen aufgrund der Kontaminierung von Wasser. Der Direktor der Gesundheitsbehörde Basra warnte vor einem Choleraausbruch (Iraqi News 28.8.2018).

Nahrungsversorgung

Laut Welternährungsorganisation sind im Irak zwei Millionen Menschen von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen (FAO 8.2.2018). 22,6 Prozent der Kinder sind unterernährt (AA 12.2.2018). Schätzungen des Welternährungsprogramms zufolge benötigen mindestens 700.000 Iraker Nahrungsmittelhilfe (USAID 23.2.2018).

Die Landwirtschaft ist für die irakische Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Schätzungen zufolge hat der Irak in den letzten vier Jahren jedoch 40 Prozent seiner landwirtschaftlichen Produktion verloren. Im Zuge des Krieges gegen den IS waren viele Bauern gezwungen, ihre Betriebe zu verlassen. Ernten wurden zerstört oder beschädigt. Landwirtschaftliche Maschinen, Saatgut, Pflanzen, eingelagerte Ernten und Vieh wurden geplündert. Aufgrund des Konflikts und der Verminung konnten Bauern für die nächste Landwirtschaftssaison nicht pflanzen. Die Nahrungsmittelproduktion und -versorgung wurde unterbrochen, die Nahrungsmittelpreise auf den Märkten stiegen (FAO 8.2.2018). Das Land ist stark von Nahrungsmittelimporten abhängig (AW 11.2.2018; vgl. USAID 1.8.2017).

Das Sozialsystem wird vom sogenannten "Public Distribution System" (PDS) dominiert, einem Programm, bei dem die Regierung importierte Lebensmittel kauft, um sie an die Öffentlichkeit zu verteilen. Das PDS ist das wichtigste Sozialhilfeprogramm im Irak, in Bezug auf Flächendeckung und Armutsbekämpfung. Es ist das wichtigste Sicherheitsnetz für Arme, obwohl es von schweren Ineffizienzen gekennzeichnet ist (K4D 18.5.2018). Es sind zwar alle Bürger berechtigt, Lebensmittel im Rahmen des PDS zu erhalten. Das Programm wird von den Behörden jedoch sporadisch und unregelmäßig umgesetzt, mit begrenztem Zugang in den wiedereroberten Gebieten. Außerdem hat der niedrige Ölpreis die Mittel für das PDS weiter eingeschränkt (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018

-AW - The Arab Weekly (11.2.2018): Can Iraq's ailing economy liberate itself in 2018?,

https://thearabweekly.com/can-iraqs-ailing-economy-liberate-itself-2018, Zugriff 15.10.2018

-Clingendael - Netherlands Institute of International Relations (10.7.2018): More than infrastructures: water challenges in Iraq, https://www.clingendael.org/sites/default/files/2018-07/PB_PSI_water_challenges_Iraq.pdf, Zugriff 15.10.2018

-Fanack (22.12.2017): Energy file: Iraq, https://fanack.com/fanack-energy/iraq/, Zugriff 15.10.2018

-FAO - Food and Agriculture Organization of the United Nations (8.2.2018): Iraq: Recovery and Resilience Programme 2018-2019, http://www.fao.org/3/I8658EN/i8658en.pdf, Zugriff 15.10.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2018): Irak: Die wirtschaftliche Lage im Überblick, https://www.liportal.de/irak/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 20.11.2018

-Iraqi News (28.8.2018): Iraq's Basra declares 17000 infection cases from water pollution,

https://www.iraqinews.com/features/iraqs-basra-declares-17000-infection-cases-from-water-pollution/, Zugriff 15.10.2018

-IOM - International Organization for Migration (13.6.2018):

Länderinformationsblatt Irak (2017), https://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_irak-dl_de.pdf;jsessionid=0E66FF3FBC9BF77D6FB52022F1A7B611.1_cid294?__blob=publicationFile, Zugriff 16.10.2018

-K4D - Knowledge for Development Program (18.5.2018): Iraqi state capabilities,

https://assets.publishing.service.gov.uk/media/5b18e952e5274a18eb1ee3aa/Iraqi_state_capabilities.pdf, Zugriff 15.10.2018

-UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (31.8.2018): Iraq: Humanitarian Bulletin, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/OCHA%20Iraq%20Humanitarian%20Bulletin%20-%20August%202018.pdf, Zugriff 15.10.2018

-USAID - Unites States Agency for International Development (1.8.2017): Iraq: Agriculture

https://www.usaid.gov/iraq/agriculture, Zugriff 16.10.2018

-

USAID - Unites States Agency for International Development (23.2.2018): Food Assistance

Fact Sheet: Iraq,

https://www.usaid.gov/sites/default/files/documents/1866/Iraq_-

_Country_Fact_Sheet.pdf, Zugriff 15.10.2018

-

USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights

Practices 2017 - Iraq,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 4.10.2018

-

WB - The World Bank (16.4.2018): Iraq's Economic Outlook - April 2018,

https://www.worldbank.org/en/country/iraq/publication/economic-outlook-april-2018, Zugriff

16.10.2018

-

WB - The World Bank (18.4.2018): Iraq: Overview,

http://www.worldbank.org/en/country/iraq/overview, Zugriff 15.10.2018

-

WKO - Wirtschaftskammer Österreich (2.10.2018): Die irakische Wirtschaft,

https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-irakische-wirtschaft.html, Zugriff 15.10.2018

Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt (AA 12.2.2018). Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 13.6.2018).

Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung. Staatliche wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore (GIZ 11.2018).

Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD. Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind dann noch zusätzliche Kosten zu veranschlagen.

Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt

werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr,

jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder

Ultraschalluntersuchungen (GIZ 11.2018).

In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.2.2018). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).

Die große Zahl von Flüchtlingen und IDPs belastet das Gesundheitssystem zusätzlich. Hinzu kommt, dass durch die Kampfhandlungen nicht nur eine Grundversorgung sichergestellt werden muss, sondern auch schwierige Schusswunden und Kriegsverletzungen behandelt werden müssen (AA 12.2.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (11.2018): Irak - Alltag,

https://www.liportal.de/irak/alltag/#c37767, Zugriff 20.11.2018

-IOM - International Organization for Migration (13.6.2018):

Länderinformationsblatt Irak (2017), https://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_irak-dl_de.pdf;jsessionid=0E66FF3FBC9BF77D6FB52022F1A7B611.1_cid294?__blob=publicationFile, Zugriff 16.10.2018

-WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html, Zugriff 16.10.2018

Rückkehr

Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Zu einer begrenzten Anzahl an Abschiebungen in den Zentralirak kommt es jedenfalls aus Deutschland, Großbritannien, Schweden und Australien. Rückführungen aus Deutschland in die Autonome Region Kurdistan finden regelmäßig statt (AA 12.2.2018).

Studien zufolge ist die größte primäre Herausforderung für Rückkehrer die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychischen und psychologischen Problemen, sowie negativen Reaktionen von Freunden und Familie zu Hause im Irak (IOM 2.2018; vgl. REACH 30.6.2017). In der Autonomen Region Kurdistan gibt es mehr junge Menschen, die sich nach ihrer Rückkehr organisieren. Ob sich diese Tendenzen verstetigen, wird aber ganz wesentlich davon abhängen, ob sich die wirtschaftliche Lage in der Autonomen Region Kurdistan kurz- und mittelfristig verbessern wird (AA 12.2.2018).

Die Höhe einer Miete hängt vom Ort, der Raumgröße und der Ausstattung der Unterkunft ab. Außerhalb des Stadtzentrums sind die Preise für gewöhnlich günstiger. Die Miete für 250m² in Bagdad liegt bei ca. 320 USD. In den Städten der kurdischen Autonomieregion liegt die Miete bei 300-600 USD für eine Zweizimmerwohnung. Der Kaufpreis eines Hauses oder Grundstücks hängt ebenfalls von Ort, Größe und Ausstattung ab. Während die Nachfrage nach Mietobjekten stieg, nahm die Nachfrage nach Kaufobjekten ab. Durchschnittliche Betriebskosten betragen pro Monat 15.000 IQD (Anm.: ca. 11 EUR) für Gas, 10.000-25.000 IQD (Anm.: ca. 7-18 EUR) für Wasser, 30.000-40.000 IQD (Anm.: ca. 22-29 EUR) für Strom (staatlich) und 40.000 IQD für private oder nachbarschaftlichen Generatorenstrom (IOM 13.6.2018).

Die lange Zeit sehr angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt wird zusehends besser im Land. Jedoch gibt es sehr viel mehr Kauf- als Mietangebote (GIZ 11.2018). Wohnen ist zu einem der größten Probleme im Irak geworden, insbesondere nach den Geschehnissen von 2003 (IOM 13.6.2018). Die Immobilienpreise in irakischen Städten sind in den letzten zehn Jahren stark angestiegen (IEC 24.1.2018). Im Zuge des Wiederaufbaus nach dem IS stellt der Wohnungsbau eine besonders dringende Priorität dar (Reuters 12.2.2018). Im November 2017 bestätigte der irakische Ministerrat ein neues Programm zur Wohnbaupolitik, das mit der Unterstützung von UN-Habitat ausgearbeitet wurde, um angemessenen Wohnraum für irakische Staatsbürger zu gewährleisten (UNHSP 6.11.2017). Öffentliche Unterstützung bei der Wohnungssuche besteht für Rückkehrer nicht (IOM 13.6.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (11.2018): Irak - Alltag,

https://www.liportal.de/irak/alltag/#c28570, Zugriff 20.11.2018

1.3.4. Zur Sicherheitslage im Irak:

Im Dezember 2017 wurde, nach einem dreijährigen Kampf, von der irakischen Regierung der Sieg über den Islamischen Staat (IS) erklä

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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