TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/14 W251 2184411-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.10.2019
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Entscheidungsdatum

14.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W251 2184411-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.12.2017, Zl. 1093030700 - 151660842, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 29.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Am 01.11.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass bei einer Hochzeitsfeier Schüler einer Islamschule auf das Brautauto geschossen haben, woraufhin er mit seinen 3 Begleitern die Schüler zur Rede gestellt und sein Begleiter einen Schüler auch geohrfeigt habe. Am nächsten Tag haben die Taliban im Dorf viele Burschen im Alter des Beschwerdeführers mitgenommen. Die Taliban haben im Austausch die Übergabe der4 Beteiligten des Vorfalls in der Islamschule gefordert. Der Beschwerdeführer und seine 3 Begleiter sollen aus Rache erhängt werden.

3. Am 10.10.2017 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass er Afghanistan aufgrund des Zwischenfalls mit den Taliban verlassen habe, bei welchem der Beschwerdeführer einen jungen Taliban geohrfeigt habe. Aus diesem Grund werde er nun verfolgt.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.) und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.-V). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht habe glaubhaft machen können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer sei ein gesunder und arbeitsfähiger Mann, der sich in Kabul als innerstaatliche Fluchtalternative auch ohne dort bestehendes familiäres Netzwerk niederlassen könne. Er würde bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine ausweglose Situation geraten. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.

5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass er aufgrund seines unislamischen Verhaltens von den Taliban gesucht und überall in Afghanistan ausfindig gemacht werde. Die zugrunde gelegten Länderfeststellungen wären nicht einschlägig und aktuell; überdies sei das Risikoprofil des Beschwerdeführers zu berücksichtigen. Ein Bericht zur Möglichkeit der Taliban individuelle Personen zu verfolgen wurde vorgelegt und auf die Schutzunfähigkeit der afghanischen Behörden in diesem Zusammenhang verwiesen. Zudem wurde ein Vorabentscheidungsverfahren hinsichtlich der Frage der Auslegungen der Statusrichtlinie vor dem Hintergrund der nationalen Bestimmungen aufgrund der diesbezüglich uneinheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bei der Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative angeregt.

6. Mit Schreiben vom 24.05.2018 brachte der Beschwerdeführer eine Schulbesuchsbestätigung, ausgestellt am 01.03.2018 über den Besuch des Abendgymnasiums ab dem Sommersemester 2018 (vom 26.02.2018 - 06.07.2018) in Vorlage.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 22.05.2019 in Anwesenheit einer Dolmetscherin, im Beisein der Beschwerdeführervertreterin und in Abwesenheit des Bundesamtes eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt in Österreich den Namen XXXX , und das Geburtsdatum XXXX , die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest.

Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an, bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben und spricht Paschtu als Muttersprache, sowie Dari und Farsi und er hat grundlegende Deutschkenntnisse (AS 15; Verhandlungsprotokoll vom 22.05.2019, OZ 8, S. 12).

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Herat, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren und ist dort gemeinsam mit seinen Eltern und seiner Großmutter väterlicherseits, seinen vier Schwestern und seinen zwei Brüdern im Elternhaus aufgewachsen. Eine Schwester ist nach seiner Ausreise zur Welt gekommen (OZ 8, S. 8 und S. 10; AS 19, AS 95f). Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan zwei Jahre lang die Schule besucht, er kann in Paschtu oder Dari weder lesen noch schreiben. Der Beschwerdeführer hat jahrelange Berufserfahrung als Bauarbeiter, Fliesen- und Bodenleger bzw. beim Reparieren von Fernsehgeräten und Radios (OZ 8, S. 9; AS 15ff, AS 91).

Der Beschwerdeführer ist ledig, er hat keine Kinder (OZ 8, S. 9; AS 15).

Die Mutter, die Großmutter väterlicherseits, die fünf Schwestern und zwei Brüder des Beschwerdeführers, sowie dessen Onkel und eine Tante väterlicherseits und zwei Onkel und eine Tante mütterlicherseits leben nach wie vor im Heimatdorf des Beschwerdeführers in Afghanistan. Der Beschwerdeführer hat neun Cousinen und Cousins, die alle zwischen 20 und 25 Jahre alt sind (OZ 8, S. 10 f; AS 95). Der Vater des Beschwerdeführers lebt nach wie vor im Heimatort gemeinsam mit seiner Familie.

Die Eltern des Beschwerdeführers besitzen im Heimatort 5 - 8 Jirib (auch geschrieben Jerib; 1 Jerib sind ca. 0,1 Hektar) landwirtschaftliche Grundstücke, auf denen Weizen angebaut wird. Die Onkel und Tanten des Beschwerdeführers besitzen auch jeweils 5 - 10 Jirib landwirtschaftliche Grundstücke. Die Familienangehörigen leben in Eigentumshäusern, wobei die beiden Onkel mütterlicherseits zusammen in einem Haus leben. Den Familienangehörigen des Beschwerdeführers geht es gut, diese haben keine finanziellen Schwierigkeiten (OZ 8, S. 12). Der Beschwerdeführer hat regelmäßigen Kontakt zu seiner Familie in Afghanistan (OZ 8, S. 10, AS 97).

Der Beschwerdeführer wurde nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist und hält sich seit zumindest Oktober 2015 durchgehend in Österreich auf (AS 17). Er ist in Österreich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig.

Der Beschwerdeführer hat grundlegende Deutschkenntnisse. Der Beschwerdeführer hat 2016 und 2017 an Deutschkursen teilgenommen (Beilage ./K; Beilage ./L; Beilage ./M; AS 107, AS 111). Der Beschwerdeführer hat an einem Werte -und Orientierungskurs teilgenommen (AS 113). Der Beschwerdeführer hat bisher noch keine Deutschprüfung abgelegt (OZ 8, S. 13).

Der Beschwerdeführer war von April bis Mai 2019 ehrenamtlich tätig (Beilage ./G; OZ 8, S. 14). Der Beschwerdeführer hat in seiner Pfarre, Gemeinde und den Quartieren mitgeholfen und wird wegen seiner Hilfsbereitschaft geschätzt (Beilage ./H; Beilage ./J). Seit Februar 2018 besucht der Beschwerdeführer ein Abendgymnasium (OZ 8, S. 15; Beilage ./D). Der Beschwerdeführer hat bisher 6 von 14 Modulen im Abendgymnasium positiv absolviert, wobei die Unterrichtsgegenstände Deutsch und Englisch mit "nicht befriedigend" bzw. "nicht beurteilt" bewertet wurden (Beilage ./E; Beilage ./F). Dem Beschwerdeführer wird von seinen Lehrerinnen und Lehrern und der Schulleitung ein außerordentliches Interesse am Unterricht und eine besondere Lernwilligkeit attestiert und wird er auch im Klassenverband sehr geschätzt (Beilage ./A).

Der Beschwerdeführer bezieht seit Oktober 2015 Leistungen aus der Grundversorgung (Beilage ./I, Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem). Der Beschwerdeführer hat freundschaftliche Kontakte zu einem afghanischen und einem irakischen Asylwerber, mit denen er ein Zimmer in der Unterkunft teilt, sowie zu seinen Schulkameraden (OZ 8, S. 16). Der Beschwerdeführer geht in ein Fitnessstudio (OZ 8, S. 13).

Zwei Cousins des Beschwerdeführers befinden sich ebenfalls in einem Asylverfahren und leben in Österreich. Der Kontakt mit ihnen beschränkt sich auf ein Telefonat im Monat (OZ 8, S. 15).

Seit Oktober 2017 führt der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsangehörigen eine Beziehung. Am Wochenende verbringt der Beschwerdeführer seine Zeit mit seiner Freundin. Sie gehen gemeinsam einkaufen (OZ 8, S. 9 und S. 13). Der Beschwerdeführer nimmt bei seinen Besuchen am Wochenende bei der Familie seiner Freundin am Familienleben dieser Familie und bei Familienaktivitäten teil (OZ 8, S. 22f). Der Beschwerdeführer wird von der Familie seiner Freundin sehr geschätzt (OZ 8, S. 24). Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Freundin nicht in einer gemeinsamen Wohnung. (Beilage ./I). Der Beschwerdeführer und seine Freundin sind nicht miteinander verlobt. (OZ 8, S. 9 und S. 22). Die Freundin des Beschwerdeführers lebt noch bei ihren Eltern und erhält 400 EUR im Monat für ihre Tätigkeiten als Gärtnerin (OZ 8, S. 22).

Der Beschwerdeführer ist anpassungsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen (OZ 8, S. 14).

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, er ist gesund. Vor eineinhalb Jahren hatte der Beschwerdeführer psychische Beschwerden, er hat sich daraufhin von einem Arzt behandeln lassen und 6 Monate lang Medikamente erhalten. Seitdem nimmt er keine Medikamente mehr und er leidet seitdem an keinen gesundheitlichen Beschwerden mehr (OZ 8, S. 5 und S. 16).

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Beilage ./I).

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

1.2.1. Weder der Beschwerdeführer noch zwei seiner Freunde haben in Afghanistan eine Auseinandersetzung mit einem Talibanschüler gehabt. Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan keinen Talibanschüler geohrfeigt und diesem dabei auch keine Kalaschnikow oder sonstige Waffe weggenommen. Der Beschwerdeführerführer war in Afghanistan nicht an einer Auseinandersetzung mit einem Talibanschüler beteiligt oder in eine solche verwickelt. Der behauptete Vorfall - das Ohrfeigen eines Talibanschülers bzw. die Wegnahme seiner Kalaschnikow - hat nicht stattgefunden. Der Beschwerdeführer war nicht in einen derartigen Vorfall involviert. Er wird in Afghanistan weder von den Taliban noch von sonstigen Personen gesucht. Der Vater des Beschwerdeführers wurde von den Taliban nicht entführt.

Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban oder durch andere Personen.

1.2.2. Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Sunniten oder zur Volksgruppe der Paschtunen konkret und individuell physische oder psychische Gewalt in Afghanistan droht.

1.2.3. Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land in Afghanistan psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer könnte bei einer Rückkehr in seinen Heimatdistrikt XXXX aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Der Beschwerdeführer kann sich aufgrund der dort herrschenden Sicherheitslage in der Stadt Herat oder der Stadt Mazar-e Sharif wieder niederlassen.

Die Wohnraum- und Versorgungslage ist den Städten Herat und Mazar-e Sharif sehr angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in den Städten Herat und Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und in den Städten Herat und Mazar-e Sharif einer Arbeit nachgehen und sich selbst erhalten.

Der Beschwerdeführer kann zudem von seiner Familie bei einer Rückkehr nach Afghanistan zumindest vorübergehend unterstützt werden. Der Beschwerdeführer kann Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Der Beschwerdeführer kann bei einer Rückkehr nach Afghanistan zumindest vorrübergehend von der Familie seienr Freundin finanziell unterstützt werden (OZ 8, S. 22).

Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Sicherheitslage:

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 26.03.2019 - LIB 26.03.2019, S. 59).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 26.03.2019, S. 59).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 26.03.2019, S. 62).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 26.03.2019, S. 70).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 26.03.2019, S. 63).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 26.03.2019, S. 63). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 26.03.2019, S. 64 ff).

Rekrutierung durch die Taliban:

Menschen schließen sich den Taliban zum einen aus materiellen und wirtschaftlichen Gründen zum anderen aus kulturellen und religiösen Gründen an. Die Rekruten sind durch Armut, fehlende Chancen und die Tatsache, dass die Taliban relativ gute Löhne bieten, motiviert. Es spielt auch die Vorstellung, dass die Behörden und die internationale Gemeinschaft den Islam und die traditionellen Standards nicht respektieren würden, eine zentrale Rolle, wobei sich die Motive überschneiden. Bei Elitetruppen sind beide Parameter stark ausgeprägt. Sympathisanten der Taliban sind Einzelpersonen und Gruppen, vielfach junger Männer, deren Motiv der Wunsch nach Rache, Heldentum gepaart mit religiösen und wirtschaftlichen Gründen sind. Aus Armut, Hoffnungslosigkeit und fehlenden Zukunftsperspektiven schließen sich viele den Taliban an (Beilage ./IV - Bericht Landinfo, Rekrutierung durch die Taliban vom 29.06.2017 - S. 12-13). Die Billigung der Taliban in der Bevölkerung ist nicht durch religiöse Radikalisierung bedingt, sondern Ausdruck der Unzufriedenheit über Korruption und Misswirtschaft (Beilage ./IV, S. 14).

Die Taliban sind aktiver als bisher bemüht Personen mit militärischem Hintergrund sowie mit militärischen Fertigkeiten zu rekrutieren. Die Taliban versuchen daher das Personal der afghanischen Sicherheitskräfte auf ihre Seite zu ziehen. Da ein Schwerpunkt auf militärisches Wissen und Erfahrungen gelegt wird, ist mit einem Anstieg des Durchschnittsalters zu rechnen (Beilage ./IV, S. 8). Durch das Anwerben von Personen mit militärischem Hintergrund bzw. von Mitgliedern der Sicherheitskräfte erhalten Taliban Waffen, Uniformen und Wissen über die Sicherheitskräfte. Auch Personen die über Knowhow und Qualifikationen verfügen (z.B. Reparatur von Waffen), können von Interesse für die Taliban sein (Beilage ./IV, S. 18).

Die Mehrheit der Taliban sind Paschtunen. Die Rekrutierung aus anderen ethnischen Gruppen ist weniger üblich. Um eine breitere Außenwirkung zu bekommen, möchte die Talibanführung eine stärkere multiethnische Bewegung entwickeln. Die Zahl der mobilisierten Hazara ist unerheblich, nur wenige Kommandanten der Hazara sind mit Taliban verbündet. Es ist für die Taliban wichtig sich auf die Rekruten verlassen zu können (Beilage ./IV, S. 11).

Die Taliban waren mit ihrer Expansion noch nicht genötigt Zwangsmaßnahmen zur Rekrutierung anzuwenden. Zwangsrekrutierung ist noch kein herausragendes Merkmal für den Konflikt. Die Taliban bedienen sich nur sehr vereinzelt der Zwangsrekrutierung, indem sie männliche Dorfbewohner in von ihnen kontrollierten Gebieten, die mit der Sache nicht sympathisieren, zwingen, als Lastenträger zu dienen (Beilage ./IV, S. 18). Die Taliban betreiben eine Zwangsrekrutierung nicht automatisch. Personen die sich gegen die Rekrutierung wehren, werden keine rechtsverletzenden Sanktionen angedroht. Eine auf Zwang beruhende Mobilisierungspraxis steht auch den im Pashtunwali (Rechts- und Ehrenkodex der Paschtunen) enthaltenen fundamentalen Werten von Familie, Freiheit und Gleichheit entgegen. Es kommt nur in Ausnahmefällen und nur in sehr beschränktem Ausmaß zu unmittelbaren Zwangsrekrutierungen durch die Taliban. Die Taliban haben ausreichend Zugriff zu freiwilligen Rekruten. Zudem ist es schwierig einen Afghanen zu zwingen, gegen seinen Willen gegen jemanden oder etwas zu kämpfen (Beilage ./IV, S. 19).

Im Kontext Afghanistans verläuft die Grenze zwischen Jungen und Mann fließend. Ausschlaggebend für diese Beurteilung sind Faktoren wie Pubertät, Bartwuchs, Mut, Unabhängigkeit, Stärke und die Fähigkeit die erweiterte Familie zu repräsentieren. Der Familienälteste ist das Oberhaupt, absolute Loyalität gegenüber getroffenen Entscheidungen wird vorausgesetzt. Kinder unterstehen der Obrigkeit der erweiterten Familie. Es stünde im Widerspruch mit der afghanischen Kultur, würde man Kinder gegen den Wunsch der Familie und ohne entsprechende Entscheidung des Familienverbandes aus dem Familienverband "herauslösen" (Beilage ./IV, S. 20).

Herat:

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen, ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand. Die Bevölkerungszahl der Provinz beträgt 1.967.180 Einwohner.

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, in dem Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden. Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz. Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat.

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Nach zehn Jahren der Entminung sind 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher. In diesen Gegenden besteht keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen in den Distrikte Gulran und Shindand wurden diese noch nicht von Minen geräumt (LIB 26.03.2019, S. 138).

Mazar-e Sharif:

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 26.03.2019, S.102).

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist (LIB 26.03.2019, S. 103).

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (LIB 26.03.2019, S. 103).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (LIB 26.03.2019, S. 103).

Dürre:

Aufgrund der Dürre wird die Getreideernte geringer ausfallen, als in den vergangenen Jahren. Da die Getreideernte in Pakistan und im Iran gut ausfallen wird, kann ein Defizit in Afghanistan ausgeglichen werden. Die Preise für Getreide waren im Mai 2018 verglichen zum Vormonat in den meisten großen Städten unverändert und lagen sowohl in Herat-Stadt als auch in Mazar-e Sharif etwas unter dem Durchschnitt der Jahre 2013-2014 (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Beilage ./VI, S. 3). Das Angebot an Weizenmehl ist relativ stabil (Anfragebeantwortung von ACCORD, Beilage ./VII, S. 8). Aufgrund der Dürre wurde bisher kein nationaler Notstand ausgerufen (Beilage ./VI, S. 11).

Für die Landflucht spielen die Sicherheitslage und die fehlende Beschäftigung eine Rolle. Durch die Dürre wird die Situation verstärkt, sodass viele Haushalte sich in städtischen Gebieten ansiedeln. Diese Personen - Vertriebene, Rückkehrer und Flüchtlinge - siedeln sich in informellen Siedlungen an (Beilage ./VII, S. 2, S. 5). Dort ist die größte Sorge der Vertriebenen die Verfügbarkeit von Lebensmitteln, diese sind jedoch mit der Menge und der Regelmäßigkeit des Trinkwassers in den informellen Siedlungen und den erhaltenen Hygienesets zufrieden. Viele Familien, die Bargeld für Lebensmittel erhalten, gaben das Geld jedoch für Schulden, für Gesundheitsleistungen und für Material für provisorische Unterkünfte aus. Vielen Familien der Binnenvertriebenen gehen die Nahrungsmittel aus bzw. können sich diese nur Brot und Tee leisten (Beilage ./VII, S. 6). Arme Haushalte, die von einer wassergespeisten Weizenproduktion abhängig sind, werden bis zur Frühjahrsernte sowie im nächsten Jahr Schwierigkeiten haben, den Konsumbedarf zu decken (Beilage ./VII, S. 11). Es werden, um die Folgen der Dürre entgegen zu treten, nationale und internationale Hilfsmaßnahmen für die Betroffenen gesetzt (Beilage ./VII, S. 17ff).

Die Abnahme der landwirtschaftlichen Arbeitsmöglichkeiten zusammen mit der steigenden Migration sowie der hohen Anzahl an Rückkehrerin und Binnenvertriebenen führt zu einer Senkung der Löhne für Gelegenheitsarbeit in Afghanistan und zu einer angespannten Wohnraum- und Arbeitsmarktlage in urbanen Gebieten (Beilage ./VII, S. 15f).

Von Mai bis Mitte August 2018 sind ca. 12.000 Familien aufgrund der Dürre aus den Provinzen Badghis und Ghor geflohen um sich in der Stadt Herat anzusiedeln. Dort leben diese am westlichen Stadtrand von Herat in behelfsmäßigen Zelten, sodass am Rand der Stadt Herat die Auswirkungen der Dürre am deutlichsten sind (Beilage ./VI, S. 5f). Mittlerweile sind 60.000 Personen nach Herat geflohen (Beilage ./VII, S. 5). Es ist besonders die ländliche Bevölkerung, insbesondere in der Provinz Herat, betroffen (Beilage ./VII, S. 7). Personen die von der Dürre fliehen, siedeln sich in Herat-Stadt, in Qala-e-Naw sowie in Chaghcharan an, dort wurden unter anderem Zelte, Wasser, Nahrungsmittel sowie Geld verteilt (Beilage ./IV, S. 10; Beilage ./VII, S. 2).

Während das Lohnniveau in Mazar-e Sharif weiterhin über dem Fünfjahresdurchschnitt liegt, liegt dieses in Herat-Stadt 17% unter dem Fünfjahresdurchschnitt (Beilage ./VI, S. 8). Es gibt keine signifikante dürrebedingte Vertreibung bzw. Zwangsmigration nach Mazar-e Sharif- Stadt (Beilage ./VII, S. 3; Beilage ./VI, S. 1 und 3). Im Umland der Stadt Mazar-e Sharif kommt es zu Wasserknappheit und unzureichender Wasserversorgung (Beilage ./VI, S. 2).

Die Stadt Mazar-e Sharif selbst ist nicht von den Auswirkungen der Dürre betroffen.

Medizinische Versorgung:

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (LIB 26.03.2019, S. 376 ff).

Psychische Erkrankungen sind in öffentlichen und privaten Klinken grundsätzlich behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patienten nichts für ihre Aufnahme bezahlen. In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital und die Universitätsklinik Aliabad. Zwar gibt es traditionelle Methoden bei denen psychisch Kranke in spirituellen Schreinen unmenschlich behandelt werden. Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (LIB 26.03.2019, S. 359 f). In Mazar-e Sharif gibt es ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus (LIB 26.03.2019, S. 359).

Wirtschaft:

Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 26.03.2019, S. 353).

Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 26.03.2019, S. 353).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./V, S. 29 - 30).

In Kabul und in großen Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten. Dies ist billiger als eine Wohnung zu mieten. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./V, S. 31).

Rückkehrer:

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB 26.03.2019, S. 366 f).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 26.03.2019, S. 367f).

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 26.03.2019, S. 367f).

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB 26.03.2019, S. 369f).

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 26.03.2019, S. 370f).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 26.03.2019, S. 371).

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 26.03.2019, S. 371).

Ethnische Minderheiten:

In Afghanistan leben mehr als 34.1 Millionen Menschen. Es sind ca. 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt (LIB 26.03.2019, S. 314).

Paschtunen sind allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit in Afghanistan weder psychischen noch physischen Bedrohungen ausgesetzt.

Religionen:

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB 26.03.2019, S. 304).

Sunniten sind allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit in Afghanistan weder psychischen noch physischen Bedrohungen ausgesetzt.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden Beilage ./I bis ./VIII (Konvolut Auszüge ZMR, GVS, Strafregister, Beilage ./I; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 26.03.2019, Beilage ./II; Bericht EASO, Afghanistan Netzwerke, Jänner 2018, Beilage ./III; Bericht Landinfo, Afghanistan, Rekrutierung durch die Taliban, 29.06.2017, Beilage ./IV; Dossier der Staatendokumentation, Grundlagen der Stammes- und Clanstruktur, Beilage ./V; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan, Lage in Herat- Stadt und Mazar-e Sharif aufgrund anhaltender Dürre, vom 13.09.2018, Beilage ./VI; Anfragebeantwortung ACCORD, Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif vom 12.10.2018, Beilage ./VII; Übersetzung auf Deutsch der EASO Country Guidance Afghanistan aus Juni 2018 hinsichtlich Punkt III. [Subsidiärer Schutz] und Punkt V. [innerstaatliche Schutzalternative], Beilage ./VIII), Beilage ./A bis ./P (Konvolut Unterstützungsschreiben Schule (5 Seiten), Beilage ./A; Stundenpläne, Beilage ./B; Notenblatt, Beilage ./C; Schulbesuchsbestätigung vom 01.03.2018, Beilage ./D; Semesterzeugnis vom 06.07.2018, Beilage ./E; Semesterzeugnis vom 15.02.2019, Beilage ./F; Bestätigung ehrenamtliche Tätigkeit vom 20.05.2019, Beilage ./G; Unterstützungsschreiben vom 20.05.2019, Beilage ./H;

Teilnahmebestätigung Werte- und Orientierungskurs vom 13.01.2017, Beilage ./I; Unterstützungsschreiben vom 12.01.2018, Beilage ./J;

Teilnahmebestätigung Sprachkurs vom 27.12.2016, Beilage ./K;

Teilnahmebestätigung Sprachkurs vom 20.09.2017, Beilage ./L;

Teilnahmebestätigung Sprachkurs vom 13.06.2017, Beilage ./M;

Unterstützungsschreiben vom 09.10.2017, Beilage ./N;

Unterstützungsschreiben vom 08.10.2017, Beilage ./O;

Unterstützungsschreiben vom 22.09.2017, Beilage ./P) sowie in das mit Stellungnahme vom 22.05.2019 (Beilage ./Q) im Rahmen der mündlichen Verhandlung eingebrachte Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018, sowie durch Einvernahme der Freundin des Beschwerdeführers als Zeugin im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 22.05.2019 (OZ 8, S. 21-23).

Dem Erkenntnis werden die EASO Country Guidance Afghanistan aus Juni 2018 sowie die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 zugrunde gelegt (OZ 8, S. 23).

Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren. Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung ein anderes Geburtsdatum als bei der Erstbefragung und bei der Einvernahme beim Bundesamt an. Der Beschwerdeführer begründete dies unter anderem damit, dass vor der polizeilichen Erstbefragung sein Cousin ein Formular für ihn ausgefüllt habe, wobei dieser aus Unwissenheit über sein genaues Alter ein falsches angegeben habe. Beim Bundesamt habe er diesen Fehler berichtigen wollen, die Behörde habe sich für die Änderung des Geburtsdatums nicht zuständig erachtet.

Der Beschwerdeführer wurde bei Gericht zu Beginn der Verhandlung explizit gefragt, ob seine bisherigen Angaben im Verfahren der Wahrheit entsprächen und ob diese richtig protokolliert und rückübersetzt worden wären. Der Beschwerdeführer wurde darauf hingewiesen, dass etwaige Fehler in der Protokollierung vor dem Beginn der Befragung anzugeben sind. Auch die Vertreterin des Beschwerdeführers bekam die Gelegenheit Angaben zu den Protokollen zu machen. Es wurde kein Vorbringen hinsichtlich des Geburtsdatums erstattet (OZ 8, S. 7). Erst bei der Befragung zur Identität gab der Beschwerdeführer an, dass sein Geburtsdatum falsch sei, Urkunden zum Beweis seiner Identität konnte der Beschwerdeführer jedoch nicht vorlegen (OZ 8, S. 9), sodass seine Identität (Name und Geburtsdatum) nicht feststeht.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache und weiteren Sprachkenntnissen, seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Afghanistan, seine Schulausbildung, seine Berufserfahrung) gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln (OZ 8, S. 8ff; AS. 91).

Da das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft ist (siehe Begründung zu Punkt II.2.2.), ist für das Gericht auch nicht nachvollziehbar, warum der Vater des Beschwerdeführers verschwunden bzw. von den Taliban entführt worden sein sollte. Das Gericht geht daher davon aus, dass der Vater des Beschwerdeführers tatsächlich nicht entführt worden ist, sondern weiterhin im Heimatdorf lebt und die Familie des Beschwerdeführers versorgt. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen weiteren Familienangehörigen und Verwandten in seinem Herkunftsort sowie zu deren wirtschaftlicher Situation und Wohnsituation waren gleichbleibend und schlüssig, weshalb es keine Veranlassung gab an diesen Angaben zu zweifeln (OZ 8, S. 10; AS 19, AS 95-97).

Der Beschwerdeführer gab vor dem Bundesamt an, dass er telefonischen Kontakt zu seiner Familie habe (AS 97). Vor dem Gericht gab er an, nur einmal in 5-6 Monaten telefonischen Kontakt zu seiner Familie zu haben, da das Telefonnetz nicht gut funktioniere und von den Taliban zerstört werde (OZ 8, S. 10). Selbst bei schwierigen technischen Gegebenheiten ist es nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer lediglich alle 5-6 Monate den Kontakt zu seinen Verwandten herstellen würde, zumal das Kontakthalten mit Familienangehörigen nicht nur über einen Anruf, sondern aufgrund der zahlreichen technischen Möglichkeiten über Sprachnachrichten und Ähnliches möglich ist. Auch den Länderberichten ist zu entnehmen, dass nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihren Familien in Afghanistan verlieren. Die Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihren nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa geht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, dass sie keine lebenden Verwandten mehr haben bzw. keinen Kontakt mehr zu diesen haben. Der Faktor der geografischen Nähe verliert durch technologische Entwicklungen an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile universell geworden, digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten (Beilage ./II, S. 379f). Es ist für das Gericht kein Grund ersichtlich, weshalb der Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Familie auf ein derart geringes Ausmaß reduziert sein sollte. Es wäre jedenfalls davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer - gegebenenfalls bei seinen in Österreich und dem Iran lebenden Verwandten nach dem Verbleib seines Vaters und dem Wohlergehen seiner gesamten Familie erkundigen würde. Das Vorbringen hinsichtlich der schwierigen Erreichbarkeit seiner Familie in seinem Heimatort war in Zusammenschau mit dem zitierten Länderbericht nicht plausibel und geht das erkennende Gericht von einem regelmäßigen und häufigeren Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Familienangehörigen aus, den er im Asylverfahren zu verschleiern versuchte.

Dass der Beschwerdeführer mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut ist, ergibt sich daraus, dass er in Afghanistan mit seiner afghanischen Familie aufgewachsen ist und er dort den Großteil seines bisherigen Lebens gelebt und gearbeitet hat.

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seiner Arbeitstätigkeit in Österreich und seiner Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage (vgl. insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem), auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen. Die Feststellungen zu den grundlegenden Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers konnten vom Gericht getroffen werden, da der Beschwerdeführer in der Verhandlung die auf Deutsch gestellten, einfachen Fragen verstanden hat und in verständlicher Weise beantworten konnte. Mangels abgeschlossener Deutschprüfung und aufgrund der negativen bzw. Nichtbeurteilung der schulischen Leistungen in Deutsch, waren die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers als grundlegend zu qualifizieren (OZ 8, S. 12f; Beilage ./E und Beilage ./F).

Die Feststellungen zum Freundeskreis und den Freizeitaktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich, sowie die Intensität des Kontakts zu seinen zwei in Österreich lebenden Cousins gründen sich auf die eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (OZ 8, S. 13, S. 15 und S. 16).

Die Feststellungen zur Beziehung mit seiner Freundin und der Teilnahme am Familienleben sowie die Wertschätzung des Beschwerdeführers in der Familie waren aufgrund der schlüssigen und übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und seiner Freundin im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 22.05.2019 zu treffen. Diese Angaben wurden auch durch die informative Befragung der Mutter der Freundin bestätigt (OZ 8, S. 9, S. 13 und S. 24).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vom 22.05.2019.

Dass der Beschwerdeführer grundsätzlich anpassungsfähig ist, ergibt sich daraus, dass er in Österreich die Schule besucht und freundschaftliche Kontakte pflegt. Es sind im Verfahren keine Umstände hervorgekommen, die gegen eine grundsätzliche Anpassungsfähigkeit des Beschwerdeführers sprechen.

Dass der Beschwerdeführer grundsätzlich arbeitsfähig ist, ergibt sich daraus, dass er in Österreich gemeinnützig tätig war, eine Schule besucht und Freundschaften geschlossen hat. Er selbst gab an, arbeitsfähig zu sein und sind keine Umstände hervorgekommen, die gegen eine Arbeitsfähigkeit sprechen.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Soweit der Beschwerdeführer vorbrachte, ihm drohe Lebensgefahr da er im Rahmen einer Hochzeitsfeier bei einer Auseinandersetzung mit einem Talibanschüler, der auf das Brautauto geschossen habe, diesem gemeinsam mit seinen zwei Freunden eine Kalaschnikow abgenommen und ihn geohrfeigt habe, kommt seinem Vorbringen aus nachfolgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:

2.2.1. Zunächst ist festzuhalten, dass das Gericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund des persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers davon ausgeht, dass ihm hinsichtlich seines Fluchtvorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Der Beschwerdeführer wurde zu Beginn der Verhandlung angehalten, sein Vorbringen von sich aus abschließend und möglichst umfassend, detailliert, sowie wahrheitsgemäß zu beantworten. Diesen Anforderungen ist der Beschwerdeführer jedoch nicht gerecht geworden.

Obwohl der Beschwerdeführer teilweise ein weitschweifiges Vorbringen zu seinen Fluchtgründen erstattete, waren in den Angaben des Beschwerdeführers betreffend seine Fluchtgeschichte etliche Ungereimtheiten, Unplausibilitäten und Widersprüche enthalten, die seine Angaben unglaubhaft scheinen lassen. Der Beschwerdeführer präsentierte sowohl beim Bundesamt als auch vor Gericht ein größtenteils widersprüchliches Vorbringen, das er bei Nachfrage mit ebenso unplausiblen Begründungen zu erklären versuchte. Das Gericht verkennt zwar nicht, dass die behaupteten Vorfälle schon einige Zeit zurückliegen und deshalb Erinnerungslücken einer vollkommen detaillierten Erzählung entgegenstehen können, sowie, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan nur zwei Jahre lang die Schule besucht hat. Dass der Beschwerdeführer die Ereignisse jedoch in einer derart widersprüchlichen und nicht stringenten Weise wie im konkreten Verfahren schildern würde, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen und wären sie von fluchtauslösender Intensität. Die erzählte Geschichte erweckte für das Gericht daher den Eindruck, dass es sich lediglich um eine auswendig gelernte, konstruierte Geschichte handelt.

2.2.2. Konkret sind in den Angaben des Beschwerdeführers zum Vorfall mit dem Talibanschüler folgende erhebliche Widersprüche und Unplausibilitäten enthalten, die sein Fluchtvorbringen gänzlich unglaubhaft scheinen lassen:

Eingangs ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer zu Beginn der Verhandlung aufgefordert wurde, etwaige fehlerhafte Protokollierungen oder Missverständnisse in den bisherigen Protokollen anzuführen (OZ 8, S. 6). Der Vollständigkeit halber wird angeführt, dass die folgenden Ausführungen keine korrigierten Protokollstellen zum Inhalt hatten.

Im Rahmen der polizeilichen Erstbefragung im Jahr 2015 gab der Beschwerdeführer an, dass "die Schüler" einer Islamschule auf das "Fahrzeug geschossen (haben), in welchem sich die Braut" befunden habe. Der Beschwerdeführer sei in weiterer Folge mit seinen Begleitern aus "den Wagen" gestiegen und "in die Schule gegangen". Der Beschwerdeführer habe mit seinen Begleitern "die Schüler" zur Rede gestellt und "einer der Begleiter" habe "einen Schüler" geohrfeigt (AS 25).

Diese Befragung fand unmittelbar nach dem Eintreffen des Beschwerdeführers in Österreich statt, weshalb es nicht nachvollziehbar ist, weshalb der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen bei dieser ersten Gelegenheit verändert schildern sollte. Eine fehlerhafte Protokollierung wurde zu diesen Elementen weder vorgebracht (OZ 8, S. 6-8), noch scheint eine solche wahrscheinlich, zumal die Erstbefragung in der Muttersprache des Beschwerdeführers durchgeführt und nach Rückübersetzung auch unterschrieben wurde (AS 17). Selbst unter Berücksichtigung, dass sich die Erstbefragung nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, machen die Angaben des Beschwerdeführers in Zusammenschau mit seinen weiteren Angaben im Verfahren einen inkonsistenten Eindruck.

Beim Bundesamtmachte der Beschwerdeführer zu seinen Flucht- und Asylgründen folgende Angaben:

"Es war die Hochzeit vom Cousin meines Vaters, als die Taliban in die Luft geschossen haben. Das war in der Nähe einer Koranschule. Bei dieser Hochzeit haben wir eine Tradition, dass wir die Braut einmal aus der Stadt bringen. Ein Talibanmitglied, der neben dieser Koranschule war, hat uns gesagt, dass das unislamisch sei. Wir haben dem Jungen Taliban eine Ohrfeige gegeben. Dieser hat sich bei seinem Chef beschwert und die Taliban sind dann aus XXXX gekommen. Diese Taliban haben ganz viele Dorfbewohner festgenommen und mit nach XXXX genommen. Mein Vater war einer der Festgenommenen. Er war fünf Tage bei den Taliban in XXXX . Er wurde allerdings mit Hilfe der Dorfältesten freigelassen und ist nach Hause gekommen. Eine der Bedingungen in der Freilassung war, dass mein Vater mich ausliefert. Die Taliban haben meinen Vater gefragt wo ich bin und warum ich nicht ausgeliefert wurde. Dann sind die Taliban gekommen und haben meinen Vater aufgefordert, dass er mich ausliefert. Mein Vater wird immer gefragt, wo ich bin. Ich bin dann am nächsten Tag der Freilassung ausgereist." (AS 94f).

Schließlich führte der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu seinen Fluchtgründen aus, dass ein Schüler vor einer Madrassa der Taliban auf das Brautauto geschossen habe. Der Beschwerdeführer sei mit zwei Freunden auf Motorrädern unterwegs gewesen und zu diesem Schüler gefahren. Die beiden Freunde des Beschwerdeführers haben ihn festgehalten, der Beschwerdeführer selbst habe ihm die Kalaschnikow weggenommen und ihn geohrfeigt (OZ 8, AS 16f).

Das Vorbringen des Beschwerdeführers enthält folgende, gravierende Widersprüche, die das gesamte Vorbringen nicht glaubhaft erscheinen lassen:

Einerseits schildert der Beschwerdeführer in der Erstbefragung, dass er mit seinen Begleitern aus den Wagen gestiegen sei (AS 25), im Rahmen der mündlichen Verhandlung führt er ins Treffen, dass er mit seinen Begleitern auf Motorrädern unterwegs gewesen sei (OZ 8, S. 16). Bei einem Beschuss eines Brautautos bei einer Hochzeitsfeier, was ein besonders einschneidendes Erlebnis wäre, ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer gleichbleibend angeben kann, in bzw. auf welchem Fahrzeug er sich zu Zeitpunkt der Schussabgabe befunden hat.

Bei der Erstbefragung und vor Gericht gibt der Beschwerdeführer an, dass auf das Brautauto geschossen worden sei (OZ 8, S. 16; AS 25), beim Bundesamt war von Schüssen in die Luft die Rede (AS 93). Es ist nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer, hätte er einen derartigen Vorfall tatsächlich erlebt, e

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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