TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/14 W105 2221790-1

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Veröffentlicht am 14.10.2019
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Entscheidungsdatum

14.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs3a
AsylG 2005 §9 Abs2 Z3
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55a
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W105 2221790-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Harald BENDA über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch den Verein für Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesasylamts vom 03.07.2019, Zl. 1114051206-160640225/BMI-BFA_WIEN_RD, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm §§ 3 Abs. 1, § 8 Abs. 3a und § 9 Abs. 2 Z 3, 10 Abs. 1 Z. 3, 13 Abs. 2, 57 AsylG 2005, § 9, 18 Abs. 1 Z. 2 BFA-VG, 53 Abs.1 iVm Abs. 3 Z. 1, 55a FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 07.05.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am folgenden Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei brachte er zunächst vor, am XXXX geboren und daher minderjährig zu sein. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe gab er an, dass er sein Land verlassen habe, damit er in Sicherheit komme und gesund werde. Er habe Angst vor der schlechten Sicherheitslage in Somalia. Es gebe Anschläge.

3. In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer am 02.10.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA") im Beisein eines Dolmetschers für die somalische Sprache niederschriftlich einvernommen. In dieser Einvernahme gab er an, dass er sein Heimatland gemeinsam mit seiner Mutter verlassen habe, sie gemeinsam per Schlauchboot nach Griechenland gekommen seien, er jedoch Griechenland dann alleine schlepperunterstützt verlassen hätte. Er habe in Griechenland keinen Asylantrag stellen wollen, da sein Ziel Deutschland gewesen sei.

4. Am 23.04.2019 wurde der Beschwerdeführer erneut vom BFA einvernommen und gab er hierbei zu seinen Personendaten ergänzend an, dass er zur Volksgruppe der Gaboye und zum Stamm der Tumaal gehöre. Er gehöre der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam an. In Bezug auf seinen Gesundheitszustand gab er an, dass ein Konvolut an ärztlichen Befunden bei der Behörde eingebracht worden sei, er nehme regelmäßig Medikamente ein, deren Namen er nicht alle wüsste. Er sei in Somalia aufgrund seiner Clanzugehörigkeit insofern verfolgt worden, als er aus diesem Grund diskriminiert worden sei. So habe er für medizinische Behandlungen Geld bezahlen müssen und hätten "die anderen" nichts bezahlt. Er sei drei Mal an der Niere operiert worden und wäre diese Operation schiefgegangen. Er habe das Gefühl, dass deshalb etwas schiefgegangen sei, da er einer Minderheit angehöre, da bei anderen Leuten die Operation gut gegangen sei. Er wüsste dies durch Gespräche mit anderen Patienten. Er sei zum Zeitpunkt der Operation 13 Jahre alt gewesen. Die Ärzte, die im Spital arbeiteten, würden dem Mehrheitsclan angehören. Nach Vorhalt, dass seine Angaben zu den Fluchtgründen unkonkret seien, gab er an, dass er seine Heimat erstens aus gesundheitlichen Gründen verlassen habe und zweitens sein Land nicht sicher sei, es sei ein Kriegsgebiet.

5. Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 03.07.2019 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011, (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG (Spruchpunkt II.) ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG (Spruchpunkt IV.), erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Somalia gemäß § 8 Abs. 3a AsylG iVm § 9 Abs. 2 AsylG und § 52 Abs. 9 FPG für unzulässig (Spruchpunkt V.), erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z. 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.), gewährte gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII.), stellte fest, dass der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 2 AsylG sein Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 03.04.2019 verloren habe (Spruchpunkt VIII.) und erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 FPG ein auf die Dauer von 7 Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IX.).

Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu den Fluchtgründen vage und unkonkret seien und er nicht in der Lage gewesen sei, Angaben zu seinem Clan zu machen, sodass ihm kein Asyl gewährt hätte werden können. Aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes und der allgemeinen Situation in seiner Heimatprovinz Jubaland (Gedo) könne nicht ausgeschlossen werden, dass ihm im Falle seiner Rückkehr nach Somalia eine Verletzung seiner Rechte gemäß Art. 3 EMRK drohe. Im Falle des Beschwerdeführers sei aber zu berücksichtigen, dass er Suchtmitteldelikte und Gewaltdelikte begangen hätte und die wiederholte Begehung von strafbaren Handlungen im Bereich des Suchtmittelrechts eine besondere Gefahr für die Allgemeinheit und für die Sicherheit der Republik Österreich darstelle. Aufgrund der negativen Zukunftsprognose, die dem Beschwerdeführer zu stellen sei, sei der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen Ausschlussgründen abzuweisen. Es hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben, welche die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG rechtfertigen würden. Da ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG vorliege, sei die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu verbinden. Da der Beschwerdeführer über kein nennenswertes Privatleben in Österreich verfüge, sei die Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG zulässig. Da seine Abschiebung gemäß § 8 Abs. 3a AsylG unzulässig sei, sei sein Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z. 2 FPG geduldet und bleibe seine Ausreiseverpflichtung unberührt. Da er mehrfach straffällig geworden sei und vom Landesgericht für Strafsachen XXXX rechtskräftig verurteilt worden sei, sei die Annahme gerechtfertigt, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, sodass einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung abzuerkennen sei. Als gesetzliche Folge sei gemäß § 55 Abs. 1a FPG auszusprechen gewesen, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht bestehe. Aufgrund seiner strafrechtlichen Verurteilung sowie des Umstandes, dass gegen ihn Strafanzeige seitens der Staatsanwaltschaft erhoben worden sei, habe er sein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet am 03.04.2019 verloren. Infolge dessen, dass er mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden sei und mit seinen strafbaren Handlungen die Tatbestandsmerkmale des § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG erfüllt habe, sei gegen ihn ein Einreiseverbot in der Dauer von 7 Jahren zu verhängen, da er durch die von ihm verübten Delikte seine besondere Gefährlichkeit für die Gesellschaft deutlich zum Ausdruck gebracht habe.

6. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG vom 04.07.2019 wurde dem Beschwerdeführer der Verein für Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

7. Der Beschwerdeführer erhob gegen den angeführten Bescheid durch seinen Rechtsberater Beschwerde, in welcher er erneut betonte, dass er in Somalia aufgrund seiner Clanzugehörigkeit verfolgt worden sei. Erschwerend komme hinzu, dass es sich bei ihm um einen Jungen handle, der von Zwangsrekrutierung durch al Shabaab betroffen sein könnte. Es sei davon auszugehen, dass er in bitterer Armut und schutzlos Übergriffen, Diskriminierungen etc. ausgesetzt wäre. Es sei davon auszugehen, dass er in eine ausweglose Lage geraten würde. Davon abgesehen werde auf die nach wie vor bestehende Problematik der Unterversorgung infolge der Dürre verwiesen, die die Grundpreise für Lebensmittel in unerreichbare Höhen getrieben habe. Sein bisheriges Vorbringen sei detailliert, genügend substantiiert und habe er immer am Verfahren mitgewirkt und zur Aufklärung des Sachverhaltes aus seiner Sicht alle notwendigen Angaben gemacht. Die belangte Behörde habe ihm jedoch die Glaubwürdigkeit abgesprochen. Er habe hier in Österreich die Möglichkeit bekommen, an Deutschkursen teilzunehmen und könne er sich in der deutschen Sprache verständigen. Auch sei in seinem Fall zu befürchten, dass er sich nach mehrjähriger Abwesenheit im teils westlich geprägten Ausland nicht mehr in der konservativ geprägten Gesellschaft in Somalia zurechtfinden würde. Obwohl er in Österreich verurteilt worden sei, bereue er seine Tat und wolle er ein neues Leben anfangen. Er lebe seit mehreren Jahren in Österreich, wo er seinen Lebensmittelpunkt und seinen ständigen Wohnsitz habe. Er fühle sich hier wie zu Hause und hätte er in Somalia keine Lebensperspektive. Ein 7-jähriges Einreiseverbot stelle einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben dar. Eine Abschiebung nach Somalia würde ihn in eine lebensbedrohliche Lage bringen. Auch sei die Dauer des Einreiseverbotes nicht nachvollziehbar und wäre er der Meinung, dass in seinem Fall von einer Gefährlichkeit nicht ausgegangen werden könnte. Zudem habe sich die Sicherheitslage in Somalia nicht verbessert und versinke sein Herkunftsstaat in Korruption, Gewalt und Terrorismus. Er ersuche daher, seiner Beschwerde Folge zu geben.

8. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 26.07.2019 vom BFA vorgelegt und langten am 29.07.2019 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Antrags auf internationalen Schutz vom 07.05.2016 , der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des BFA, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des BFA vom 03.07.2019, der im Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen, der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt sowie in das Zentrale Melderegister, Fremdeninformationssystem, Strafregister und Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist somalischer Staatsangehöriger und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Er wurde in Garbahaarrey in der Region Gedo geboren, gehört der Volksgruppe der Gaboye und dem Stamm der Tumaal an. Er lebte mit seinen Eltern, zwei Schwestern und vier Brüdern in seinem Geburtsort bis zu seiner Ausreise aus Somalia im August 2015. Er reiste schlepperunterstützt von Somalia über die Türkei, von wo aus er über Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn schließlich nach Österreich gelangte, wo er am 07.05.2016 seinen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der Beschwerdeführer besuchte in Somalia für 8 Jahre die Grundschule und übte keinen Beruf aus. Seine Mutter befindet sich aktuell in Griechenland als Asylwerberin. Sein Vater sowie zwei Schwestern und vier Brüder leben nach wie vor im Heimatort. Sein Vater finanziert den Lebensunterhalt der Familie durch die Tätigkeit als Schuhmacher in seinem eigenen Geschäft. Der Beschwerdeführer steht mit seinen Angehörigen im Herkunftsstaat in telefonischem Kontakt.

Der Beschwerdeführer verfügt im Bundesgebiet weder über Familienangehörige, gehört keinem Verein und keiner Organisation an und führt keine Lebensgemeinschaft. Er geht keiner beruflichen Tätigkeit im Bundesgebiet nach und hat keine Deutschkurse besucht.

Der Beschwerdeführer leidet an einer differenzialdiagnostischen Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis sowie an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Er befindet er sich wegen schädlichem Substanzkonsum mit psychotischer Dekompensation in regelmäßiger (auch) stationärer psychiatrischer Behandlung.

1.1.2. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 83 (1), 84 (2) StGB, § 27 (2a) SMG, § 15 StGB, § 27 (2a) SMG, § 15 StGB, § 269 (1) StGB, §§ 27 (1) Z. 1 1. Fall und 2. Fall (2) SMG, § 83 (1) StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten, bedingt unter einer Probezeit von 3 Jahren unter Anordnung der Bewährungshilfe junger Erwachsener verurteilt.

1.1.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung zu vergegenwärtigen hätte.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:

1. Vergleichende Länderkundliche Analyse (VLA) i.S. §3 Abs 4a AsylG

Erläuterung

Bei der Erstellung des vorliegenden LIB wurde die im §3 Abs 4a AsylG festgeschriebene Aufgabe der Staatendokumentation zur Analyse "wesentlicher, dauerhafter Veränderungen der spezifischen, insbesondere politischen Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind", berücksichtigt. Hierbei wurden die im vorliegenden LIB verwendeten Informationen mit jenen im vorhergehenden LIB abgeglichen und auf relevante, im o.g. Gesetz definierte Verbesserungen hin untersucht.

Als den oben definierten Spezifikationen genügend eingeschätzte Verbesserungen wurden einer durch Qualitätssicherung abgesicherten Methode zur Feststellung eines tatsächlichen Vorliegens einer maßgeblichen Verbesserung zugeführt (siehe Methodologie der Staatendokumentation, Abschnitt II). Wurde hernach ein tatsächliches Vorliegen einer Verbesserung i.S. des Gesetzes festgestellt, erfolgte zusätzlich die Erstellung einer entsprechenden Analyse der Staatendokumentation (siehe Methodologie der Staatendokumentation, Abschnitt IV) zur betroffenen Thematik.

Verbesserung i.S. §3 Abs 4a AsylG

 

Titel

LIB-Abschnitt

Ein Vergleich der Informationen zu asylrelevanten Themengebieten im vorliegenden LIB mit jenen des vormals aktuellen LIB hat ergeben, dass es zu keinen wie im §3 Abs 4a AsylG beschriebenen Verbesserungen in Somalia gekommen ist.

 

2. Neueste Ereignisse -

Integrierte Kurzinformationen

KI vom 17.9.2018: Positiver Trend bei Versorgungslage (betrifft: Abschnitt 21/Grundversorgung und Abschnitt 21.1/Dürresituation)

Nach den überdurchschnittlichen Gu-Regenfällen 2018 wird die Getreideernte die größten Erträge seit 2010 einbringen. Die Lage bei der Nahrungsversorgung hat sich weiter verbessert (UN OCHA 11.9.2018; vgl. UN OCHA 5.9.2018), dies gilt auch für Einkommensmöglichkeiten und Marktbedingungen (FSNAU 1.9.2018). Die Preise für unterschiedliche Grundnahrungsmittel haben sich in Mogadischu gegenüber dem Vorjahr drastisch verbilligt und liegen nunmehr unter dem Fünfjahresmittel. Dies betrifft namentlich Bohnen (cowpea), rotes Sorghum und Mais (FEWS NET 31.8.2018). Insgesamt hat sich die Ernährungssituation verbessert, auch wenn es im ganzen Land noch eine hohe Rate an Unterernährung gibt - speziell unter IDPs (UN OCHA 11.9.2018). Die Dürre ist zwar offiziell vorbei, es braucht aber mehr als eine gute Regenzeit, bevor sich die Menschen davon erholen (UN OCHA 2.9.2018). Vor allem vom Verlust ihres Viehs, von Überschwemmungen (im April/Mai 2018, Juba- und Shabelle-Täler) und vom Zyklon Sagar (Mai 2018, Nordsomalia) betroffene Gemeinden werden noch längere Zeit für eine Rehabilitation brauchen. Zwischen Februar und Juli 2018 konnten humanitäre Organisationen 1,9 Millionen Menschen pro Monat erreichen (UN OCHA 5.9.2018).

Die Stufe für akute Unterernährung hat sich verbessert. Die Zahl von an schwerer akuter Unterernährung Betroffenen ist nur bei zwei Gruppen kritisch: Bei den IDPs in Mogadischu und in der Guban Pastoral Livelihood in West-Somaliland (UN OCHA 5.9.2018). Allerdings werden auch noch andere Teile oder Gruppen Somalias als Hotspots genannt, wo Interventionen als dringend erachtet werden.

Dies sind im ländlichen Raum: Northern Inland Pastoral of Northeast (Teile von Sanaag, Sool und Bari); Hawd Pastoral of Northeast (Teile von Togdheer, Sool und Nugaal); Northwest Guban Pastoral (Teile von Awdal); der Bezirk Belet Weyne (Shabelle-Tal und agro-pastorale Teile); Agro-pastorale Teile und das Juba-Tal in Gedo; die Bezirke Mataban, Jalalaqsi und Buulo Burte in Hiiraan; Teile des Juba-Tals in Middle Juba. An Gruppen sind es die IDPs in Bossaso, Garoowe, Galkacyo, Qardho, Mogadischu, Baidoa, Kismayo und Doolow (FSNAU 1.9.2018). Überhaupt bleiben IDPs die am meisten vulnerable Gruppe (UN OCHA 11.9.2018).

In Nordsomalia werden aus einigen Gebieten immer noch Wasser- und Weidemangel berichtet, da die Gu-Regenzeit dort auch im Jahr 2018 nicht ertragreich ausgefallen ist. Es handelt sich um Teile der Regionen Bari und Nugaal (Puntland) sowie von Sool und Sanaag (Somaliland). Dort findet die Wasserversorgung teils immer noch mit Tanklastwagen statt, rund 48.000 Haushalte sind betroffen. Humanitäre Organisationen wie ACTED sind dort aktiv und konnten für über 31.000 Haushalte samt Vieh die Wasserversorgung wiederherstellen (ACTED 12.9.2018).

Die Prognose für den Zeitraum August-Dezember 2018 in IPC-Stufen stellt sich wie folgt dar:

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(FSNAU 1.9.2018)

Insgesamt sind ca. 4,6 Millionen Menschen weiter auf Unterstützung angewiesen, im Februar 2018 waren es noch 5,4 Millionen gewesen (UN OCHA 11.9.2018). Von den 4,6 Millionen befinden sich ca. 1,4 Millionen auf IPC-Stufe 3 (IPC = Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung), weitere ca. 170.000 auf IPC-Stufe 4 (FSNAU 1.9.2018). Darunter scheinen sich viele Kinder zu finden. Ca. 240.000 Kinder gelten als akut unterernährt, weiter 55.000 als schwer unterernährt (UN OCHA 2.9.2018).

Für die Deyr-Regenzeit 2018 (Oktober-Dezember) wird eine überdurchschnittliche Niederschlagsmenge prognostiziert (UN OCHA 5.9.2018; vgl. FAO 6.9.2018). Damit wird auch eine weitere Verbesserung bei den Weideflächen und bei der Wasserverfügbarkeit und i.d.F. Verbesserungen bei der Viehzucht und in der Landwirtschaft einhergehen (FAO 6.9.2018). Zusätzliche Ernten und weiter verbesserte Marktbedingungen werden zu weiteren Verbesserungen führen (FSNAU 1.9.2018)

Allerdings werden auch für das äthiopische Hochland höhere Niederschlagsmengen prognostiziert, was das Überschwemmungsrisiko entlang von Juba und Shabelle steigen lässt. Gegenwärtig sind einige Flussufer bzw. Flusseinfassungen beschädigt, was selbst bei normalen Regenmengen eine Gefahr darstellt (FAO 6.9.2018). Immerhin hat Somalia 2018 die schwersten Überschwemmungen seit 60 Jahren erlebt (WB 6.9.2018).

Quellen:

-

ACTED (12.9.2018): Drought conditions continue to persist in Badhan district,

https://reliefweb.int/report/somalia/drought-conditions-continue-persist-badhan-district, Zugriff 14.9.2018

-

FAO - FAO SWALIM / FSNAU (6.9.2018): Somalia Rainfall Outlook for 2018 Deyr (October-December) - Issued: 6 September 2018, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-rainfall-outlook-deyr-2018-october-december-issued-6-september-2018, Zugriff 14.9.2018

-

FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (31.8.2018):

Somalia Price Bulletin, August 2018, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-price-bulletin-august-2018, Zugriff 14.9.2018

-

FSNAU - Food Security and Nutrition Analysis Unit / Famine Early Warning System Network (1.9.2018): FSNAU-FEWS NET 2018 Post Gu Technical Release,

https://reliefweb.int/report/somalia/fsnau-fews-net-2018-post-gu-technical-release-01-sep-2018, Zugriff 14.9.2018

-

UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (11.9.2018): Somalia - Humanitarian Snapshot (as of 11 September 2018),

https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-humanitarian-snapshot-11-september-2018, Zugriff 14.9.2018

-

UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (5.9.2018): Humanitarian Bulletin Somalia, 1 August - 5 September 2018,

https://reliefweb.int/report/somalia/humanitarian-bulletin-somalia-1-august-5-september-2018, Zugriff 14.9.2018

-

UN OCHA - UN UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2.9.2018): Somalia - Food security improving but recovery remains fragile,

https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-food-security-improving-recovery-remains-fragile, Zugriff 14.9.2018

-

WB - Worldbank (6.9.2018): World Bank's Flagship Infrastructure Project Launched in Somalia,

https://reliefweb.int/report/somalia/world-bank-s-flagship-infrastructure-project-launched-somalia, Zugriff 14.9.0218

KI vom 3.5.2018: Überdurchschnittliche Niederschläge, bessere Versorgungssicherheit prognostiziert (betrifft: Abschnitt 21/Grundversorgung und Abschnitt 21.1/Dürresituation)

Schon in den vor der Gu-Regenzeit gemachten Prognosen zeichnete sich eine Entspannung der Situation ab, obwohl damals nur unterdurchschnittliche Regenmengen prognostiziert wurden. Anfang 2018 wurde für Februar-Juni 2018 prognostiziert, dass die Bevölkerung in folgende IPC-Stufen (Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung) einzuordnen sein wird: 56% Stufe 1 (minimal); 22% Stufe 2 (stressed); 18% Stufe 3 (crisis); 4% Stufe 4 (emergency); 0% Stufe 5 (famine). IDP-Lager in Südsomalia wurden durchwegs mit Stufe 3 IPC prognostiziert; Städte in Lower und Middle Shabelle, Bay und Jubaland mit Stufe 2; Mogadischu mit Stufe 1. Landesweit zeigt sich, dass die Bevölkerung in den Städten besser versorgt ist, als jene auf dem Lande (FAO 2018).

Verbesserungen bei Nahrungsmittelsicherheit und Ernährung sind auf die höhere Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln aus der Deyr-Ernte und aus der gestiegenen Milchproduktion zurückzuführen. Gleichzeitig wird die humanitäre Hilfe aufrechterhalten. Viele Haushalte können Nahrungsmittel mit von humanitären Akteuren zur Verfügung gestellten Geldmitteln oder Gutscheinen erwerben (FEWS 3.2018). Im ersten Quartal 2018 bezogen monatlich 1,84 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Im letzten Quartal 2017 waren es noch 2,5 Millionen gewesen. Insgesamt erreicht die Unterstützung rund 70% der Menschen die sich auf oder über Stufe 3 IPC befinden (FEWS 4.2018a). Auch im Jahr 2018 wird humanitäre Hilfe weiterhin in großem Ausmaß erforderlich sein (FEWS 3.2018).

Der bereits eingetretene Rückgang an Hunger ist auch im Vergleich der Daten der beiden Deyr-Regenzeiten 2016/17 und 2017/18 zu erkennen (FEWS 3.2018):

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(FEWS 3.2018)

Nunmehr ist es im April 2018 in fast allen Landesteilen zu mittleren bis starken Regenfällen gekommen (FAO 27.4.2018). In fast ganz Somalia lag die Niederschlagsmenge der Gu-Regenzeit bis zum 20.4.2018 bei 200% des mehrjährigen Durchschnitts. Nur im Nordosten blieben die Niederschläge unterdurchschnittlich (FEWS 4.2018a). Allerdings werden die Niederschläge bis Juni weiter anhalten (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.4.2018), auch wenn mit einem Rückgang der Niederschlagsmengen gerechnet wird (FEWS 4.2018a).

Für den Zeitraum Juni-September 2018 wurde eine deutliche Entspannung bei der Nahrungsmittelversorgung angekündigt. Nur noch für Hilfsorganisationen leicht zugängliche Gebiete im Nordwesten werden unter Stufe 4 IPC (emergency) eingestuft, der große Rest des Landes fällt in die Stufen 1-3, Süd-/Zentralsomalia gänzlich (bis auf IDP-Konzentrationen) in die Stufen 1-2 (FEWS 4.2018b).

Aufgrund der überdurchschnittlichen Niederschläge in der Gu-Regenzeit Anfang 2018 wird erwartet, dass sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln in einigen Teilen Südsomalias noch weiter verbessern wird, als zu Jahresbeginn bereits prognostiziert. Zwar wurden in von Überflutungen betroffenen Gebieten Teile der Ernte vernichtet, jedoch sind die Bedingungen insgesamt so günstig, dass mit einer überdurchschnittlichen Ernte zu rechnen ist (FEWS 4.2018b). Die Felder befinden sich in gutem Zustand. In der Landwirtschaft gibt es Arbeitsmöglichkeiten auf Normalniveau (FEWS 4.2018a).

In den meisten Gebieten haben sich Weidegründe und Wasserverfügbarkeit verbessert (FEWS 4.2018a; vgl. FEWS 4.2018b), der Zustand der Tiere hat sich normalisiert. Allerdings bleibt die durchschnittliche Herdengröße noch hinter dem Normalzustand zurück. Arme Nomaden in Nord- und Zentralsomalia werden weiterhin über zu wenig Vieh verfügen. Dort wird Stufe 3 IPC (crisis) vermutlich weiter vorherrschen (FEWS 4.2018b).

Die Entspannung wird auf Karten dokumentiert:

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(FEWS 4.2018b)

Der Handelspreis für 1kg Sorghum ist in Baidoa im ersten Quartal 2018 um 37% eingebrochen, jener für 1kg Mais in Qoryooley um 32%. Auch bei armen Haushalten verbessert sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln, sie haben nun auf normalem Niveau Zugang zu Arbeit in der Landwirtschaft und die Nahrungsmittelpreise haben sich ebenfalls normalisiert. Mit dem Tageseinkommen können nunmehr 10-18kg lokalen Getreides erstanden werden - 20%-60% mehr als noch vor einem Jahr (FEWS 4.2018a).

Untenstehend findet sich die detaillierte Prognosekarte der Agentur FSNAU der FAO für die Monate 2-6/2018:

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(FAO 2018)

Zusätzlich zu den Niederschlägen fließen aus dem äthiopischen Hochland beträchtliche Mengen Wasser zu (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.4.2018). Dadurch kam es in einigen Gebieten zu Überschwemmungen. Belet Weyne war besonders stark betroffen, 70% der Haushalte mussten ihre Häuser verlassen. In Qoryooley waren es 250 Haushalte. Außerdem betroffen waren einige Dörfer in Middle Juba und im Bezirk Wanla Weyne. Auch einige landwirtschaftlich genutzte Gebiete in Bay, Lower Juba, Togdheer und Hiiraan wurden überflutet (FEWS 4.2018a). Die Pegel der Flüsse werden vermutlich weiter steigen. Bisher sind rund 630.000 Menschen von Sturzfluten oder Überschwemmung betroffen, ca. 215.000 haben ihre Häuser verlassen müssen (davon 180.000 im Gebiet Belet Weyne). Andererseits verlassen manche IDPs die Lager, um von den Niederschlägen in ihrer ursprünglichen Heimat zu profitieren (UN OCHA 2.5.2018).

Quellen:

-

FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018a): Somalia

-

Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia/food-security-outlook-update/april-2018, Zugriff 2.5.2018

-

FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018b): Somalia

-

Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia, Zugriff 2.5.2018

-

FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (3.2018): Somalia

-

Food Security Outlook February to September 2018, http://fews.net/east-africa/somalia/food-security-outlook/february-2018, Zugriff 2.5.2018

-

FAO FSNAU - Agentur der Food and Agriculture Organisation der UN (2018): IPC Map, http://www.fsnau.org/ipc/ipc-map, Zugriff 2.5.2018

-

FAO SWALIM (27.4.2018): Somalia Rainfall Forecast - Issued: 27 April 2018,

https://reliefweb.int/map/somalia/somalia-rainfall-forecast-issued-27-april-2018, Zugriff 2.5.2018

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UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2.5.2018): OCHA Somalia Flash Update #3 - Humanitarian impact of heavy rains | 2 May 2018,

https://reliefweb.int/report/somalia/ocha-somalia-flash-update-3-humanitarian-impact-heavy-rains-2-may-2018, Zugriff 3.5.2018

3. Politische Lage

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.1.2017).

Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.1.2017).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen deutlichen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017), waren es 2016 über 14.000 Clan-Repräsentanten (UNHRC 6.9.2017) bzw. 13.000. Während die 54 Mitglieder des Oberhauses von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt wurden, wählten die o.g. Clan-Repräsentanten die 275 auf Clan-Basis ausgewählten Abgeordneten des Unterhauses (UNSC 9.5.2017).

Auch wenn es sich um keine allgemeine Wahl gehandelt hat, ist diese Wahl im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen ein Fortschritt gewesen (DW 10.2.2017). Allerdings war auch dieser Wahlprozess problematisch, es gibt zahlreiche Vorwürfe von Stimmenkauf und Korruption (SEMG 8.11.2017). Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten; im März bestätigte es Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, SEMG 8.11.2017). Das Parlament bestätigte am 29.3.2017 dessen 69-köpfiges Kabinett (UNSC 9.5.2017).

Die Macht wurde friedlich und reibungslos an die neue Regierung übergeben (WB 18.7.2017). Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat (AA 1.1.2017). Die Regierung stellt sich den Herausforderungen, welche Dürre und Sicherheit darstellen. Überhaupt hat die Regierung seit Amtsantritt gezeigt, dass sie dazu bereit ist, die Probleme des Landes zu beheben (UNSC 5.9.2017). Dabei mangelt es der Bundesregierung an Einkünften, diese sind nach wie vor von den wenigen in Mogadischu erzielten Einnahmen abhängig (SEMG 8.11.2017).

Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Außerdem gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach (AA 1.1.2017). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 9.2016).

Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 (UNSC 9.5.2017) bzw. 2021 vorgesehen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNNS 13.9.2017). Deren Durchführung wird aber maßgeblich davon abhängen, wie sich die Sicherheitslage entwickelt, ob sich Wahlkommissionen auch in den Bundesstaaten etablieren können und ob ein Verfassungsgericht eingerichtet wird (UNSC 5.9.2017).

Neue föderale Teilstaaten (Bundesstaaten)

Generell befindet sich das föderalistische System Somalias immer noch in einer frühen Phase und muss in den kommenden Jahren konsolidiert werden (UNSC 9.5.2017). Zwar gibt es in manchen Gebieten Verbesserungen bei der Verwaltung und bei der Sicherheit. Es ist aber ein langsamer Prozess. Die Errichtung staatlicher Strukturen ist das größte Problem, hier versucht die internationale Gemeinschaft zu unterstützen (BFA 8.2017).

Kaum ein Bundesstaat ist in der Lage, das ihm zugesprochene Gebiet tatsächlich unter Kontrolle zu haben. Bei den neu etablierten Entitäten reicht die Macht nur wenige Kilometer über die Städte hinaus (BFA 8.2017; vgl. NLMBZ 11.2017).

Während im Norden bereits die Gliedstaaten Somaliland und Puntland etabliert waren, begann mit dem international vermittelten Abkommen von Addis Abeba von Ende August 2013 der Prozess der Gliedstaatsgründung im weiteren Somalia, der nach der Gründung der Bundesstaaten Jubaland, South West State (SWS), Galmudug und Hirshabelle 2016 seinen weitgehenden Abschluss fand (AA 4.2017a). Offen ist noch der finale Status der Hauptstadtregion Benadir/Mogadischu (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, BFA 8.2017).

Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clan-Balance.

Rein technisch bedeutet dies: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir (BFA 8.2017).

Die Beziehungen zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Bundesstaaten sind angespannt, da es bei der Sicherheitsarchitektur und bei der Ressourcenverteilung nach wie vor Unklarheiten gibt (SEMG 8.11.2017). Außerdem hat der Schritt zur Föderalisierung zur Verschärfung von lokalen Clan-Spannungen beigetragen und eine Reihe gewalttätiger Konflikte ausgelöst. Die Föderalisierung hat zu politischen Kämpfen zwischen lokalen Größen und ihren Clans geführt (BS 2016). Denn in jedem Bundesstaat gibt es unterschiedliche Clankonstellationen und überall finden sich Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden. Sie fühlen sich marginalisiert (BFA 8.2017).

Im Zuge der Föderalisierung Somalias wurden mehrere Teilverwaltungen (Bundesstaaten) neu geschaffen: Galmudug Interim Administration (GIA); die Jubaland Interim Administration (JIA); Interim South West State Administration (ISWA). Keine dieser Verwaltungen hat die volle Kontrolle über die ihr unterstehenden Gebiete (USDOS 3.3.2017). Außerdem müssen noch wichtige Aspekte geklärt und reguliert werden, wie etwa die Machtverteilung zwischen Bund und Ländern, die Verteilung der Einkünfte oder die Verwaltung von Ressourcen. Internationale Geber unterstützen den Aufbau der Verwaltungen in den Bundesstaaten (UNSC 5.9.2017).

1) Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba): Im Jahr 2013 kam es zu einem Abkommen zwischen der Bundesregierung und Delegierten von Jubaland über die Bildung des Bundesstaates Jubaland. Im gleichen Jahr wurde Ahmed Mohamed Islam "Madobe" zum Präsidenten gewählt (USDOS 3.3.2017). Der JIA ist es gelungen, zumindest in Kismayo eine Verwaltung zu etablieren. Die Machtbalance in Jubaland wurde verbessert, seit die Ogadeni auch mit anderen Clans kooperieren und diese in Strukturen einbinden (BFA 8.2017).

2) South West State (SWS; Bay, Bakool, Lower Shabelle): Nach einer Gründungskonferenz im Jahr 2014 formierte sich im Dezember 2015 das Parlament des Bundesstaates South West State. Dieses wählte Sharif Hassan Sheikh Adam zum Übergangspräsidenten (USDOS 3.3.2017). Insgesamt befindet sich der SWS immer noch im Aufbau, die Regierungsstrukturen sind schwach, Ministerien bestehen nur auf dem Papier. Es gibt kaum Beamte, und in der Politik kommt es zu Streitigkeiten. Die Region Bakool ist besser an den SWS angebunden, als dies bei Lower Shabelle der Fall ist. Die Beziehungen von Lower Shabelle zur Bundesregierung und zum SWS sind kompliziert, der SWS hat dort kaum Mitsprache (BFA 8.2017).

3) HirShabelle (Hiiraan, Middle Shabelle): Bei der Bildung des Bundesstaates HirShabelle wurde längere Zeit über gestritten. Beide Regionen (Hiiraan und Middle Shabelle) haben erklärt, dass sie genügend Einwohner hätten, um jeweils einen eigenen Bundesstaat gründen zu können. Trotzdem wurden die Regionen fusioniert (BFA 8.2017). Im Jänner 2016 fand eine Konferenz zur Bildung eines Bundesstaates aus Hiiraan und Middle Shabelle statt. In der Folge wurde im Oktober 2016 der Bundesstaat Hirshabelle eingerichtet: Ein Parlament wurde zusammengestellt und ein Präsident - Ali Abdullahi Osoble - gewählt. Anführer der Hawadle haben eine Teilnahme verweigert (USDOS 3.3.2017). Das Kabinett wurde Mitte März 2017 vom Parlament bestätigt (BFA 8.2017; vgl. UNSC 9.5.2017). Der Großteil der Regierung von HirShabelle befindet sich in Mogadischu. Die Bildung des Bundesstaates scheint alte Clan-Konflikte neu angeheizt zu haben, die Hawadle fühlen sich marginalisiert (BFA 8.2017).

4) Galmudug (Galgaduud, Teile von Mudug): 2015 wurde eine Regionalversammlung gebildet und Abdikarim Hussein Guled als Präsident gewählt hat (EASO 2.2016). Die Regionalversammlung war von der Bundesregierung eingesetzt worden. Ausgewählt wurden die 89 Mitglieder von 40 Ältesten, welche wiederum 11 Clans repräsentierten. Die Gruppe Ahlu Sunna wal Jama'a (ASWJ), die Teile der Region Galgaduud kontrolliert, hat den Prozess boykottiert und eine eigene Verwaltung eingerichtet (USDOS 3.3.2017). Die GIA wird von Hawiye/Habr Gedir/Sa'ad dominiert (EASO 2.2016). Am 25.2.2017 trat der Präsident von Galmudug, Abdikarim Hussein Guled, zurück (UNSC 9.5.2017). Am 3.5.2017 wurde Ahmed Duale Geele "Xaaf" vom Regionalparlament von Galmudug zum neuen Präsidenten gewählt (UNSC 5.9.2017). Auch der neue Präsident hat noch keine Lösung mit der ASWJ herbeigeführt (UNSOM 13.9.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017

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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017

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DW - Deutsche Welle (10.2.2017): Kommentar: Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267, Zugriff 24.11.2017

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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017

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EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 21.11.2017

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NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):

Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,

https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017

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UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017

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UNNS - UN News Service (13.9.2017): Somalia facing complex immediate and long-term challenges, UN Security Council told, http://www.refworld.org/docid/59bfc8b34.html, Zugriff 11.11.2017

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UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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