TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/15 W159 2157663-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.10.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

15.10.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W159 2157663-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. von Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.04.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.09.2019, zu Recht erkannt:

A)

1. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 3 Absatz 1 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

2. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Absatz 1 Asylgesetz 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

3. Gemäß § 8 Absatz 4 Asylgesetz 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 15.10.2020 erteilt.

4. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte III. und IV. stattgegeben und diese ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Absatz 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, gelangte (spätestens) am 30.10.2015 irregulär nach Österreich und stellte noch am gleichen Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am 31.10.2015 stattgefundenen Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion XXXX , gab der Antragsteller an, dass er im Iran geboren sei und in Teheran gelebt habe. Zu den Fluchtgründen führte er aus, dass afghanische Staatsbürger im Iran schlecht behandelt würden und er nicht weiter in die Schule habe gehen dürfen und keine Ausbildung habe machen dürfen. Deswegen habe er das Land verlassen.

Nach Zulassung zum Asylverfahren erfolgte am 25.04.2017 die Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich. Eingangs der Einvernahme gab der Antragsteller an, dass er keine Dokumente im Iran gehabt habe und sich dort illegal aufgehalten habe. Aber nach der Rückkehr seines Bruders aus Syrien habe die gesamte Familie Dokumente erhalten. Da sei er aber auch schon in Österreich gewesen. Er nannte seinen Namen und gab an, dass er Staatsangehöriger von Afghanistan sei, der Volksgruppe der Hazara angehöre und schiitischer Moslem sei. Er sei in Teheran geboren worden, habe dort sechs bis sieben Jahre lang eine afghanische Schule besucht und nebenbei seinem Vater beim Recycling von Alu und Plastik geholfen. In Afghanistan sei er niemals gewesen. Er habe mehrere Tanten und Onkel im Iran. Sie würden aber nicht in Teheran leben. Im Iran würden auch seine Eltern, ein älterer Bruder, zwei ältere Schwestern, sowie zwei jüngere Brüder leben. Angehörige in Afghanistan habe er keine und wenn er welche hätte, würde er diese nicht kennen. Alle seine Verwandte seien im Iran. Er habe auch sonst keinerlei Kontakte nach Afghanistan. Mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder habe er schon Kontakt. Bei Nachschau auf seinem Mobiltelefon wurde auch ein Kontakt nach Afghanistan gefunden. Dazu gab der Antragsteller an, dass es sich dabei um ein Mädchen handelt, das ihm gefalle. Er sei wohl nicht verheiratet, aber verlobt und habe auch keine Kinder. In Österreich habe er auch keine weiteren Verwandten, er habe nur einen Cousin in Schweden. In Österreich lebe er von der Grundversorgung. Er habe einen A2-Kurs besucht. Mit den Behörden habe er niemals Probleme gehabt. Den Iran habe er vor zwei Jahren verlassen.

Seine Eltern hätten vor 30 bis 32 Jahren wegen der Russischen Intervention in Afghanistan ihr Heimatland verlassen. Er habe den Iran verlassen, weil er nicht nach Syrien habe wollen. Sein Bruder sei schon in Syrien gewesen und sein Vater habe nicht gewollt, dass er auch in Schwierigkeiten gerate. Sein Vater sei im Krieg verletzt worden und habe deswegen nicht nach Afghanistan zurückwollen. Im Iran würden die Afghanen schlecht behandelt. Die Polizei verlange Geld oder man werde abgeschoben.

Die Familie stamme ursprünglich aus der Provinz Ghor. Gefragt, was er gegen eine Rückkehr in die Heimatprovinz (Afghanistans) spreche, gab er an, dass er sich an das Leben im Iran gewöhnt habe. In Afghanistan gebe es keine Arbeit. Die Taliban könnten die Hazara nicht ausstehen. Gefragt, ob er nicht nach Kabul gehen könne, gab er an, dass dort Krieg herrsche und dass er von dem Mädchen die Nachricht erhalten habe, dass es einen Selbstmordanschlag gegeben habe, bei dem viele getötet worden seien. Außerdem gebe es dort keine Arbeit und habe er niemandem, zu dem er gehen könne. Wenn er tausend Euro erhalten würde, würde er zu seinen Eltern zurückkehren. In Afghanistan würden alle Schiiten Schwierigkeiten haben. Er habe Angst vor den Taliban und vor dem IS. Sie würden die Hazara hassen, sonst habe er nichts mehr zu sagen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.04.2017, Zahl: XXXX , wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz vom 30.10.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchteil II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen, unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, sowie unter Spruchpunkt IV. eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen festgesetzt.

In der Begründung des Bescheides wurden die oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt, sowie Feststellungen zur Person und zum Herkunftsland Afghanistan getroffen. Beweiswürdigend wurde insbesondere ausgeführt, dass sich die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben sich ergeben würden. Auch der Umstand, dass der Antragsteller in Teheran geboren sei und den Großteil seines Lebens im Iran verbracht habe, sei plausibel. Der Antragsteller habe aber bei der Erstbefragung hinsichtlich seiner Familienangehörigen widersprüchliche Angaben gemacht. Der Antragsteller habe wohl einerseits soziale Kontakte nach Afghanistan verneint, jedoch nach Nachschau auf seinem Mobiltelefon zugegeben, dass er Kontakt zu einem Mädchen in Kabul habe. Der Antragsteller habe lediglich Probleme im Iran angegeben. Eine Rückkehr in die Heimatprovinz Ghor sei nach den Länderfeststellungen derzeit nicht zumutbar, aber es wurde eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul derzeit als zumutbar angesehen.

Rechtlich wurde zunächst zu Spruchteil I. begründet, dass die von dem Antragsteller geltend gemachten Gründe keineswegs asylrelevant wären. Die Probleme im Iran könnten keine Schutzgewährung bewirken, da diese eine Bedrohung im Heimatland, also Afghanistan, voraussetze und die allgemeine Lage in Afghanistan könne eine solche auch nicht tragen.

Zu Spruchteil II. wurde zunächst ausgeführt, dass ein Neustart in Afghanistan jenen Rückkehrern, die über familiäre und soziale Netzwerke verfügen, leichter fallen würde, als solchen ohne ein solches Netzwerk. Der Antragsteller verfüge aber über ein Netzwerk, insbesondere in Kabul. Außerdem sei die islamische Glaubensgemeinschaft überall in der Welt bestrebt, Schutz- und Unterkunftssuchende zu beherbergen. Auch wenn im vorliegenden Fall im Zusammenhang mit der Volksgruppenzugehörigkeit nicht eine Art Ehrenkodex wie bei den Paschtunen festzustellen sei, so liege es doch im grundliegenden Interesse sämtlicher in Afghanistan existierender Volksgruppen, ihre Mitglieder zu schützen und im Falle einer Rückkehr zu unterstützen. Es sei daher im vorliegenden Fall nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr nach Afghanistan vor eine unzumutbare Situation gestellt werde. Außerdem könne dem Beschwerdeführer eine finanzielle Rückkehrhilfe gewährt werden, um etwaige "Startschwierigkeiten" abzufedern. Auch gehe aus den UNHCR-Richtlinien vom April 2016 hervor, dass alleinstehende, leistungsfähige Männer ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keineswegs unbedingt soziale Netzwerke benötigen, damit eine innerstaatliche Fluchtalternative zulässig sei. Insgesamt sei weder aus dem Vorbringen, noch aus der allgemeinen Situation im vorliegenden Fall etwas ersichtlich, das im Fall einer Rückkehr eine unmenschliche Behandlung oder eine extreme Gefährdungslage im Falle der Rückkehr erkennen lassen würde.

Zu Spruchteil III. wurde zunächst hervorgehoben, dass der Antragsteller in Österreich kein Familienleben führe und seien weiters keine Ansatzpunkte hervorgetreten, die die Vermutung einer besonderen Bindung zu Österreich rechtfertigen würden. Außerdem sei der Aufenthalt im Bundesgebiet erst kurz und habe der Antragsteller gegen das öffentliche Interesse an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens schon mit der illegalen Einreise verstoßen. Auch wenn der Antragsteller nunmehr gewillt sei, Integrationsmaßnahmen zu setzen, so stelle der mit der Rückkehrentscheidung verbundene Eingriff in das Privatleben keinen unverhältnismäßigen dar. Es sei daher kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen zu erteilen gewesen und eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen. Da im vorliegenden Fall auch keine Bedrohungssituation im Sinne des § 50 FPG vorliege und auch keine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte einer Abschiebung nach Afghanistan entgegenstehe, sei eine solche auszusprechen gewesen. Gründe für die Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise wären ebenfalls nicht hervorgekommen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller, fristgerecht gegen alle Spruchpunkte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin wurde kritisiert, dass die Behörde den verfahrensrelevanten Sachverhalt nicht entsprechend erhoben habe und sich damit nicht auseinandergesetzt habe, insbesondere mit dem Umstand, dass der Antragsteller der Volksgruppe der Hazara angehöre und dass ihm schon deswegen GFK-relevante Verfolgung drohe. Die Beweiswürdigung sei mangelhaft, die vermeintlichen Widersprüche würden sich leicht aufklären lassen und sei nachweisbar, dass sich die gesamte Familie des Beschwerdeführers im Iran aufhalte. Der Antragsteller habe auch keinen näheren Kontakt zu einem Mädchen in Kabul. Er kenne nicht einmal ihre Adresse. Man könne daher nicht sagen, dass der Beschwerdeführer über soziale Kontakte in Kabul verfüge.

Außer einer asylrelevanten Verfolgung alleine schon wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara gehöre der Beschwerdeführer auch der sozialen Gruppe der im Iran aufgewachsenen Afghanen an und würde ihm auch deshalb asylrelevante Verfolgung in Afghanistan drohen.

Was die Gewährung von subsidiärem Schutz betreffe, so habe der Afghanistan-Sachverständige Thomas RUTTIG festgestellt, dass die Sicherheitslage in Kabul kaum besser als sonst wo im Lande sei und fehle Afghanistan allgemein die Fähigkeit, Rückkehrer aufzunehmen. Die Beurteilung des BFA, dass die islamische Glaubensgemeinschaft grundsätzlich überall in der Welt bestrebt sei, Schutz- und Unterkunftssuchende zu beherbergen, sei ebenso eine Fehlbeurteilung, wie dass der Beschwerdeführer von UNHCR oder IOM bei einer Rückkehr Unterstützung zu erwarten habe. Schließlich habe er auch keinen familiären Rückhalt in Afghanistan und würde ihm auch in Kabul eine Verletzung des Artikel 3 EMRK drohen, sodass ihm jedenfalls der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei. Schließlich sei er auch bestrebt, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren.

Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 13.06.2019 an. Die Ladung konnte dem Beschwerdeführer jedoch mangels aufrechter Meldung im Bundesgebiet nicht zugestellt werden, sodass die Verhandlung wieder abberaumt wurde und das Verfahren mit Beschluss des BVwG vom 14.06.2019 zur Zahl: XXXX , eingestellt wurde.

Nach Bekanntgabe einer aktuellen Adresse wurde neuerlich, diesmal für den 03.09.2019, eine öffentliche, mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumt, zu der der Beschwerdeführer in Begleitung eines Mitarbeiters der XXXX und einer Vertrauensperson erschien und auch ein Vertreter der belangten Behörde teilnahm. Das mit Beschluss vom 14.06.2019 eingestellte Verfahren wurde fortgesetzt. Der Beschwerdeführervertreter legte eine Bestätigung des XXXX mit der Diagnose rezidivierende depressive Störung, eine Teilnahmebestätigung an einem Sprachkurs, einer Bestätigung der XXXX betreffend Nachhilfeunterricht, sowie ein Unterstützungsschreiben der XXXX vor.

Der Beschwerdeführer hielt sein Vorbringen aufrecht, wollte aber korrigieren, dass er heute nicht mehr bereit wäre, für tausend Euro Hilfe zurückzukehren. Er sei damals jung und müde gewesen, als er das gesagt habe.

Er sei afghanischer Staatsbürger, habe aber darüber keinen Nachweis, da er im Iran geboren worden sei. Er wisse ganz sicher, dass er kein iranischer Staatsbürger sei, da sie im Iran ohne Aufenthaltsdokumente gelebt hätten. Seine Eltern seien auch afghanische Staatsbürger. Er sei ethnischer Hazara und ursprünglich Moslem gewesen, aber er glaube jetzt an nichts, außer an die Menschlichkeit. Er sei im Jahre XXXX in Teheran im Iran geboren. Das genaue Geburtsdatum wisse er nicht. Seine Mutter habe ihm aber gesagt, dass er gegen Ende des XXXX Monats geboren worden sei. Er habe immer in Teheran gelebt und sei niemals in seinem Leben in Afghanistan gewesen. Seine Eltern seien schon in Afghanistan geboren. Sie seien schätzungsweise vor ca. 35 Jahren wegen des damaligen Krieges und des Einmarsches der russischen Truppen in den Iran übersiedelt. Seine Eltern würden ursprünglich aus der Provinz Ghor stammen. Sie lebten nach wie vor in Teheran. Er habe zwei Schwestern und drei Brüder. Diese würden auch in Teheran leben. Er entstamme einer streng religiösen, traditionsverbundenen Familie. Er habe im Iran selbst die schiitische Religion ausgeübt, denn er sei in eine islamische, schiitische Familie geboren worden und habe da mitmachen müssen. Jetzt meine er aber, dass jeder Mensch selbst entscheiden soll, ob er an einen Gott glaube und wenn ja, an welchen. Er habe schon im Iran Zweifel am Islam gehabt. Er sei sechs bis sieben Jahre in die Schule gegangen. Es sei keine staatliche iranische Schule, sondern eine Schule für afghanische Auswanderer gewesen. Er habe mit der Schule aufhören müssen, um einen Beitrag zum Familieneinkommen zu leisten. Er habe gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder Abfälle gesammelt, ungefähr im Alter ab 14 Jahren. Sie hätten alle arbeiten müssen und seien dann irgendwie über die Runden gekommen.

Probleme mit afghanischen Behördenorganen oder bewaffneten Gruppierungen habe er persönlich nicht gehabt, aber allgemein würden die Hazara Probleme mit den Taliban oder dem IS haben. Die Taliban meinten, dass die Schiiten nicht richtige Muslime seien. Im Iran müsse jeder männliche Erwachsene am syrischen Krieg teilnehmen, um Dokumente zu bekommen. Sein Bruder habe das gemacht, aber er habe das nicht gemacht und habe aus diesem Grunde den Iran verlassen. Seine Familie habe dann einen Aufenthaltstitel im Iran bekommen. Zu seinen Eltern und Geschwistern habe er Kontakt, aber er habe zu niemandem mehr in Afghanistan Kontakt. Über Vorhalt, dass er beim BFA eine Bekannte in Kabul erwähnt habe, gab er an, dass die Telefonnummer dieses Mädchens sehr lange nicht mehr funktioniere und sie daher schon länger keinen Kontakt hätten. Über Vorhalt, dass es das BFA als unglaubwürdig ansehe, dass der Antragsteller angesichts der in Afghanistan üblichen großen Familien nicht einmal weitschichtige Verwandte in Afghanistan habe, gab er an, dass er auch noch eine Tante väterlicherseits und einen Onkel mütterlicherseits hätte, die im Iran leben würden und er möglicherweise Cousins zweiten oder dritten Grades in Afghanistan habe, aber über diese noch nie etwas gehört habe.

Er habe in Österreich wohl keine gesundheitlichen, aber psychische Probleme und sei im XXXX in Behandlung. Er habe zwar einen Deutschkurs besucht, aber die A2-Prüfung nicht gemacht. Er habe auch kein A1-Diplom. Er sei verlobt, aber seine Verlobte würde sich im Iran befinden. Er habe schon Nachbarn geholfen, sei aber nicht Mitglied bei Vereinen oder Institutionen. Zum Freitagsgebet gehe er nicht. Er halte auch sonst die islamischen Gebote nicht ein, konsumiere auch gelegentlich Alkohol und esse Schweinefleisch. Formell aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten sei er aber nicht. Er sei in der Zwischenzeit auch nicht zu einer anderen Religion konvertiert. Er bete, aber es interessiere ihn nicht, ob das jemand höre oder nicht. Er habe schon Kontakte zu christlichen Gruppierungen, sei aber kein Christ. Er bete nur zu seinem eigenen Gott. Grundsätzlich gebe es aber nur einen Gott. Homosexualität gefalle ihm nicht. Wenn er nach Afghanistan zurückkehren würde, würde er nach außen hin zum Islam zurückkehren, weil man das tun müsse, um dort zu überleben.

Gefragt, was mit ihm geschehen würde, wenn er nach Afghanistan zurückkehren würde, gab er an, dass er dort niemanden habe und dass die Taliban und die IS und auch die gesamte afghanische Bevölkerung, die nicht Schiiten seien, gegen die Hazara wären. Gefragt, ob er sich nicht beispielsweise in Herat oder Mazar-e Sharif niederlassen könnte, gab er an, dass er dort niemanden habe und dass er dort sicher nicht überleben könnte, weil er unter psychischen Problemen leide. Das mit der Rückkehrhilfe habe er 100%ig so gemeint, dass er zu seinen Eltern in den Iran zurückkehren würde. Vom Behördenvertreter gefragt, warum er seine Zweifel am Islam, die er schon im Iran gehabt habe, beim BFA nicht genannt habe, gab er an, dass er das damals nicht gewusst habe. Er habe den Koran wohl gelesen, aber kein Wort verstanden, weil das eine andere Sprache sei.

Verlesen wurde der aktuelle Strafregisterauszug des Beschwerdeführers, in dem keine Verurteilung aufscheint.

Den Verfahrensparteien wurde das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan (soweit verfahrensrelevant) zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Von dieser Möglichkeit machten sowohl die belangte Behörde, als auch der durch die XXXX vertretene Beschwerdeführer Gebrauch.

Die belangte Behörde gab an, dass sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine aktuelle, individuelle Bedrohung oder Verfolgung für Afghanistan ergebe und die behauptete "Nichtausübung des Islam" als reine Schutzbehauptung zu werten sei. Zum subsidiären Schutz nach § 8 wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer afghanisch sozialisiert worden sei und seine vorgebrachte psychische Erkrankung, wie in den Länderfeststellungen ersichtlich, auch in Großstädten wie Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat behandelbar sei und diese fragwürdig sei, da eine Behandlung erstmals kurz vor der mündlichen Verhandlung erfolgt sei. Eine Rückkehr sei daher zumutbar. Zu einem allfälligen Aufenthaltstitel nach § 55 Asylgesetz sei hinzuweisen, dass es gegen den Beschwerdeführer ein aufrechtes Waffenverbot der BH Wiener Neustadt gebe und auch im kriminalpolizeilichen Aktenindex ein Vorgehen nach § 27 SMG, das jedoch nicht weiterverfolgt worden sei, ersichtlich sei. Der Beschwerdeführer habe in Deutsch nicht einmal A2-Niveau erreicht und sei daher keine besondere Integration erkennbar. Die Beschwerde sei daher in allen Punkten abzuweisen.

Die Beschwerdeführervertretung nahm insoferne auf das Länderinformationsblatt Bezug, als darin eine große Anzahl von bewaffneten Übergriffen auf Zivilpersonen verzeichnet sei, wovon insbesondere Schiiten/Hazara betroffen seien. In einer Gesamtschau ergebe sich daraus ein besorgniserregendes Bild der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, einschließlich Kabul. Angeschlossen wurde ein Schreiben von UNHCR betreffend die Anwendung der internen Fluchtalternative bei afghanischen Staatsangehörigen, welches an den Verwaltungsgerichtshof gerichtet ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist als schiitischer Moslem in einer religiös-traditionellen Familie aufgewachsen. Der Beschwerdeführer übt die schiitische Religion in Österreich nicht aus und hält sich auch nicht an die islamischen Glaubensvorschriften, ist aber auch nicht formell aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten oder zu einer anderen Religion konvertiert, sondern würde bei einer Rückkehr nach Afghanistan - zumindest nach außen hin - wieder die schiitisch-moslemische Religion ausüben. Er wurde XXXX geboren, glaublich XXXX . Einen Nachweis für sein exaktes Geburtsdatum hat er nicht. Der Beschwerdeführer wurde in Teheran geboren, seine Eltern sind afghanische Staatsbürger und waren lange Zeit illegal im Iran aufhältig. Der Beschwerdeführer war niemals in Afghanistan. Seine Eltern stammen ursprünglich aus der Provinz Ghor und haben bereits vor rund 35 Jahren Afghanistan wegen der damaligen herrschenden kriegerischen Ereignisse und des Einmarsches der russischen Truppen verlassen. Sein älterer Bruder hat in Syrien gekämpft und nunmehr hat die Familie eine Aufenthaltsberechtigung für den Iran erhalten. Der Beschwerdeführer bzw. sein Vater wollte dies aber nicht und hat beschlossen, dass der Beschwerdeführer lieber den Iran verlassen soll. Der Beschwerdeführer hatte niemals persönlich mit afghanischen Behördenorganen oder bewaffneten Gruppierungen, wie dem Taliban oder dem IS oder afghanischen Privatpersonen Probleme. Er hat im Iran sechs oder sieben Jahre lang eine afghanische Privatschule besucht und dann seinem Vater beim Abfallsammeln geholfen. Die Familie konnte dadurch gerade überleben. Der Beschwerdeführer gelangte (spätestens) am 30.10.2015 irregulär nach Österreich und stellte am gleichen Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Er hat wohl nach wie vor Kontakt zu seinen Eltern und Geschwistern im Iran, jedoch zu niemandem mehr in Afghanistan. Der Beschwerdeführer leidet unter einer rezidivierenden depressiven Störung mit massiven Schlafstörungen und Suizid-Gedanken und erhält sowohl Psychotherapie, als auch medikamentöse Therapie in Österreich. Er hat wohl schon mehrere Deutschkurse, aber kein Deutschdiplom erworben. Der Beschwerdeführer führt in Österreich kein Familienleben, hat aber, eigenen Angaben zufolge, eine Verlobte im Iran. Außer gelegentlicher Nachbarschaftshilfe hat er in Österreich nicht gearbeitet und ist nicht selbsterhaltungsfähig, er ist jedoch unbescholten.

Zu Afghanistan wird folgendes verfahrensbezogen festgestellt:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 4.6.2019, politische Ereignisse, zivile Opfer, Anschläge in Kabul, IOM (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 23/ Rückkehr).

Politische Ereignisse: Friedensgespräche, Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl

Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung, Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).

Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.5.2019; vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der

34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019).

Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019).

Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019).

Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).

Anschläge in Kabul-Stadt

Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).

Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b).

Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).

Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).

Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von "mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte" für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich "Sicherheitselemente" um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als "Polytheisten" bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).

Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019)

US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.5.2019).

Anmerkung der Staatendokumentation: Zur besseren Ortung der oben beschriebenen Vorfälle folgt eine kartografische Darstellung der Staatendokumentation mit der Einteilung der Stadt Kabul in Polizeidistrikte:

Bild kann nicht dargestellt werden

(Quelle: BFA 13.2.2019)

Rückkehr

Die International Organization for Migration (IOM) gewährt seit April 2019 keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca.

150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten. Gemäß dem Europäischen Auswärtigen Amt (EAD) nutzten nur wenige Rückkehrer die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM (BAMF 20.5.2019).

Quellen:

1 TV NEWS (30.5.2019): At least six killed in suicide blast near military academy in Kabul,

http://www.1tvnews.af/en/news/afghanistan/38366-breaking-blast-rocks-kabul, Zugriff 3.6.2019

AAN - Afghanistan Analysts Network (17.5.2019): The Results of Afghanistan's 2018 Parliamentary Elections: A new, but incomplete Wolesi Jirga, https://www.afghanistan-analysts.org/ the-results-of-afghanistans-2018-parliamentary-elections-a-new-but-incomplete-wolesi-jirga/, Zugriff 22.5.2019

AJ - Al Jazeera (30.5.2019): Suicide bomber targets Afghan military training centre in Kabul,

https://www.aljazeera.com/news/2019/05/suicide-bomber-targets-afghan-military-training-centrekabul-190530082719388.html, Zugriff 3.6.2019

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.6.2019): Briefing Notes, Afghanistan, per E- Mail

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (20.5.2019): Briefing Notes, Afghanistan, per E- Mail

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (6.5.2019): Briefing Notes, Afghanistan, per E- Mail

BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (13.2.2019): Kabul Police Districts Map, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf

Heise (16.5.2019): Afghanistan: Wie viel Macht hat der Präsident?, https://www.heise.de/tp/features/Afghanistan-Wie-viel-Macht-hat-der-Praesident-4422023.html, Zugriff 3.6.2019

IEC - Independent Electoral Commission via Facebook (14.5.2019):

Press Declaration 24/2/1398,

https://www.facebook.com/AfghanistanIEC/posts/2361637283896572? tn =-R, Zugriff 4.6.2019

IEC - Independent Electoral Commission (15.5.2019): Kabul - Wolesi Jirga Final Results,

http://www.iec.org.af/results/en/home/finalresult_by_province/1/2, Zugriff 4.6.2019

LWJ - Long War Journal (2.6.2019): Islamic State bombs bus, security personnel in western Kabul,

https://www.longwarjournal.org/archives/2019/06/islamic-state-bombs-bus-securitypersonnel-in-western-kabul.php, Zugriff 3.6.2019

Newsweek (21.5.2019): Russia Spy Chief warns 5,000 ISIS Foreign Fighters Threaten Borders of Former Soviet Union, https://www.newsweek.com/russia-spy-chief-warns-5000-isis-foreignfighters-threaten-borders-former-1431576, Zugriff 4.6.2019

Tolonews (3.6.2019): Five Killed As Explosion Targets Govt Employees Bus In Kabul,

https://www.tolonews.com/afghanistan/explosion-targets-govt-bus-kabul, Zugriff 3.6.2019

Tolonews (31.5.2019a): Taliban Wants An ‚Inclusive Post-Peace Govt', https://www.tolonews.com/

afghanistan/taliban-wants-inclusive-post-peace-govt, Zugriff 3.6.2019

Tolonews (31.5.2019b): Concerns Mount Over Sharp Increase In Attacks

In Kabul,

https://www.tolonews.com/afghanistan/concerns-mount-over-sharp-increase-attacks-

%C2%A0kabul, Zugriff 3.6.2019

Tolonews (31.5.2019c): Heavy Explosion Rocks Kabul; 4 Civilians Killed,

https://www.tolonews.com/afghanistan/heavy-explosion-rocks-kabul, Zugriff 3.6.2019

Tolonews (27.5.2019a): Seven Members Of One Family Murdered in Kabul,

https://www.tolonews.com/afghanistan/seven-members-one-family-murdered-kabul, Zugriff 3.6.2019

Tolonews (27.5.2019b): 10 Wounded As Blast Targets Govt Employees Bus In Kabul,

https://www.tolonews.com/afghanistan/10-wounded-blast-targets-govt-employees-bus-kabul, Zugriff 3.6.2019

TW - The Week (2.6.2019): Afghan officials: 3 bomb blasts in capital, 1 killed,

https://www.theweek.in/news/world/2019/06/02/afghan-officials-3-bomb-blasts-in-capital-1- killed.html, Zugriff 3.6.2019

UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (24.4.2019): Quarterly Report on the Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 31 March 2019, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_protection_of_civilians_in_armed_conflict_-

_first_quarter_report_2019_english_.pdf, Zugriff 3.4.2019

VOA - Voice of America (21.5.2019): Islamic State in Afghanistan Growing Bigger, More Dangerous, https://www.voanews.com/a/islamic-state-in-afghanistan-growing-bigger-moredangerous/4927406.html, Zugriff 4.6.2019

KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 21/Grundversorgung und Wirtschaft).

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als

"Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US- Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US- Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US- Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen" welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

Quellen:

AJ - Al Jazeera (21.3.2019): Blasts in Afghan capital Kabul kill six during new year festival, https:// www.aljazeera.com/news/2019/03/blasts-afghan-capital-kabul-kill-6-year-festival- 190321064823472.html, Zugriff 26.3.2019

AJ - Al Jazeera (8.3.2019): Death toll rises to 11 in attack on Shia gathering in Kabul,

https://www.aljazeera.com/news/2019/03/death-toll-rises-11-afghan-capital-attack-shia-gathering- 190308102222870.html, Zugriff 26.3.2019

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (25.3.2019): Briefing Notes Afghanistan, liegen im Archiv der Staatendokumentation auf

NYT - The New York Times (7.3.2019): U.S. Peace Talks With Taliban Trip Over a Big Question: What Is Terrorism?, https://www.nytimes.com/2019/03/07/world/asia/taliban-peace-talksafghanistan.html, Zugriff 26.3.2019

IFRCRCS - International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies (17.3.2019): Emergency Appeal Afghanistan: Drought and Flash Floods, https://reliefweb.int/report/afghanistan/ afghanistan-drought-and-flash-floods

Qantara (12.02.2019): Any deal will do, https://en.qantara.de/print/34493, Zugriff 26.3.2019

Reuters (21.3.2019): Explosions in Afghan capital Kabul kills six during new year festival,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-attack/explosions-in-afghan-capital-kabul-kill-6- during-new-year-festival-idUSKCN1R20GL, Zugriff 26.3.2019

Reuters (18.3.2019): U.S. freezes out top Afghan official in peace talks feud: sources,

https://www.reuters.com/article/us-usa-afghanistan/us-freezes-out-top-afghan-official-in-peacetalks-feud-sources-idUSKCN1QZ2OU, Zugriff 26.3.2019

Taz - Die Tagezeitung (6.2.2019): Auch Moskau spielt die Taliban-Karte,

https://www.taz.de/Gespraeche-zwischen-Taliban-und-Russland/!5568633/, Zugriff 26.3.2019

TDP - The Defense Post (21.3.2019): Bomb blasts around Afghanistan capital kill 6 during Nowruz celebrations, https://thedefensepost.com/2019/03/21/afghanistan-kabul-bombings-nowruz/, Zugriff 26.3.2019

UN OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (19.3.2019): Afghanistan: Flash Floods, Update No. 7 (as of 19 March 2019),

https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/afg_flash_floods_update_7_19_mar_2019_w eb.pdf, Zugriff 26.3.2019

VoA - Voice of America (20.3.2019): Afghanistan Again Postpones Presidential Election,

https://www.voanews.com/a/afghanistan-again-postpones-presidential-election/4840141.html, Zugriff 26.3.2019

WP - The Washington Post (18.3.2019): Afghan government, shut out of U.S.-Taliban peace talks, running short on options, https://www.washingtonpost.com/world/afghan-government-shut-out-ofus-taliban-peace-talks-running-short-on-options/2019/03/18/92cd6128-497d-11e9-8cfc- 2c5d0999c21e_story.html?noredirect=on&utm_term=.ffa121b12dbc, Zugriff 26.3.2019

Kommentar:

Die Lage vor Ort wird weiterhin beobachtet und gegebenenfalls wird mit weiteren Kurzinformationen reagiert. Weiterführende Informationen zu der Friedensgesprächsrunde von Jänner 2019 können der KI vom 31.1.2019 entnommen werden.

KI vom 1.3.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2018 (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20.

Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.

(BFA Staatendokumentation 20.02.2019a)

Bild kann nicht dargestellt werden

In der folgenden Grafik der Staatendokumentation wird das Verhältnis zwischen den vier Quartalen des Jahres 2018 anhand der registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle für den Zeitraum 1.1.2018

- 31.12.2018 veranschaulicht.

Bild kann nicht dargestellt werden

(BFA Staatendokumentation 20.02.2019b)

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als a

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten