TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/21 W114 2177221-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.10.2019
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Entscheidungsdatum

21.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W114 2177221-1/22E

Schriftliche Ausfertigung des am 01.10.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, nunmehr vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 20.10.2017, Zl. 1096838107-151879771, nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 12.02.2018 sowie am 01.10.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX , (im Weiteren: Beschwerdeführer oder BF), ein afghanischer Staatsbürger stellte am 26.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei der am 20.07.2018 erfolgten Erstbefragung vor dem Competence Center Eisenstadt der Landespolizeidirektion Burgenland gab der Beschwerdeführer an, am XXXX geboren zu sein. Seine Muttersprache sei Dari. Er stamme aus dem Hauptort Bazarak der Provinz Panjsher in Afghanistan. Er sei ledig und gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an. Er sei sunnitischer Moslem. Er habe in Afghanistan 12 Jahre lang eine Schule und anschließend zwei Jahre eine Universität besucht. Während seines Studiums habe er als Verkäufer und als Taxifahrer gearbeitet. Neben seinen Eltern habe er drei Schwestern und drei Brüder. Seine Schwester Fahima sei mit ihm nach Österreich gekommen. Er habe Afghanistan gemeinsam mit seiner Schwester über den Flughafen Kabul mit einem iranischen Visum, in einem Flugzeug verlassen und sei schlepperunterstützt über die Türkei bis nach Österreich gereist.

Befragt nach den Gründen, die zum Verlassen von Afghanistan geführt haben, gab er an, dass seine Schwester einen ca. 70 Jahre alten Mann hätte heiraten sollen. Seine Schwester als auch seine Familie wären gegen diese Heirat gewesen. Dieser Mann habe seine Familie bedroht und versucht, seine Schwester zu entführen. Die Söhne dieses Mannes würden bei der Polizei arbeiten und hätten dadurch sehr viel Macht. Er habe mit seiner Schwester Afghanistan verlassen müssen, da sie den BF mit dem Tod bedroht hätten. Er fürchte um sein Leben. Andere Fluchtgründe habe er nicht.

3. In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 04.10.2017 führte er aus, dass er gesund sei. Unter Hinweis auf eine vorgelegte Tazkira sei er nicht am XXXX , sondern am XXXX in der Provinz Panjsher geboren.

Bei der Einvernahme legte er nicht nur eine Tazkira, einen afghanischen Führerschein, ein afghanisches Universitäts-Diplom, diverse Befunde des AKH Wien sowie auch verschiedene Bescheinigungen über besuchte Integrations- und Deutschsprachkurse vor. Einen afghanischen Reisepass mit einem darin enthaltenen iranischen Visum legte der BF nicht vor.

Entgegen seinen Angaben bei der Erstbefragung führte er bei der Einvernahme aus, dass er vier Schwestern und drei Brüder habe. Eine Schwester lebe seit 2012 oder 2013 in Österreich, eine Schwester sei mit ihm nach Österreich gekommen, die übrigen Geschwister würden sich in Afghanistan befinden, er wisse aber nicht konkret wo. Seine Familie habe zuletzt direkt in Kabul im Bezirk Khoja Boghra gewohnt. Er habe keinen Kontakt zu seiner Familie. Befragt, warum er zu seiner Familie keinen Kontakt mehr habe, führte er aus, dass er zu seinen Angehörigen ein gutes Verhältnis und keine Probleme habe. Er habe aber eben mit niemandem Kontakt. Daher wisse er nicht, ob seine Familie immer noch dort wohnen würde. Sein Vater besitze ein Haus in Kabul und ein zweites Haus in der Provinz Panjsher. Der BF habe zuletzt im Haus seines Vaters in Kabul gewohnt.

In Wien befänden sich zwei Schwestern und eine Tante; ein Abhängigkeitsverhältnis zu diesen Personen bestehe nicht.

Befragt nach seinen Fluchtgründen berichtete er, dass sein Vater für einen Geistlichen mit dem Namen XXXX , der gleichzeitig Händler sei, gearbeitet habe und für diesen Waren transportiert habe. Bei einer Auslieferungsfahrt in die afghanische Provinz Takhar sei sein Vater in der Provinz Kunduz überfallen und verschleppt worden. Sein Vater habe jedoch flüchten und nach Kabul zurückkehren können. XXXX habe jedoch seinem Vater nicht geglaubt und habe von ihm den Ersatz für das geraubte Fahrzeug und die darauf befindlichen Waren verlangt und habe ihm dafür eine Frist von drei Monaten eingeräumt. Da sein Vater jedoch nicht in der Lage gewesen wäre, den verlangten Betrag zu bezahlen, habe XXXX von diesem die Übereignung des Hauses des Vaters in Kabul verlangt, sowie dass seine Schwester XXXX den XXXX , der ein alter und bereits verheirateter Mann war, heiratet. Sein Vater und seine Schwester wären damit nicht einverstanden gewesen.

Eine Woche später sei XXXX mit sechs seiner Söhne zu ihnen nach Hause gekommen. Ein Sohn sei Polizist in Mazar-e Sharif, einer Polizist in Herat, ein weiterer Polizist in Kabul, sowie ein weiterer Sohn Richter in Kabul.

Es sei zu einer Auseinandersetzung gekommen. Der Beschwerdeführer habe seine Familie beschützen und verteidigen wollen. Dabei habe er mit einem Stock einen Sohn von XXXX erwischt, sodass dieser zu Boden gefallen sei und geblutet habe.

Er habe dann mit seinen Eltern gesprochen und ihnen gesagt, dass er seine Schwester mitnehmen werde. Er sei noch am selben Tag zu einem Freund gegangen. Dieser Freund habe seine Ausreise organisiert. Dieser habe auch einen Schlepper organisiert und auch das Visum für seine Ausreise aus Afghanistan in den Iran "fertiggemacht".

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Außenstelle Wien vom 20.10.2017, Zl. IFA: 096838107 + VZ: 151879771, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm.

§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass der BF eine Verfolgung nicht habe glaubhaft machen können.

Er würde bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine Situation kommen, die eine unmenschliche Behandlung iSd Art. 3 EMRK darstellen würde Es würden auch keine Gründe vorliegen, die gem. § 8 AsylG zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen würden bzw. aufgrund derer eine Schutzwürdigkeit seines Privat- und/oder Familienlebens beeinträchtigt wären. Er verfüge in Afghanistan auch über familiäre Anknüpfungspunkte. Eine Rückkehr nach Afghanistan sei dem BF zumutbar.

Dieser Bescheid wurde dem BF durch Ausfolgung an eine für Rsb Bevollmächtigte am 27.10.2017 zugestellt.

5. Gegen diese Entscheidung erhob der BF, vertreten durch den XXXX , Beschwerde. Begründend wies er darauf hin, dass sich das BFA nur unzureichend mit dem individuellen Fluchtvorbringen auseinandergesetzt habe. Bei der verwendeten Begründung handle es sich um eine Scheinbegründung. Zudem bestehe in ganz Afghanistan eine derartige Gefährdungslage, dass dorthin niemand abgeschoben werden könnte.

6. Die Beschwerde und die Unterlagen des Verwaltungsverfahrens wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Schreiben des BFA vom 20.11.2017 am 21.11.2017 zur Entscheidung vorgelegt.

7. Mit der Ladung zu einer ersten mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG wurde dem BF ein umfassendes Informationsmaterial zu Afghanistan zugänglich gemacht und darauf hingewiesen, dass dieses als Grundlage der Entscheidung in der verfahrensgegenständlichen Angelegenheit herangezogen werden würde.

9. Im Rahmen der ersten mündlichen Beschwerdeverhandlung am 12.02.2018, wurde der Beschwerdeführer zu seiner Identität und Herkunft sowie zu seinen Fluchtgründen befragt. Die Verhandlung fand im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt.

Aufgrund der Antworten des BF entschied das erkennende Gericht Vor-Ort-Erhebungen in Kabul anstellen zu lassen.

10. Mit Beschluss des BVwG vom 19.02.2018, W114 2177221-1/7Z, wurde

XXXX als länderkundige nichtamtliche Sachverständige bestellt und um Vornahme einer entsprechenden Recherche, ob die vom BF getätigten Angaben der Wahrheit entsprechen ersucht. Dabei wurde insbesondere die Beantwortung folgender Fragen ersucht:

a) Existiert die vom Beschwerdeführer angegebene Adresse in Kabul?

b) Wohnt unter dieser Adresse die Familie XXXX oder hat unter dieser Adresse die Familie XXXX gewohnt?

c) Falls die Familie des Beschwerdeführers jemals dort gewohnt hat:

Warum wohnt die Familie XXXX nicht mehr unter dieser Adresse und wer wohnt jetzt unter dieser Adresse?

d) Kann an dieser Adresse oder in der Umgebung jemand ausfindig gemacht werden, der den Beschwerdeführer gekannt hat und Auskunft geben kann, warum dieser nicht mehr in Afghanistan ist?

11. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Außenstelle Wien vom 20.10.2017, Zl. 1098427601 + 151962415, wurde der von der Schwester des BF, die mit dem BF nach Österreich gekommen ist, XXXX gestellte Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG wurde gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt. Der Schwester des BF wurde gemäß § 58 Absatz 2 und 3 AsylG iVm § 55 Absatz 2 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung erteilt.

In dieser Entscheidung führte das BFA aus, dass die Schwester des BF eine Flucht wegen einer drohenden Zwangsverheiratung bzw. eine Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht habe glaubhaft machen können.

Die Aufenthaltsberechtigung wurde ihr deswegen erteilt, da sie in der Zwischenzeit in Österreich ein Kind geboren hat, dem nach dem Vater des Kindes der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde und es das Kindeswohl erfordere, dass die Mutter dieses Kindes beim Kind ist.

12. Am 12.04.2019 langte im BVwG das Rechercheergebnis der länderkundigen Sachverständigen ein, wobei in diesem Gutachten hingewiesen wurde, dass eine umfassende Vor-Ort-Recherche mangels Gesprächsbereitschaft von Auskunftspersonen bzw. wegen getätigter Drohungen und Aufforderungen zum Verlassen des Recherchegebietes nicht im gewünschten Umfang durchführbar gewesen sei. Die an die Sachverständige gestellten Fragen konnten nicht im erforderlichen Umfang zweifelsfrei beantwortet werden.

13. Das Rechercheergebnis wurde vom BVwG mit Schreiben vom 16.04.2019 an den BF sowie an die belangte Behörde zum Parteiengehör übermittelt.

14. In einer Stellungnahme vom 17.05.2019 führte der damalige Rechtsvertreter des BF aus, dass die vom BVwG in Auftrag gegebene Recherche keine zweifelsfreien Aussagen enthalte, dass der mit dem BF mitgeflüchteten Schwester XXXX zwischenzeitig eine Aufenthaltsberechtigung erteilt worden wäre, die andere Schwester,

XXXX über einen Aufenthaltstitel als Asylberechtigte verfügen würde, und dass ein Kontakt zu anderen Familienangehörigen nicht bestehen würde. Zudem führe der BF zu seinen Schwestern ein enges, inniges familiäres Verhältnis. Er besuche seine Schwestern mehrmals in der Woche und werde von diesen unterstützt. Er werde von seinen Schwestern zum Essen eingeladen. Er stehe zu seinen Schwestern in telefonischem Kontakt. Der BF habe eine innigere Beziehung zu Österreich, wo seine leiblichen Schwestern wohnen würden, als zu Afghanistan, wohin er keine Kontakte mehr habe.

15. Ausgehend davon, dass die erste mündliche Beschwerdeverhandlung am 12.02.2018 stattfand, wurden die Parteien des Beschwerdeverfahrens mit schriftlicher Ladung zu einer weiteren mündlichen Verhandlung, welche schließlich auch am 01.10.2019 stattfand, am 02.08.2019 geladen.

16. In einem Schriftsatz teilte der damalige Rechtsvertreter des BF am 30.09.2019 mit, dass das Vollmachtsverhältnis bezüglich einer Vertretung des BF aufgelöst worden wäre.

17. Am 30.09.2019 kontaktierte XXXX , ein Cousin des BF, das BVwG und teilte mit, dass der BF nicht am nächsten Tag zur mündlichen Verhandlung erscheinen könne, da er krank sei. Dem Cousin wurde telefonisch mitgeteilt, dass er eine entsprechende medizinische Bescheinigung an das BVwG übermitteln möge. Daraufhin übermittelte der ehemalige Rechtsvertreter unter nochmaligem Hinweis, dass das Vollmachtsverhältnis zum BF aufgelöst worden wäre eine von XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, XXXX unterfertigte Arbeitsunfähigkeitsmeldung, in welcher als Anfangstermin der Arbeitsunfähigkeit der 20.09.2019 aufschien, jedoch kein prognostiziertes Ende eingetragen war. Als Grund der Arbeitsunfähigkeit wurde "Krankheit" angegeben.

Nach Einlangen der Arbeitsunfähigkeitsmeldung wurde vom erkennenden Gericht mit XXXX telefonisch Kontakt aufgenommen. XXXX teilte mit, dass er die Arbeitsunfähigkeitsmeldung ausgestellt habe. Der BF habe nicht mitgeteilt, dass er eine Bestätigung als Grund für ein Fernbleiben von einer mündlichen Verhandlung benötige. Der BF sei jedoch in der Lage gewesen, persönlich in seiner Ordination vorzusprechen, sodass XXXX davon ausgehe, dass der BF auch zu einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG erscheinen könne.

Nach dem Telefonat mit XXXX hat neuerlich XXXX , der Cousin des BF, beim BVwG angerufen, um sich zu informieren, ob die für 01.10.2019 anberaumte mündliche Verhandlung tatsächlich stattfinden werde.

Der zuständige Richter teilte XXXX mit, dass die Arbeitsunfähigkeitsmeldung des BF im Gericht eingelangt sei, dass er jedoch bereits mit XXXX telefoniert habe, welcher mitgeteilt habe, dass er davon ausgehe, dass der BF als Beschwerdeführer am 01.10.2019 an der mündlichen Verhandlung teilnehmen könne. Daher teilte der zuständige Richter dem Cousin des BF mit, dass die übermittelte Arbeitsunfähigkeitsmeldung kein taugliches Mittel sei, um entschuldigt von der am nächsten Tag stattfindenden mündlichen Verhandlung fernbleiben zu können. Es werde jedenfalls eine medizinische Bescheinigung verlangt, aus der hervorgehe, dass der BF aus entschuldbaren Gründen nicht in der Lage sei, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Der Richter teilte mit, dass - wie bereits in der Anberaumung zur mündlichen Verhandlung hingewiesen wurde - die Verhandlung auch bei unentschuldigtem Fernbleiben einer Partei durchgeführt werden könnte und in diesem Fall sogar eine mündliche Verkündung der zu treffenden Entscheidung möglich sei.

18. Am 01.10.2019 fand eine mündliche Verhandlung im BVwG statt. Neben den zwei als Zeuginnen geladenen Schwestern des BF und einem Vertreter der belangten Behörde erschien auch XXXX , der angab, dass der BF einen Schwächeanfall erlitten habe und deswegen nicht zur Verhandlung kommen könne. Eine ärztliche Bescheinigung werde nachgereicht werden.

Mit dem anwesenden Vertreter des BFA wurde in Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari die mündliche Verhandlung durchgeführt. Am Ende der mündlichen Verhandlung erfolgte eine mündliche Verkündung des Erkenntnisses. Die Beschwerde des Beschwerdeführers wurde abgewiesen. Das Erkenntnis wurde begründet. Die Rechtsmittelbelehrung bzw. die Belehrung gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG wurde erteilt.

19. Dem anwesenden Vertreter des BFA wurde eine Ausfertigung des Verhandlungsprotokolls am Ende der mündlichen Verhandlung übergeben. Dem BF wurde eine Ablichtung der Verhandlungsschrift mit Rsb am 04.10.2019 übermittelt. Am 09.04.2019 ersuchte der BF, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Wattgasse 48 / 3. Stock gemäß

§ 28 Abs. 4 VwGVG um Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie Einvernahmen des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG und der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister sowie das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018 mit Aktualisierungen und Ergänzungen hin bis zu einer Tagesaktualität sowie im Rahmen des Parteiengehörs darüber hinausgehend zugänglich gemachte Berichte über Afghanistan sowie unter Berücksichtigung des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Außenstelle Wien vom 20.10.2017, Zl. 1098427601 + 151962415, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zum Beschwerdeführer:

Der jedenfalls volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Der Beschwerdeführer leidet an keiner lebensbedrohlichen Krankheit. Er gehört der Volksgruppe der Tadschiken an, ist ledig und kinderlos. Er ist sunnitischer Moslem. Er spricht jedenfalls die Sprache Dari, eine in Afghanistan sehr weit verbreitete Sprache. Er stammt ursprünglich aus dem Hauptort Bazarak in der Provinz Panjsher, wo seine Familie über Immobilienbesitz verfügt. Der Beschwerdeführer lebte zuletzt in Kabul im Stadtbezirk Khoja Boghra, wo sein Vater ein weiteres Haus besitzt. Er ist mit den Gepflogenheiten in einem afghanischen Haushalt vertraut und hat den Großteil seines Lebens in Afghanistan verbracht.

In Österreich befinden sich zwei Schwestern mit deren Familien sowie zumindest eine Tante und ein Cousin. Der Beschwerdeführer lebt jedoch mit keiner dieser Schwestern oder der Tante bzw. seinem Cousin in einem gemeinsamen Haushalt. Der Beschwerdeführer hat ein familiäres Verhältnis zu seinen Schwestern, ist bei diesen gelegentlich zu Besuch und zum Essen eingeladen. Seine Schwestern unterstützen den Beschwerdeführer. Seine in Österreich lebenden Verwandten oder andere Personen sind nicht vom BF abhängig.

Es kann weder festgestellt werden noch kann ausgeschlossen werden, ob und dass der Beschwerdeführer in Afghanistan, im Besonderen in Kabul oder in der Provinz Panjsher über Eltern, Geschwister oder weitere Verwandte verfügt. Das erkennende Gericht geht jedoch davon aus, dass in Kabul bzw. in der Provinz Panjsher die Eltern, Geschwister und weitere Verwandte aufhältig sind und dass der Beschwerdeführer und bzw. oder andere in Wien lebende Verwandte Kontakt zu diesen Verwandten haben und dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit der Unterstützung seiner Verwandten in Wien bzw. der Verwandten oder Freunden der Familie in Afghanistan rechnen kann. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer über keinen Kontakt zu Familienmitgliedern in Afghanistan hat.

Der Beschwerdeführer verfügt über Schulbildung und über einen afghanischen Universitätsabschluss. Der Beschwerdeführer hat in der Vergangenheit als Verkäufer und als Taxifahrer gearbeitet. Er trainiert in einem Fitnesscenter und ist arbeitsfähig.

Am 26.11.2015 hat der BF in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Der BF befindet sich in Grundversorgung und ist strafrechtlich unbescholten. Er verfügt über ein ÖSD-Sprachzertifikat auf Niveaustufe B1.

Bezüglich der Gründe, die zum Verlassen Afghanistans geführt haben, geht das erkennende Gericht davon aus, dass im Zuge einer Geschäftsbeziehung zwischen dem Vater des BF, der als Transporteur arbeitete und seinem Auftraggeber XXXX es zu einem Streit kam, da sein Vater auf einer Geschäftsreise überfallen wurde. Dabei wurden die XXXX gehörenden Waren geraubt. XXXX , der dem Vater des BF vorwarf, dass dieser die Waren auf eigene Rechnung verkauft habe, hat als Entschädigung für diese Waren verlangt, dass XXXX , die Schwester des BF den XXXX heiratet. Der Beschwerdeführer hat gemeinsam mit seiner Schwester XXXX verlassen um einer drohenden Zwangsverheiratung zu entgehen.

Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass XXXX in Begleitung von 6 Söhnen, von denen ein Sohn ein Richter in Kabul gewesen wäre, ein weiterer Sohn ein hochrangiger Polizist in Herat, ein weiterer Sohn ein hochrangiger Polizist in Mazar-e Sharif und ein weiterer Sohn ein hochrangiger Polizist in Kabul gewesen sei, bei der Familie des BF gewaltsam die Herausgabe von XXXX gefordert habe, bzw. wobei es zu einer Auseinandersetzung gekommen sei, in dessen Zusammenhang der BF einen weiteren Sohn des XXXX mit dem Namen XXXX mit einem Stock geschlagen habe, sodass dieser zu Boden gegangen sei und verletzt habe abtransportiert habe werden müssen.

Wegen der Unterstützung der Ausreise seiner Schwester aus Afghanistan, die hätte zwangsweise XXXX heiraten sollen, würde der BF bei einer Rückkehr nach Kabul mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von XXXX verfolgt und zur Verantwortung gezogen werden und allenfalls auch in eine besorgniserregende Lage geraten. Diese allfällige Verfolgung würde wegen eines nach afghanischem Verständnis vorliegenden Verstoßes gegen afghanische Gebräuche und Sitten erfolgen, welche in der afghanischen Kultur auch mit einem religiös zu verstehenden Wertesystem verbunden ist und somit als asylrelevante, weil religiös motivierte Verfolgung zu qualifizieren ist.

Es kann nicht festgestellt werden, dass XXXX ein einflussreicher Mann ist, dessen Söhne hochrangige Polizisten oder Richter sind. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass XXXX überall in Afghanistan, insbesondere in Mazar-e Sharif oder in Herat den Einfluss hat, dass der Beschwerdeführer auch dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevant verfolgt werden würde. Im Besonderen kann auch nicht festgestellt werden, dass der BF von XXXX oder dessen Familienmitglieder in Mazar-e Sharif oder in Herat erkannt werden würde und deswegen in eine besorgniserregende Situation geraten würde.

Ausgehend von den Länderfeststellungen zu Afghanistan und die UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 berücksichtigend kann sich der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan ausgehend von einer Unterstützung durch seine Familie, die teilweise in Wien lebt, sowie durch in Afghanistan befindliche Familienmitglieder oder durch Freunde der Familie des BF jedenfalls nach Mazar-e Sharif oder nach Herat, wobei beide Städte über international erreichbare Flughäfen verfügen, zurückkehren und dort einen Neustart in Afghanistan durchführen, ohne in eine besorgniserregende Situation zu geraten. Mit diesen beiden Städten stehen dem Beschwerdeführer jedenfalls zwei Orte im Sinne von innerstaatlichen Fluchtalternativen zur Verfügung.

Die Sicherheitslage in Mazar-e Sharif und Herat ist stabil, zumal beide Städte zu den friedlichen Städten innerhalb Afghanistans zu zählen sind. Die Vor-Ort-Verhältnisse, die Versorgungslage und auch die Sicherheitslage in Mazar-e Sharif bzw. auch in Herat ist nicht derart, dass der BF als alleinstehender, junger, gesunder, arbeitsfähiger und volljähriger Mann mit Unterstützung durch seine Familie - entsprechende erforderliche Bemühungen des BF vorausgesetzt - auf Dauer in eine aussichtslose Situation geraten würde, wenn auch eine Wiederansiedelung am Beginn mit Schwierigkeiten verbunden sein könnte.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückführung in den Herkunftsstaat überall in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit dem realen Risiko einer ernsthaften Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt bzw. der Gefährdung seines Lebens, Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wäre.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan nicht im Stande wäre, für ein ausreichendes Auskommen im Sinne der Sicherung seiner Grundbedürfnisse zu sorgen und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr ausgesetzt wäre, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten.

Die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK oder für eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz liegen beim Beschwerdeführer nicht vor. Ein Überwiegen der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich besteht ebenfalls nicht.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Politische Lage:

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.01.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.02.2015). Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.09.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.09.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen.

Friedens- und Versöhnungsprozess

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.02.2019). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben werden würden" (Taz 06.02.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US-Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 07.03.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.02.2019;

vgl. NYT 07.03.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.03.2019;

vgl. WP 18.03.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.03.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.03.2019).

Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde (Tolonews 31.05.2019).

Vom 29.04.2019 bis 03.05.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 06.05.2019 bis 04.06.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 06.05.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.05.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.05.2019).

Die USA haben nach sechs Verhandlungstagen mit Vertretern der radikalislamischen Taliban über Wege zum Frieden in Afghanistan von wesentlichen Fortschritten berichtet. Das Treffen in Anfang Juli 2019 sei die bisher produktivste Sitzung gewesen, teilte der US-Sondergesandte für Afghanistan, Zalmay Khalilzad, über Twitter mit.

Substanzielle Fortschritte seien in allen vier Punkten erzielt worden, über die die USA und die Taliban sprechen: Abzug der Truppen, Zusicherungen zur Terrorismusbekämpfung, Teilnahme der Taliban an innerafghanischen Gesprächen sowie eine Waffenruhe.

Die USA sprechen seit Juli des vergangenen Jahres mit Vertretern der Taliban über eine politische Beilegung des seit fast 18 Jahren dauernden Konflikts. Die siebente Gesprächsrunde mit Khalilzad hatte am 29. Juni 2019 begonnen. Sie war ursprünglich nur für drei Tage angesetzt. Laut Khalilzad sollten die Gespräche am 30.06. und am 01.07.2019 pausieren, da in Doha ab Sonntag lange erwartete innerafghanische Gespräche stattfinden. Gleichzeitig gehen auch Gespräche zwischen den Taliban und den Vereinigten Staaten in Doha weiter.

Die aufständischen Taliban in Afghanistan haben einem politischen Handlungsplan zugestimmt, der den fast 18 Jahre andauernden Konflikt am Hindukusch beenden soll. Wie der afghanische Fernsehsender "Tolo News" am 02.07.2019 berichtete, billigten die Delegation der Taliban und Delegierte aus der Hauptstadt Kabul eine entsprechende Vereinbarung.

Die Taliban verpflichteten sich unter anderem, keine Zivilisten mehr zu töten und versicherten, dass die afghanischen Frauen auch in Zukunft fundamentale Rechte im politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben "im Einklang mit den islamischen Werten" ausüben dürften. Die Vereinbarung ist rechtlich nicht bindend, sie soll aber als Rahmen für weitere Verhandlungen zwischen den Taliban und Delegierten der afghanischen Regierung dienen. Die Regierung war bei den zahlreichen Verhandlungsrunden in der qatarischen Hauptstadt Doha offiziell kein Teilnehmer, da die Taliban ihr die Legitimität absprechen. Delegierte der Regierung nahmen daher nur als Privatpersonen an den Gesprächen teil.

Aufgrund weiterer Anschläge durch Taliban, bei denen auch Todesopfer zu beklagen waren wurde von amerikanischer Seite Mitte August 2019 einseitig erklärt, dass die Friedensgespräche gescheitert wären. Seither ist die Situation angespannt und es kann nur gemutmaßt werden, ob und mit welchem Ergebnis erforderliche Gespräche, die zu einer Befriedung führen, geführt werden.

Sicherheitslage in Afghanistan:

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.08.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 07.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.01.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 07.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.01.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober 2018 wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 07.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018).

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 01.01.2018 und 30.09.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 07.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.01.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 07.12.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (01.01.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.

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(BFA Staatendokumentation 20.02.2019)

In der folgenden Grafik der Staatendokumentation wird das Verhältnis zwischen den vier Quartalen des Jahres 2018 anhand der registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle für den Zeitraum 01.01.2018 - 31.12.2018 veranschaulicht.

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(BFA Staatendokumentation 20.02.2019)

Der Recherchedienst des US-amerikanischen Kongresses (Congressional Research Service, CRS) hält in einem Bericht vom Mai 2019 fest, dass Presseberichte vom Dezember 2018 und Anfang 2019 darauf hindeuten, dass die US-Regierung möglicherweise den Abzug einiger US-Truppen in Betracht zieht, obwohl US-amerikanische Amtsträger angeben, dass keine politische Entscheidung zur Reduktion des US-Truppenkontingents getroffen wurde. Viele Beobachter schätzen die Lage so ein, dass ein vollständiger Rückzug der USA zum Zusammenbruch der afghanischen Regierung und vielleicht sogar zur Wiederherstellung der Taliban-Kontrolle führen würde. Nach vielen verschiedenen Maßstäben sind die Taliban derzeit in einer stärkeren militärischen Position als je zuvor seit dem Jahr 2001, obwohl zumindest einige der vormals öffentlich zugänglichen diesbezüglichen Messinstrumentarien mittlerweile als geheim eingestuft oder eingestellt wurden. So wurden etwa die Bewertungen bezüglich der territorialen Kontrollgebiete auf Distriktebene eingestellt, wie aus dem SIGAR-Quartalsbericht vom April 2019 hervorgeht. (CRS, 01.05.2019)

Laut SIGAR verzeichnet ACLED für die Wintermonate (01.12.2018 bis 28.02.2019) 2.234 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einem Anstieg von rund 39 Prozent gegenüber den 1.610 Vorfällen im gleichen Zeitraum des Vorjahres entspricht. Die drei Provinzen mit den meisten sicherheitsrelevanten Vorfällen waren dabei Helmand, Kandahar und Nangarhar. Der Großteil des Anstiegs der Zahl an Vorfällen im Berichtszeitraum gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres ist auf eine Zunahme an Vorfällen in den Provinzen Kandahar und Helmand zurückzuführen. (SIGAR, 30.04.2019, S. 76)

In einem Bericht vom April 2019 dokumentiert die UNAMA für den Zeitraum 01.01. bis 31.03.2019 insgesamt 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter 582 Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der Zahl ziviler Opfer um 23 Prozent im Vergleich zur Vergleichsperiode des Vorjahres 2018 und ist für das erste Quartal eines Jahres der niedrigste Wert seit 2013. Der Rückgang der Gesamtzahl an zivilen Opfern wurde durch einen Rückgang der Zahl an Zivilisten, die Opfer von Selbstmordanschlägen unter Verwendung von unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen (USBVs) wurden, verursacht. UNAMA sieht den Rückgang der ersten drei Monate des Jahres unter anderem durch den besonders harten Winter bedingt. Es ist unklar, ob der Rückgang der Opferzahlen von etwaigen Maßnahmen der Konfliktparteien zu einem besseren Schutz der Zivilbevölkerung oder von den laufenden Gesprächen zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde. (UNAMA, 24.04.2019, S. 1)

Laut der UNAMA waren in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 die regierungsfeindlichen Elemente wiederum für die Mehrheit der zivilen Opfer, nämlich für 963 (227 Tote und 736 Verletzte) verantwortlich, was einem Rückgang von 36 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Jahres 2018 entspricht. UNAMA rechnete 39 Prozent der zivilen Opfer den Taliban, 12 Prozent der Gruppe ISKP und drei Prozent nicht identifizierten regierungsfeindlichen Elementen zu. Den regierungsnahen Streitkräften rechnete die UNAMA 608 zivile Opfer (305 Tote und 303 Verletzte) zu, was einem Anstieg von 39 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres entspricht. UNAMA stellt mit Besorgnis fest, dass die regierungsnahen Streitkräfte im ersten Quartal 2019 für mehr zivile Todesfälle verantwortlich waren als die regierungsfeindlichen Elemente. UNAMA rechnete 17 Prozent der zivilen Opfer den nationalen Sicherheitskräften, 13 Prozent internationalen Streitkräften, zwei Prozent regierungsnahen bewaffneten Gruppen und zwei Prozent verschiedenen anderen regierungsnahen Kräften zu. (UNAMA, 24.04.2019, S. 3-4)

"Das neue Jahr in Afghanistan ist erst gut zwei Wochen alt, aber schon deutet sich an, dass die Kämpfe landesweit zunehmen. Beide Seiten haben angekündigt, dass sie Frühjahrsoffensiven starten wollen, bzw. werden. [...] Am 19. März 2019 informierten der nationale Sicherheitsberater Hamdullah Moheb, der amtierende Innenminister Massud Andarabi, Verteidigungsminister Assadullah Chalid (den einige westliche Länder, darunter Truppensteller für Resolute Support, wegen Foltervorwürfen nicht offiziell treffen), Geheimdienstchef Massum Stanaksai und Präsidentenberater Fasl Fasli Mahmud den Präsidenten Aschraf Ghani über "geplante Sicherheitsoperationen". Am darauffolgenden Tag gab das Innenministerium den Beginn seiner "Operation Chalid" für den nächstfolgenden Tag bekannt. [...] Die offizielle Ankündigung über den Start der Taleban-Jahresoffensive steht noch aus. (Im letzten Jahr geschah das erst am 25. April) Trotzdem wurde bereits vor dem Naurus-Fest in mehreren Provinzen gekämpft." (Ruttig, 07.04.2019)

Laut Pajhwok Afghan News (PAN) wurden im Jänner 2019 in Afghanistan inmitten der Friedensverhandlungen und der Hoffnung auf ein Ende des Blutvergießens bei 131 Anschlägen rund 1.000 Menschen getötet und weitere 800 verletzt. Im Dezember 2018 sind bei 140 Anschlägen 1.121 Menschen gestorben, 475 weitere wurden verletzt. (PAN 03.02.2019)

Wie PAN berichtet, wurden im Februar 2019 392 Menschen getötet und 653 weitere verletzt, darunter Aufständische, Sicherheitskräfte und Zivilisten, die Sterblichkeitsrate sank im Vergleich zum Vormonat um 43 Prozent. Laut PAN, stellt der Februar den einzigen Monat in den letzten zwei Jahren dar, in dem die Opferanzahl derart gesunken ist und es zu keinen Selbstmordanschlägen kam. PAN führt jedoch an, dass die Opferzahlen verschiedener Quellen voneinander abweichen. (PAN 04.03.2019)

PAN schreibt in einem Artikel vom April 2019 unter Verweis auf CPAG, dass im Monat März 184 Zivilisten in 18 Provinzen des Landes getötet und weitere 300 verletzt wurden. Zu den Opfern gehörten 54 Kinder und 27 Frauen. (PAN 02.04.2019)

PAN schreibt in einem Artikel vom Mai 2019, dass im April 2019 bei 173 Anschlägen fast 2.100 Menschen getötet und verletzt wurden, wobei die Zahl der Opfer im April im Vergleich zum März um 15 Prozent gestiegen ist. Laut verschiedenen Quellen sind im Monat April in 27 Distrikten Afghanistans 1.220 Menschen getötet und 866 weitere verletzt worden (PAN 03.05.2019)

PAN berichtet im Juni 2019, dass im Mai 2019 bei 210 Angriffen in 30 Provinzen über 2.300 Menschen in Afghanistan getötet und verwundet (1.317 Todesopfer, 995 Verletzte) wurden. Im Vergleich zum Vormonat stieg die Anzahl der Angriffe um 37 Prozent, die Zahl der Opfer um 24 Prozent. (PAN 02.06.2019)

In einem im Juni 2019 veröffentlichten Bericht zu Afghanistan befasst sich das European Asylum Support Office (EASO) mit der Sicherheitslage auf Provinzebene.

US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 03.06.2019). US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.05.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.05.2019).

Zur Provinz Balkh und zur Stadt Mazar-e Sharif:

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm; die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y).

Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan, Usbekistan und

Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt

(CSO 4.2017).

Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:

Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar. In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen.

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 07.06.2017).

Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz

Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.03.2018; vgl. Reuters 22.03.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.03.2018).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage:

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.03.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.01.2018; vgl. Khaama Press 20.08.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.03.2018; vgl. Khaama Press 16.01.2018). Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 07.03.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.04.2017; vgl. BBC 17.06.2017).

In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.03.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.06.2017; vgl. Tolonews 22.04.2017).

Im Zeitraum 01.01.2017-30.04.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:

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Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert.

Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Balkh:

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.01.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.03.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.08.2017, Pajhwok 10.07.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.03.2018; vgl. PT 06.03.2018, Pajhwok 10.07.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.03.2018; vgl. Tolonews 07.03.2018, PT 06.03.2018, Tolonews 22.04.2017).

Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 07.03.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Balkh:

Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.01.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.08.2017).

Im Zeitraum 01.01.2017 - 15.07.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.07.2017 - 31.01.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.02.2018).

Zur Provinz Herat und zur Stadt Herat:

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o. D.). Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.09.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen:

ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017). In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o. D.).

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 09.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.01.2018). Die Safranproduktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 09.11.2017). Auch in unsicheren Geg

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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