TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/23 W272 2197253-1

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Veröffentlicht am 23.10.2019
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Entscheidungsdatum

23.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W272 2197253-1/11E

W272 2197246-1/11E

W272 2197251-1/10E

W272 2197249-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerden von 1. XXXX (alias XXXX ), geb. am XXXX und 2. XXXX , geb. am XXXX , 3. XXXX , geb. am XXXX und

4. XXXX , geb. am XXXX , alle StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, Außenstelle Klagenfurt, jeweils vom 14.05.2018, Zahl XXXX (ad 1.), Zahl XXXX (ad 2.), Zahl XXXX (ad 3.), Zahl XXXX (ad 4.), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm. §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer (in der Folge BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (in der Folge BF2) reisten gemeinsam mit ihrem zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigen Sohn, dem Drittbeschwerdeführer, (in der Folge BF3), illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 04.02.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG.

Zu seinen Fluchtgründen befragt führte der BF1 begründend bei der Erstbefragung am Tag der Antragstellung aus, dass er Afghanistan verlassen habe, da Krieg herrsche und die Taliban Hazara töten würden, weshalb er in den Iran geflohen sei. Im Iran sei er illegal aufhältig und habe er keine Aufenthaltsgenehmigung bekommen, weshalb er Angst gehabt habe, wieder nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Deshalb habe er mit seiner Familie beschlossen, nach Europa zu kommen.

Die BF2 gab im Zuge ihrer Erstbefragung am selben Tag an, dass in Afghanistan Krieg herrsche. Ihr Mann habe beschlossen, dass sie in den Iran fliehen. Dort hätten sie illegal gelebt, darum habe ihr Mann beschlossen nach Europa zu fliehen.

2. Am XXXX wurde die Viertbeschwerdeführer (in der Folge BF4) im österreichischen Bundesgebiet geboren und stellte die BF2 als ihre gesetzliche Vertreterin für die BF4 am 29.08.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG. Dabei wurden keine eigenen Verfolgungsgründe und oder Rückkehrbefürchtungen vorgebracht und derselbe Schutz, wie für die gesetzliche Vertretung beantragt.

3. Nach Zulassung der Verfahren wurden der BF1 und die BF2 am 16.04.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.

Aufgefordert dezidiert ihre Fluchtgründe zu schildern, brachte der BF1 zusammengefasst vor, dass er der Volksgruppe der Hazara angehöre und schiitischer Moslem sei. In Afghanistan gebe es Völkermord gegen Schiiten. Die Schiiten würden überall getötet werden. Die schiitischen Gebiete würden sich unter Kontrolle der Taliban und der Paschtunen befinden, und würden sie das Leben der Schiiten erschweren. Nirgendwo in Afghanistan sei es für Schiiten sicher. Sie könnten nirgendwo in Afghanistan leben, sie würden überall getötet. Weiteres brachte er vor, einmal, im Jahr 2002, als er vom Iran zurückgekehrt sei, von einem Arbeiter bedroht worden zu sein. Seine Mutter habe ihm in Mazar-e Sharif ein Grundstück vererbt und sei dort der Führer der Hazara namens XXXX begraben worden. Eines Tages sei er dort und habe die Arbeiter kritisiert, warum sie den Führer auf deren Grundstück begraben hätten. Ein Arbeiter habe ihn bedroht, wenn er wieder etwas gegen XXXX sagen würde, werde er ihn umbringen. Ferner brachte er vor, dass sein Onkel im Jahr 2004 einen Teil des Erbes der Familie ohne Erlaubnis verkauft habe. Im Jahr 2004 sei er einmal von den Käufern geschlagen worden. Dies habe er zur Anzeige gebracht, wobei die Polizei nichts habe machen können, da diese Personen, von denen er geschlagen worden sei, sehr mächtig wären.

BF1 legte ein Schriftstück vor und wurde übersetzt: "An die Staatsanwaltschaft. Inhalt: Eine Anzeige von 14.02.1383 (2004), dass XXXX , Name d. Vaters XXXX , durch zwei Personen XXXX und XXXX geschlagen wurde". Als fluchtauslösenden Moment brachte er vor, dass sie jeden Tag Probleme gehabt hätten, da verschiedene Leute auf deren Grundstücke gekommen wären und diese behauptete hätten, die Grundstücke gekauft zu haben, weshalb es Streit und Ärger gegeben habe. Sie hätten sogar Anzeige erstattet, jedoch habe weder die Regierung noch der Ältestenrat helfen können.

Die BF2 wurde am selben Tag wie der BF1 niederschriftlich einvernommen, wobei sie zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen angab, dass sie, als auch ihre Kinder, BF3 und BF4, dieselben Fluchtgründe, wie ihr Ehemann, BF1, hätten. Im Falle einer Rückkehr sei ihr Leben in Gefahr, da die Taliban Schiiten töten würden.

Vorgelegt wurden:

BF1: Teilnahmebestätigungen an Deutschkursen, drei Kurszeugnisse der VHS XXXX , Empfehlungsschreiben, eine Urkunde über die erfolgreiche Absolvierung eines Integrationspasses

BF2: zwei Teilnahmebestätigungen an Deutschkursen, zwei Kurszeugnisse der VHS XXXX , eine Urkunde über die erfolgreiche Absolvierung eines Integrationspasses

4. Mit Bescheiden vom 14.05.2018 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen und den Beschwerdeführern der Status der Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkte I.). Unter den Spruchpunkten II. wurde den Beschwerdeführern gemäß § 8 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 13 leg. cit. der Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Ferner wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkte III.). und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkte IV. und V.). Unter den Spruchpunkten VI. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführer keine asylrelevanten Fluchtgründe geltend bzw. glaubhaft gemacht hätten. Die Beschwerdeführer hätten eine aktuell drohende individuell gegen sie gerichtete Gefahr einer Verfolgung in ihrem letzten Aufenthaltsstaat Iran sowie in ihrem Heimatland Afghanistan vor dem Bundesamt nicht glaubhaft machen können. Ihre Angaben zum Fluchtgrund - ein wirtschaftlich besseres und sicheres Leben zu haben - wären nachvollziehbar, jedoch als nicht asylrelevant zu werten. Ferner wurde im Bescheid der BF2 ausgeführt, dass die Angaben ihres Ehemannes zum Fluchtgrund, auf jene sich die BF2 stütze, die allgemeine Situation der Hazara und Schiiten in Afghanistan, sowie ein Grundstücksstreit seiner Mutter, welcher über 15 Jahre zurückliege -als nicht asylrelevant zu werten wären. Ihr Ehemann, BF1, habe nicht angegeben, dass die Familie aufgrund einer konkret gegen sie gerichteten Verfolgung oder Bedrohung den Heimatstaat Afghanistan oder den letzten Aufenthaltsstaat Iran verlassen hätte. Auch werde auf den Umstand hingewiesen, dass BF1 bis BF3 als Familie, als afghanische Staatsbürger, illegal im Iran gelebt hätten. Demnach hätte die Möglichkeit bestanden, in den Heimatstaat zurückzukehren. Zu den minderjährigen BF3 und BF4 führte die Behörde aus, dass deren gesetzliche Vertretung keine eigenen Gründe für die Asylantragstellung der BF3 und BF4 vorgebracht hätten, sondern würden sich deren Gründe auf jene ihrer Eltern beziehen, wobei deren Vorbringen kein Glauben geschenkt werde. Die Beweggründe der Eltern der BF3 und BF4 Afghanistan zu verlassen wären insgesamt nicht asylrelevant. Eine Verfolgungssituation im Falle einer Rückkehr sei nicht glaubhaft, da das Vorbringen der Beschwerdeführer als nicht asylrelevant festgestellt worden sei, weshalb sich im Falle einer Rückkehr keine Bedrohungssituation ergebe. Die allgemeine Situation für Rückkehrer sei in Afghanistan zwar noch angespannt, den vorhandenen Informationen sei jedoch nicht zu entnehmen, dass die Beschwerdeführer nach einer Rückkehr in eine Situation kommen könnten, die einer Gefahr gleichzuhalten wäre, um deren Antrag Folge zugeben. Die Beschwerdeführer würden in Österreich - abgesehen voneinander - zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehe, verfügen.

5. Mit Schriftsatz vom 29.05.2018 erhoben die BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, beim Bundesverwaltungsgericht. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführer einerseits wegen ihrer Zugehörigkeit zur ethnischen Minderheit der Volksgruppe der Hazara bedroht seien. Andererseits drohe dem BF1 Verfolgung aufgrund einer nach wie vor bestehenden Feindschaft im Zusammenhang mit Grundstücksstreitigkeiten. Konkret sei BF1 im Jahr 2004 von den Feinden der Familie geschlagen und bedroht worden. Zum Beweis habe der Beschwerdeführer eine Anzeigebestätigung in Vorlage gebracht. Der BF1 sei bestrebt gewesen eine Lösung für das Problem zu erlangen, wobei diese Bestrebungen dauerhaft ohne Erfolg geblieben seien, da weder die Regierung noch der Ältestenrat dem BF1 habe helfen können, weshalb sich der BF1 schließlich gezwungen sah, sein Heimatland mit seiner Familie zu verlassen. Aufgrund der erhöhten Gefährdung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie seien die Beschwerdeführer auch als Angehöriger der ethnischen Gruppe der Hazara ausgesetzt, wobei diesbezüglich keine tiefgreifenderen Auseinandersetzung durch die Behörde stattgefunden habe. In Afghanistan würden schiitische Hazara bekanntlich unterdrückt und seien Verfolgung durch verschiedene nichtstaatliche Akteure, worunter die Gruppierung der Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte zählen, ausgesetzt. Zudem wurde auf die allgemein volatile Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, insbesondere in Mazar-e Sharif, hingewiesen. Weiters sei zu berücksichtigen, dass BF1 an Diabetes leide und diesbezüglich ständige medizinische Behandlung benötige, die jedoch in Afghanistan nicht gewährleistet werden könne.

6. Mit Eingabe vom 30.07.2019 wurden diverse Integrationsunterlagen der Beschwerdeführer, darunter diverse Teilnahmebestätigungen und Zeugnisse von BF1 und BF2, Teilnahmebestätigung an einem Werte- und Orientierungskurs des BF1 sowie den BF3 betreffend: eine Schulbesuchsbestätigung für das Schuljahr 2018/19 und zwei Schulnachrichten über das Schuljahr 2017/18 und 2018/19, in dem BF3 in den Fächern Sachunterricht, Deutsch, Lesen, Schreiben und Mathematik, nicht beurteilt wurde, in Vorlage gebracht.

7. Mit Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden den Beschwerdeführern und der Vertretung die aktuellen Länderinformationen vorab übermittelt.

8. Im Zuge der Beschwerdeverhandlung wurden weiters in Vorlage gebracht:

BF1: Schreiben vom 21.08.2019 in welchem Diabetes Typ 2 festgestellt wird.

BF2: Ambulanzkarte vom 16.10.2018, vom 06.03.2019, Arztbrief vom 15.02.2019; Einzelleistungsbefund vom 28.11.2018 und Aufenthaltsbestätigung vom 09.02.-15.02.2019; Empfehlungsschreiben vom 13.09.2019

BF3: Teilnahmebestätigung Summerschool - Gruppe 2 vom 05.08.2019 bis 23.08.2019

Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurden Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat sowie in der Provinz Herat und Mazar-e-Sharif (Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, zuletzt aktualisiert am 04.06.2019 und dem UNHCR-Bericht 30.08.2018, Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Versorgungslage Mazar-e-Sharif und Herat vom 19.11.2018 und Sicherheitslage und sozioökonomische Lage in Herat und Mazar-e Scharif (2013550) 26.07.2019 sowie Konvolut (Zugang zu Lebensmittel, Wasserversorgung, Sicherheitslage, Sexueller Missbrauch, Anzahl an Kindern, Bildungsmöglichkeiten, Erpresserische Entführungen, Kinderarbeit, Kinderehen, Kinderschutzprogramme, Medizinische und psychosoziale Leistungen, Rückehrleistungen) an Anfragebeantwortung zur Situation der Kinder in Herat und Mazar-e-Sharif) in das gegenständliche Verfahren eingebracht. Dazu wurde den Beschwerdeführern die Möglichkeit innerhalb einer gesetzten Frist eine Stellungnahme abzugeben.

9. Am 08.10.2019 langte eine Stellungnahme durch den Beschwerdeführervertreter der BF ein. Darin wurde zusammengefasst vorgebracht, dass insbesondere Frauen wegen eines westlichen Verhaltens oder einer westlichen Lebensführung durch das afghanische Rechtssystem und die Gesellschaftsordnung diskriminiert würden. Zudem wurde erneut auf die Sicherheitsalge hingewiesen und dazu ausgeführt, dass sich diese in den letzten Jahren verschlechtert habe, weshalb die BF, aufgrund der erschwerten Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, in eine existenzbedrohende Notlage gebracht würden. Auch könnte BF2 als Frau keinen Beitrag zum Einkommen leisten. Ferner herrsche derzeitig Dürre in Afghanistan und sowie Schwierigkeiten bei der Nahrungsversorgung. Laut Länderberichten gestalte sich die Lage der Kinder in Afghanistan besonders volatil. Im Bildungsbereich gebe es trotz Fortschritte enorme Probleme. Viele Schulen blieben aufgrund der Sicherheitslage geschlossen. Aus all den angeschlossenen Berichten lasse sich eine äußerst bedrohliche Lage für Kinder herauslesen. Kinder seien beispielsweise einer erhöhten Gefahr ausgesetzt, entführt zu werden. Auch seien sie einer erhöhten Gefahr ausgesetzt, Opfer von sexuellen Missbrauch oder körperlichen Übergriffen zu werden. Dies geschehe entweder in Schulen, in familiären Umfeld oder durch die Polizei und auch in größeren Städten. Außerdem wären Kinder in der Arbeit im besonderen Ausmaß von Gewalt und erniedrigender und herabwürdigender Behandlung betroffen. Eltern hätten oft nicht die Möglichkeit dagegen vorzugehen. Die Kindersterblichkeit sei einer der höchsten weltweit.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Der BF1 führt den Namen XXXX (alias XXXX ), geb. am XXXX und die BF2 den Namen XXXX , geb. am XXXX . Diese haben zwei leibliche Kinder, den minderjährigen BF3, XXXX , geb. am XXXX , und die am XXXX im österreichischen Bundesgebiet geborene minderjährige BF4, namens XXXX . Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige, gehören der Volksgruppe der Hazara an und bekennen sich zum schiitisch-muslimischen Glauben. Die Beschwerdeführer sprechen Dari.

BF3 und BF4 wurden nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, sie sind mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

BF1 ist in Ghazni geboren und im Alter von zwei Jahren nach Mazar-e Sharif verzogen. Er ist gemeinsam mit seinen Eltern und seinen Geschwistern in einem Eigentumshaus aufgewachsen. Der BF1 hielt sich abwechselnd in Afghanistan, in Mazar-e Sharif und im Iran auf. Er hat eine fünfjährige Schulausbildung absolviert und Fliesenverlegen (Steinpflaster) gelernt. BF1 spricht Dari und Farsi. Er war im Iran und in Mazar-e Sharif beruflich tätig und hat so seinen Lebensunterhalt verdient. In Mazar-e Sharif hat der BF1 auf Feldern und im Stein- und Fliesenbereich gearbeitet. BF1 kann rechnen, lesen und schreiben. Der BF1 hat vier Brüder und zwei Schwestern, drei Brüder und eine Schwester sind in Afghanistan aufhältig. Ein Bruder und eine Schwester leben im Iran. In Mazar-e Sharif leben nach wie vor die Mutter, ein Bruder und eine Schwester in deren einstöckigen Eigentumshaus, mit drei Zimmern, indem der BF1 aufgewachsen ist. Der Vater des BF1 ist bereits verstorben.

Die BF2 wurde in Afghanistan, in Mazar-e-Sharif, geboren und ist im Haus ihrer Eltern aufgewachsen. Der Vater der BF2 ist für ihren Lebensunterhalt in Afghanistan aufgekommen. Die BF2 spricht Dari als Muttersprache. Sie verfügt über keine schulische Ausbildung, sie ist Analphabetin. Die BF2 hat vier Brüder und vier Schwestern. Die Eltern sowie zwei von vier Brüdern leben nach wie vor in Mazar-e Sharif. Ein Bruder lebt im Iran und ein weiterer Bruder in der Türkei. Alle vier Schwestern der BF2 sind verheiratet und leben allesamt in Afghanistan, in Mazar-e-Sharif und Umgebung. Ihre Eltern leben gemeinsam mit zwei ihrer Brüder in einem Eigentumshaus in Mazar-e Sharif. Die BF2 steht mit ihrer Familie, ihren Eltern, in regelmäßigen Kontakt. Der Familie der BF2 geht es gut. Die Zweitbeschwerdeführerin hat keine Schule besucht, sie ist Analphabetin. Ihr Vater und ihr Bruder sind für den Lebensunterhalt ihrer Familie aufgekommen. Sie selbst hat nicht gearbeitet ist jedoch arbeitsfähig.

BF1 und BF2 haben vor ca. 10 Jahren geheiratet. Es hat sich dabei nicht um eine heimliche, gegen den Willen der Familien erfolgte Eheschließung gehandelt.

BF3 ist in Afghanistan geboren. BF1 bis BF3 haben vor deren Ausreise in den Iran in Afghanistan in ihrem Haus in der Provinz Balkh, Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif gelebt. Im Iran haben sie sich mehrere Jahre aufgehalten, bevor sie im Februar 2017 nach Österreich einreisten.

Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin leiden an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Sie sind gesund und arbeitsfähig.

Der Erstbeschwerdeführer hat Diabetes Typ 2, und nimmt deshalb oral Medikamente ein, er ist gut eingestellt.

Die Zweitbeschwerdeführerin leidet an Knieschmerzen, weshalb sie das Heben von schweren Lasten vermeiden soll. Die BF2 hatte am 10.02.2019 eine Blinddarmoperation.

Der Drittbeschwerdeführer hat eine Staub- und Pollenallergie, er nimmt keine Medikamente. Der Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin leiden an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten.

Die BF sind in ihrem Herkunftsstaat nicht vorbestraft, waren dort nie inhaftiert, waren kein Mitglied einer politischen Partei oder sonstigen Gruppierung, sie haben sich nicht politisch betätigt und hatte keine Probleme mit staatlichen Einrichtungen oder Behörden im Herkunftsland.

Die Beschwerdeführer verfügen über keine Verwandte in Österreich oder sonstige enge Bindungen. Der BF1 hat in Österreich Deutschkurse, einen Werte- und Orientierungskurs, einen Basisbildungskurs und einen Integrationspass absolviert. BF1 verfügt über geringe Deutschkenntnisse. Derzeit besucht er einen Deutschkurs. BF1 geht keiner Beschäftigung oder ehrenamtlichen Tätigkeit nach. Er ist überwiegend Zuhause, wo er sich um den Haushalt kümmert und seine Kinder betreut und mit seinem Sohn, BF3, lernt. Die BF2 hat Deutschkurse besucht und einen Integrationspass absolviert. Sie verrichtet ehrenamtliche Tätigkeiten bei der Caritas. Die BF2 kann sich nicht in Deutsch verständigen. Sie kümmert sich um den Haushalt und die Kinder und besucht einen Deutschkurs. Der BF3 besucht seit dem Schuljahr 2017/18 die Volksschule, und wurde er in den Pflichtgegenständen nicht beurteilt. Im Sommer hat der BF3 an einer "SummerSchool-Gruppe 2" teilgenommen. Die BF verfügen in Österreich über Bekanntschaften. Die BF leben von der Grundversorgung und gehen BF1 und BF2 keiner beruflichen Tätigkeit nach.

Die Erst- bis Drittbeschwerdeführer sind unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und stellten am 04.02.2017 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Am XXXX wurde die Viertbeschwerdeführerin in Österreich geboren und wurde ihr Antrag auf internationalen Schutz durch ihre gesetzliche Vertretung am 29.08.2017 gestellt.

Die BF sind strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen der BF:

Nicht als Sachverhalt zugrunde gelegt werden sämtliche Angaben der Beschwerdeführer zur behaupteten Bedrohungssituation in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die BF wegen Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht oder verfolgt gewesen wäre.

BF3 und BF4 ist es möglich, sich in das afghanische Gesellschaftssystem zu integrieren. Ihnen droht aufgrund ihres Alters bzw. vor dem Hintergrund der Situation der Kinder in Afghanistan weder physische oder psychische Gewalt noch sind sie deswegen einer Verfolgung oder Lebensgefahr ausgesetzt.

Die BF2 konnte nicht glaubhaft machen, dass sie eine "westliche Orientierung" verinnerlicht hat. Sie spricht kein Deutsch, absolvierte einzelne Kurse, diese wurden ihr jedoch empfohlen und sie hat diesbezüglich keine Eigeninitiative gezeigt. Die BF 2 bewegt sich hauptsächlich in ihrem räumlichen Nahebereich und kümmert sich vorwiegend um die Kinder und den Haushalt. Sie hat lediglich Kontakte zu Deutschlehrer und Mitarbeiter der Flüchtlingshilfe.

Es kann daher nicht festgestellt werden, dass die BF einer konkreten Verfolgung ausgesetzt waren oder eine solche für die BF im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan, zu befürchten wäre.

1.3. Zur Situation im Fall einer Rückkehr der BF in ihr Herkunftsland:

Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan wären die BF aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter nicht bedroht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret die Beschwerdeführer als Angehörige der Volksgruppe der Hazara bzw. dass jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre bzw. eine solche im Falle seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hätte.

Weiters kann nicht festgestellt werden, dass die BF auf Grund der Tatsache, dass sie sich in Europa und im Iran aufgehalten haben bzw., dass sie als afghanischer Staatsangehöriger, die aus Europa nach Afghanistan zurückkehren, deshalb in Afghanistan einer Verfolgung ausgesetzt wären.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist in Afghanistan allein aufgrund ihres Geschlechts keinen psychischen oder physischen Eingriffen in ihre körperliche Integrität oder Lebensgefahr ausgesetzt.

Den Beschwerdeführern droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan in die Stadt Mazar-e Sharif kein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit.

Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin können in der Stadt Mazar-e Sharif ihre grundlegenden und notwendigen Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft für sich sowie für BF3 und BF4, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Die Beschwerdeführer sind mit den Gepflogenheiten in Afghanistan vertraut. Die Beschwerdeführer können in Mazar-e Sharif im Eigentumshaus der Mutter der BF2, Schwiegermutter des BF1, wohnen oder in Haus der Mutter des BF 1, wo die Versorgung sichergestellt ist. Zudem verfügen die BF über ein großes familiäres Netz in Mazar-Sharif. So leben die Mutter, eine Schwester und drei Brüder des BF1 sowie die Eltern, alle vier verheiratete Schwestern samt Familie sowie zwei Brüder der BF2 in Mazar-e Sharif und in naher Umgebung. Die Beschwerdeführer können von ihrem familiären Netzwerk in Mazar-e Sharif, insbesondere bei der Arbeitssuche, der Verpflegung und der Kinderbetreuung, unterstützt werden. Das familiäre Netzwerk der Beschwerdeführer in Mazar-e Sharif verfügt über Häuser und Grundstücke, sodass dieses auch finanziell tragfähig ist. Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin können für ihr Auskommen und Fortkommen sowie für das der BF3 und BF4 sorgen. Die BF haben auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Sie können selbst für ihr Auskommen und Fortkommen sorgen und zumindest vorrübergehend verschiedene Hilfsprogramme in Anspruch nehmen, die sie bei der Wiederansiedlung in Mazar- e Sharif unterstützen. Die Notwendigkeit des Vorhandenseins eines persönlichen Ausweises/Dokumentes ist nicht gegeben. Der BF1 kann auch Hilfe durch internationale Organisationen bei den Grundstückstreitigkeiten in Mazar-e - Sharif erhalten.

In Afghanistan besteht Schulpflicht, ein Schulangebot ist insbesondere in Mazar-e Sharif faktisch auch vorhanden. Es besteht daher keine Gefahr einer Verfolgung, wenn BF3 und BF4 eine grundlegende Bildung zukommt. Die Eltern könnten BF3 und BF4 in Mazar-e Sharif in die Schule schicken und diesen eine Schulbildung ermöglichen. BF3 und BF4 drohen in Mazar-e Sharif weder Kinderarbeit noch eine Zwangsheirat oder sexuelle Ausbeutung (z.B. als Bacha-Bazi) oder Misshandlungen.

Es ist den Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten in der Stadt Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Mazar-e Sharif ist über den Flughafen (über Kabul) erreichbar und der Weg in die Stadt ist sicher.

Zur Situation in Afghanistan und zur Situation von Angehörigen der Schiiten und der Hazara ergibt sich unter Zugrundelegung der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen Folgendes:

1.2. Zum Herkunftsstaat:

Das BVwG trifft folgende Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat unter Auszug aus dem Länderinformationsblatt (letzte Aktualisierung Juni 2019).

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformation:

Neueste Ereignisse - inkl. Integrierte Kurzinformation 04.06.2019:

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle:

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef

der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route

Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018).

Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019). Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20.Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit

Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen).

Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019). Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019). Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).

Quellen:

BFA Staatendokumentation (20.02.2019a): kartografische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Jänner-Dezember 2018, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor BFA Staatendokumentation (20.02.2019b): grafische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Q1 bis Q4, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

SIGAR - Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.1.2019): Quarterly Report

to the United States Congress,

https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2019-01-30qr.pdf, Zugriff

20.2.2019

UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (24.2.2019): Afghanistan, Protection

of civilians in armed conflict, Annual report 2018, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/afghanistan_protection_of_civilians_annual_report

_2018_final_24_feb_2019_v3.pdf, Zugriff 25.2.2019

UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (11.2018):

Afghanistan, Protection of

civilians in armed conflict, Special report: 2018 elections violence,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/special_report_on_2018_elections_violence_nove

mber_2018.pdf, Zugriff 20.2.2019

UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (10.10.2018): Quarterly report on the

protection of civilians in armed conflict: 1 January to 30 September 2018,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_protection_of_civilians_in_armed_conflict_

3rd_quarter_report_2018_10_oct.pdf, Zugriff 20.2.2019

UNGASC - United Nations General Assembly Security Council (7.12.2018): The situation in

Afghanistan and its implications for international peace and security, Report of the Secretary

General, https://undocs.org/S/2018/1092, Zugriff 20.2.2019

KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA12.11.2018) . Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018) .

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018) . Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018) . Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefängnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

KI vom 21.12.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).

Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).

Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen - in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.9. - 15.11.2017) 3.995 sicherheitsrelevante Vorfälle; ein Rückgang von 4% gegenüber dem Vorjahreswert. Insgesamt wurden von 1.1.-15.11.2017 mehr als 21.105 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was eine Erhöhung von 1% gegenüber dem Vorjahreswert andeutet. Laut UN sind mit 62% bewaffnete Zusammenstöße die Hauptursache aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs [Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen], die in 17% der sicherheitsrelevanten Vorfälle Ursache waren. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen - zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden vom 1.1.-30.11.2017 24.917 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan registriert (Stand: Dezember 2017) (INSO o.D.).

Zivilist/innen

Im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des letzten Jahres registrierte die UNAMA zwischen 1.1. und 30.9.2017 8.019 zivile Opfer (2.640 Tote und 5.379 Verletzte). Dies deutet insgesamt einen Rückgang von fast 6% gegenüber dem Vorjahreswert an (UNAMA 10.2017); konkret hat sich die Anzahl getöteter Zivilist/innen um 1% erhöht, während sich die Zahl verletzter Zivilist/innen um 9% verringert hat (UN GASC 20.12.2017). Wenngleich Bodenoffensiven auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer waren - führte der Rückgang der Anzahl von Bodenoffensiven zu einer deutlichen Verringerung von 15% bei zivilen Opfern. Viele Zivilist/innen fielen Selbstmordattentaten, sowie komplexen Angriffen und IEDs zum Opfer - speziell in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Kandahar und Faryab (UNAMA 10.2017).

Zivile Opfer, die regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben wurden, sind um 37% zurückgegangen: Von insgesamt 849 waren 228 Tote und 621 Verletzte zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Elementen zugeschrieben werden, um 7%: von den 1.150 zivilen Opfer starben 225, während 895 verletzt wurden. Die restlichen Opfer konnten keiner Tätergruppe zugeschrieben werden (UNAMA 10.2017).

High-profile Angriffe:

Am 31.10.2017 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der "Green Zone" der Hauptstadt Kabul in die Luft. Der angebliche Täter soll Quellen zufolge zwischen 12-13 Jahren alt gewesen sein. Mindestens vier Menschen starben bei dem Angriff und ein Dutzend weitere wurden verletzt. Dies war der erste Angriff in der "Green Zone" seit dem schweren Selbstmordattentat im Mai 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017). der IS bekannte sich zu diesem Vorfall Ende Oktober 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017; UN GASC 20.12.2017)

Am 20.10.2017 sprengte sich ein Angreifer in der Shia Imam Zamam Moschee in Kabul in die Luft; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet und 45 weitere verletzt. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017; UN GASC 20.12.2017). In dem Distrikt Solaina, in der westlichen Provinz Ghor, wurde ebenso eine Moschee angegriffen - in diesem Fall handelt es sich um eine sunnitische Moschee. Die tatsächliche Opferzahl ist umstritten: je nach Quellen sind zwischen 9 und 39 Menschen bei dem Angriff gestorben (Independent 20.10.2017; vgl. NYT 20.10.2017; al Jazeera 20.10.2017).

Am 19.10.2017 wurde im Rahmen eines landesweit koordinierten Angriffes der Taliban 58 afghanische Sicherheitskräfte getötet: ein militärisches Gelände, eine Polizeistationen und ein militärischer Stützpunkt in Kandahar wären beinahe überrannt worden (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017). Einige Tage vor diesem Angriff töteten ein Selbstmordattentäter und ein Schütze mindestens 41 Menschen, als sie ein Polizeiausbildungszentrum in der Provinzhauptstadt Gardez stürmten (Provinz Paktia) (BBC 21.10.2017). In der Woche davor wurden 14 Offiziere der Militärakademie auf dem Weg nach Hause getötet, als ein Selbstmordattentäter den Minibus in die Luft sprengte in dem sie unterwegs waren (NYT 20.10.2017). Die afghanische Armee und Polizei haben dieses Jahr schwere Verlusten aufgrund der Taliban erlitten (BBC 21.10.2017).

Am 7.11.2017 griffen als Polizisten verkleidete Personen/regierungsfeindliche Kräfte eine Fernsehstation "Shamshad TV" an; dabei wurde mindestens eine Person getötet und zwei Dutzend weitere verletzt. Die afghanischen Spezialkräfte konnten nach drei Stunden Kampf, die Angreifer überwältigen. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Guardian 7.11.2017; vgl. NYT 7.11.2017; UN GASC 20.12.2017).

Bei einem Selbstmordangriff im November 2017 wurden mindestens neun Menschen getötet und einige weitere verletzt; die Versammelten hatten einem Treffen beigewohnt, um den Gouverneur der Provinz Balkh - Atta Noor - zu unterstützen; auch hier bekannte sich der IS zu diesem Selbstmordattentat (Reuters 16.11.2017; vgl. UN GASC 20.12.2017)

Interreligiöse Angriffe

Serienartige gewalttätige Angriffe gegen religiöse Ziele, veranlassten die afghanische Regierung neue Maßnahmen zu ergreifen, um Anbetungsorte zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempeln vor Angriffen zu schützen (UN GASC 20.12.2017).

Seit 1.1.2016 wurden im Rahmen von Angriffen gegen Moscheen, Tempel und andere Anbetungsorte 737 zivile Opfer verzeichnet (242 Tote und 495 Verletzte); der Großteil von ihnen waren schiitische Muslime, die im Rahmen von Selbstmordattentaten getötet oder verletzt wurden. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017).

Im Jahr 2016 und 2017 registrierte die UN Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Seit 1.1.2016 wurden 27 gezielte Tötungen religiöser Personen registriert, wodurch 51 zivile Opfer zu beklagen waren (28 Tote und 23 Verletzte); der Großteil dieser Vorfälle wurde im Jahr 2017 verzeichnet und konnten großteils den Taliban zugeschrieben werden. Religiösen Führern ist es möglich, öffentliche Standpunkte durch ihre Predigten zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Taliban

Die Taliban waren landesweit handlungsfähig und zwangen damit die Regierung erhebliche Ressourcen einzusetzen, um den Status Quo zu erhalten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive im April, haben die Taliban - im Gegensatz zum Jahr 2016 - keine größeren Versuche unternommen Provinzhauptstädte einzunehmen. Nichtsdestotrotz, gelang es den Taliban zumindest temporär einige Distriktzentren zu überrennen und zu halten; dazu zählen der Distrikt Taywara in der westlichen Provinz Ghor, die Distrikte Kohistan und Ghormach in der nördlichen Provinz Faryab und der Distrikt Jani Khel in der östlichen Provinz Paktia. Im Nordosten übten die Taliban intensiven Druck auf mehrere Distrikte entlang des Autobahnabschnittes Maimana-Andkhoy in der Provinz Faryab aus; die betroffenen Distrikte waren: Qaramol, Dawlat Abad, Shirin Tagab und Khwajah Sabz Posh. Im Süden verstärkten die Taliban ihre Angriffe auf Distrikte, die an die Provinzhauptstädte von Kandahar und Helmand angrenzten (UN GASC 21.9.2017).

Herat

Anfang Juni 2017 explodierte eine Bombe beim Haupteingang der historischen Moschee Jama Masjid; bei diesem Vorfall wurden mindestens 7 Menschen getötet und 15 weitere verletzt (Reuters 6.6.2017; vgl. auch: TMN 7.6.2017). Zu diesem Vorfall hat sich keine Terrrorgruppe bekannt (TMN 7.6.2017; vgl. auch: US News 12.6.2017). Sirajuddin Haqqani - stellvertretender Leiter der Taliban und Führer des Haqqani Netzwerkes - verlautbarte, die Taliban wären für diese Angriffe in Kabul und Herat nicht verantwortlich (WP 12.6.2017).

Mazar-e Sharif

Auf der Militärbase Camp Shaheen in der nördlichen Stadt Mazar-e Sharif eröffnete Mitte Juni 2017 ein afghanischer Soldat das Feuer auf seine Kameraden und verletzte mindestens acht Soldaten (sieben US-amerikanische und einen afghanischen) (RFE/RL 17.6.2017).

Die Anzahl solcher "Insider-Angriffe" [Anm.: auch green-on-blue attack genannt] hat sich in den letzten Monaten erhöht. Unklar ist, ob die Angreifer abtrünnige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte sind oder ob sie Eindringlinge sind, die Uniformen der afghanischen Armee tragen (RFE/RL 17.6.2017). Vor dem Vorfall im Camp Shaheen kam es dieses Jahr zu zwei weiteren registrierten Insider-Angriffen: der erste Vorfall dieses Jahres fand Mitte März auf einem Militärstützpunkt in Helmand statt: ein Offizier des afghanischen Militärs eröffnete das Feuer und verletzte drei US-amerikanische Soldaten (LWJ 11.6.2017; vgl. auch: al-Jazeera 11.6.2017).

Der zweite Vorfall fand am 10.6.2017 im Zuge einer militärischen Operation im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar statt, wo ein afghanischer Soldat drei US-amerikanische Soldaten tötete und einen weiteren verwundete; der Angreifer wurde bei diesem Vorfall ebenso getötet (BBC 10.6.21017; vgl. auch: LWJ 11.6.2017; DZ 11.6.2017).

Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.), und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9.2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017) - nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017).

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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