Entscheidungsdatum
31.10.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z1Spruch
W251 2215739-1/9E
W251 2215740-1/9E
W251 2220985-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
1) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX und 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Afghanistan und vertreten durch Mag. Jasmin GERGES gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 1.) vom 01.02.2019 zu Zl. 1159383800-170801663 und 2.) vom 21.06.2019 zu Zl. 1223099309-190277645 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
I. Die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide werden als unbegründet abgewiesen.
II. Den Beschwerden gegen Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG sowie XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG werden XXXX und XXXX jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 31.10.2020 erteilt.
IV. In Erledigung der Beschwerden werden die Spruchpunkt III. bis
VI. der angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
2) Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , alias XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , alias geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Mag. Jasmin GERGES gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.02.2019 zu Zl. 1159383702-170801655 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass diese zu lauten haben:
"I. Der Antrag auf internationalen Schutz vom 08.07.2017 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 4a AsylG als unzulässig zurückgewiesen.
II. Der Antrag auf internationalen Schutz vom 08.07.2017 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 4a AsylG als unzulässig zurückgewiesen."
II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
III. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV., V. und VI. wird stattgegeben und diese Spruchpunkte behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin. Die Drittbeschwerdeführerin ist das leibliche Kind des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin. Alle Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Afghanistans.
Der Erstbeschwerdeführer reiste im Jahr 2011 nach Belgien und stellte dort unter Angabe einer Aliasidentität einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde zur Gänze abgewiesen. Der Erstbeschwerdeführer reiste jedoch nicht nach Afghanistan zurück, sondern hielt sich in weiterer Folge in verschiedenen EU-Staaten auf. Am 26.08.2014 stellte der Erstbeschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz in Italien. Dem Beschwerdeführer wurde in Italien der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Der Beschwerdeführer reiste in weiterer Folge nach Griechenland, dort lernet er die Zweitbeschwerdeführerin im Februar 2017 kennen. Eine traditionelle Eheschließung erfolgte nach etwa zwei Monaten. Im Juli 2017 reisten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin nach Österreich, dort stellten beide Anträge auf internationalen Schutz.
2. Die niederschriftliche Erstbefragung der Zweitbeschwerdeführerin fand am 09.07.2017 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Sie gab zu ihren Fluchtgründen befragt im Wesentlichen an, dass sie von ihrem Vater mit einem Kommandanten verlobt worden sei. Der Verlobte sei älter und auch verheiratet gewesen und dieser habe die Zweitbeschwerdeführerin immer geschlagen, weshalb sie versucht habe, sich das Leben zu nehmen. In weiterer Folge habe der Vater der Zweitbeschwerdeführerin versucht die Verlobung aufzulösen, woraufhin der Verlobte mit seinen Männern das Haus gestürmt und den Vater getötet habe. Kurz darauf sei die Zweitbeschwerdeführerin gemeinsam mit ihrer Familie aus Afghanistan geflüchtet.
3. Am 11.06.2018 und am 26.11.2018 wurde die Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: Bundesamt) niederschriftlich einvernommen. Die Zweitbeschwerdeführerin gab zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass ihr Vater sie gegen ihren Willen mit einem Kommandanten verlobt habe. Dieser habe sie geschlagen und sie bedrängt mit ihm zu schlafen. Sie habe einen Selbstmordversuch unternommen woraufhin ihr Vater die Verlobung gelöst habe. Sie sei gemeinsam mit Ihren Geschwistern zu ihrem Onkel geflüchtet. Ihr Vater sei wenige Stunden später vom Kommandanten aufgesucht und umgebracht worden. In weiterer Folge habe die Zweitbeschwerdeführerin Afghanistan mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern verlassen.
4. Das Bundesamt wies die Anträge des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz mit oben genannten Bescheiden zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.) und erteilte den Beschwerdeführern keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen die Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III., IV., V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde betreffend die Zweitbeschwerdeführerin im Wesentlichen ausgeführt, dass diese keine asylrelevanten Fluchtgründe geltend bzw. glaubhaft gemacht hätte. Es drohe der Zweitbeschwerdeführerin auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Die Zweitbeschwerdeführerin würde in Österreich - abgesehen vom Erstbeschwerdeführer - zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehe, verfügen.
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin erhoben gegen oben genannte Bescheide fristgerecht Beschwerde und brachten im Wesentlichen vor, dass die Zweitbeschwerdeführerin ihre Fluchtgründe schlüssig und detailreich dargestellt habe und die Inanspruchnahme staatlicher Hilfe aufgrund der Position ihres Verlobten nicht möglich gewesen sei. Überdies wurde auf eine westliche Orientierung der Zweitbeschwerdeführerin verwiesen.
5. 2019 wurde die Drittbeschwerdeführerin in Österreich geboren. Sie ist die Tochter des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin. Für sie wurde mit Schriftsatz vom 19.03.2019 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Es erfolgte betreffend die Drittbeschwerdeführerin eine Einvernahme der Zweitbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin beim Bundesamt. Die Zweitbeschwerdeführerin gab betreffend die Drittbeschwerdeführerin zu den Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass die Drittbeschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe habe, im Falle einer Rückkehr sei auch ihr Leben durch den Ex-Verlobten der Zweitbeschwerdeführerin in Gefahr.
6. Das Bundesamt wies den Antrag der Drittbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz mit oben genannten Bescheid zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.) und erteilte der Drittbeschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen die Drittbeschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III., IV., V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Die Drittbeschwerdeführerin erhob gegen den oben genannten Bescheid fristgerecht Beschwerde und verwies inhaltlich auf die Beschwerden des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin.
7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 11.09.2019 in Anwesenheit einer Dolmetscherin sowie im Beisein der Vertreterin der Beschwerdeführer eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Die Verfahren der Beschwerdeführer wurden zur gemeinsamen Verhandlung verbunden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:
1.1.1. Der Erstbeschwerdeführer führt in Europa die Namen XXXX , alias XXXX , alias XXXX und die Geburtsdaten XXXX , alias XXXX . Die tatsächliche Identität des Erstbeschwerdeführers kann nicht festgestellt werden.
Die Zweitbeschwerdeführerin führt in Österreich den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Der Erstbeschwerdeführer ist mit der Zweitbeschwerdeführerin traditionell verheiratet. Diese haben eine leibliche Tochter, die Drittbeschwerdeführerin, die in Österreich den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX führt. Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige, der Erstbeschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben (Verwaltungsakt des Erstbeschwerdeführers W251 2215739-1 = BF 1 AS 163; Verhandlungsprotokoll vom 11.09.2019 = VP, S. 9). Die Zweitbeschwerdeführerin und die Drittbeschwerdeführerin gehören der Volksgruppe der Tadschiken an und bekennen sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben (Verwaltungsakt der Zweitbeschwerdeführerin W 251 2215740-1 = BF 2 VP S. 20 f; Verwaltungsakt der Drittbeschwerdeführerin W 251 2220985-1 = BF 3 AS 31).
Der Erstbeschwerdeführer spricht Dari als Muttersprache sowie Paschtu, Englisch und sehr wenig Deutsch (BF 1 AS 1, 155 ff; VP S. 11 und 38). Die Zweitbeschwerdeführerin spricht Dari als Muttersprache. Sie spricht sehr flüssig und auf sehr gutem Niveau Englisch (BF 2 AS 27; VP S. 25 f).
Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin wurden nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, sie sind mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.
1.1.2. Der Erstbeschwerdeführer ist in Kabul geboren (AS 27). Er hat in Afghanistan mehrere Jahre als Verkäufer und in Griechenland in einem Restaurant als Gehilfe bzw. Reinigungskraft gearbeitet (VP S. 9). Der Erstbeschwerdeführer hat noch nie in Uruzgan gelebt. Es kann nicht festgestellt werden wo der Beschwerdeführer in Afghanistan tatsächlich gelebt hat.
1.1.3. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde in der Provinz Kunduz, in der Stadt Kunduz, am Stadtrand in einem Dorf namens XXXX geboren. Sie ist dort bis zu ihrer Ausreise aus Afghanistan gemeinsam mit ihren Eltern und ihren zwei Geschwistern (ein Bruder und eine Schwester) im Haus ihres Vaters aufgewachsen (BF 2 AS 167 ff; VP S. 21). Die Zweitbeschwerdeführerin hat im Haushalt mitgearbeitet (BF 2 AS 169; VP S. 21). Die Zweitbeschwerdeführerin ist keine Analphabetin, sie hat in Afghanistan eine Schule besucht und Lesen und Schreiben sowie Englisch gelernt. Es kann nicht festgestellt werden, welche konkrete Schule die Zweitbeschwerdeführerin besucht hat und über welchen Zeitraum.
1.1.4. Der Erstbeschwerdeführer reiste im Jahr 2010 aus Afghanistan aus. Er stellte am 27.04.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz in Belgien. Nachdem dieser Antrag zur Gänze negativ beschieden wurde, reiste der Beschwerdeführ in weitere, nicht mehr feststellbare EU-Länder, bis er nach Italien weiterreiste. Der Beschwerdeführer stellte am 26.08.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz in Italien. Dem Beschwerdeführer wurde in Italien der Status eins subsidiär Schutzberechtigten bis zum 27.05.2020 zuerkannt. Der Beschwerdeführer reiste in weiterer Folge nach Griechenland. Dort lernte er im Februar 2017 die Zweitbeschwerdeführerin kennen (BF 1 AS 11, 75, 90, 165 ff).
Die Zweitbeschwerdeführerin ist im Juni 2016 aus Afghanistan ausgereist und von dort aus nach Griechenland weitergereist (BF 2 AS 33).
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin haben im April 2017 traditionell in Griechenland geheiratet (BF 1 AS 1, 165; BF 2 AS 27; VP S. 21).
Von Griechenland reisten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin im Juli 2017 weiter nach Österreich (BF 1 AS 7; BF 2 AS 33).
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und stellten am 08.07.2017 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Am XXXX wurde die Drittbeschwerdeführerin in Österreich geboren.
Die Drittbeschwerdeführerin stellte am 19.03.2019, vertreten durch die Zweitbeschwerdeführerin einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.1.6. Der Aufenthaltsort der Eltern und Geschwister der Zweitbeschwerdeführerin konnte nicht festgestellt werden. Der Vater der Zweitbeschwerdeführerin ist für den Lebensunterhalt der Familie aufgekommen. Die finanzielle Situation der Familie der Zweitbeschwerdeführerin war gut, die Familie ist im Besitz eines Hauses, eines Immobiliengeschäfts und von einigen Grundstücken (BF 2 AS 169; VP S. 23).
Die Zweitbeschwerdeführerin hat derzeit keinen Kontakt zu ihren Eltern und Geschwistern (BF 2 VP S. 23; BF 1 AS 165). Die Zweitbeschwerdeführerin hat einen Onkel und zwei Tanten väterlicherseits, die in Afghanistan bzw. Pakistan leben und einen Onkel mütterlicherseits, der in Tadschikistan lebt. (BF 2 VP S. 22). Zu weiteren Onkel, Tanten und Cousins der Eltern in Afghanistan besteht kein Kontakt (BF 2 VP S. 23).
1.1.7. Die Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin leiden an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Sie sind gesund, die Zweitbeschwerdeführerin ist arbeitsfähig (BF 2 VP S. 5 f, 28).
1.1.8. Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten (BF 1 Beilage ./I; BF 2 Beilage ./I).
1.2. Zu den Fluchtgründen der Zweit- und der Drittbeschwerdeführerin:
Das von den Beschwerdeführern ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.
1.2.1. Die Zweitbeschwerdeführerin war in Afghanistan nicht verlobt. Sie wurde weder von ihrer Familie, noch von anderen Personen zu einer Heirat oder Verlobung gezwungen. Weder die Zweitbeschwerdeführerin noch ihre Familie wurden jemals in Afghanistan von einem Kommandanten, dessen Familie oder von anderen Personen, bedroht, angegriffen oder attackiert. Die Zweitbeschwerdeführerin hat Afghanistan weder aus Furcht vor konkreten Eingriffen in ihre körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.
1.2.2. Die Zweitbeschwerdeführerin ist in Afghanistan allein aufgrund ihres Geschlechts keinen psychischen oder physischen Eingriffen in ihre körperliche Integrität oder Lebensgefahr ausgesetzt.
Bei der Zweitbeschwerdeführerin handelt es sich nicht um eine auf Eigenständigkeit bedachte Frau, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und in ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als westlich bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist. Sie spricht überhaupt kein Deutsch und kann auf Deutsch nicht einmal in elementaren Alltagssituationen selbständig kommunizieren. Die Zweitbeschwerdeführerin ist dabei darauf angewiesen, dass sie diesbezüglich Hilfe bekommt oder sie auf Englisch kommunizieren kann. Zudem kümmert sie sich in ihrer Freizeit primär um den Haushalt und ihr Kind. Die Zweitbeschwerdeführerin bewegt sich hauptsächlich in ihrem räumlichen Nahebereich und hat lediglich geringe Kontakte zu wenigen Nachbarinnen. Die Beschwerdeführerin beabsichtigt nicht, in Österreich einer Arbeit nachzugehen, sie hat sich weder über Ausbildungs- noch über Berufsmöglichkeiten in Österreich informiert.
1.2.3. Die Drittbeschwerdeführerin ist in Afghanistan allein aufgrund ihres Geschlechts und ihres Alters keinen - konkret und individuell gegen sie gerichteten - psychischen oder physischen Eingriffen in ihre körperliche Integrität oder Lebensgefahr ausgesetzt.
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin würden die Drittbeschwerdeführerin in Afghanistan in die Schule schicken und dieser eine Schulbildung ermöglichen. Die Drittbeschwerdeführerin würde vom Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin nicht unter Zwang verheiratet werden.
1.2.4. Auch der Erstbeschwerdeführer wurde in Afghanistan niemals konkret bedroht und er war keiner Verfolgung durch die Taliban, staatlichen Organen oder durch andere Gruppierungen ausgesetzt. Er wurde zu keinem Zeitpunkt aufgefordert Grundstücke für den Opiumanbau zur Verfügung zu stellen. Es liegt aus diesen behaupteten Gründen weder bei der Zweitbeschwerdeführerin noch bei der Drittbeschwerdeführerin bei einer Rückkehr in die Stadt Kunduz die Gefahr eines Eingriffs in die körperliche Integrität vor.
1.3. Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in ihren Herkunftsstaat:
Der Drittbeschwerdeführerin könnte bei einer Ansiedlung in der Provinz Kunduz aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheitslage ein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit drohen.
1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Sicherheitslage
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 04.06.2019 - LIB 04.06.2019, S. 65).
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 04.06.2019, S.65).
Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 04.06.2019, S. 68).
Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 04.06.2019, S. 76).
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 04.06.2019, S. 69).
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 04.06.2019, S. 69). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 04.06.2019, S. 70 ff).
Provinz Kabul:
Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt. In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander. Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen (LIB 04.06.2019, S.90).
Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, die sich überwiegend in der Hauptstadt Kabul ereigneten (LIB 04.06.2019, S. 91).
Kunduz:
Kunduz zählt zu den relativ volatilen Provinzen Afghanistans, in der Aufständische aktiv sind. Kunduz-Stadt ist eine der größten Städte Afghanistans und war lange Zeit ein strategisch wichtiges Transportzentrum für den Norden des Landes. Um Ordnung und Normalität in die Stadt Kunduz zu bringen, hat die Kommunalverwaltung im Februar 2018 eine Massenaufräum-Aktion gestartet. Ebenso wurden weitere Projekte implementiert: im Rahmen dieser werden Landstraßen und Wege gewartet, vier neue Parks errichtet - die insbesondere von Frauen und Kindern genutzt werden sollen, etc. Diese Projekte führten zusätzlich zur Schaffung von 550 Jobs - auch für Frauen. Das Erscheinungsbild der Stadt hat sich u.a. aufgrund der Errichtung von Straßenbeleuchtung verbessert, es hat sich auch die Sicherheitslage dieser Stadt verbessert.
In den Jahren 2015 und 2016 fiel Kunduz-Stadt jeweils einmal an Taliban-Aufständische; die Stadt konnte in beiden Fällen von den afghanischen Streitkräften zurückerobert werden.
Im gesamten Jahr 2017 wurden 377 zivile Opfer (93 getötete Zivilisten und 284 Verletzte) in der Provinz Kunduz registriert. Hauptursache waren Bodenangriffe, gefolgt von IEDs und gezielten Tötungen. Aufgrund von Terrorbekämpfungsoperationen in der Provinz sind zahlreiche Familien nach Kunduz-Stadt vertrieben worden. In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien. Auch werden regelmäßig Luftangriffe durchgeführt, dabei werden Aufständische - u.a. tadschikische Kämpfer - und manchmal auch Talibankommandanten getötet. Manchmal werden Talibankämpfer verhaftet. In der Provinz kommt es zu Zusammenstößen zwischen den Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften.
Mazar-e Sharif:
Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 04.06.2019, S.108).
In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist (LIB 04.6.2019, S. 109).
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (LIB 04.06.2019, S. 109).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (LIB 04.06.2019, S. 108f).
Medizinische Versorgung
Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (LIB 04.06.2019, S. 362 ff).
Psychische Erkrankungen sind in öffentlichen und privaten Klinken grundsätzlich behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patienten nichts für ihre Aufnahme bezahlen. In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital und die Universitätsklinik Aliabad. Zwar gibt es traditionelle Methoden bei denen psychisch Kranke in spirituellen Schreinen unmenschlich behandelt werden. Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (LIB 04.06.2019, S. 364 f). In Mazar-e Sharif gibt es ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus (LIB 04.06.2019, S. 364).
Wirtschaft
Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 04.06.2019, S. 358).
Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 04.06.2019, S. 358).
Rückkehrer:
Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB 04.06.2019, S. 371).
Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 04.06.2019, S. 375f).
Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 04.06.2019, S. 376).
Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 04.06.2019, S. 376).
Ethnische Minderheiten:
In Afghanistan leben mehr als 34.1 Millionen Menschen. Es sind ca. 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt (LIB 04.06.2019, S. 319).
Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan, sie machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus. In der Hauptstadt Kabul sind sie knapp in der Mehrheit. Die Tadschiken sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 25% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (LIB 04.06.2019, S. 324).
Tadschiken sind allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit in Afghanistan weder psychischen noch physischen Bedrohungen ausgesetzt.
Religionen:
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB 04.06.2019, S. 309).
Sunniten sind allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit in Afghanistan weder psychischen noch physischen Bedrohungen ausgesetzt.
Frauen:
Die konkrete Situation von Frauen in Afghanistan ist erheblich von Faktoren wie Herkunft, Familie, Bildungsstand, finanzieller Situation und Religiosität abhängig. Obwohl sich die Lage afghanischer Frauen in den letzten Jahren erheblich verbessert hat, kämpfen viele weiterhin mit Diskriminierung auf einer Vielzahl von Ebenen, wie rechtlich beruflich, politisch und sozial. Gewalt gegen Frauen bleibt weiterhin ein ernsthaftes Problem. Frauen im Berufsleben und in der Öffentlichkeit müssen oft gegen Belästigung und Schikane kämpfen und sehen sich oft Drohungen ausgesetzt (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation betreffend Frauen in urbanen Zentren vom 18.09.2017 - Beilage ./III, S. 10).
Frauenkleidung umfasst in Afghanistan ein breit gefächertes Spektrum, von moderner westlicher Kleidung, über farbenreiche volkstümliche Trachten, bis hin zur Burka und Vollverschleierung - diese unterscheiden sich je nach Bevölkerungsgruppe. Während Frauen in urbanen Zentren wie Kabul, Mazar-e Sharif und Herat häufig den sogenannten "Manteau shalwar" tragen, d.h. Hosen und Mantel mit verschiedenen Arten der Kopfbedeckung, bleiben konservativere Arten der Verschleierung, wie der Chador und die Burka (in Afghanistan Chadri genannt) weiterhin, auch in urbanen Gebieten, vertreten (Beilage ./III, S. 2).
Das Recht auf Bildung wurde den Frauen nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 eingeräumt. Laut Verfassung haben alle afghanischen Staatsbürger/innen das Recht auf Bildung. Öffentliche Kindergärten und Schulen sind bis zur Hochschulebene kostenlos. Private Bildungseinrichtungen und Universitäten sind kostenpflichtig (LIB 19.10.2018, S. 299). Im Mai 2016 eröffnete in Kabul die erste Privatuniversität für Frauen im Moraa Educational Complex, mit dazugehörendem Kindergarten und Schule für Kinder der Studentinnen. Die Universität bietet unter anderem Lehrveranstaltungen für Medizin, Geburtshilfe etc. an (LIB 04.06.2019, S. 328f).
Frauen in urbanen Zentren wie Kabul, Herat und Mazar-e Sharif sind in einer Vielzahl von beruflichen Feldern aktiv. Frauen arbeiten sowohl im öffentlichen Dienst, als auch in der Privatwirtschaft. Sie arbeiten im Gesundheitsbereich, in der Bildung, den Medien, als Polizistinnen und Beamtinnen, usw. Sie sind jedoch mannigfaltigen Schwierigkeiten im Berufsleben ausgesetzt, die von Diskriminierung in der Einstellung und im Gehalt, über Schikane und Drohungen bis zur sexuellen Belästigung reichen. Frauen der Mittel- und Unterschicht kämpfen mit erschwertem Zugang zum Arbeitsmarkt und Lohnungleichheit. Dazu müssen Frauen unverhältnismäßig oft unbezahlte Arbeit leisten (Beilage ./III, S. 22). In urbanen Zentren werden zudem vermehrt Freizeitangebote speziell für Frauen angeboten (Beilage ./III, S. 29 ff).
Die Einstellung gegenüber der Berufstätigkeit von Frauen hat sich in Afghanistan in den letzten Jahren geändert; dies hängt auch mit den NGOs und den privaten Firmen zusammen, die in Afghanistan aktiv sind. Die städtische Bevölkerung hat kaum ein Problem mit der Berufstätigkeit ihrer Ehefrauen oder Töchter. In den meisten ländlichen Gemeinschaften sind konservative Einstellungen nach wie vor präsent, weshalb viele Frauen im ländlichen Afghanistan, aus Furcht vor sozialer Ächtung, keiner Arbeit außerhalb des Hauses nachgehen (LIB 04.06.2019, S. 311).
Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ist weit verbreitet. Gewalttaten gegen Frauen und Mädchen finden zu über 90% innerhalb der Familienstrukturen statt. Die Gewalttaten reichen von Körperverletzung und Misshandlung über Zwangsehen bis hin zu Vergewaltigung und Mord. Zu geschlechtsspezifischer und sexueller Gewalt zählen außerdem noch die Praxis der badal-Hochzeiten (Frauen und Mädchen, die im Rahmen von Heiratsabmachungen zwischen Familien getauscht werden) bzw. des ba'ad (Mädchen, die zur Konfliktlösung abgegeben werden) (LIB 04.06.2019, S. 353f).
Kinder:
Die Situation der Kinder hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. So werden mittlerweile rund zwei Drittel aller Kinder eingeschult. Während Mädchen unter der Taliban-Herrschaft fast vollständig vom Bildungssystem ausgeschlossen waren, machen sie von den heute ca. acht Millionen Schulkindern rund drei Millionen aus. Der Anteil der Mädchen nimmt jedoch mit fortschreitender Klassen- und Bildungsstufe ab (LIB 04.06.2019, S. 343). Der Schulbesuch ist in Afghanistan bis zur Unterstufe der Sekundarbildung Pflicht. Aufgrund von Unsicherheit, konservativen Einstellungen und Armut haben Millionen schulpflichtiger Kinder keinen Zugang zu Bildung - insbesondere in den südlichen und südwestlichen Provinzen. Auch sind in von den Taliban kontrollierten Gegenden gewalttätige Übergriffe auf Schulkinder, insbesondere Mädchen, ein weiterer Hinderungsgrund beim Schulbesuch. (LIB 04.06.2019, S. 343).
Der gewaltfreie Umgang mit Kindern hat sich in Afghanistan noch nicht als Normalität durchsetzen können. Körperliche Züchtigung und Übergriffe im familiären Umfeld, in Schulen oder durch die afghanische Polizei sind verbreitet. Dauerhafte und durchsetzungsfähige Mechanismen seitens des Bildungsministeriums, das Gewaltpotenzial einzudämmen, gibt es nicht. Gerade in ländlichen Gebieten gehört die Ausübung von Gewalt zu den gebräuchlichen Erziehungsmethoden an Schulen (LIB 04.06.2019, S. 344).
Das Arbeitsgesetz in Afghanistan setzt das Mindestalter für Arbeit mit 18 Jahren fest; es erlaubt Jugendlichen ab 14 Jahren als Lehrlinge zu arbeiten und solchen über 15 Jahren "einfache Arbeiten" zu verrichten. 16- und 17-Jährige dürfen bis zu 35 Stunden pro Woche arbeiten. Kinder unter 14 Jahren dürfen unter keinen Umständen arbeiten. Mindestens 15% der schulpflichtigen Kinder gehen einer Arbeit nach, da viele Familien auf die Einkünfte ihrer Kinder angewiesen sind (LIB 04.06.2019, S. 345).
Etwa 41% der Kinder unter fünf Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel. Bei Säuglingen und Kindern unter 5 Jahren sank die Sterblichkeitsrate zwar in den letzten Jahren, diese liegt jedoch weiterhin über dem regionalen Durchschnitt und sind diese Zahlen weiterhin kritisch (LIB 04.06.2109, S. 363).
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, durch Einvernahme des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden Beilage ./I bis ./III (Konvolut ZMR, GVS, Strafregister, Schengener Informationssystem, Beilage ./I; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 04.06.2019, Beilage ./II; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan, Frauen in urbanen Zentren, vom 18.09.2017, Beilage ./III) und Beilage ./A bis ./C (Vollmachten des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin vom 10.09.2019, Beilage ./A; betreffend den Erstbeschwerdeführer Konvolut an Länderinformationen betreffend Kommandant XXXX , Beilage ./B; betreffend die Zweitbeschwerdeführerin Konvolut an Länderinformationen betreffend Kommandant XXXX , Beilage ./C) sowie in die in der Verhandlung vom 11.09.2019 vorgelegte Stellungnahme vom 10.09.2019, Beilage ./D und das darin auszugsweise eingebrachte Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018.
Dem Erkenntnis werden die EASO Country Guidance Afghanistan aus Juni 2019 sowie die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 zugrunde gelegt.
Die einzelnen Feststellungen beruhen auf den jeweils in der Klammer angeführten Beweismitteln.
2.1. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer:
2.1.1. Die Aliasidentitäten des Erstbeschwerdeführers ergeben sich aufgrund seiner widersprüchlichen Angaben zu seinem Namen und Geburtsdatum vor den belgischen, italienischen und österreichischen Asylbehörden (BF1, AS 27; AS 75; AS 1). Der Beschwerdeführer machte unterschiedliche Angaben zu seiner Identität, sodass diese nicht festgestellt werden konnte. Hier fällt jedoch auf, dass die Angaben des Beschwerdeführers betreffend sein Geburtsdatum in Belgien und in Italien in Einklang zu bringen sind, bei diesen Befragungen sind die Namen zumindest annähernd in Einklang zu bringen, sodass eher davon auszugehen ist, dass diese richtig sind und die Angaben des Erstbeschwerdeführers zu seiner Identität in Österreich nicht richtig sind. Da der Erstbeschwerdeführer zudem bei seinem ersten Asylantrag in Belgien an gab in Kabul geboren zu sein (BF1, AS 27) und diese Angaben zeitlich am nächsten zu seiner Ausreise getätigt wurde, geht das Gericht davon aus, dass der Beschwerdeführer tatsächlich in Kabul geboren wurde. Dass der Beschwerdeführer nunmehr an gibt in Uruzgan geboren zu sein und dort gelebt zu haben ist für das Gericht nicht glaubhaft. Dies ist als fiktiver Aspekt seiner Fluchtgeschichte zu qualifizieren, bei der es um Opiumanbau gehen soll, wodurch eine Verbindung zu einer Provinz mit hoher Opiumproduktion hergestellt werden sollte. Das Gericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer nicht in Uruzgan geboren ist und dort auch nicht gelebt hat. Es kann jedoch darüber hinaus nicht festgestellt werden, wo der Beschwerdeführer tatsächlich aufgewachsen ist. Dieser hat unrichtige Angaben zu seiner Identität bei europäischen Asylbehörden getätigt um seine tatsächliche Identität und seine tatsächliche Herkunftsregion zu verschleiern. Dass er nun bei den österreichischen Behörden richtige Angaben gemacht hätte und er nur vor den anderen europäischen Behörden die Unwahrheit gesagt habe (VP S. 8), ist ebenfalls als Schutzbehauptung zu qualifizieren. Zumal er den italienischen Behörden gegenüber auch eine andere Person als Ehefrau genannt hat, als die Zweitbeschwerdeführerin (BF2, AS 79) und er mehrfach unrichtige Angaben zu seiner Identität gemacht hat, ist der Erstbeschwerdeführer als Person unglaubwürdig.
Die Feststellungen zur Identität der Zweit- und Drittbeschwerdeführerin ergeben sich aus den Angaben der Zweitbeschwerdeführerin vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie aufgrund der vorgelegten Geburtsurkunde der Drittbeschwerdeführerin. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum der Zweitbeschwerdeführerin gelten ausschließlich zur Identifizierung der Personen der Beschwerdeführer im Asylverfahren.
Die Feststellungen betreffend die familiären Verhältnisse der Beschwerdeführer zueinander sowie zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer, ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und ihrer Muttersprache, ergeben sich aus den diesbezüglich im gesamten Verfahren übereinstimmenden Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin.
Die Feststellungen zu den Englischkenntnissen des Erstbeschwerdeführers waren aufgrund seiner Vorstellung im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu treffen (VP S. 38). Die Feststellungen zu den geringen Deutschkenntnissen des Erstbeschwerdeführers konnten vom Gericht getroffen werden, da er in der Verhandlung die auf Deutsch gestellten, einfachen Fragen nur zum Teil verstanden hat und auch nur vereinzelt beantworten konnte (VP S. 11).
Die Feststellungen zu den sehr guten Englischkenntnissen der Zweitbeschwerdeführerin waren aufgrund ihrer Vorstellung im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu treffen (VP S. 25 f).
2.1.2. Dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert wurden und sie mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut sind, war aufgrund deren Aufwachsens im afghanischen Umfeld ihrer afghanischen Familie festzustellen. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin haben den Großteil ihres bisherigen Lebens in Afghanistan verbracht, weshalb sie mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut sind.
2.1.3. Die Feststellungen zum Lebenslauf der Zweitbeschwerdeführerin (ihr Aufwachsen und ihre familiäre und wirtschaftliche Situation in Afghanistan, zu ihrer Mitarbeit im Haushalt) ergeben sich aus den diesbezüglich schlüssigen Angaben der Zweitbeschwerdeführerin beim Bundesamt und in der Beschwerdeverhandlung.
Die Angaben der Zweitbeschwerdeführerin, wonach diese keine Schule besucht hätte und Analphabetin wäre, waren hingegen weder glaubhaft noch plausibel. Im gegenständlichen Verfahren, insbesondere bei der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 11.09.2019 hat die Zweitbeschwerdeführerin ihr Vorbringen in bemerkenswert strukturierter Weise, besonders wortgewandt und mit einem sehr umfassenden Wortschatz dargelegt. Dieser Sprachumfang wäre jedoch bei Personen ohne Schulbildung eher nicht anzunehmen. Zudem war die besonders flüssige und akzentfreie Vorstellung der Zweitbeschwerdeführerin in englischer Sprache nicht mit der Behauptung des Analphabetismus in Einklang zu bringen. Die Zweitbeschwerdeführerin gab dazu an, dass sie die englische Sprache in Wort und zum Teil auch in Schrift vom Erstbeschwerdeführer in Griechenland im Jahr 2017 erlernt hätte und sie diese in weiterer Folge durch die Gespräche und Übersetzungen mit bzw. für andere Asylwerber in der Unterkunft verbessert hätte. Dazu ist anzumerken, dass es nicht nachvollziehbar und plausibel ist, dass die Zweitbeschwerdeführerin als Analphabetin binnen 2 1/2 Jahren durch den Erstbeschwerdeführer so gut Englisch erlernt haben will, vor allem unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Vorstellung des Erstbeschwerdeführers in englischer Sprache im Rahmen der mündlichen Verhandlung deutlich hinter dem Niveau der Zweitbeschwerdeführerin zurückgeblieben ist. Auch bei der Abgabe der Unterschrift am Verhandlungsprotokoll, am Protokoll der Erstbefragung sowie am Einvernahmeprotokoll des Bundesamtes, war es der Zweitbeschwerdeführerin ohne besondere Mühe möglich, diese sicher und in einem sehr eleganten Schriftbild zu leisten. Daher war die Behauptung der Zweitbeschwerdeführerin zum Analphabetismus nicht glaubhaft, sondern festzustellen, dass die Zweitbeschwerdeführerin aufgrund ihrer ausgezeichneten Ausdrucksfähigkeit und ihren Englischkenntnissen jedenfalls Schulbildung erhalten hat. Das Ausmaß der Schulbildung konnte hingegen, mangels glaubhafter Angaben der Zweitbeschwerdeführerin, nicht festgestellt werden.
2.1.4. Die Feststellungen zur Ausreise des Erstbeschwerdeführers aus Afghanistan, seine Reisen, Aufenthalte und Asylverfahren in der Europäischen Union waren aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes, insbesondere der Ergebnisse der Dublin-Konsultationen und den damit im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben des Erstbeschwerdeführers zu treffen. Die Ausreise der Zweitbeschwerdeführerin aus Afghanistan sowie ihre Einreise in die Europäische Union war aufgrund ihrer eigenen Angaben sowie den damit übereinstimmenden Angaben des Erstbeschwerdeführers zu treffen.
2.1.5. Dass der Erstbeschwerdeführers und die Zweitbeschwerdeführerin seit April 2017 traditionell miteinander verheiratet sind, ergibt sich aus ihren diesbezüglich im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben beim Bundesamt, wonach sie sich Anfang 2017 in Griechenland kennengelernt und kurze Zeit später traditionell geheiratet haben.
Die gemeinsame Weiterreise in das Bundesgebiet und die Asylantragstellungen waren aufgrund der diesbezüglich widerspruchsfreien Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin in Zusammenschau mit den Verfahrensakten festzustellen. Die Geburtsdaten der Drittbeschwerdeführerin ist durch die vorgelegte inländische amtliche Urkunde erwiesen und ergibt sich die Asylantragstellung für die Drittbeschwerdeführerin zweifelsfrei aus dem vorliegenden Verfahrensakt.
2.1.6. Nachdem die Zweitbeschwerdeführerin hinsichtlich des Aufenthaltsortes ihrer Eltern und Geschwister keine Angaben machen konnte, konnte dazu keine Feststellung getroffen werden. Es war schlüssig und nachvollziehbar, dass die Zweitbeschwerdeführerin gemeinsam mit Ihren Familienangehörigen aus Afghanistan ausgereist ist. Aufgrund der hohen Anzahl von Flüchtlingen bei den Übertrittsstellen an der türkischen Küste ist es auch nachvollziehbar, dass die Zweitbeschwerdeführerin dort ihre Familienangehörigen verloren hat. Die Feststellungen zur wirtschaftlichen Situation der Familie der Zweitbeschwerdeführerin, war aufgrund ihrer gleichbleibenden Angaben festzustellen.
Dass die Zweitbeschwerdeführerin derzeit keinen Kontakt zu ihren Eltern und Geschwistern hat, war aufgrund ihrer eigenen und der damit übereinstimmenden Angaben des Erstbeschwerdeführers festzustellen. Die weiteren Familienangehörigen der Zweitbeschwerdeführerin sowie deren Aufenthaltsorte und der nicht vorhandene Kontakt zu ihnen, war ebenfalls aufgrund der schlüssigen und gleichbleibenden Angaben der Zweitbeschwerdeführerin festzustellen.
2.1.7. Die Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit der Zweitbeschwerdeführerin sowie zum Gesundheitszustand der Zweit- bzw. Drittbeschwerdeführerin waren aufgrund der diesbezüglich nachvollziehbaren Angaben der Zweitbeschwerdeführerin zu treffen. Im Verfahren haben sich diesbezüglich keine gegenteiligen Anhaltspunkte ergeben.
2.1.8. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführer ergibt sich aus der Einsicht in den Strafregisterauszug bzw. betreffend die Drittbeschwerdeführerin daraus, dass diese aufgrund ihres Alter strafunmündig ist.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer:
Das Gericht geht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufgrund des persönlichen Eindrucks des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin davon aus, dass ihnen hinsichtlich ihres Fluchtvorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Die Beschwerdeführer wurden zu Beginn der Verhandlung angehalten, ihr Vorbringen detailliert, konkret und nachvollziehbar zu gestalten. Diesen Anforderungen sind die Beschwerdeführer jedoch nicht gerecht geworden:
2.2.1. Obwohl die Zweitbeschwerdeführerin ein weitschweifiges und strukturiertes Vorbringen zu ihren Fluchtgründen erstattete, waren in ihren Angaben etliche Ungereimtheiten, Unplausibilitäten und Widersprüche enthalten, die ihre Angaben unglaubhaft scheinen lassen. Der Zweitbeschwerdeführerin präsentierte sowohl beim Bundesamt als auch vor Gericht eine größtenteils übereinstimmende Rahmengeschichte, bei etlichen Elementen der Fluchtgeschichte waren die Angaben der Zweitbeschwerdeführerin jedoch inkonsistent und widersprüchlich. Das Gericht verkennt zwar nicht, dass die behaupteten Vorfälle schon einige Zeit zurückliegen und deshalb Erinnerungslücken einer vollkommen detaillierten Erzählung entgegenstehen können. Dass die Zweitbeschwerdeführerin die Ereignisse jedoch in einer derart widersprüchlichen und nicht stringenten Weise wie im konkreten Verfahren schildern würde, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen und wären sie von fluchtauslösender Intensität. Die erzählte Geschichte erweckte für das Gericht daher den Eindruck, dass es sich lediglich um eine auswendig gelernte, konstruierte Geschichte handelt.
Soweit die Zweitbeschwerdeführerin vorbrachte, sie sei in Afghanistan unter Zwang verlobt worden und ihrem gewalttätigen Verlobten ausgesetzt gewesen, waren in ihren diesbezüglichen Angaben erhebliche Widersprüche und Unplausibilitäten enthalten, die das Fluchtvorbringen gänzlich unglaubhaft scheinen lassen:
Bereits zu den Charaktereigenschaften des Verlobten konnte die Zweitbeschwerdeführerin kein konsistentes Bild vermitteln. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt führte die Zweitbeschwerdeführerin noch aus, dass ihr Verlobter streng religiös wäre, bei der mündlichen Verhandlung jedoch gab die Zweitbeschwerdeführerin im Gegensatz dazu an, dass nie über Religion gesprochen worden wäre und der Verlobte streng gewesen wäre, aber nicht aufgrund der Religion (BF 2 AS 251; VP S. 36). Hätte die Zweitbeschwerdeführerin tatsächlich über einen Zeitraum von rund einem Jahr regelmäßigen Kontakt zu ihrem Verlobten gehabt, wäre es ihr sicher möglich derartige Fragen gleichbleibend zu beantworten.
Auch in einem weiteren Punkt war die Zweitbeschwerdeführerin zum Charakterbild ihres Verlobten widersprüchlich. Einerseits beschrieb sie den Verlobten als streng religiös und konservativ, andererseits führte sie mehrfach ins Treffen, dass er sie mehrmals zum außerehelichen Geschlechtsverkehr gedrängt hätte. Diese Angaben sind nicht in Einklang zu bringen, zumal eine strenge religiöse und konservative Einstellung und das Drängen auf vorehelichen Geschlechtsverkehr in diametralem Widerspruch stehen.
Überdies machten die Angaben der Zweitbeschwerdeführerin zur geplanten Hochzeit einen inkonsistenten Eindruck. So führte die Zweitbeschwerdeführerin beim Bundesamt führte aus, dass die Hochzeit in 1 1/2 Jahren geplant gewesen wäre, im Gegensatz dazu gab die Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesverwaltungsgericht an, dass die Hochzeit 1 Jahr nach der Verlobung geplant gewesen wäre (BF 2 AS 249; VP S. 36). Gerade im vorliegenden Fall wäre der Zeitpunkt einer in Aussicht gestellten Zwangshochzeit der Zweitbeschwerdeführerin jedenfalls genau in Erinnerung geblieben, zumal sie ab der Hochzeit ihrem gewalttätigen Verlobten ohne jeglichen elterlichen Schutz ausgesetzt gewesen wäre. Da die diesbezüglichen Angaben aber derartig divergierend waren, waren die Ausführungen der Zweitbeschwerdeführerin nicht glaubhaft.
Auch der Grund für die auffallend lange Verlobungszeit von 1 bzw. 1 1/2 Jahren war nicht schlüssig. Den Angaben der Zweitbeschwerdeführerin zufolge hätte ihr Vater aufgrund ihres jungen Alters die lange Verlobungszeit ausbedungen. Zum Zeitpunkt der Verlobung im Jahr 2015 war die Zweitbeschwerdeführerin jedoch bereits 18 Jahre alt. Unter Berücksichtigung der Länderquellen, wonach das afghanische Zivilgesetz für Mädchen als legales Heiratsalter für Vermählungen 16 Jahre definiert, ist diese Argumentation nicht nachvollziehbar (Beilage ./II, S. 339 f). Bei einem derartig einflussreichen und insistierenden Verlobten, wie er von der Zweitbeschwerdeführerin im Verfahren beschrieben wurde, ist es zudem nicht schlüssig, dass dieser nach der Verlobung und trotz gesetzlicher Ehemündigkeit der Zweitbeschwerdeführerin eine derartige Bedingung des Vaters der Zweitbeschwerdeführerin akzeptiert hätte.
Zudem waren die zeitlichen Angaben der Zweitbeschwerdeführerin hinsichtlich der Zwangsverlobung nicht stringent. Beim Bundesamt führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, dass die Verlobung etwa 3 Jahre vor der Einvernahme, sohin im Juni 2015 stattgefunden habe, bei einer weiteren Einvernahme vor dem Bundesamt gab sie an, dass die Verlobung 1 Monat nach dem afghanischen Neujahr und etwa 4 Jahre vor der Einvernahme, sohin im März bzw. November 2014, stattgefunden habe. Beim Bundesverwaltungsgericht gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass die Verlobung vor 4 bzw. 4 1/2 Jahren, sohin zwischen März und September 2015, stattgefunden habe (BF 2 AS 177, AS 247; VP S. 33).
Das Gericht übersieht dabei nicht, dass die Zweitbeschwerdeführerin angab Analphabetin zu sein, was jedoch wie unter Punkt 2.1.3. dargelegt nicht glaubhaft ist. Die Zweitbeschwerdeführerin machte auf das Gericht einen gebildeten Eindruck. Aufgrund ihres Bildungsgrades und ihrer Artikulationsweise ist es unplausibel, dass die Zweitbeschwerdeführerin derart divergierende Angaben bezüglich der zeitlichen Daten ihrer Zwangsverlobung gemacht hat, zumal die Verlobung entgegen ihrem Willen doch ein sehr einprägsames Erlebnis im Leben der Zweitbeschwerdeführerin gewesen sein müsste. Es ist daher davon auszugehen, dass - hätte die Verlobung tatsächlich stattgefunden - sie den Zeitpunkt der Zwangsverlobung auch stringent hätte angeben können.
Auch die geschilderte Vorgehensweise des Verlobten hinsichtlich der Einwilligung des Vaters der Zweitbeschwerdeführerin war nicht glaubhaft. Beim Bundesamt gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass der Kommandant persönlich mit seinen Wachleuten und zwei "Weißbärtigen" den Vater der Zweitbeschwerdeführerin um Erlaubnis gebeten hätte, einmal zu Hause und drei oder vier Mal im Geschäft des Vaters (BF 2 AS 247). Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vo