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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §12;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde der AS in St. M, vertreten durch Dr. Franz Gölles, 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 22, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 16. Dezember 1997, Zl. LGS600/LA2/1218/1997-Dr.J/S, betreffend Widerruf und Rückforderung von Karenzurlaubsgeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von S 15.000,-- (darin S 2.500,-- Beschwerdegebühr) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde das der Beschwerdeführerin ausbezahlte Karenzurlaubsgeld für den Zeitraum vom 6. Oktober 1995 bis 23. Juli 1997 widerrufen und sie zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen im Betrag von S 221.044,-- verpflichtet. Nach Wiedergabe der von der belangten Behörde angewendeten gesetzlichen Bestimmungen und der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides sowie des Berufungsvorbringens begründet die belangte Behörde ihren Bescheid wie folgt:
"Aus Anlaß der Geburt Ihres Sohnes ... - aus welchem Anlaß
Sie sich in dem Zeitraum vom 7.6.1995 (bis 27.9.1995) im
Wochengeldbezug bzw. in Anstaltspflege befanden - stellten Sie
am 27.9.1995 bei der regionalen Geschäftsstelle des
Arbeitsmarktservice Graz den Antrag auf Karenzurlaubsgeld. Nach
den getätigten Angaben haben Sie land(forst)wirtschaftlichen
Besitz gepachtet, verpachtet oder übergeben, bewirtschaften Sie
land(forst)wirtschaftlichen Besitz und beträgt die Höhe des
Einheitswertes S 86.000,-- (Pkt. 7. des Antragsformulares). Die
Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Angaben bekräftigten Sie
mit Ihrer Unterschrift. Im Zuge dieser Antragstellung vorgelegt
haben Sie u.a. einen am 6.10.1995 errichteten Notariatsakt,
wonach Sie Ihrem Ehemann ... die Hälfte der von Ihnen
innegehabten Landwirtschaft mit einem Einheitswert von
S 86.000,-- schenken. Bis dahin waren Sie Alleineigentümerin
der Liegenschaft EZ 154 ... mit einem Ausmaß von 11,7771 ha und
EZ 271 ... im Ausmaß von 1,3504 ha. Im Zuge dieser
Antragstellung ebenfalls vorgelegt wurde der
Feststellungsbescheid zum 1.1.1995 Zurechnungsfortschreibung
des Finanzamtes Graz-Umgebung ... vom Jänner 1995, wonach Ihnen
ein landwirtschaftlicher Betrieb ... mit einem Einheitswert von
S 86.000,-- zur Gänze (1/1-Anteil) zugerechnet wird. Für den
Zeitraum vom Juli bis September 1995 wurden Sie bei der
Sozialversicherungsanstalt der Bauern als Betriebsführerin mit
voller Beitragsgrundlage in der Pensionsversicherung erfaßt
(Beitragsvorschreibung). Nach der im Zuge dieser Antragstellung
auf Karenzurlaubsgeld schließlich von Ihnen und Ihrem Ehemann
unterfertigten Erklärung-Landwirtschaft waren Ihnen und Ihrem
Ehemann je die Hälfte dieser Landwirtschaft mit dem
Einheitswert von S 86.000,-- zuzurechnen. Nach den von Ihnen
getätigten Angaben bzw. den vorgelegten Urkunden sprach darauf
die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Graz mit
dem Bescheid vom 27.10.1995 aus, daß Ihrem Antrag auf
Karenzurlaubsgeld für den Zeitraum vom 28.9. bis 5.10.1995
keine Folge gegeben wird, da Sie eine Landwirtschaft mit einem
Einheitswert von S 86.000,- bewirtschaften; für den Zeitraum ab
6.10.1995 wurde Ihr Anspruch auf Karenzurlaubsgeld anerkannt,
dies bis zum voraussichtlichen Ende 23.7.1997, für welchen
Zeitraum Sie auch das Karenzurlaubsgeld ausbezahlt erhielten,
und zwar insgesamt in der nunmehr zurückgeforderten Höhe. Eine
weitere Antragstellung auf Gewährung von Leistungen aus der
Arbeitslosenversicherung erfolgte nicht. Nachträglich und von
dritter Seite erlangte das Arbeitsmarktservice Kenntnis davon,
daß Sie einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb mit einem
sozialversicherungsrechtlichen Einheitswert von S 86.000,--
(Eigengrund) bewirtschaften. Zugrunde liegt dem eine
schriftliche Erklärung Ihrerseits, wonach Sie aufgrund der
beiden mündlichen Einverständnisse allein die Landwirtschaft
EZ 154 ab 6.10.1995 auf eigene Rechung und Gefahr führen. Am
20.10.1997 erstellte die regionale Geschäftsstelle des
Arbeitsmarktservice Graz den durch die vorliegende Berufung
bekämpften Bescheid, den Sie ... am 23.10.1997 erhalten haben.
Unmittelbar darauf, nämlich am 24.10.1997, teilten Sie mit, daß Sie ab 1.10.1997 die Ihrem Ehegatten geschenkte Liegenschaftshälfte von diesem gepachtet hätten, daß aber die EZ 154 ab 6.10.1995 auf gemeinsame Rechnung und Gefahr von Ihnen und Ihrem Ehegatten geführt worden sei ... . Diese Ihre Erklärungen wurden von der Sozialversicherungsanstalt der Bauern letztlich zur Kenntnis genommen. Einer Bitte des Arbeitsmarktservice bekanntzugeben, ob Sie (EU-)Förderungen für die verfahrensgegenständliche Landwirtschaft in den Jahren 1995 und 1996 beantragt haben und bejahendenfalls Kopien davon zur Verfügung zu stellen, haben Sie entsprochen, indem Sie zwei Schreiben der Agrarmarkt Austria, datierend vom 3.1.1996 und 20.12.1996, überlassen haben, die Anträge Ihrerseits, die die Gewährung von degressiven Ausgleichszahlungen für landwirtschaftliche Kulturpflanzen (Kleinerzeugerregelung) der Ernte 1995 und Preisausgleichszahlungen für Erzeuger landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (Kleinerzeugerregelung) betreffen, die den Kulturpflanzenausgleich der Ernte 1996 zum Gegenstand haben, sind (ausschließlich) an Sie ergangen. Die verfahrensgegenständliche Landwirtschaft ist daher, abweichend von Ihrer späteren Erklärung, während des gesamten Zeitraumes des Bezuges von Karenzurlaubsgeld Ihnen zuzurechnen."
In rechtlicher Hinsicht beurteilte die belangte Behörde diesen Sachverhalt dahin, daß die Beschwerdeführerin gemäß § 12 Abs. 3 lit. b in Verbindung mit Abs. 6 lit. b AlVG nicht als arbeitslos gelte und daher gemäß § 26 Abs. 3 lit. b in Verbindung mit Abs. 4 keinen Anspruch auf Karenzurlaubsgeld habe, weil sie einen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftet habe, dessen Einheitswert S 54.000,-- überstiegen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Begründung des angefochtenen Bescheides erschöpft sich - soweit sie sich nicht auf Zeiträume vor dem Beginn des Bezuges von Karenzurlaubsgeld, dem 6. Oktober 1995 bezieht - im wesentlichen in der Wiedergabe von Erklärungen und Schriftstücken und stellt den äußeren Vorgang des Ermittlungsverfahrens und die dabei ermittelten Verfahrensergebnisse dar.
Ermittlungen darüber, ob zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ehegatten ein wirksamer Schenkungsvertrag und eine auf diesem Schenkungsvertrag beruhende Eigentumsübertragung stattgefunden hat, bejahendenfalls aufgrund welcher Umstände die belangte Behörde angenommen hat, daß die Beschwerdeführerin dennoch den landwirtschaftlichen Betrieb im streitgegenständlichen Zeitraum zur Gänze auf eigene Rechnung und Gefahr führte, läßt der angefochtene Bescheid zur Gänze vermissen. Die belangte Behörde reiht vielmehr Sachverhaltselemente aneinander und zieht aus ihnen teils nicht nachvollziehbare Schlüsse, teils läßt sie andere Verfahrensergebnisse, die möglicherweise auch gegenteilige Schlußfolgerungen zuließen, außer acht: So wird eine Erklärung der Beschwerdeführerin wiedergegeben, wonach sie die ihrem Ehegatten geschenkte Liegenschaftshälfte ab "1.10.1997" (somit ab einem Zeitpunkt, der nach dem Bezug von Karenzurlaubsgeld liegt) von ihrem Ehemann "gepachtet" hätte, andererseits werden eine Antragstellung der Beschwerdeführerin auf "EU-Förderungen" bzw. an sie adressierte Schreiben der Agrarmarkt Austria zitiert, aus denen zwar der Schluß gezogen werden kann, daß die Beschwerdeführerin einen landwirtschaftlichen Betrieb auf ihre Rechnung und Gefahr führte, nicht aber, in welchem Umfang. Eine Reihe weiterer Sachverhaltsmomente, welche die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides aufzählt, beziehen sich nicht auf den strittigen Zeitraum vom 6. Oktober 1995 bis 23. Juni 1997, wie etwa der Feststellungsbescheid des Finanzamtes vom 1. Jänner 1995 und die Beitragsvorschreibung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern von Juli bis September 1995. Auch die "schriftliche Erklärung" der Beschwerdeführerin vom 19. November 1996 (eingelangt bei der Sozialversicherungsanstalt der Bauern am 21. November 1996), daß sie aufgrund "der beiden mündlichen Einverständnisse EZ 154 ... allein die Landwirtschaft ... die Rechnung auf eigene Gefahr (rückwirkend ab 6. Oktober 1995)" führe, läßt für sich allein ebensowenig einen Schluß darauf zu, daß die Beschwerdeführerin während des maßgebenden Zeitraumes einen landwirtschaftlichen Betrieb mit einem Einheitswert von mehr als S 54.000,-- auf eigene Rechnung und Gefahr geführt hat. Die belangte Behörde übergeht in diesem Zusammenhang auch eine weitere aktenkundige Niederschrift mit der Beschwerdeführerin, aufgenommen von der Sozialversicherungsanstalt der Bauern am 24. Oktober 1997, in der diese erklärt, daß "das Schreiben v. 21.11.1996 aufgrund eines Irrtums passiert ist". Die belangte Behörde zitiert in der Begründung ihres Bescheides lediglich den zweiten Teil dieser Niederschrift, wonach die Beschwerdeführerin mitgeteilt habe, daß ab 1. Oktober 1997 die Liegenschaftshälfte ihres Ehegatten von ihr gepachtet worden und die Liegenschaft EZ 154 ab 6. Oktober 1995 auf gemeinsame Rechnung und Gefahr geführt worden sei.
Die Schlußfolgerung der belangten Behörde, "die verfahrensgegenständliche Landwirtschaft ist daher abweichend von (der) späteren Erklärung, während des gesamten Zeitraumes des Bezuges von Karenzurlaubsgeld (der Beschwerdeführerin) zuzurechnen" entbehrt daher nicht nur entsprechender, auf einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung beruhender Sachverhaltsfeststellungen; die belangte Behörde hat vielmehr auch Umstände, die auch in eine andere Richtung gedeutet werden könnten, in ihre Überlegungen überhaupt nicht einbezogen.
Der Sachverhalt ist daher teilweise ergänzungsbedürftig, teils hat die belangte Behörde gegen ihre Begründungspflicht verstoßen. Hinsichtlich der Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebes mit einem Einheitswert von S 86.000,-- durch die zwei Hälfteeigentümer auf gemeinsame Rechnung und Gefahr im Sinne des § 12 Abs. 6 lit. b AlVG wird die belangte Behörde auch das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1994, Zl. 94/08/0001 zu berücksichtigen haben. Da sie bei Unterbleiben dieser Verfahrensmängel zu einem anderen Ergebnis des Verfahrens hätte gelangen können, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998080040.X00Im RIS seit
18.10.2001