TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/12 G307 2224082-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.11.2019
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Entscheidungsdatum

12.11.2019

Norm

BFA-VG §18
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §67
FPG §70

Spruch

G307 2224082-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA.: Rumänien, vertreten durch die Diakonie, gemeinnützige Flüchtlingsgesellschaft mbH - ARGE Rechtsberatung in 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.09.2019, Zahl XXXX, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid

behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) wurde anlässlich einer Anhaltung durch Organe der Finanzpolizei im Bundesgebiet vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) amXXXX2019 niederschriftlich einvernommen.

2. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, dem BF persönlich zugestellt am 04.09.2019, wurde gegen diesen gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf 18 Monate befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), dem BF gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) sowie einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. (Spruchpunkt III.)

3. Am XXXX2019 wurde der BF auf dem Luftweg nach Rumänien abgeschoben.

4. Mit per E-Mail am 02.10.2019 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz erhob der BF durch seine Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurden neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und Einvernahme von Zeugen, die ersatzlose Behebung des Aufenthaltsverbotes, in eventu die Herabsetzung seiner Dauer beantragt.

5. Die gegenständliche Beschwerde und der zugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA samt seiner Stellungnahme dem BVwG am 09.10.2019 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum), und ist rumänischer Staatsbürger.

1.2. Der BF verfügt bis auf die Zeit vom 23.11.2015 bis zum 05.04.2016 und vom 07.11.2016 bis zum 05.01.2018 über keine Wohnsitzmeldungen in Österreich.

1.3. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufgehalten hat.

1.4. Der BF ging am XXXX2019 einer Erwerbstätigkeit in Österreich nach, ohne zur Sozialversicherung angemeldet gewesen zu sein, wobei er von Organen der Finanzpolizei betreten wurde. Es konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass er mit der Absicht, unter Missachtung sozialversicherungsrechtlicher Meldepflichten eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, ins Bundesgebiet eingereist ist.

1.5. Der BF verfügt zudem über keine Sozialversicherung.

1.6. Im Herkunftsstaat hält sich die Frau des BF auf und besitzt er dort eine Liegenschaft.

1.7. In Österreich leben 5 volljährige Kinder des BF. Bei einem von ihnen nahm der BF unangemeldet Unterkunft.

1.8. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer tiefgreifenden Integration konnten nicht festgestellt werden.

1.9. Der BF ging von 03.12.2016 bis 31.03.2016 und 12.11.2016 bis 31.03.2017 Erwerbstätigkeiten in Österreich nach.

1.10. Der Lebensmittelpunkt des BF liegt in Rumänien, wo er den Beruf des Automechanikers erlernt hat, am Bau erwerbstätig war und sich zuletzt mit Arbeiten in der Landwirtschaft seinen Lebensunterhalt verdient hat.

1.11. In strafgerichtlicher Hinsicht erweist sich der BF als unbescholten und wurde dieser am XXXX2019 auf dem Luftweg nach Rumänien abgeschoben.

1.12. Der BF ist nicht im Besitz einer Anmeldebescheinigung.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität, Staatsangehörigkeit, Wohnsitzmeldungen in Österreich, Fehlen einer aktuellen Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet, Betretung im Bundesgebiet durch Organe der Finanzpolizei, Ausübung einer Erwerbstätigkeit in Österreich am XXXX2019 ohne erfolgte Anmeldung zur Sozialversicherung, Fehlen eines Versicherungsschutzes, fehlenden Anhaltspunkten für eine tiefgreifende Integration, Nachgehen von Erwerbstätigkeiten in Österreich innerhalb der oben erwähnten Zeitspannen, Nichtbesitz einer Anmeldebescheinigung sowie Erwerbstätigkeiten im Herkunftsstaat getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten wurde.

Ferner finden die besagten Feststellungen zudem im Datenbestand des Zentralen Melde- und Fremdenregisters, im Inhalt des auf den BF lautenden Sozialversicherungsauszug, der Vorlage eines Personalausweises des BF sowie in seinen Angaben vor der belangten Behörde eine Bestätigung.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF erschließt sich aus dem Amtswissen des erkennenden Gerichts (Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich) und beruht die Abschiebung des BF auf dem Inhalt einer entsprechenden Bestätigung des Stadtpolizeikommandos XXXX, GZ.: XXXX, vom XXXX2019.

Dem - teils durch den Datenbestand des ZMR bestätigten - widerspruchfrei gebliebenen Vorbringen des BF folgen die Feststellungen zu den familiären Anknüpfungspunkten in Österreich, der Unterkunftnahme bei einem seiner Söhne sowie zum Aufenthalt seiner Frau in Rumänien. Ferner erschließt sich der in Rumänien gelegene Lebensmittelpunkt aus den Feststellungen zu den Erwerbstätigkeiten und familiären Bezügen in Rumänien sowie dem fehlenden Vorbringen eines dem entgegenstehenden Sachverhaltes.

Dass der BF keine Anmeldebestätigung besitzt, beruht auf dem Datenbestand des Zentralen Fremdenregisters, dessen Inhalt weder eine Antragstellung seitens des BF noch eine dahingehende Ausstellung entnommen werden kann.

Die nicht feststellbare Dauer eines mehr als drei Monate andauernden Aufenthalts des BF in Österreich ergibt sich aus dessen plausiblen Angaben vor der belangten Behörde und dem Vorbringen in der gegenständlichen Beschwerde. Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde in deren Stellungnahme kann das erkennende Gericht keine Widersprüchlichkeiten in den Angaben des BF erkennen. Wenn der BF auch eingestanden hat, die letzten Jahre arbeitslos gewesen zu sein, so scheint das Bundesamt zu übersehen, dass er auch angab, sich seinen Lebensunterhalt auch mit Erträgen aus eigener Landwirtschaft verdient zu haben. Dies untermauernd gab der BF an, über € 200,00 monatlich verfügt und lediglich € 20,00 an monatlichen Ausgaben gehabt zu haben sowie über Liegenschaftsbesitz in Rumänien zu verfügen. Zudem, wie von der belangten Behörde völlig außer Acht gelassen wurde, behauptete der BF den Besitz eines Girokontos in Rumänien mit einem Guthaben von € 125,00 was wiederum sein Vorbringen über - hinreichende - Einkünfte im Herkunftsstaat unterstreicht. Letztlich hat es das BFA im Zuge der Feststellung des Einreisezeitpunktes des BF unterlassen, seine Angaben hinsichtlich des Einreisegrundes, nämlich den runden Geburtstag eines seiner Söhne feiern zu wollen, zu überprüfen und in ihre Überlegungen miteinzubeziehen. So hat der BF vor der belangten Behörde die Personalien seiner Angehörigen in Österreich offengelegt und hätte eine einfache Abfrage des Datenbestandes im Zentralen Melderegister zu den besagten Personen hervorgebracht, dass ein Sohn des BF, XXXX, geb. XXXX, wie vom BF behauptet, tatsächlich am XXXX2019 seinen 20. Geburtstag feierte, was als weiteres Indiz für die Glaubwürdigkeit des BF hinsichtlich seines Vorbringens, am 01.09.2019 wegen des Geburtstages des besagten Sohnes ins Bundesgebiet eingereist zu sein, angesehen werden kann. Letztlich bestritt der BF wiederholt, den Vorsatz gehegt zu haben, zum Zwecke der Aufnahme einer Beschäftigung in Österreich unter Missachtung von sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen ins Bundesgebiet eingereist zu sein.

Es ist EWR-Bürgern erlaubt, mit Personalausweisen innerhalb des Unionsgebietes zu verreisen, demzufolge werden auch keine Einreisevermerke in allfälligen Reisedokumenten angebracht. Ferner wird Unionsbürgern eine Meldepflicht nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erst bei einem mehr als dreimonatigen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedsstaat auferlegt. Diese Umstände können dem BF nicht dahingehend zum Nachteil gereichen, keinen Nachweis hinsichtlich des Zeitpunktes seiner Einreise nach Österreich erbracht zu haben. Wenn die Behörde Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Angaben des BF hegt, hätte diese weitere Ermittlungen, wie beispielsweise die Einvernahme der Söhne des BF oder - wie zuvor ausgeführt - eine Abfrage des Datenbestandes des ZMR, anstrengen müssen. Aus Sicht des erkennenden Gerichts erweisen sich die Angaben des BF als nachvollziehbar und konsistent, sodass diesen Glauben geschenkt wird. Es konnte daher weder ein drei Monate übersteigender Aufenthalt in Österreich noch ein im Zeitpunkt der Einreise gehegter Vorsatz, eine Erwerbstätigkeit unter Missachtung gültiger sozialversicherungsrechtlicher Meldepflichten aufnehmen zu wollen, festgestellt werden. Demzufolge erübrigt sich eine Einvernahme der vom BF benannten Zeugen in der Sache.

Anhaltspunkte, dass der BF schon länger der besagten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, konnten nicht gefasst werden. Die belangte Behörde hat dazu auch keine weiteren Nachforschungen getätigt und spricht der Umstand, dass der vermeintliche Arbeitgeber auf telefonische Befragung den BF nicht kannte, vielmehr gegen das Bestehen eines längerfristigen Arbeitsverhältnisses. Zudem kann dieser Umstand auch als Bestätigung der Angaben des BF angesehen werden, wonach dieser vermeinte selbst keinen direkten Kontakt zu seinem Arbeitgeber aufgenommen zu haben, sondern dies über seinen Sohn erfolgt sei. Insofern ließe sich auch die Unwissenheit des BF hinsichtlich näherer Angaben zu seinem Arbeitsgeber erklären.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides.:

3.1.1. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jener der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg cit als EWR-Bürger, jener Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.

Der BF als Staatsangehöriger von Rumänien ist sohin EWR-Bürger iSd.

§ 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

3.1.2. Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet:

"§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

Der mit "Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern" betitelte § 53a NAG lautet wie folgt:

"§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von

1. Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;

2. Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder

3. durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.

(3) Abweichend von Abs. 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie

1. zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;

2. sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder

3. drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;

Für den Erwerb des Rechts nach den Z 1 und 2 gelten die Zeiten der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Zeiten gemäß § 51 Abs. 2 sind bei der Berechnung der Fristen zu berücksichtigen. Soweit der Ehegatte oder eingetragene Partner des EWR-Bürgers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder diese nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat, entfallen die Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer und der Dauer der Erwerbstätigkeit in Z 1 und 2.

(4) EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 sind, erwerben ebenfalls das Daueraufenthaltsrecht, wenn der zusammenführende EWR-Bürger das Daueraufenthaltsrecht gemäß Abs. 3 vorzeitig erworben hat oder vor seinem Tod erworben hatte, sofern sie bereits bei Entstehung seines Daueraufenthaltsrechtes bei dem EWR-Bürger ihren ständigen Aufenthalt hatten.

(5) Ist der EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 im Laufe seines Erwerbslebens verstorben, bevor er gemäß Abs. 3 das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, so erwerben seine Angehörigen, die selbst EWR-Bürger sind und die zum Zeitpunkt seines Todes bei ihm ihren ständigen Aufenthalt hatten, das Daueraufenthaltsrecht, wenn

1. sich der EWR-Bürger zum Zeitpunkt seines Todes seit mindestens zwei Jahren im Bundesgebiet ununterbrochen aufgehalten hat;

2. der EWR-Bürger infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verstorben ist, oder

3. der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner die österreichische Staatsangehörigkeit nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat."

Der mit "Voraussetzung für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet" betitelte § 31 FPG lautet:

"§ 31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005 zukommt;

5. bis zur Entscheidung über einen Verlängerungsantrag (§ 2 Abs. 4 Z 17a), solange der Aufenthalt als Saisonier in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt die Dauer von neun Monaten nicht überschreitet;

6. wenn sie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels für unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer gemäß ICT-Richtlinie eines anderen Mitgliedstaates sind, der das SDÜ nicht vollständig anwendet, und § 18 Abs. 13 AuslBG erfüllen, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 180 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 90 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind;

7. wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels "Forscher" eines anderen Mitgliedstaates sind und eine Tätigkeit für eine Forschungseinrichtung ausüben, die gemäß § 1 Abs. 2 lit. h AuslBG vom sachlichen Anwendungsbereich des AuslBG ausgenommen ist, oder als deren Familienangehörige Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels eines anderen Mitgliedstaates sind, solange jeweils ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 360 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 180 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind;

8. wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels "Student" eines anderen Mitgliedstaates sind und an einem Unions- oder multilateralen Programm mit Mobilitätsmaßnahmen teilnehmen oder für sie eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Hochschuleinrichtungen besteht, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet nicht insgesamt die Dauer von 360 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind, oder

9. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

(1a) Liegt kein Fall des Abs. 1 vor, halten sich Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf; dies insbesondere, wenn sie

1. auf Grund eines Rückübernahmeabkommens (§ 19 Abs. 4) oder internationaler Gepflogenheiten rückgenommen werden mussten,

2. auf Grund einer Durchbeförderungserklärung, sonstiger zwischenstaatlicher Abkommen oder auf Ersuchen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union um Durchbeförderung (§ 45b Abs. 1) oder auf Grund einer Durchlieferungsbewilligung gemäß § 47 ARHG oder § 35 des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), BGBl. I Nr. 36/2004, eingereist sind,

3. geduldet sind (§ 46a) oder

4. eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 erhalten haben.

(Anm.: Abs. 2 und 3 aufgehoben durch Art. 2 Z 48, BGBl. I Nr. 145/2017)

(4) Kinder, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, halten sich während der ersten sechs Lebensmonate rechtmäßig im Bundesgebiet auf, sofern die Mutter oder ein anderer Fremder, dem Pflege und Erziehung des Kindes zukommt, rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen ist; dies gilt, solange der Betreffende rechtmäßig niedergelassen bleibt, bei Ableitung vom Vater überdies nur, wenn diesem das Recht zur Pflege und Erziehung allein zukommt. Außerdem sind solche Kinder während der ersten sechs Lebensmonate rechtmäßig aufhältig, sofern und solange deren Pflege und Erziehung einem österreichischen Staatsbürger mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet allein zukommt."

§ 15a FPG normiert, dass EWR-Bürger Visumfreiheit genießen und das Recht auf Aufenthalt für einen Zeitraum von drei Monaten haben. Darüber hinaus besteht ein Aufenthaltsrecht nach Maßgabe des 4. Hauptstückes des 2. Teils des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes.

Gemäß Art 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/38/EG, vom 30.04.2004, L 158/93, hat ein Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten, wobei er lediglich im Besitz eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses sein muss und ansonsten keine weiteren Bedingungen zu erfüllen oder Formalitäten zu erledigen braucht.

Der mit "Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate" betitelte § 51 NAG lautet:

"§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er

1. wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;

2. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;

3. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder

4. eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.

(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen."

Gemäß Art 1 Verordnung EU Nr. 492/2011, vom 05.04.2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union, ist jeder Staatsangehörige eines Mitgliedstaats ungeachtet seines Wohnorts berechtigt, eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats nach den für die Arbeitnehmer dieses Staates geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften aufzunehmen und auszuüben.

3.1.3. Der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA war aus folgenden Gründen stattzugeben:

Da vom BF, der aufgrund seiner rumänischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt, die Voraussetzung eines durchgehenden Aufenthaltes im Bundesgebiet weder seit mehr als 5 noch 10 Jahren erfüllt ist, kommt für diesen der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 1. und 2. Satz FPG für Unionsbürger zu Anwendung.

Gegen den BF als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 Abs. 1 FPG sohin nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet wäre. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

"Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. - noch zu § 86 FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011, der Vorgängerbestimmung des § 67 FPG - etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. September 2007, Zl. 2007/21/0197, und vom 21. Februar 2013, Zl. 2012/23/0042, mwN)." (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039)

Zudem gilt es festzuhalten, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen eigenständig und unabhängig von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096) und es bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes/Einreiseverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung geht. (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

Aufenthaltsverbote knüpfen tatbestandsmäßig nicht an einen (aktuellen) Inlandsaufenthalt an und sind somit auch dann möglich, wenn sich der betreffende Fremde (schon) im Ausland befindet. (vgl. VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0237)

3.1.4. Der BF ging unbestritten einer Erwerbstätigkeit in Österreich nach, ohne zur Sozialversicherung angemeldet gewesen zu sein. Jedoch gilt es dabei zu bedenken, dass er als EWR-Bürger zur Aufnahme von Erwerbstätigkeiten im Bundesgebiet berechtigt ist und gemäß § 33 Abs. 1 ASVG den Dienstgeber, und nicht den Arbeitnehmer eine Anmeldepflicht zur Sozialversicherung trifft. Dem erkennenden Gericht erschließt sich sohin nicht, wie die belangte Behörde zu der Annahme gelangt, dass der BF - als EWR-Bürger - einer Tätigkeit nachgegangen sei, welche grundsätzlich auch bewilligungspflichtig wäre (siehe Bescheid S 6, 2. Absatz), und diesem die unterlassene Meldung an den Sozialversicherungsträger vorgeworfen werden könne. Zwar gestand der BF vor der belangten Behörde ein, von der unterlassenen Anmeldung seiner Person für die Dauer eines Tages gewusst zu haben. Den Vorsatz, auch darüber hinaus unangemeldet weiterarbeiten zu wollen, bestritt der BF wiederholt und konnten keine Anhaltspunkte festgestellt werden, dass er mehr als einen Tag der besagten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist.

Ferner kann dem BF aufgrund eines einen drei Monate nicht übersteigenden Aufenthalts in Österreich der Nichtbesitz bzw. die Beantragung einer Anmeldebescheinigung nicht angelastet werden (siehe § 53 Abs. 1 erster Satz NAG). Zudem dokumentiert eine Anmeldebescheinigung bloß ein sich unmittelbar aus dem Unionsrecht ableitendes Aufenthaltsrecht, und verleiht es nicht (vgl. VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0264).

Insofern die belangte Behörde dem BF das Fehlen einer Sozialversicherung und die damit einhergehende Möglichkeit, im Falle eines Arbeitsunfalles Kosten für die Republik zu erzeugen zum Vorwurf macht, ist entgegenzuhalten, dass zum einen der BF als EWR-Bürger bis zu einer Aufenthaltsdauer in Österreich von 3 Monaten den Nachweis einer solchen nicht zu erbringen braucht (siehe Art 6 Abs. 1 RL 2008/38EG, vom 30.04.2004 sowie §§ 15a und 51 NAG). Zum anderen handelt es sich bei der Sozialversicherung gemäß § 10 Abs. 1 ASVG um eine Pflichtversicherung, welche ex lege mit Aufnahme einer Beschäftigung in Österreich, ungeachtet einer erfolgten Meldung durch den Arbeitgeber, einsetzt. Im Falle eines Arbeitsunfalles wäre der BF sohin jedenfalls unfallversichert gewesen (vgl. § 4 Abs. 1 und Abs. 2 iVm. § 5 Abs. 2 Z 2 und Abs.2 ASVG) und müsste der Arbeitgeber für die ausständigen Versicherungsbeiträge haften (vgl. § 58 Abs. 2 ASVG).

Dem BF kann letztlich einzig die Unterlassung einer Wohnsitzmeldung iSd. § 2 Abs. 1 und § 7 Abs. 1 MeldeG sowie das Antreten einer Erwerbstätigkeit im Wissen um die unterlassene Meldung beim Sozialversicherungsträger durch seinen Arbeitgeber für die Dauer eines Tages zum Vorhalt gemacht werden.

Im Ergebnis kann im besagten Verhalten des BF jedoch kein die öffentliche Ordnung maßgeblich gefährdendes und beeinträchtigendes - die Schwelle des § 67 Abs. 1 2. Satz FPG erreichendes -Fehlverhalten gesehen werden. Das erkennende Gericht verkennt keinesfalls, dass der Beachtung gültiger melde- und sozialversicherungsrechtlicher Bestimmungen eine große Bedeutung beizumessen ist. Der BF erweist sich jedoch in strafgerichtlicher Hinsicht als unbescholten, kann ein unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet nicht festgestellt werden und trat dieser erstmals fremdenrechtlich in Erscheinung.

Das vom BF gezeigte Verhalten lässt eine maßgebliche Gefährdung öffentlicher Interessen, insbesondere der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht erkennen, sodass sich im konkreten Fall die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes in Ermangelung des Vorliegens der Voraussetzungen iSd. § 67 Abs. 1 2. Satz FPG als unzulässig erweist.

Demzufolge war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid zur Gänze zu beheben.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Es wurde in der Beschwerde kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Es konnte daher die gegenständliche Entscheidung auf Grund der Aktenlage getroffen und von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu Spruchteil B) - Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, Durchsetzungsaufschub, Interessenabwägung,
öffentliche Ordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G307.2224082.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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