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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §24 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde des HG in G, vertreten durch Dr. Helmut Klementschitz, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Friedrichgasse 6, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 20. März 1997, Zl. LGS600/LA2/1218/1997-Dr.Puy/Fe, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Graz vom 2. Oktober 1995, mit dem die dem Beschwerdeführer vom 9. März 1990 bis 9. April 1995 gewährte Notstandshilfe gemäß § 38 i.V.m. § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen und gemäß § 38 i.V.m.
§ 25 Abs. 1 AlVG der empfangene Betrag von S 527.753,-- zurückgefordert wurde, dahingehend Folge gegeben, daß der Rückforderungsbetrag auf S 515.345,-- vermindert wurde.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Notstandshilfe im Anschluß an den Bezug von Arbeitslosengeld (bis 3. März 1985) sei mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 20. März 1986 abgelehnt worden, weil der Beschwerdeführer wegen seines Studiums nicht als arbeitslos gegolten habe. Seit dieser Zeit habe der Beschwerdeführer seinen jeweiligen Beratern bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice nie mehr sein Studium bekanntgegeben und habe in allen seinen Anträgen auf Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe die Frage nach dem Besuch einer Lehranstalt (Hochschule, Fachschule u.dgl.) oder eines Kurses verneint; dies inbesonders in den verfahrensgegenständlichen Anträgen vom 18. April 1990, 16. Jänner 1991, 11. Oktober 1991,
14. Juli 1992, 27. Dezember 1993 und 22. Dezember 1994. Im Zuge von anonymen Anzeigen darüber, daß der Beschwerdeführer neben dem Bezug von Notstandshilfe einer diesen Anspruch ausschließenden Tätigkeit nachgehe und ein Einkommen erziele (Schwarzarbeit), sei auch der Verdacht laut geworden, daß der Beschwerdeführer studiere. Mit dem am 25. April 1995 bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Graz eingelangten Schreiben der Karl-Franzens-Universität Graz vom 24. April 1995 sei bekanntgeworden, daß der Beschwerdeführer unter dem Namen "Manfred Gruber" vom Wintersemester 1979/80 durchlaufend bis einschließlich Sommersemester 1986 und vom Sommersemester 1987 durchlaufend bis einschließlich Sommersemester 1995 als ordentlicher Hörer für die Studienrichtung Betriebswirtschaft inskribiert sei und im Wintersemester 1986/87 immatrikulierter Hörer gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe am 30. Juni 1995 bestätigt, daß er als ordentlicher Hörer inskribiert gewesen sei und habe erklärt, dies deshalb im Antrag nicht angegeben zu haben, weil er die Universität "nicht besuche".
Nach der Aktenlage sei der Beschwerdeführer neben seinem Studium seit 1979 lediglich in den Jahren 1979 bis 1984, einmal 8, einmal 14, einmal 4 und siebenmal 11 Tage, beschäftigt gewesen. Schließlich sei er noch in der Zeit vom 9. Juni 1987 bis 31. Oktober 1987 (145 Tage) in einem arbeitslosenversicherungspflichtigen Dienstverhältnis gestanden. Weitere ordnungsgemäß gemeldete Beschäftigungszeiten lägen nicht vor.
Aus § 12 Abs. 3 lit. f AlVG ergebe sich, daß derjenige nicht als arbeitslos anzusehen sei, der als ordentlicher Hörer einer Hochschule ausgebildet werde. Ein ordentlicher Hörer einer Hochschule gelte daher generell nicht als arbeitslos. In der bis 31. Dezember 1993 geltenden Fassung des § 12 Abs. 4 AlVG habe - abgesehen davon, daß eine Parallelität zwischen Studium und arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung gefordert worden sei - in berücksichtigungswürdigen Fällen eine Ausnahme zugelassen werden können. Ein berücksichtigungswürdiger Fall sei insbesondere dann vorgelegen, wenn die Ausbildung aus arbeitsmarktpolitischen Gründen zu begrüßen gewesen sei, d.h., der Arbeitslose hätte ohne das Studium keine Chance am Arbeitsmarkt gehabt. Ein derartiger berücksichtigungswürdiger Fall sei beim Beschwerdeführer nicht gegeben gewesen, weil er mit seiner Handelsakademie-Matura und Praxis als Bankangestellter bei entsprechendem Bemühen bei Erlangung eines Arbeitsplatzes erfolgreich gewesen wäre. Eine Entscheidung, daß kein berücksichtigungswürdiger Grund vorgelegen sei, sei auch bereits 1986 getroffen worden.
In der ab 1. Jänner 1994 geltenden Fassung des § 12 Abs. 4 AlVG sei eine Ausnahme nur dann zulässig, wenn die Parallelität zwischen Studium und Beschäftigung längere Zeit hindurch gegeben sei. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes könne von einem längeren Zeitraum nur dann gesprochen werden, wenn 18 Wochen Beschäftigung während des Studiums vorlägen, wobei aber die Beschäftigung während der Hauptferien in Abzug zu bringen sei. Eine derartige Parallelität zwischen Studium an der Karl-Franzens-Universität und Beschäftigung sei beim Beschwerdeführer überhaupt nie gegeben gewesen und hätte daher nie eine Ausnahme gemacht werden können.
Es sei somit wegen des Studiums des Beschwerdeführers Arbeitslosigkeit nicht vorgelegen. Der Widerruf der gewährten Notstandshilfe sei daher für den gesamten genannten Zeitraum vorzunehmen, weil im § 24 keine dem § 25 Abs. 6 AlVG entsprechende Bestimmung enthalten sei.
Auch die Rückforderung des empfangenen Betrages sei zu bejahen, weil der Beschwerdeführer in den wiederholten Anträgen auf Gewährung der Notstandshilfe das Studium verschwiegen habe. Er habe somit einen Tatbestand gemäß § 25 Abs. 1 AlVG i.V.m.
§ 38 leg. cit. gesetzt. Es sei bereits 1986 bescheidmäßig deutlich ausgesprochen worden, daß der Beschwerdeführer wegen seines Studiums nicht arbeitslos sei und keinen Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung habe. Da der Beschwerdeführer bereits nach seinen damaligen Angaben keine Prüfungen abgelegt habe, sei ihm bekannt gewesen, daß die Inskription allein Arbeitslosigkeit ausschließe. Der Hinweis des Beschwerdeführers, daß er bei der Antragstellung nicht darüber belehrt worden sei, könne daran nichts ändern: Zum einen könne vorausgesetzt werden, daß ein ehemaliger Bankangestellter, Absolvent der Handelsakademie und Student, der immerhin einen Teil seines Studiums bereits hinter sich gebracht habe, imstande sei, einen Antrag auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, in welchem die Fragen klar gestellt seien und den er bereits wiederholt ausgefüllt habe, richtig auszufüllen und daß er sich, bevor er den Wahrheitsgehalt seiner Angaben mit der Unterschrift bekräftige, Gedanken darüber mache. Im Zweifelsfalle hätte dieser Antragsteller auch fragen können. Aus dem Gesamtbild sei vielmehr anzunehmen, daß der Beschwerdeführer aufgrund der bereits erfolgten, im Instanzenzug bestätigten Ablehnung seines Antrages wegen des Studiums bewußt unwahre Angaben gemacht habe. Die Behörde habe Kenntnis vom Rückforderungstatbestand am 25. April 1995 erlangt. Die Rückforderung der Notstandshilfe habe daher erst ab 25. April 1990 zu erfolgen, wodurch sich der Rückforderungsbetrag (im Vergleich zur Entscheidung der ersten Instanz) verringere.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Der Beschwerdeführer macht geltend, die belangte Behörde hätte seinem Berufungsvorbringen in keiner Weise Rechnung getragen, insbesondere diesem, wonach er anläßlich der Antragstellungen durch den zuständigen Beamten nicht ordnungsgemäß manuduziert worden sei. Wäre er seinerzeit durch den zuständigen Bearbeiter seines Antrages darauf hingewiesen worden, daß ein Studium seinem Antrag auf Notstandshilfe entgegenstehe, und er ex lege als nicht arbeitslos gelte, hätte er bereits seinerzeit den Antrag auf Exmatrikulation gestellt. Eine diesbezügliche Belehrung habe seitens des Arbeitsamtes erst am 30. Juni 1995 stattgefunden und habe er auch postwendend exmatrikuliert. Der seinerzeitige Sachbearbeiter wäre jedenfalls verpflichtet gewesen, ihn auf diesen Umstand hinzuweisen. Dies ergebe sich auch daraus, daß in den den zuerkennenden Mitteilungen der Behörde beigeschlossenen Hinweisblättern bzw. auf der Rückseite der Mitteilungen aufgedruckten Hinweisen in keiner Weise auf den Umstand, daß die Aufnahme eines Studiums dem Anspruch auf Notstandshilfe entgegenstehe, Bezug genommen werde. Es finde sich auch kein Hinweis darauf, daß diesbezüglich eine Meldeverpflichtung bestehe. Die Behörde hätte daher dazu sowohl ihn als auch den seinerzeitigen Sachbearbeiter einvernehmen müssen. Der Beschwerdeführer habe die empfangene Leistung jedenfalls zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes aufwenden müssen, sodaß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG keine Anwendung finden könne.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Dem Hinweis des Beschwerdeführers, er sei nicht ordnungsgemäß manuduziert worden, ist folgendes zu entgegnen:
Die nach den Bestimmungen des AlVG angeordnete Verwendung des bundeseinheitlich aufgelegten Antragsformulares stellt sicher, daß durch eine gezielte schriftliche, mit Erläuterungen in Form von Beispielsfällen versehene Befragung der Antragsteller möglichst alle für Grund und Ausmaß des Anspruches auf Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung bedeutsamen Umstände erhoben werden. Es wäre - zur Vermeidung von ungerechtfertigtem Bezug von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung - Sache des Beschwerdeführers gewesen, diese Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten bzw. - bei möglichen Zweifelsfragen über den Inhalt einer Frage, wie jener, was als Studium zu gelten habe - sich durch ergänzende Erkundigungen z. B. bei einem Berater des AMS kundig zu machen. Im übrigen hat die belangte Behörde (in bezug auf solche möglichen Zweifel) zutreffend auf die - nicht bestrittene - Abweisung eines Antrages des Beschwerdeführers im Jahre 1986 aus dem Grunde seiner Inskription hingewiesen. Ihr ist auch darin beizupflichten, daß die in den jeweiligen Antragsformularen enthaltene Frage mit dem Wortlaut "Ich besuche eine Lehranstalt (Hochschule, Fachschule u.dgl.) oder einen Kurs u.dgl." klar und deutlich gestellt ist. Daß unter Besuch einer Universität jedenfalls die Inskription zu verstehen ist, ergibt sich aus dem allgemeinen Sprachgebrauch.
Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer in den jeweiligen Anträgen diese Frage wahrheitswidrig verneinte. Die (belangte) Behörde war daher ab Bekanntwerden der Immatrikulation und Inskription des Beschwerdeführers an der Karl-Franzens-Universität berechtigt und verpflichtet, zu prüfen, ob sich auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes die Leistung als gesetzlich begründet oder nicht begründet (§ 24 Abs. 2 AlVG) erweist, und demnach die Rückforderung des empfangenen Betrages nach § 25 Abs. 1 AVG zulässig ist. Hiebei ist sie - zutreffend - entsprechend der grundsätzlichen Zeitraumbezogenheit von Widerrufs- und Rückforderungsansprüchen von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. April 1998, Zl. 96/08/0295) von der Bestimmung des § 12 Abs. 4 AlVG i.d.F. bis 31. Dezember 1993 und in der ab 1. Jänner 1994 ausgegangen. Daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für den erstgenannten Zeitraum (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 5. September 1995, Zl. 94/08/0033) und/oder für den anschließenden Zeitraum (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, Zl. 96/08/0125) erfüllte, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Die Angaben des Beschwerdeführers zu der in Rede stehenden Frage in den jeweiligen Antragsformblättern waren - unstrittig - falsch. Sie haben daher den Rückforderungstatbestand des Bezuges von Notstandshilfe aufgrund unwahrer Angaben erfüllt (vgl. dazu die
hg. Erkenntnisse vom 30. September 1994, Zl. 93/08/0270, und vom 17. Dezember 1996, Zl. 96/08/0134). Die Beschwerde erweist sich daher als nicht begründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997080164.X00Im RIS seit
18.10.2001