TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/18 G313 2176792-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.11.2019
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Entscheidungsdatum

18.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G313 2176792-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, vertreten durch RA Dr. Engelbert Georg FLOTZINGER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.10.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.03.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Nach illegaler Einreise stellte der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) am 26.09.2015 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 27.09.2015 fand vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes eine Erstbefragung des BF statt.

3. Am 19.04.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen.

4. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 26.09.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.), dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt III.), und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1. bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise des BF zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.)

5. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Es wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen, in eventu eine mündliche Verhandlung durchzuführen und der Beschwerde stattzugeben und dem BF den Status des Asylberechtigten, in eventu den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren, in eventu die gegen ihn erlassene Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären und dem BF von Amts wegen einen Aufenthaltstitel zu erteilen.

6. Am 16.11.2017 wurde dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt vorgelegt.

7. Am 29.03.2019 wurde vor dem BVwG, Außenstelle Graz, mit dem BF und seinem Rechtsvertreter im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Im Zuge dieser wurde auch eine Freundin des BF als Zeugin einvernommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist irakischer Staatsangehöriger und gehört der arabischen Volksgruppe und der muslimisch-sunnitischen Glaubensrichtung an. Er stammt ursprünglich aus Mossul, ist wegen dortiger Unruhen im Juli 2014 mit seiner Familie von Mossul nach Bagdad geflüchtet, wo er sich im Zeitraum von Juli 2014 bis zu seiner Ausreise Anfang September 2015 aufgehalten hat.

1.2. Der BF besuchte in seinem Herkunftsstaat die Schule, hat zunächst in Mossul studiert und das letzte Jahr seines technischen Studiums in Bagdad absolviert, parallel zu seinem Studium in Mossul und Bagdad jeweils ein Internetgeschäft betrieben und auch einmal in einem Kosmetikshop gearbeitet.

1.3. Im September 2015 ist der BF legal aus seinem Herkunftsstaat ausgereist und zunächst von Bagdad in die Türkei geflogen und dann über Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich gereist.

Festgestellt wird, dass der BF in Griechenland, dem ersten EU-Mitgliedstaat auf seiner Reise, keinen Asylantrag gestellt hat, sondern bis nach Österreich gereist ist, um hier einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen.

1.4. Das Fluchtvorbringen des BF vor dem BFA, im Zuge der schiitischen Inbesitznahme seines Wohnviertels und damit auch seines Geschäftes, wogegen er sich gewehrt habe, von einem Führer der schiitischen Miliz Asa¿ib Ahl al-Haqq zunächst persönlich und daraufhin mittels Drohbrief mit dem Tod bedroht worden zu sein, war nicht glaubwürdig.

1.4.1. Festgestellt werden kann, dass der BF während seines Aufenthaltes in Bagdad von Juli 2014 bis zur Ausreise Anfang September 2015 in Bagdad regelmäßig auf dem Weg zur Universität und retour auch mit Personalausweis unterwegs war und sämtliche Checkpoints offenbar ohne nennenswerte Probleme passieren konnte.

1.5. Der BF ist ledig, hat keine Kinder, und in Österreich keine Familienangehörigen, hält sich die Familie des BF mit Eltern, zwei Schwestern und weiteren in einem anderen Stadtviertel Bagdads lebenden Verwandten, bei denen er mit seiner Familie nach ihrer Flucht aus Mossul anfangs unterkommen konnte, doch nach wie vor in Bagdad auf.

Der BF ist nach seiner Ausreise in der Türkei auf zwei Cousins getroffen, wobei einer von ihnen mittlerweile zu seiner Frau in den kurdischen Teil des Irak zurückgekehrt und der andere in die Vereinigten Arabischen Emirate gezogen ist, weil dessen Familie dort ein Geschäft hat.

Der BF hat regelmäßigen Telefon- und Internetkontakt mit seiner in Bagdad verbliebenen Familie.

1.6. Der BF konnte in Österreich bislang seinen Lebensunterhalt durch staatliche Grundversorgungsleistungen bestreiten und nach nachweislichem Bemühen um Beschäftigung im März 2019 Einstellungszusagen erhalten.

1.7. Der BF hat in Österreich einige Integrationsschritte gesetzt:

Er hat in Österreich einige Deutschkurse besucht, im März 2017 das ÖSD Zertifikat A1 erworben und zuletzt an einer Universität in Österreich im Jänner 2019 einen Deutschkurs mit "Zielniveau B1/B1+" positiv abschließen können.

Der BF geht seit Anfang des Jahres 2019 einer freiwilligen ehrenamtlichen Tätigkeit im Bereich der Altenpflege nach.

Er konnte in Österreich Sozialkontakte knüpfen und Freundschaften schließen und zum Nachweis seiner sozialen Integration im Bundesgebiet einige mit März 2019 datierte Unterstützungsschreiben von Privatpersonen vorlegen.

Im Zuge eines Unterstützungsschreibens von April 2017 gab die Deutschlehrerin des BF aus seinem früheren Asylquartier unter anderem bekannt, dass der BF im August 2016 mit zwei irakischen Freunden in ihre Wohnung gezogen ist. Aus einem weiteren von der Lehrerin des BF verfassten Unterstützungsschreiben von März 2019 geht hervor, dass der BF zusammen mit einem irakischen Freund - der zweite der zwei mit dem BF im August 2016 in die Wohnung der Lehrerin gezogenen Iraker ist nicht mehr dort wohnhaft - noch immer in ihrer Wohnung wohnt. Die Lehrerin nahm zudem in beiden Unterstützungsschreiben - von April 2017 und März 2019 - auf vom BF zu seiner Familie in Bagdad aufrecht gehaltenen Telefonkontakt Bezug.

Der BF bemüht sich, wie aus einigen vorgelegten Bewerbungsschreiben hervorgeht, um den Erhalt einer Arbeitsstelle und konnte im März 2019 auch eine Einstellungszusage erhalten.

Am 07.06.2019 langte beim BVwG die dem BF am 03.06.2019 erteilte Gewerbeberechtigung betreffend das freie Gewerbe der Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern (mit einem insgesamt 3.500 Kilogramm nicht übersteigenden Gesamtgewicht) als weiterer Integrationsnachweis ein.

1.8. Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

2. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

2.1. Sicherheitslage Bagdad

Die Provinz Bagdad ist die kleinste und am dichtesten bevölkerte Provinz des Irak, mit einer Bevölkerung von mehr als sieben Millionen Menschen. Die Mehrheit der Einwohner Bagdads sind Schiiten. In der Vergangenheit umfasste die Hauptstadt viele gemischte schiitische, sunnitische und christliche Viertel, der Bürgerkrieg von 2006-2007 veränderte jedoch die demografische Verteilung in der Stadt und führte zu einer Verringerung der sozialen Durchmischung sowie zum Entstehen von zunehmend homogenen Vierteln. Viele Sunniten flohen aus der Stadt, um der Bedrohung durch schiitische Milizen zu entkommen. Die Sicherheit der Provinz wird sowohl vom "Baghdad Operations Command" kontrolliert, der seine Mitglieder aus der Armee, der Polizei und dem Geheimdienst zieht, als auch von den schiitischen Milizen, die als stärker werdend beschrieben werden (OFPRA 10.11.2017).

Im Jahr 2016 verzeichnete die Provinz Bagdad noch immer die höchste Zahl an Opfern im gesamten Land. Die Sicherheitslage verbesserte sich jedoch in Bagdad als die Schlacht um Mosul begann. Während Joel Wing im Januar 2016 in Bagdad noch durchschnittlich 11,6 Angriffe pro Tag verzeichnete, sank diese Zahl zwischen April und September 2017 auf durchschnittlich 3 Angriffe pro Tag (OFPRA 10.11.2017; vgl. Joel Wing 8.7.2017, Joel Wing 4.10.2017). Seit 2016 ist das Ausmaß der Gewalt in Bagdad allmählich zurückgegangen. Es gab einen Rückgang an IS-Aktivität, nach den Vorstößen der irakischen Truppen im Nordirak, obwohl der IS weiterhin regelmäßig Angriffe gegen militärische und zivile Ziele durchführt, insbesondere, aber nicht ausschließlich, in schiitischen Stadtvierteln. Darüber hinaus sind sunnitische Bewohner der Gefahr von Übergriffen durch schiitische Milizen ausgesetzt, einschließlich Entführungen und außergerichtlichen Hinrichtungen (OFPRA 10.11.2017).

Terroristische und politisch motivierte Gewalt setzte sich das ganze Jahr 2017 über fort. Bagdad war besonders betroffen. UNAMI berichtete, dass es von Januar bis Oktober 2017 in Bagdad fast täglich zu Angriffen mit improvisierten Sprengkörpern kam. Laut UNAMI zielten einige Angriffe auf Regierungsgebäude oder Checkpoints ab, die von Sicherheitskräften besetzt waren, während viele andere Angriffe auf Zivilisten gerichtet waren. Der IS führte Angriffe gegen die Zivilbevölkerung durch, einschließlich Autobomben- und Selbstmordattentate (USDOS 20.4.2018).

Laut Joel Wing kam es im Januar 2018 noch zu durchschnittlich 3,3 sicherheitsrelevanten Vorfällen in Bagdad pro Tag, eine Zahl die bis Juni 2018 auf durchschnittlich 1,1 Vorfälle pro Tag sank (Joel Wing 3.7.2018). Seit Juni 2018 ist die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in Bagdad langsam wieder auf 1,5 Vorfälle pro Tag im Juli, 1,8 Vorfälle pro Tag im August und 2,1 Vorfälle pro Tag im September gestiegen. Diese Angriffe bleiben Routine, wie Schießereien und improvisierte Sprengkörper und konzentrieren sich hauptsächlich auf die äußeren südlichen und nördlichen Gebiete der Provinz (Joel Wing 6.10.2018).

Insgesamt kam es im September 2018 in der Provinz Bagdad zu 65 sicherheitsrelevanten Vorfällen. Damit verzeichnete Bagdad die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen im ganzen Land (Joel Wing 6.10.2018). Auch in der ersten und dritten Oktoberwoche 2018 führte Bagdad das Land in Bezug auf die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle an. Wenn man jedoch die Größe der Stadt bedenkt, sind Angriffe immer noch selten (Joel Wing 9.10.2018 und Joel Wing 30.10.2018).

In Bezug auf die Opferzahlen war Bagdad von Januar bis März 2018, im Mai 2018, sowie von Juli bis September 2018 die am schwersten betroffene Provinz im Land (UNAMI 1.2.2018; UNAMI 2.3.2018; UNAMI 4.4.2018; UNAMI 31.5.2018; UNAMI 1.8.2018; UNAMI 3.9.2018; UNAMI 1.10.2018). Im September 2018 verzeichnete UNAMI beispielsweise 101 zivile Opfer in Bagdad (31 Tote, 70 Verletzte) (UNAMI 1.10.2018).

Quellen:

? Joel Wing - Musings on Iraq (8.7.2017): 3,230 Dead, 1,128 Wounded

In Iraq June 2017,

https://musingsoniraq.blogspot.com/2017/07/3230-dead-1128-wounded-in-iraq-june-2017.html, Zugriff 1.11.2018

? Joel Wing - Musings on Iraq (4.10.2017): 728 Dead And 549 Wounded

In September 2017 In Iraq,

https://musingsoniraq.blogspot.com/2017/10/728-dead-and-549-wounded-in-september.html , Zugriff 1.11.2018

? Joel Wing - Musings on Iraq (6.10.2018): Islamic State Returns To Baghdad While Overall Security In Iraq Remains Steady, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/islamic-state-returns-to-baghdad-while.html , Zugriff 30.10.2018

? Joel Wing - Musings on Iraq (9.10.2018): Security In Iraq Oct 1-7, 2018,

https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/security-in-iraq-oct-1-7-2018.html, Zugriff 1.11.2018

? Joel Wing - Musings on Iraq (30.10.2018): Security In Iraq Oct 22-28, 2018,

https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/security-in-iraq-oct-22-28-2018.html, Zugriff 1.11.2018

? OFPRA - Office Français de Protection des Réfugiés et Apatrides (10.11.2017): The Security situation in Baghdad Governorate, https://www.ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/39_irq_security_situation_in_baghdad.pdf, Zugriff 31.10.2018UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.2.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of January 2018,

http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=8500:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-january-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

? UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (2.3.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of February 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=8643:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-february-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

? UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (4.4.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of March 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=8801:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-march-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

? UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (31.5.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of May 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9155:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-may-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

? UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.8.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of July 2018, http://www.uniraq.org/index.php?

option=com_k2&view=item&id=9402:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-july 2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

? UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (3.9.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of August 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9542:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-august-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

? UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.10.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of September 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9687:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-september-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 31.10.2018

? USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html , Zugriff 31.10.2018

2.2. Volksmobilisierungseinheiten (PMF)

2.2.1. Der Name "Volksmobilisierungseinheiten" (al-hashd al-sha'bi, engl.: popular mobilization units, PMU oder popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF), bezeichnet eine Dachorganisation für etwa vierzig bis siebzig Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen (Süß 21.8.2017). Die PMF werden vom Staat unterstützt und sind landesweit tätig. Die Mehrheit der PMF-Einheiten ist schiitisch, was die Demografie des Landes widerspiegelt. Sunnitische, jesidische, christliche und andere "Minderheiten-Einheiten" der PMF sind in ihren Heimatregionen tätig (USDOS 20.4.2018). Es gibt große, gut ausgerüstete Milizen, quasi militärische Verbände, wie die Badr-Organisation, mit eigenen Vertretern im Parlament, aber auch kleine improvisierte Einheiten mit wenigen Hundert Mitgliedern, wie die Miliz der Schabak. Viele Milizen werden von Nachbarstaaten wie dem Iran oder Saudi-Arabien unterstützt. Die Türkei unterhält in Baschika nördlich von Mosul ein eigenes Ausbildungslager für sunnitische Milizen. Die Milizen haben eine ambivalente Rolle. Einerseits wäre die irakische Armee ohne sie nicht in der Lage gewesen, den IS zu besiegen und Großveranstaltungen wie die Pilgerfahrten nach Kerbala mit jährlich bis zu 20 Millionen Pilgern zu schützen. Andererseits stellen die Milizen einen enormen Machtfaktor mit Eigeninteressen dar, was sich in der gesamten Gesellschaft, der Verwaltung und in der Politik widerspiegelt und zu einem allgemeinen Klima der Korruption und des Nepotismus beiträgt (AA 12.2.2018).

Die PMF unterstehen seit 2017 formal dem Oberbefehl des irakischen Ministerpräsidenten, dessen tatsächliche Einflussmöglichkeiten aber weiterhin als begrenzt gelten (AA 12.2.2018). Obwohl die PMF laut Gesetz auf Einsätze im Irak beschränkt sind, sollen, ohne Befugnis durch die irakische Regierung, in einigen Fällen Einheiten das Assad-Regime in Syrien unterstützt haben. Die irakische Regierung erkennt diese Kämpfer nicht als Mitglieder der PMF an, obwohl ihre Organisationen Teil der PMF sind. Alle PMF-Einheiten sind offiziell dem Nationalen Sicherheitsberater unterstellt. In der Praxis gehorchen aber mehrere Einheiten auch dem Iran und der iranischen Revolutionsgarde. Ende 2017 war keine einheitliche Führung und Kontrolle der PMF durch Premierminister und ISF feststellbar, insbesondere nicht der mit dem Iran verbundenen Einheiten. Die Bemühungen der Regierung, die PMF als staatliche Sicherheitsbehörde zu formalisieren, werden fortgesetzt, aber Teile der PMF bleiben "iranisch" ausgerichtet. Das Handeln dieser unterschiedlichen Einheiten stellt zeitweise eine zusätzliche Herausforderung in Bezug auf die Sicherheitslage dar, insbesondere - aber nicht nur - in ethnissch und religiös gemischten Gebieten des Landes (USDOS 20.4.2018). Die Schwäche der ISF hat es vornehmlich schiitischen Milizen, wie den vom Iran unterstützten Badr-Brigaden, den Asa'ib Ahl al-Haqq und den Kata'ib Hisbollah, erlaubt, Parallelstrukturen im Zentralirak und im Süden des Landes aufzubauen. Die PMF waren und sind ein integraler Bestandteil der Anti-IS-Operationen, wurden jedoch zuletzt in Kämpfen um sensible sunnitische Ortschaften nicht an vorderster Front eingesetzt. Es gab eine Vielzahl an Vorwürfen von Plünderungen und Gewalttaten durch die PMF. Diese Meldungen haben sich mit dem Konflikt um die umstrittenen Gebiete zum Teil verschärft (AA 12.2.2018).

2.2.2. Die Asa'ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz'ali-Netzwerk, League of the Righteous) wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Asa'ib Ahl al-Haqq unternahm den Versuch, sich als politische Kraft zu etablieren, konnte bei den Parlamentswahlen 2014 allerdings nur ein einziges Mandat gewinnen. Ausgegangen wird von einer Gruppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist wie die Badr-Oganisation und Kata'ib Hizbullah vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Sie gilt heute als gefürchtetste, weil besonders gewalttätige Gruppierung innerhalb der Volksmobilisierung, die religiös-politische mit kriminellen Motiven verbindet. Ihr Befehlshaber Khaz'ali ist einer der bekanntesten Anführer der PMF (Süß 21.8.2017).

Quellen:

? AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf

? Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Al-Hashd ash-Sha'bi: Die irakischen "Volksmobilisierungseinheiten" (PMU/PMF), in BFA Staatendokumentation: Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1410004/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 31.10.2018

? USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 31.10.2018

2.3.Rückkehr

Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. (AA 12.2.2018).

Quellen:

? AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018

2.4. Verfolgung aufgrund eines "sunnitischen/schiitischen Namens"

Im bewaffneten Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten im Irak fällt es den jeweiligen Gruppen häufig schwer, zu erkennen, wer Freund und wer Feind ist. Daher suchen sich Milizen beider Seiten ihre Opfer zum Teil anhand der Vornamen aus, da diese bei vielen Irakern das einzige religionsbezogene Unterscheidungsmerkmal sind. So kann es in bestimmten Fällen gefährlich sein, einen sunnitisch konnotierten Namen zu tragen. Zum Teil geben Sunniten, wenn sie nach ihrem Namen gefragt werden, andere (eher schiitisch konnotierte) Namen an. Wenn sie aber beispielsweise bei Polizeikontrollen ihre Identifikationskarten vorzeigen müssen, auf denen ihr richtiger Name steht, sind sie häufig Schikanen ausgesetzt. Viele werden auf Grund ihres Namens sogar getötet. Der Markt für gefälschte ID-Karten wächst daher. Es existieren darüber hinaus Websites, auf denen Tipps gegeben werden, wie man sich verhalten sollte, um seine Identität als Sunnit nicht preiszugeben, beispielsweise, wie man beten oder sprechen soll, etc. Es werden auch Tipps gegeben, wie man sich eine gefälschte ID-Karte beschafft (Time 10.6.2006).

Laut der israelischen Zeitung Haaretz finden es Christen und sunnitische Moslems im Irak zunehmend ratsam, oder zumindest der Karriere dienlich, ihren Namen zu ändern, um ihre religiöse Identität zu verschleiern. Hunderte von sunnitischen Irakern ändern ihre Namen, obwohl dieser Prozess kein einfacher ist. Das irakische Innenministerium erlaubt das Ändern des Vornamens grundsätzlich eigentlich nicht (mit der Ausnahme des mit Exdiktator Saddam Hussein konnotierten Namens Saddam, in diesem Fall ist die Namensänderung erlaubt).

Omar beispielsweise ist ein typisch sunnitischer Name - die Regierung und die mit ihr verbündeten Milizen in der Provinz, in der der 29-jährige Omar Yassin al-Dulaimi lebt, sind jedoch schiitisch. Somit ist es für ihn das Beste, seine sunnitische Identität zu verbergen. Er änderte seinen Namen in Mohammed.

Quellen:

? Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Irak: Verfolgung aufgrund eines "sunnitischen/schiitischen Namens", 06.10.2016

3. Beweiswürdigung:

3.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

3.2. Zur Person des BF und seinen individuellen Verhältnissen:

Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des BF beruhen auf seinem vorgelegten bereits von der belangten Behörde für unbedenklich befundenen Personalausweis.

Dass der BF der arabischen Volksgruppe und der muslimisch-schiitischen Glaubensrichtung angehört, geht aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt hervor.

Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen des BF ergaben sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt. Dass der BF regelmäßig Internetkontakt zu seiner in Bagdad verbliebenen Familie hat, geht aus seinem glaubhaften Vorbringen in der mündlichen Verhandlung am 29.03.2019, den Kontakt zu seiner Familie über Internet aufrecht zu halten (VH-Niederschrift, S. 11), hervor. Dass der BF mit seiner Familie in Bagdad auch Telefonkontakt hat, geht aus den beiden vorgelegten Unterstützungsschreiben seiner Lehrerin aus seinem ehemaligen Asylquartier glaubhaft hervor.

Im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 29.03.2019 gab der BF glaubhaft an, er sei in der Türkei auf zwei Cousins getroffen. Von diesen sei einer mittlerweile wieder zu seiner Frau in den kurdischen Teil Iraks und der andere in die Vereinigten Arabischen Emirate, wo dessen Familie ein Geschäft hat, gezogen. (VH-Niederschrift, S. 11).

3.3. Zum Fluchtvorbringen:

Das Fluchtvorbringen des BF, in Bagdad im Zuge der schiitischen Inbesitznahme seines Wohnviertels und damit auch seines Geschäftes, wogegen er sich gewehrt habe, von einem namentlich genannten schiitischen Milizführer zunächst persönlich und dann mittels Drohbrief bedroht worden zu sein, konnte wegen widersprüchlicher Angaben nicht geglaubt werden.

Der BF hat vor dem BFA namentlich einen schiitischen Milizführer als Verfasser des Drohbriefs angeführt.

Er gab vor dem BFA befragt, woher er wisse, dass der Drohbrief von diesem schiitischen Milizangehörigen stamme, an:

"Ich weiß es nicht, aber 2 Tage vorher haben wir gestritten."

Befragt, von wem der BF nunmehr im Irak bedroht werde, gab der BF an:

"Im Protokoll steht unbekannt, aber ich bin sicher es war (...)."

Nach einer zehnminütigen Pause befragt, wo denn nunmehr die Bedrohung liege, habe doch besagter schiitischer Milizangehöriger nunmehr sein Geschäft, erklärte der BF:

"Weil ich mir nicht sicher bin, ob (...) den Drohbrief geschrieben hat. Es kann auch jemand anders sein." (Niederschrift über Einvernahme des BF vor BFA, S. 11).

Aus diesem Aussageverhalten, vor allem seiner Antwort auf die letzte Frage, worin denn nun die Bedrohung liege, sei sein Geschäft doch mittlerweile in schiitischen Besitz gelangt, sich nicht sicher zu sein, ob tatsächlich der von ihm namentlich genannte schiitische Milizführer dahinterstecke, könne doch auch jemand anderer dahinterstecken, ist ersichtlich, dass der BF seine Antworten jeweils zu seinen Gunsten angepasst bzw. verändert hat.

Der BF beharrte in seiner Beschwerde auf die Wahrheit seines Fluchtvorbringens und die Echtheit und Richtigkeit der von ihm vorgelegten Unterlagen, darunter eines Polizeiprotokolls und eines Drohbriefs. Er hob hervor, dass die Anzeige "einzig wegen der realen Bedrohung und der damit ausgelösten Angst" erfolgt sei und der Drohbrief folgenden Wortlaut habe, soweit er diesen mithilfe seiner österreichischen Freunde ermitteln können habe:

"An einen der Sunniten (handschriftlich eingefügt Name des BF) Geh weg oder du wirst sterben. Letzte Warnung (wörtlich: Ich habe es dir schon gesagt, ich werde es nicht noch einmal sagen)"

In der mündlichen Verhandlung gab der BF folgenden Wortlaut des Drohbriefes an:

"RAUS, ansonst ist dein Schicksal der Tod!"

Obwohl die in der mündlichen Verhandlung wiedergegebene Drohung sich im Wesentlichen mit der wörtlichen Wiedergabe des Drohbriefs in der Beschwerde deckt, fehlt bei der Angabe in der mündlichen Verhandlung der Beisatz, dass dies die letzte Warnung sei. Gerade bei einem Drohbrief mit Bedrohung des eigenen Lebens wäre eine im Wesentlichen inhaltsgleiche Wiedergabe zu erwarten.

Sowohl in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA als auch in der mündlichen Verhandlung gab der BF an, am 23.08.2015 bei ihm in der Wohnung den Drohbrief vorgefunden zu haben und am nächsten Tag zur Polizei gegangen zu sein. Bei einer tatsächlichen Todesdrohung wäre jedoch zu erwarten gewesen, dass sich der BF sofort, sobald er den Drohbrief entdeckt hat, an die Polizei gewandt hat, auch wenn er, wie er in der mündlichen Verhandlung angab, den Drohbrief erst "am späten Abend", als er nachhause gekommen sei, gefunden haben soll (VH-Niederschrift, S. 8).

Ein Widerspruch findet sich zudem darin, dass der BF in der mündlichen Verhandlung davon sprach, er sei, nachdem er bei der Polizei gewesen sei, wieder nachhause gegangen, habe den Polizisten gegenüber jedoch gesagt, er halte sich nicht zuhause, sondern bei Verwandten in einem anderen Bezirk auf (VH-Niederschrift, S. 9f), in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA jedoch angab, tatsächlich bei seinen Verwandten Zuflucht gefunden zu haben. (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 10). Bei diesen Verwandten sei er laut vorherigen Angaben vor dem BFA mit seiner Familie nach ihrer Flucht von Mossul nach Bagdad zunächst untergekommen, bis sie eine Wohnung gefunden haben (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 9).

Der BF berichtete vor dem BFA zudem, die Polizei habe im Polizeiprotokoll nicht den Namen des vom BF verdächtigten schiitischen Milizführer festhalten wollen, sondern in ihren Bericht Drohungen seitens unbekannter Krimineller geschrieben (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 10).

In der mündlichen Verhandlung berichtete der BF erstmals davon, die Polizei habe selbst Angst vor dem besagten schiitischen Milizangehörigen gehabt und sich nicht mit ihm anlegen und ihn deshalb nicht im Polizeiprotokoll festhalten wollen (VH-Niederschrift, S. 8f).

Während der BF vor dem BFA angab, nach seiner Ausreise sei sein Geschäft enteignet worden, der Vater des BF habe nichts dagegen unternehmen können (Niederschrift über Einvernahme des BF vor BFA, S. 10f), erwähnte er in der mündlichen Verhandlung nichts von einer stattgefundenen Enteignung seines Geschäftes, sondern gab er nur an, sein Vater wolle vom schiitischen Milizangehörigen seine Ruhe haben und bezahle nunmehr die von ihm verlangten Gebühren (VH-Niederschrift, S. 10).

Während der BF vor dem BFA angab, sein Vater habe dem schiitischen Milizangehörigen gesagt, nicht zu wissen, wo sich der BF aufhalte, und ihm, um seine Ruhe zu haben, auch gesagt, er kenne den BF nicht mehr (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 10), gab er in der mündlichen Verhandlung an, sein Vater habe dem schiitischen Milizangehörigen nur gesagt, er wisse nicht, wo sich der BF aufhalte, und wisse nur, dass er nach Erhalt des Drohbriefs ausgereist sei (VH-Niederschrift, S. 10). Davon, dass der Vater des BF den BF nicht mehr kennen würde, war in der Verhandlung nicht mehr die Rede.

Ein weiterer Widerspruch war darin erkennbar, dass der BF vor dem BFA angab, er habe nach Anraten seines Vaters bei Verwandten seine Ausreise vorbereitet (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 10), in der mündlichen Verhandlung jedoch davon sprach, der Vater des BF habe seine Ausreise vorbereitet und ihm ein Flugticket besorgt:

"Ich habe mich in unserer Wohnung versteckt. Ich habe mich nicht getraut, aus der Wohnung zu gehen, bis mein Vater mir das Ticket gekauft hat. Weil ich - wie gesagt - bekanntgegeben habe, dass ich nicht mehr in dem Bezirk lebe."

Das Fluchtvorbringen des BF rund um die angeblich fluchtauslösende Bedrohung mittels Drohbriefs war wegen zahlreicher widersprüchlicher Angaben dazu nicht glaubwürdig.

Der BF brachte in der mündlichen Verhandlung vor, dass sich der besagte schiitische Milizangehörige immer noch vor Ort aufhalte, und gab, befragt von der verhandelnden Richterin, "d.h. sie sind dann aus Bagdad weggeflogen und ihre Familie ist dort geblieben", an:

"Ja. Sie haben keinen anderen Ort, wohin sie flüchten können."

Aus diesem Vorbringen des BF in der mündlichen Verhandlung geht jedenfalls hervor, dass die Eltern des BF trotz kriegsbedingter Unruhen im Land in Bagdad verbleiben konnten.

Im Bewusstsein, dass die Erstbefragung insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute dient und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, wird wegen weiterer Widersprüche in Zusammenhang mit seinem Vorbringen in der Erstbefragung etwas näher darauf eingegangen. In seiner Erstbefragung brachte der BF zu seinen Fluchtgründen vor:

"Vor ca. 1 Jahr hat die IS unsere Stadt belagert und dort eine eigene Autonomie gegründet. Mein Vater war Beamter und musste sich entscheiden, ob er für die IS arbeitet oder flüchtet. Mein Leben war auch in Gefahr, weil sich die Männer ihnen anschließen mussten. So sind wir nach Bagdad geflüchtet. Dort angekommen, wurden wir von der schiitischen Regierung ständig unter Verdacht gestellt, als Sunniten aus Mossul, für die IS in Bagdad zu arbeiten. Keiner glaubte uns, dass wir unschuldig sind. Wir wurden ausgegrenzt und die Milizen schickten uns Bedrohungen über die Nachbarn. Deshalb ergriffen wir die Flucht."

Dass der BF nach der Flucht von Mossul nach Bagdad von der schiitischen Regierung ständig unter Verdacht gestellt worden wäre, für den IS in Bagdad zu arbeiten, hat er später im Verfahren nicht mehr vorgebracht. Der BF sprach später im Verfahren nur von einem fluchtauslösenden Drohbrief und nicht, wie in seiner Erstbefragung, von mehreren von Milizen über Nachbarn geschickten Bedrohungen.

In seiner Beschwerde brachte der BF vor:

"Bei der Ersteinvernahme fragte mich der Polizist nach (...). Als er mich dann fragte, warum ich geflohen sei und die Dolmetscherin dies übersetzte, fügte diese hinzu, ich könne meine Fluchtgeschichte bei der nächsten Befragung genau erzählen. Ich solle kurz reden. Ich sagte, dass ich und meine Familie vor dem IS von Mossul nach Bagdad geflohen sind. Ich habe dann gesagt, dass ich in Bagdad an den Checkpoints Probleme hatte, weil auf meiner ID-Karte mein Geburtsort Mossul und mein (sunnitischer) Name (...) aufscheint, wodurch alle meinten, ich wäre Sympathisant des IS. Ich sagte der Dolmetscherin auch, dass uns niemand glaubte, dass wir sichere Leute sind.

Weil dieser Verdacht alle betrifft, die von Mossul nach Bagdad gegangen sind, verwendete ich den Begriff "wir". Ich wollte noch mehr erzählen. Aber die Dolmetscherin hat mich in meiner Schilderung unterbrochen, es sei genug, ich solle kurz bleiben, dies nur das erste Interview. Sie hat dann dem aufnehmenden Polizisten einiges auf Deutsch gesagt und dann kam die nächste Frage. Wenn ich mehr Zeit gehabt hätte und der Polizist mehr hätte wissen wollen, dann hätte ich mehr über die konkrete Bedrohung durch die Miliz geschildert. Wahrscheinlich hätte ich dann auch von dem Drohbrief erzählt, den ich bei der Polizei gegeben hatte und von dem ich nicht wusste, ob ich ihn bekommen würde, wenn seine Vorlage verlangt würde. Ich habe den Satz "Deshalb ergriffen wir die Flucht" (im Protokoll an einer Stelle stehend als würde sich dies auf die Flucht aus Bagdad beziehen) nicht gesagt. Nicht "wir" sind aus Bagdad geflohen, sondern nur ich. Ich weiß nicht, warum dieser Satz im Erstinterview so dasteht. Vielleicht hat es die Dolmetscherin nur gut gemeint."

Der BF versuchte mit diesem Beschwerdevorbringen seine Angaben zu seinem Fluchtgrund in der Erstbefragung zu seinen Gunsten zurechtzubiegen, jedoch vergeblich, zeugt doch bereits sein Vorbringen, er hätte bei mehr eingeräumter Zeit in seiner Erstbefragung mehr über die konkrete Bedrohung durch die Miliz geschildert und "wahrscheinlich" dann auch von seinem Drohbrief berichtet, von der Unglaubwürdigkeit einer tatsächlichen persönlichen Bedrohung durch schiitische Milizangehörige, soll doch gerade der besagte "Drohbrief" angeblich fluchtauslösend gewesen sein.

Entgegen seiner "Berichtigung" in der Beschwerde hat der BF laut Niederschrift der Erstbefragung, womit sich der BF nach Rückübersetzung einverstanden erklärte, in seiner Erstbefragung von keinen Problemen an den Checkpoints wegen seines Geburtsorts "Mossul" und seines typisch sunnitischen Vornamens berichtet. Der BF brachte in seiner Beschwerde vor, oftmals keinen Personalausweis bei sich gehabt zu haben, um in Zusammenhang mit seinem Namen und seinem Geburtsort Probleme an Checkpoints mit schiitischen Milizen in Bagdad zu vermeiden. Da der BF in Bagdad ein Jahr lang regelmäßig die Universität besucht hat - der BF sprach vor dem BFA davon, er "musste ständig zur Uni" (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 9) - und demnach regelmäßig mit Personalausweis zur Uni und retour unterwegs war, hatte er in Bagdad regelmäßig sämtliche Checkpoints zu passieren, was ihm offenbar ohne erwähnenswerten Problemen auch gelungen ist.

Der BF gab in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA an, er habe in Bagdad ein Internetgeschäft eröffnet, und erklärte:

"5 Monate ging das sehr gut, bis auf Probleme bei den Checkpoints und Anschläge, welche ständig passiert sind. Wir haben uns auch entschieden, dass wir in Bagdad bleiben, da es gut ging und mein Vater und ich Arbeit hatten und ich auch meinem Studium nachgehen konnte. (...)." (Niederschrift über Einvernahme des BF vor BFA, S. 9)."

Der BF sprach nur allgemein von Problemen "bei den Checkpoint und Anschlägen, "welche ständig passiert sind", konnte jedoch kein ihn selbst betroffenes Problem an den Checkpoints schildern.

Der BF konnte somit keine ihn bei einer Rückkehr erwartende Bedrohung glaubhaft machen.

Im Zuge eines Unterstützungsbriefes eines österreichischen Freundes gab dieser an:

"Der BF hat mir gegenüber des Öfteren betont, dass er sich sehnlich auf einen positiven Ausgang des Asylverfahrens freut, um in Österreich ins Berufsleben eintreten zu können."

Diesem glaubhaften Vorbringen im Unterstützungsschreiben eines Freundes folgend hat der BF gegenüber seinem Freund oftmals erwähnt, sich auf einen positiven Ausgang seines Asylverfahrens zu freuen, um in Österreich ins Berufsleben eintreten zu können. Eine Furcht vor (weiterer) Bedrohung in seinem Herkunftsstaat ist daraus jedoch nicht erkennbar, sondern nur der Wunsch des BF, in Österreich ein Bleiberecht zu erhalten und einer Berufstätigkeit nachzugehen.

Fest steht, dass der BF in Bagdad kurze Zeit vor seiner Ausreise sein technisches Studium absolviert hat und dann offenbar deswegen nach Österreich gekommen ist, um hier bessere Lebensbedingungen als in seinem Herkunftsstaat vorzufinden.

3.4. Zur allgemeinen Lage im Irak:

Die dieser Entscheidung zugrunde gelegten Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des BF beruhen auf dem aktualisierten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 20.11.2018 und auf der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Irak: Verfolgung aufgrund eines "sunnitischen/schiitischen Namens", vom 06.10.2016, auf welche auch im Zuge der aktuellen Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Irak: "Schiitische und sunnitische Namensgebung", vom 17.06.2019 Bezug genommen wurde.

3.5. Die Feststellungen zu den vom BF im Bundesgebiet gesetzten Integrationsschritten beruhen auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

Zuletzt langte am 07.06.2019 beim BVwG eine dem BF am 03.06.2019 erteilte Gewerbeberechtigung betreffend das freie Gewerbe der Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern (von einem insgesamt 3.500 Kilogramm nicht übersteigenden Gesamtgewicht) als Integrationsnachweis ein.

4. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

4.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

4.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

4.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des BF, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist.

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Das Fluchtvorbringen rund um eine Bedrohung des BF durch schiitische Milizangehörige war nicht glaubwürdig. Der BF kann jedenfalls problemlos zu seinen in Bagdad verbliebenen Eltern, zu denen er regelmäßig Telefon- und Internetkontakt hat, zurückkehren.

Vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen gibt es im Irak keine systematische, gezielte Verfolgung aller Sunniten oder Sunniten mit typisch sunnitisch konnotiertem Vornamen.

Dem BF, der keine konkreten Probleme vor seiner Ausreise in Zusammenhang mit seinem typisch sunnitischen Vornamen anführen konnte, steht es frei, bei einer Rückkehr seinen Vornamen zu ändern, was nach zugrunde gelegter ACCORD-Anfragebeantwortung von Oktober 2016 Hunderte von Irakern machen, und auch dem BF zugemutet werden kann.

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, ist davon auszugehen, dass dem BF keine Verfolgung aus in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen droht.

Bezüglich der Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder unruhebedingten Lebensbedingungen zurückzuführen sind, bleibt festzuhalten, dass diese keine Verfolgungshandlungen im Sinne des Asylgesetzes darstellen, da alle Bewohner gleichermaßen davon betroffen sind. Bestehende schwierige Lebensumstände allgemeiner Natur sind hinzunehmen, weil das Asylrecht nicht die Aufgabe hat, vor allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die etwa in Folge des Krieges, Bürgerkrieges, Revolution oder sonstigen Unruhen entstehen (VwGH vom 14.03.1995, 94/20/0798).

In Gesamtbetrachtung aller Umstände war somit kein Asylgrund ersichtlich, weshalb die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß

§ 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen war.

4.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

4.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

Bei der Prüfung und Zuerkennung von subsidiärem Schutz im Rahmen einer gebotenen Einzelfallprüfung sind zunächst konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zur Frage zu treffen, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein "real risk" einer gegen Art. 3 MRK verstoßenden Behandlung droht (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174). Die dabei anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0236; VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0060 mwN). Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0060 mwH).

Dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens unter Berücksichtigung der aktuellen Länderberichtslage nicht festgestellt werden.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig und ist bereits vor seiner Ausreise in seinem Herkunftsstaat einer Erwerbstätigkeit nachgegangen, hat er doch sowohl in Mossul als auch nach der Flucht mit seiner Familie von Mossul nach Bagdad in Bagdad ein Internetgeschäft betreiben und einmal auch in einem Kosmetikshop einer Beschäftigung nachgehen können. Er hat vor seiner Ausreise in Bagdad ein technisches Studium abgeschlossen und wird mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nach einer Rückkehr nach Bagdad dort bald wieder einer Arbeit nachgehen und von seinen Eltern bei der Wiedereingliederung in die irakische Gesellschaft unterstützt werden können.

Aus der individuellen Rückkehrsituation des BF vor dem Hintergrund aktueller Länderberichte geht kein Abschiebungshindernis hervor.

Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG sind somit nicht gegeben sind.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ist daher als unbegründet abzuweisen.

4.3. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

4.3.1. Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesge

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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