Index
E000 EU- Recht allgemein;Norm
31972R0574 WanderarbeitnehmerV DV;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):97/08/0619 E 23. Februar 2000Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde der UU in S, BRD, vertreten durch Dr. Arnulf Summer, Dr. Nikolaus Schertler, Rechtsanwälte in Bregenz, Kornmarktplatz 5, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Vorarlberg vom 15. März 1995, Zl. III-7022 B, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Karenzurlaubsgeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin war vom 24. August 1981 bis zum 1. Juli 1994 im Landeskrankenhaus Bregenz beschäftigt und aufgrund dieses Dienstverhältnisses pflichtversichert. Aus Anlaß der Geburt ihrer Tochter am 7. September 1994 bezog sie vom 2. Juli 1994 bis zum 2. November 1994 Wochengeld von der Vorarlberger Gebietskrankenkasse. Die Beschwerdeführerin wohnt seit 28. Oktober 1991 in Scheidegg, Bundesrepublik Deutschland.
Am 3. November 1994 beantragte sie bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Bregenz die Zuerkennung von Karenzurlaubsgeld.
Mit Bescheid vom 9. November 1994 sprach das Arbeitsmarktservice Bregenz aus, die "Geltendmachung des Anspruches auf Karenzurlaubsgeld" werde "gemäß § 58 in Verbindung mit § 46 Abs. 1" AlVG "mangels Zuständigkeit des Arbeitsamtes infolge Fehlens eines Wohnsitzes bzw. eines gewöhnlichen Aufenthaltsortes zurückgewiesen".
Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß sich der Wohnsitz der Beschwerdeführerin an einer näher genannten Adresse in Scheidegg, Bundesrepublik Deutschland, befinde.
In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid führte die Beschwerdeführerin - vertreten durch einen Funktionär der Kammer für Arbeiter und Angestellte - aus, aufgrund des Beitritts Österreichs zum Europäischen Wirtschaftsraum und der dadurch anwendbar gewordenen Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 stehe ihr das Karenzurlaubsgeld als "Familienleistung" auch dann zu, wenn ihr Wohnort in der Bundesrepublik Deutschland gelegen sei.
Dieser Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid "gemäß § 44 Abs. 1 Z. 1 und 2 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG 1977), BGBl. Nr. 609/77, in der Fassung der Bundesgesetze BGBl. Nr. 817/93 und BGBl. Nr. 314/94, keine Folge".
Begründend gab die belangte Behörde zunächst Inhalte des § 44 AlVG (nur teilweise richtig) wieder. Nach einer daran anschließenden Darstellung des zu beurteilenden Sachverhaltes, des Verfahrensganges und des Vorbringens in der Berufung setzte sich die belangte Behörde mit letzterem wie folgt auseinander:
"Dazu stellt die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Vorarlberg fest, daß Frau U. aufgrund ihrer Beschäftigung in Österreich und ihres Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland Grenzgängerin war. Grenzgänger nach Österreich haben mangels Wohnsitz und mangels Zuständigkeit einer regionalen Geschäftsstelle keinen Anspruch auf Karenzurlaubsgeld. Maßgeblich ist ausschließlich das Recht des Beschäftigungsstaates.
Die von der Kammer für Arbeiter und Angestellte Vorarlberg in der Berufung vorgebrachte Rechtsansicht stützt sich offenbar auf Familienleistungen, wie z.B. Familienbeihilfe. Beim Karenzurlaubsgeld handelt es sich jedoch um eine Familienleistung, der das Versicherungsprinzip zugrunde liegt. Eine solche Leistung gilt nicht als Familienleistung im Sinne der von der Kammer für Arbeiter und Angestellten zitierten Verordnungen.
Es war daher wie im Spruch genannt zu entscheiden."
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde meint in ihrer Gegenschrift, im Gegensatz zu den Ausführungen in ihrem Bescheid, das Karenzurlaubsgeld sei eine "Familienleistung" im Sinne der in der Berufung zitierten Verordnungen. In bezug auf derartige Leistungen treffe die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 aber nur Regelungen über die Zusammenrechnung von Versicherungs- und Beschäftigungszeiten und die Berücksichtigung von Familienmitgliedern, die sich im EG-Ausland befänden. Es gebe keine Regelungen über den Leistungsexport und keine besonderen Vorschriften für Grenzgänger. Nach den allgemeinen Vorschriften (gemeint: § 29 Abs. 2 erster Satz AlVG) ruhe das Karenzurlaubsgeld, "wenn sich der Elternteil für mehr als zwei Monate ins Ausland begibt". Die Ausnahmevorschrift (gemeint: des § 29 Abs. 3 AlVG) für Personen, die im Ausland beschäftigt und in Österreich arbeitslosenversichert gewesen seien, dürfe zwar nach dem (gemeint: europarechtlichen) Diskriminierungsverbot nicht nur für Österreicher gelten. Für Personen, die bis zum Antritt des Karenzurlaubes in Österreich gearbeitet hätten, aber in Italien oder in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaft seien, gebe es aber keine besonderen Vorschriften. Sie unterlägen "nach den allgemeinen Zuständigkeitsregeln des EG-Rechtes in der Regel dem Recht des Beschäftigungsstaates und damit den Ruhensbestimmungen des AlVG". Die im angefochtenen Bescheid "ausgesprochene Verneinung der Zuständigkeit gemäß § 44 Abs. 1 und 2 AlVG" bestehe daher "nach h.a. Ansicht zu Recht".
Weder mit diesen Ausführungen noch mit der oben wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides vermag die belangte Behörde in rechtlich schlüssiger Weise darzutun, daß der Antrag der Beschwerdeführerin nicht einer inhaltlichen Prüfung und sachlichen Erledigung zuzuführen, sondern mangels Zuständigkeit der Behörde erster Instanz zurückzuweisen gewesen sei. Die Berechtigung einer solchen Zurückweisung war im vorliegenden Fall der (einzige) Gegenstand des Berufungsverfahrens vor der belangten Behörde (vgl. dazu die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 566 f, Entscheidung 70 bis 73 zu § 66 Abs. 4 AVG, wiedergegebene Rechtsprechung) und ihrer auf § 44 AlVG gestützten Entscheidung.
§ 44 AlVG lautete in der von der belangten Behörde im vorliegenden Fall zu beachtenden Fassung - bei Berücksichtigung des Umstandes, daß die in § 79 Abs. 11 erster Satz AlVG in der Fassung BGBl. Nr. 314/1994 genannte Verordnung nicht erlassen worden war - wie folgt:
"§ 44.
(1) Die Zuständigkeit der Arbeitsämter und Landesarbeitsämter richtet sich, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt wird, in Angelegenheiten, die den Dienstgeber berühren, nach dem Sitz des Betriebes, in Angelegenheiten, die den Dienstnehmer berühren, nach dessen Wohnsitz, mangels eines solchen nach dessen gewöhnlichem Aufenthaltsort.
(2) Ist auf Grund internationaler Verträge bei einem Wohnsitz im Ausland der Bezug von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe im Inland zulässig, so ist die regionale Geschäftsstelle zuständig, in deren Bezirk der Arbeitslose zuletzt beschäftigt war. Dies gilt auch für die Geltendmachung des Anspruches (§ 46), die Einhaltung der Kontrollmeldungen (§ 49) und die Erfüllung der Meldepflicht (§ 50). Das gleiche gilt sinngemäß für den Bezug eines Pensionsvorschusses gemäß § 23. Für die Krankenversicherung des Leistungsbeziehers (§ 40 Abs. 1) ist die Gebietskrankenkasse nach dem Sitz der regionalen Geschäftsstelle zuständig."
Hinsichtlich des ersten Absatzes dieser Bestimmung unterschied sich die hier wiedergegebene Fassung von dem gemäß § 79 Abs. 10 AlVG mit 1. Juli 1994 in Kraft getretenen § 44 Abs. 1 Z. 1 AlVG dem wesentlichen Inhalt nach nur dadurch, daß die Beschränkung auf "Angelegenheiten des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe" fehlte. Wegen dieses (einzigen ins Gewicht fallenden) Unterschiedes und der durch das Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201, nachträglich zur Klarstellung eingefügten Wendung "§ 44 Abs. 1 hinsichtlich Angelegenheiten des Karenzurlaubsgeldes und der Teilzeitbeihilfe" in § 79 Abs. 11 zweiter Satz AlVG ist davon auszugehen, daß für die jeweils im vorgesehenen, aber bis zur Erlassung der Verordnung gemäß § 79 Abs. 11 erster Satz AlVG nicht in Kraft getretenen § 44 Abs. 1 Z. 2 AlVG angeführten Materien (darunter jeweils das Karenzurlaubsgeld) nicht die Inkraftsetzung des § 44 Abs. 1 Z. 1 AlVG zum 1. Juli 1994 gemäß § 79 Abs. 10 AlVG, sondern die § 44 Abs. 1 AlVG betreffende Anordnung in § 79 Abs. 11 zweiter Satz AlVG gelten sollte; danach war in diesen Angelegenheiten die bisherige Fassung des § 44 Abs. 1 AlVG mit der Maßgabe weiterhin anzuwenden, daß (soweit hier wesentlich) die Aufgaben und Befugnisse des Arbeitsamtes der jeweiligen regionalen Geschäftsstelle und diejenigen des Landesarbeitsamtes der Landesgeschäftsstelle oblagen.
Der zweite Absatz des § 44 AlVG hatte durch das AMS-BegleitG, BGBl. Nr. 314/1994, nur insofern eine Änderung erfahren, als an die Stelle des Ausdrucks "Arbeitsamt" der Ausdruck "regionale Geschäftsstelle" getreten war (Art. 6 Z. 1 AMS-BegleitG). Er beruhte im übrigen auf dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 416/1992, das (u.a.) auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung der rechtlichen Vorbereitung und Anpassung im Hinblick auf den beabsichtigten EG-Beitritt und die Schaffung des europäischen Wirtschaftsraumes gedient hatte, und war in der Regierungsvorlage zu diesem Gesetz
(497 BlgNR 18. GP, 10) wie folgt begründet worden:
"Nach den Bestimmungen des EG-Rechtes können Personen, die weniger als einmal wöchentlich in ihren Heimatstaat zurückkehren ("unechte Grenzgänger"), sich der Arbeitsvermittlung des Beschäftigungsstaates zur Verfügung stellen und dort Leistungen beziehen. Für diese Fälle ist als das zuständige inländische Arbeitsamt das Beschäftigungsarbeitsamt festzulegen."
Nach § 46 Abs. 1 AlVG ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld bei der nach dem Wohnsitz des Arbeitslosen, mangels eines solchen bei der nach seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort zuständigen regionalen Geschäftsstelle geltend zu machen.
Nach § 58 AlVG in der von der belangten Behörde anzuwendenden Fassung dieses Gesetzes galt (u.a.) § 46 Abs. 1 AlVG (wieder unter Bedachtnahme darauf, daß die Änderung des § 58 AlVG durch das AMS-BegleitG mangels Erlassung der in § 79 Abs. 11 AlVG genannten Verordnung nicht in Kraft getreten war) sinngemäß auch für Verfahren in Angelegenheiten des Karenzurlaubsgeldes.
Aus dieser Rechtslage ist - entgegen den Voraussetzungen, von denen die belangte Behörde auszugehen scheint - nicht abzuleiten, für die Entgegennahme und inhaltliche Prüfung eines Antrages auf Karenzurlaubsgeld könne nur die regionale Geschäftsstelle zuständig sein, in deren Sprengel die Partei ihren Wohnsitz oder (mangels eines solchen) ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe, sodaß eine für die Entscheidung über den Bestand des Anspruches zuständige Behörde nicht vorhanden wäre, wenn es an einem Wohnsitz oder einem gewöhnlichen Aufenthaltsort im Inland fehlt:
1.) Insoweit sich eine örtlich zuständige Behörde für die Beantragung einer Leistung nach dem AlVG mit Hilfe der Zuständigkeitsvorschriften dieses Gesetzes nicht bestimmen läßt, richtet sich die örtliche Zuständigkeit gemäß § 3 des von den Landesgeschäftsstellen und regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice gemäß Art. II Abs. 2 Z. 41 EGVG anzuwendenden AVG nach den dort genannten Voraussetzungen (vgl. zur Rechts- und auch Verfassungswidrigkeit der Verneinung jedweder örtlichen Zuständigkeit in Fällen dieser Art etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Dezember 1980, VfSlg. Nr. 8987).
Von den Zuständigkeitstatbeständen des § 3 AVG kommt für Leistungen nach dem AlVG zunächst derjenige in Betracht, wonach sich die örtliche Zuständigkeit in Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung "oder sonstigen dauernden Tätigkeit" beziehen, nach dem Ort richtet, an dem das Unternehmen betrieben "oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll" (§ 3 Z. 2 AVG). Was zu gelten hat, wenn sich die Sache auf eine dauernde Tätigkeit bezieht, die nicht mehr ausgeübt wird, ist dem Gesetz nicht unmittelbar entnehmbar. Die Beachtlichkeit des Zuständigkeitstatbestandes auch für solche Fälle (im Sinne des Abstellens auf den Ort der früheren Tätigkeit, auf die sich die Sache bezieht) ist aber aus dem Zusammenhang mit dem weiteren Text der Bestimmung erschließbar. Nur für "sonstige Sachen" - also solche, die sich (insbesondere) nicht "auf den Betrieb einer Unternehmung oder sonstigen dauernden Tätigkeit beziehen" - enthält § 3 Z. 3 AVG nämlich (innerhalb des Systems subsidiärer Zuständigkeitstatbestände des § 3 AVG ihrerseits subsidiäre) Zuständigkeitstatbestände, nach denen in Ermangelung eines inländischen Wohnsitzes oder Aufenthaltes auf den "letzten Wohnsitz (Sitz)" (nicht aber, dem Gesetzeswortlaut zufolge: Aufenthalt) abzustellen wäre. Bestand im Inland auch früher kein "Wohnsitz (Sitz)" und besteht weiters kein einem Ort im Inland zuordenbarer "Anlaß zum Einschreiten", so ist nach § 3 Z. 3 AVG die sachlich in Betracht kommende oberste Behörde zuständig. Dies wäre nach § 3 Z. 3 AVG also immer dann der Fall, wenn ein Arbeitnehmer mit ausländischem Wohnsitz, der auch nicht früher einmal einen "Wohnsitz" im Inland hatte, vom Arbeitsmarktservice zu beurteilende Ansprüche geltend macht.
Ein solches Ergebnis stünde in einem Wertungswiderspruch zu § 44 Abs. 2 AlVG. Nach dieser den Gesetzesmaterialien zufolge für bestimmte Fälle des europarechtlich (im besonderen: nach der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71) gebotenen Exportes von Leistungen nach dem AlVG geschaffenen Bestimmung ist der Anspruch bei der regionalen Geschäftsstelle geltend zu machen, in deren Bezirk der Antragsteller zuletzt beschäftigt war. Daß die Leistungsart "Karenzurlaubsgeld" in dieser Bestimmung nicht aufscheint, womit sie auf Fälle wie den vorliegenden ihrem Wortlaut nach nicht unmittelbar anwendbar ist, kann nicht damit zu erklären sein, daß der Gesetzgeber die Abwicklung derartiger Leistungsfälle der sachlich in Betracht kommenden obersten Behörde vorbehalten wollte. Es kann seinen Grund vielmehr nur darin haben, daß er - bei einer Orientierung bloß am Wortlaut der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 - nicht davon ausging, andere als die in § 44 Abs. 2 AlVG genannten Leistungen nach diesem Gesetz würden aufgrund europarechtlicher Vorschriften auch Anspruchswerbern zustehen können, die nie einen Wohnsitz im Inland hatten (vgl. aber, die Einstufung des Karenzurlaubsgeldes als "Familienleistung" im Sinne der genannten Verordnung betreffend, die auf Österreich bezogenen Teile der Anhänge 2, 3, 4 und 10 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71; weiters das Urteil des EuGH vom 10. Oktober 1996, Rs C-245/94 und C-312/94, Slg. 1996/I-4895 Hoever und Zachow, zum Erziehungsgeld nach deutschem Recht; zum Anspruch von Grenzgängern auf Familienleistungen das in der Beschwerde zitierte Urteil des EuGH vom 19. Februar 1981, Rs 104/80, Slg. 1981, 503 Beeck/Bundesanstalt für Arbeit).
Andererseits ist der - seiner systematischen Stellung nach gegenüber § 3 Z. 3 AVG vorrangige - Zuständigkeitstatbestand des § 3 Z. 2 AVG nicht nur in dem schon zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes für die Zuständigkeit eines Arbeitsamtes (allerdings für Ansprüche eines Dienstgebers), sondern auch im Zusammenhang mit der Geltendmachung des dem Betriebsrat eingeräumten Rechtes auf Einsicht in Lohn- und Gehaltslisten (hg. Erkenntnis vom 22. März 1962, Slg. Nr. 5753/A) und im Zusammenhang mit der Anfechtung einer Kündigung (Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Oktober 1977, VfSlg. Nr. 8135) jeweils zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit von Einigungsämtern für die Erledigung von Dienstnehmeranliegen herangezogen worden, was freilich auf die Beziehung zum "Betrieb der Unternehmung" des Dienstgebers und nicht auf diejenige zur "dauernden Tätigkeit" der Dienstnehmer gestützt wurde (inwieweit letzteres mangels Beziehung zum "Betrieb einer Unternehmung" in Frage gekommen wäre, wurde im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Oktober 1977, VfSlg. Nr. 8135, ausdrücklich offen gelassen).
Die im vorliegenden Fall zu beurteilende Geltendmachung eines behaupteten Anspruches auf Karenzurlaubsgeld weist keinen Bezug zum "Betrieb einer Unternehmung" auf, leitet sich aber
-
trotz der familienpolitischen Züge dieser Leistungsart - aus einem Arbeitsverhältnis ab (vgl. dazu Dirschmied, AlVG3, 217) und kann daher im weitesten Sinne noch als Angelegenheit verstanden werden, die sich auf das Beschäftigungsverhältnis des Anspruchswerbers und damit auf seine "dauernde Tätigkeit" bezieht. Dies müßte - angesichts des Fehlens einer eine zentrale Zuständigkeit vorsehenden Sondervorschrift, wie sie bis zum AMS-BegleitG (vgl. dessen Art. 6 Z. 11 in Verbindung mit Z. 25) in § 29 Abs. 3 AlVG für andere Fälle mit Auslandsbezug vorhanden war - mit Rücksicht auf die sachverwandte Regelung des § 44 Abs. 2 AlVG den Ausschlag geben, wenn es bei der Anwendung der subsidiären Zuständigkeitsvorschrift des § 3 AVG darum ginge, ob für die Beurteilung derartiger Ansprüche ausländischer Grenzgänger die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice, in deren Bezirk der Anspruchswerber zuletzt beschäftigt war, oder aber
-
nach § 3 Z. 3 AVG - die sachlich in Betracht kommende oberste Behörde zuständig sein soll. Auf die Frage, ob im Einzelfall zu einem früheren (wenn auch vielleicht schon lange zurückliegenden) Zeitpunkt ein inländischer "Wohnsitz" gegeben war, womit die Verneinung der Anwendbarkeit des § 3 Z. 2 AVG nach § 3 Z. 3 AVG nicht zur Zuständigkeit der obersten Behörde führen würde, könnte es dabei - wegen des Vorrangs der für solche Fälle nicht anders beantwortbaren Frage nach der Anwendbarkeit des § 3 Z. 2 AVG - nicht ankommen.
2.) Im vorliegenden Fall wird aber geltend gemacht, der Bezug der beantragten Leistung sei, wie in § 44 Abs. 2 AlVG vorausgesetzt, "auf Grund internationaler Verträge bei einem
Wohnsitz im Ausland ... zulässig". Daß diese
anspruchsbegründende Behauptung auch zutrifft, kann für die Zuständigkeit zur Entscheidung darüber entgegen dem insoweit zu eng gefaßten Wortlaut der Bestimmung nicht maßgeblich sein. Deren Anwendung steht daher nur - scheinbar - entgegen, daß sie für das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe, nicht aber auch für das Karenzurlaubsgeld geschaffen wurde.
Nach § 58 AlVG in der von der belangten Behörde im vorliegenden Fall noch anzuwendenden Fassung sind die Verfahrensbestimmungen der §§ 44 ff AlVG jedoch - mit Ausnahme nur der §§ 48 und 49 AlVG - "auf das Verfahren in
Angelegenheiten des Karenzurlaubsgeldes ... sinngemäß
anzuwenden".
Zu dieser vom Gesetzgeber zunächst ausschließlich angewendeten Technik der Verweisung auf die ursprünglich nur für das Verfahren in Angelegenheiten des Arbeitslosengeldes ausformulierten Bestimmungen des dritten Artikels des AlVG (vgl. § 59a AlVG i.d.F. BGBl. Nr. 242/1960 i.V.m. dem damaligen Inhalt der §§ 44 ff AlVG) trat in der Folge die direkte Bezugnahme auf bestimmte andere Leistungsarten als das Arbeitslosengeld (darunter auch das Karenzurlaubsgeld: vgl. etwa § 47 Abs. 1 AlVG) in einzelnen Bestimmungen dieses Artikels hinzu, wobei der Gesetzgeber dort, wo er sich auf das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe bezog, mit dieser Vorgangsweise auf die Ausnahme solcher Bestimmungen von der sinngemäßen Anwendung für das Karenzurlaubsgeld Rücksicht nahm (vgl. § 49 Abs. 1 AlVG). Den schon dargestellten Anstrengungen, die im AMS-BegleitG, BGBl. Nr. 314/1994, unternommen wurden, um (u.a.) für das Karenzurlaubsgeld eine nicht auf die Leistungsarten "Arbeitslosengeld und Notstandshilfe" beschränkte Fassung des § 44 Abs. 1 AlVG in Geltung zu belassen, mußte auch der Gedanke zugrundeliegen, eine ausdrücklich auf diese beiden Leistungsarten und somit nicht nur auf das Arbeitslosengeld (als allgemeinen Anknüpfungspunkt für die Verweisungsnormen) bezogene Verfahrensbestimmung gelte nicht kraft der Verweisungsnorm des § 58 AlVG (in der nach § 79 Abs. 11 zweiter Satz AlVG bis zur Erlassung der Verordnung nach dem ersten Satz dieser Bestimmung weitergeltenden Fassung) auch für das Karenzurlaubsgeld. Daß und aus welchen anzunehmenden Gründen der Gesetzgeber bei der Einführung des § 44 Abs. 2 AlVG im Jahre 1992 nicht davon ausging, der neu geschaffene Zuständigkeitstatbesand könne auch für das Karenzurlaubsgeld von Bedeutung sein, wurde schon dargestellt.
Ergibt sich in einem Fall wie dem vorliegenden aber - ungeachtet der offenbar gegenteiligen Annahme des Gesetzgebers - das Erfordernis der Beurteilung einer derartigen Zuständigkeitsfrage im Zusammenhang mit dem Karenzurlaubsgeld, so kann § 44 Abs. 2 AlVG nicht bloß im Rahmen der Auslegung des § 3 AVG von Bedeutung sein. Ungeachtet der zuvor dargestellten, die Bezugnahme auf bestimmte Leistungsarten in einzelnen Verfahrensvorschriften des AlVG betreffenden Erwägungen muß in einem solchen Fall vielmehr die nach dem Gesetzeswortlaut angeordnete sinngemäße Anwendung (auch) des § 44 Abs. 2 AlVG auf das Verfahren in Angelegenheiten des Karenzurlaubsgeldes gegenüber § 3 AVG nach dessen Einleitungssatz Vorrang haben. Für den vorliegenden Fall ergibt sich schon daraus die örtliche Zuständigkeit der regionalen Geschäftsstelle Bregenz, in deren Bezirk die Beschwerdeführerin zuletzt beschäftigt war und deren Zuständigkeit die belangte Behörde daher zu Unrecht verneint hat.
Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2örtliche ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995080115.X00Im RIS seit
18.02.2002Zuletzt aktualisiert am
01.12.2011