Entscheidungsdatum
22.11.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
G304 2194121-1/11E
Beschluss
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.03.2018, Zl. XXXX, beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 28.03.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.), der Antrag des BF auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Irak, den Herkunftsstaat des BF, abgewiesen (Spruchpunkt II.), dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), festgestellt, dass die Abschiebung des BF in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).
2. Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde erhoben.
3. Am 30.04.2018 langte die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist irakischer Staatsangehöriger und gehört der muslimisch-schiitischen Glaubensrichtung an.
1.2. Die niederschriftlichen Einvernahmen des BF vor dem BFA gestalteten sich wie folgt:
1.2.1. Der BF brachte in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 22.11.2017 vor einer ihn einvernehmenden weiblichen Person im Wesentlichen zusammengefasst vor, aufgrund Alkoholkonsums und Alkoholverkaufs in seinem Herkunftsstaat bedroht worden und deswegen ausgereist zu sein.
Die Einvernahme des BF gestaltete sich gegen Ende der Einvernahme wie folgt (Abkürzung "LA" für "Leiterin der Amtshandlung" und "VP" für "Verfahrenspartei" bzw. BF):
"LA: Wie ist die Verständigung mit der hier anwesenden Dolmetscherin?
VP: Ein bisschen.
LP: Es ist ein Problem.
VP: Ich brauche einen Arabisch Dolmetsch."
1.2.2. Der BF brachte in der darauffolgenden niederschriftlichen Einvernahme vor dem BF am 22.11.2017, erneut vor einer ihn einvernehmenden weiblichen Person, im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache wörtlich vor:
"Es gibt noch etwas, warum sich meine Familie von mir abgewendet hat, außer dem Alkohol. Mir wurde vorgeworfen, dass ich meinen Körper verkaufe an Männer. Deshalb wollten sie sich von mir entfernen. Das stimmt auch, ich habe Sex mit Männern gehabt und sie können das auch überprüfen, sie können mich auch zum Arzt schicken. Ich weiß, dass ich das mache und das ist so."
Nach diesem Vorbringen wurde die Einvernahme abgebrochen und der BF darüber informiert, dass das Asylverfahren von einem männlichen Referenten weitergeführt und eine Ladung zu einer neuerlichen Einvernahme zeitnah erfolgen werde.
1.2.3. Es folgte daraufhin eine weitere niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA am 14.02.2018 zu seinen individuellen Verhältnissen im Herkunftsstaat und rund um seine Ausreise.
1.2.4. In der darauffolgenden niederschriftlichen Einvernahme des BF vor dem BFA am 05.03.2018, wieder im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache, und diesmal vor einer den BF einvernehmenden männlichen Person, brachte der BF im Wesentlichen zusammengefasst vor, in seinem Herkunftsstaat aufgrund Alkoholkonsums, Alkoholverkaufs und aufgrund seiner Homosexualität, die man im Irak nirgendwo frei ausleben könne, von Familienangehörigen bedroht und geschlagen worden und nach der Ermordung eines Freundes aus dem Irak ausgereist zu sein.
Die Einvernahme des BF gestaltete sich auszugsweise wie folgt (Abkürzung "LA" für "Leiter der Amtshandlung" und "VP" für "Verfahrenspartei" bzw. BF)
"VP: Ich bin eben von den Milizen von (..) bedroht worden. Ich habe auch damals erwähnt, dass ich von meiner eigenen Familie wegen meiner Sexualität bedroht wurde. Ich habe einen Freund, der auch Alkohol verkauft hat, er hieß (...) er war ursprünglich aus Saudi-Arabien, er war auch immer unterwegs und er war ein reicher Mann. Ich ging immer zu ihm und hatte mit ihm ein Verhältnis. (...) Ich hatte auch einen anderen Freund, der mittlerweile getötet wurde, er hieß (...). Er hat auch groß mit Alkohol verkauft und noch dazu hatten wir Sex miteinander, sie können mich diesbezüglich auch untersuchen lassen. Ich wurde von meiner Familie und meinen Onkeln bedroht und ich wäre getötet worden, wenn ich dort geblieben wäre. Ich wurde geschlagen und verprügelt, ich habe auch einen Befund diesbezüglich. Nachdem ich öfters geschlagen und bedroht wurde und nachdem mein Freund bedroht wurde, habe ich beschlossen das Land zu verlassen. Mein Freund wurde am 14.08.2013 getötet.
LA: Haben Sie somit alle Gründe, die Sie veranlasst haben, Ihre Heimat zu verlassen, vollständig und ausführlich wiedergegeben?
VP: Ja, wegen dem Sex und dem Alkohol und des Freundes der getötet wurde habe ich das Land verlassen. Ich war immer auf der Flucht vor meiner Familie damit sie mich nicht erwischen.
(...)
LA: Sie geben an, 2013 einmal geschlagen worden zu sein und von Ihrer Familie aufgrund Ihrer sexuellen Orientierung bedroht worden zu sein, ist das richtig?
VP: Ja, aber nicht nur meine Familie, auch andere Menschen haben mich bedroht, mein Onkel mütterlicherseits ist ein General und er ist der Chef aller Stützpunkte in (...), und auch er hat mich bedroht.
LA: Wie stellte sich diese Bedrohung dar, in welcher Form und in welcher Intensität wurden Sie bedroht?
VP: Ich wurde immer angerufen und man hat mir gesagt, dass ich Schande über die Familie gebracht habe und dass Sie mich egal wo ich bin umbringen werden, sie sagten wortwörtlich sie werden mein Blut trinken.
LA: Sie sind ein junger, gesunder, mobiler und unbescholtener Mann, was hat Sie schlussendlich ausschlaggebend dazu veranlasst, tatsächlich Ihr Heimatland zu verlassen?
VP: Der Druck war immer größer, ich habe gesehen, dass ich nirgendwo eine Chance habe zu bleiben. Der Druck von der Familie, von den führenden Parteien und von den Milizen hat mich dazu veranlasst, schlussendlich zu flüchten.
LA: Wie haben Sie Ihre Sexualität in Ihrem Herkunftsland ausgelebt? Haben Sie an öffentlichen Plätzen sexuelle Handlungen unternommen?
VP: Auf der Straße habe ich es nicht (...)."
LA: Wie sollte jemand der Sie nicht kennt wissen, dass Sie homosexuell sind?
VP: Es wird durch das Aussehen eines Mannes geschätzt, dass man schwul ist, so wie man aussieht, gekleidet ist und sich bewegt.
LA: Wie kann man heute an Ihnen erkennen, dass Sie homosexuell sind?
VP: Durch mein Verhalten, durch mein mädchenhaftes Verhalten erkennt man meine Homosexualität.
(...)
LA: Warum haben Sie Ihre sexuelle Orientierung, welche Ihren Fluchtgrund darstellt, bei Ihrer Erstbefragung mit keinem Wort erwähnt?
VP: Ich habe am Anfang nicht gewusst, wie das hier in Österreich aussieht und ich hatte immer Angst und dachte, dass man in Österreich wie im Irak auch diskriminiert wird, wenn man homosexuell ist.
LA: Wie leben Sie Ihre Sexualität hier in Österreich aus?
VP: Ich habe einen Syrer und einen Iraker, der Iraker wurde jedoch nach Kroatien abgeschoben.
LA: Nennen Sie die Namen und das Geburtsdatum dieser beiden Männer?
VP: Auf Facebook heißt der Iraker (...) und der Syrer heißt (...) er lebt jetzt in Wien, er ist ein palästinensischer Syrer.
LA: Können Sie bis zum 12.03.2018 den vollständigen Namen und die dazugehörigen IFA Zahl des in Wien aufhältigen Syrers der Behörde zukommen lassen?
VP: Ich habe keine Verbindung mehr zu ihm.
(...)
LA: Was wissen Sie von der homosexuellen Szene in Österreich?
VP: Es gibt ein Lokal in einer Seitengasse vom (...) in (...), wo sich Schwule treffen. Es gibt auch eine Diskothek für Schwule in der Nähe des (...) in der Nähe der (...).
LA: Haben Sie davon gehört, dass es spezielle Organisationen in Österreich gibt, die Homosexuelle in ihrem Asylverfahren unterstützen?
VP: Nein.
(...)
LA: Wissen Sie die Bedeutung von LGBT?
VP: Nein.
LA: Welche konkrete Befürchtung haben Sie bei einer Rückkehr in den Irak?
VP: Lieber würde ich hier sterben, als in den Irak zurückzukehren.
LA: Was wollen Sie mit dieser Aussage bewirken?
VP: Im Irak habe ich sehr viele Probleme.
LA: Welche konkreten Befürchtungen haben Sie nun betreffend eine Rückkehr in den Irak?
VP: Wie ich gesagt habe, dreiviertel meiner Familie arbeitet für Asaib Ahl Al Haqq und das sind die Milizen die von (...) geführt werden.
(...)
LA: Wann haben Sie letztmalig Kontakt zu Ihren Familienangehörigen gehabt?
VP: Es ist schon lange her, ich kann mich nicht daran erinnern. Ich habe aber immer Anrufe und Drohungen von meiner Familie erhalten.
LA: Sie müssen sich doch ungefähr daran erinnern können, wann Sie den letzten Drohanruf Ihrer Familie erhalten haben?
VP: Am 10. August 2013 hat mich mein älterer Bruder das letzte Mal bedroht.
LA: Wann sind Sie aus dem Irak ausgereist?
VP: Am 04.09.2015.
LA: Bestand bei Ihrer Ausreise eine unmittelbare gegen Leib und Leben gerichtete Bedrohung Ihrer Person?
VP: Ja.
LA: Welche Gefahr?
VP: Nein, es gab keine Drohung, weil ich mich verstecken musste, aber zwei Tage vor meiner Ausreise gab es eine Bedrohung.
LA: Welche Bedrohung gab es zwei Tage vor Ihrer Ausreise?
VP: Diese Drohung die ich am 02.90.2015 von Asaib Ahl Al Haqq erhalten habe.
LA:
Sie geben an, vor Ihrer Ausreise versteckt gelebt zu haben, in welcher Form wurden Sie nun tatsächlich zwei Tage vor Ihrer Ausreise bedroht?
VP: Ich habe nie gesagt, dass ich versteckt gelebt habe, nur die letzten zwei Tage vor meiner Ausreise.
(...)
LA: Wie stellte sich Ihr Leben zwischen 2013 und Ihrer Ausreise 2015 dar?
VP: Ich habe ein ganz normales Leben geführt, ich hatte Wohnung für mich, in der ich Freunde eingeladen habe, gefeiert und getrunken habe. Ich hatte eine Arbeit und Geld und habe das Leben genossen.
LA: Warum haben Sie dann 2015 plötzlich diesen Brief erhalten?
VP: Ich weiß nicht warum das Schreiben gekommen ist.
LA: Was stand in diesem Brief?
VP: Ich habe gelesen, Asaib Ahl Al Haqq, es war eine Aufforderung, ich möge zur Religion Islam zurückkehren, hierbei möchte ich erwähnen, dass ich nicht gut im Lesen und im Schreiben bin.
LA: Warum haben Sie zwei Tage nach Erhalt dieses Briefes dann Ihr Herkunftsland verlassen?
VP: Warum sollte ich dort bleiben? Wenn ich dort geblieben wäre, würde ich getötet werden, weil mein bester Freund getötet wurde. Sie wissen nicht, was es bedeutet, im Irak Alkohol zu verkaufen.
(...)
LA: Wann ist Ihr Freund ermordet worden?
VP: Am 14.08.2013, dann habe ich Basra verlassen und ging nach Bagdad.
LA: Woher wissen Sie wie Ihr Freund ermordet wurde?
VP: Er war ein großer Alkoholhändler, und er war berühmt.
(...).
LA: In welchem Zusammenhang steht die Ermordung Ihres Freundes und Ihre Reise nach Bagdad?
VP: Die Leute wussten, dass ich mit ihm eine Beziehung habe und ich wusste, dass ich irgendwann der Nächste sein werde.
LA: Sie sind danach nach Bagdad gereist und haben dort wieder Alkohol verkauft, ist das richtig?
VP: Ja.
(...)
LA: Woher wissen Sie, dass Ihre Familie ein derart großes Interesse an Ihrer Ermordung haben sollte, besteht doch nunmehr schon seit fünf Jahren kein Kontakt mehr zu ihnen?
VP: Weil ich Ihnen Schande gebracht habe, sie haben ihr Gesicht verloren. Sie sind eine bekannte Familie in meiner Stadt, jeder der Alkohol verkauft, kann auch nicht so leicht eine Frau heiraten.
(...)."
1.3. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid wurde im Wesentlichen der Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asyl- als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig ist.
1.3.1. Die belangte Behörde legte ihrem Bescheid diverse Länderberichte, darunter auch zu "sexuelle Minderheiten" zugrunde.
Letztere lauten auszugsweise wie folgt:
"Das irakische Strafgesetzbuch verbietet gleichgeschlechtliche sexuelle Aktivitäten nicht, jedoch sind außereheliche sexuelle Beziehungen (indirekt) auf Grund des Paragraphen 394 illegal. Dadurch, dass das Gesetz gleichgeschlechtliche Ehen nicht vorsieht, verbietet es diese effektiv (HRW 12.1.2017). Auch wenn sensible Themen zunehmend öffentlich diskutiert werden, wird Homosexualität weitgehend tabuisiert und von großen Teilen der Bevölkerung als unvereinbar mit Religion und Kultur abgelehnt. Homosexuelle leben ihre Sexualität meist gar nicht oder nur heimlich aus und sehen sich Diskriminierungen und sozialer Ausgrenzung ausgesetzt. Es besteht ein hohes Risiko sozialer Ächtung bis hin zu Ehrenmorden. Konfessionelle Milizen haben in den letzten Jahren wiederholt Mitglieder sexueller Minderheiten sowie Jugendliche aus der Emo-Subkultur bedroht und verfolgt. Die konfessionellen Milizen werden mit Ermordungen von homosexuellen Männern in Verbindung gebracht. Eine polizeiliche Untersuchung ist in den wenigsten Fällen bekannt geworden; die Polizei wird mitunter eher als Bedrohung denn als Schutzmacht empfunden. Staatliche Rückzugsorte für Mitglieder sexueller Minderheiten gibt es nicht, die Anzahl staatlicher Schutz-Initiativen ist sehr beschränkt. In vom IS kontrollierten Gebieten werden homosexuelle Handlungen mit dem Tod bestraft (AA 7.2.2017).
Schiitische Milizen üben Gewalt gegen homosexuelle Männer aus, sowie auch gegen Männer, von denen behauptet wird, dass sie homosexuell sind. Es wurde von Entführung, Exekution und Folter berichtet. Der Anführer einer dieser Milizen (Saraya al-Saslam - Peace Brigades), der prominente oppositionelle Kleriker Muqtada al-Sadr, sah sich im Juli 2016 (offenbar auf Grund dieser Situation) veranlasst, zu verkünden, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen zwar nicht akzeptabel seien, und dass Personen, die sich nicht an die geschlechtlichen Normen halten, an "psychischen Problemen leiden" würden, dass diese jedoch dennoch nicht attackiert werden sollten (HRW 18.8.2016, vgl. MEE 19.8.2016). Die zunehmende Gewalt und das damit verbundene Erstarken nichtstaatlicher bewaffneter Akteure hat Berichten zufolge die Schutzbedürftigkeit von Personen, deren sexuelle Orientierung und/oder geschlechtliche Identität nicht den traditionellen Vorstellungen entsprechen, verstärkt. Diese Menschen, einschließlich Kinder, sind den Meldungen zufolge häufig zahlreichen Formen von Misshandlungen durch verschiedene staatliche und nichtstaatliche Akteure ausgesetzt, einschließlich durch ihre nahen und entfernten Familienangehörigen, das allgemeine gesellschaftliche Umfeld, staatliche Behörden sowie eine Vielzahl bewaffneter Gruppen (UNHCR 14.11.2016)."
1.3.2. Beweiswürdigend wurde das Fluchtvorbringen des BF über eine Bedrohung in Zusammenhang mit Alkoholverkauf und Homosexualität nicht für glaubwürdig gehalten.
Es wurde auszugsweise begründend ausgeführt:
"Nach Ihrer freien Erzählung zum Fluchtgrund, bei welcher Sie mit keinem Wort einen Bezug zu Ihren vorgelegten Beweismittel herstellten, wurden sie im Detail zu Ihren Angaben und hierbei vor allem in Bezug auf Ihre Homosexualität und Ihrer Tätigkeit als Alkoholverkäufer und den damit in Verbindung stehenden und Ihnen behaupteten Bedrohungen befragt. Hierbei kam die erkennende Behörde zur Erkenntnis, dass es sich bei Ihren Angaben betreffend Ihrer Homosexualität um eine von Ihnen erfundene Scheinbehauptung handelt. Die erkennende Behörde begründet dies mit Ihrem unglaubwürdigen Auftreten, dem Ausweichen auf entsprechenden spezifischen Fragen, Ihrer Person und der Ausprägung der von Ihnen behaupteten Homosexualität im Herkunftsland und im Vergleich dazu in Österreich und der Tatsache, dass Sie Ihre angebliche Homosexualität bei Ihrer Erstbefragung mit keinem Wort erwähnten und auch innerhalb Ihres mittlerweile zweieinhalbjährigen Aufenthaltes in Österreich diesbezüglich keine Unterstützung bei entsprechenden Organisationen und Einrichtungen in Österreich gesucht haben. Es ist darüber hinaus davon auszugehen, dass bei einer tatsächlichen vorliegenden Homosexualität zumindest spätestens nach dem vierten Befragungstermin vor dem BFA und gemeinsamer Aufarbeitung der Geschehnisse und der Aufklärung über die Möglichkeiten in diesen Fällen Unterstützung bei entsprechenden Organisationen in Österreich zu erhalten, dass man diese auch in Anspruch nehmen würde, Ihnen wird somit nicht geglaubt, dass Sie tatsächlich homosexuell sind, womit auch dadurch alle von Ihnen aufgestellten Bedrohungsszenarien diesbezüglich jeglicher Glauben abgesprochen wird."
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter I. angeführte Verfahrensgang und die unter II. getroffenen Feststellungen beruhen auf dem diesbezüglichen Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
3.1.1. Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.
Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.
3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1
B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm11). Gemäß dieser Bestimmung kann die Berufungsbehörde, sofern der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Wie oben ausgeführt, ist aufgrund von § 17 VwGVG die subsidiäre Anwendung von § 66 Abs. 2 AVG durch die Verwaltungsgerichte ausgeschlossen.
Im Gegensatz zu § 66 Abs. 2 AVG setzt § 28 Abs. 3 VwGVG die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr voraus.
Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 (Waffenverbot), in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebraucht macht.
Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).
3.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde im Wesentlichen der Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asyl- als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig ist.
3.2.1. Beweiswürdigend wurde das Fluchtvorbringen des BF über eine Bedrohungssituation wegen behaupteten Alkoholkonsums, Alkoholverkaufs und behaupteter Homosexualität nicht für glaubwürdig gehalten.
Es wurde auszugsweise begründend dafür ausgeführt:
"Nach Ihrer freien Erzählung zum Fluchtgrund, bei welcher Sie mit keinem Wort einen Bezug zu Ihren vorgelegten Beweismittel herstellten, wurden sie im Detail zu Ihren Angaben und hierbei vor allem in Bezug auf Ihre Homosexualität und Ihrer Tätigkeit als Alkoholverkäufer und den damit in Verbindung stehenden und Ihnen behaupteten Bedrohungen befragt. Hierbei kam die erkennende Behörde zur Erkennntis, dass es sich bei Ihren Angaben betreffend Ihrer Homosexualität um eine von Ihnen erfundene Scheinbehauptung handelt. Die erkennende Behörde begründet dies mit Ihrem unglaubwürdigen Auftreten, dem Ausweichen auf entsprechenden spezifischen Fragen, Ihrer Person und der Ausprägung der von Ihnen behaupteten Homosexualität im Herkunftsland und im Vergleich dazu in Österreich und der Tatsache, dass Sie Ihre angebliche Homosexualität bei Ihrer Erstbefragung mit keinem Wort erwähnten und auch innerhalb Ihres mittlerweile zweieinhalbjährigen Aufenthaltes in Österreich diesbezüglich keine Unterstützung bei entsprechenden Organisationen und Einrichtungen in Österreich gesucht haben. Es ist darüber hinaus davon auszugehen, dass bei einer tatsächlichen vorliegenden Homosexualität zumindest spätestens nach dem vierten Befragungstermin vor dem BFA und gemeinsamer Aufarbeitung der Geschehnisse und der Aufklärung über die Möglichkeiten in diesen Fällen Unterstützung bei entsprechenden Organisationen in Österreich zu erhalten, dass man diese auch in Anspruch nehmen würde, Ihnen wird somit nicht geglaubt, dass Sie tatsächlich homosexuell sind, womit auch dadurch alle von Ihnen aufgestellten Bedrohungsszenarien diesbezüglich jeglicher Glauben abgesprochen wird."
Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen rund um seine angebliche Homosexualität vor dem Hintergrund entsprechender aktueller Länderberichte ist unterblieben. Es wurde von der belangten Behörde Unglaubwürdigkeit seines diesbezüglichen Vorbringens angenommen, ohne sich zuvor eingehend mit diesem auseinandergesetzt zu haben.
Dass der BF bei seiner Erstbefragung noch nicht seine angebliche Homosexualität als Fluchtgrund angeführt hat, kann dem BF nicht angelastet werden, dient doch die Erstbefragung nicht vordergründig der Ermittlung der Fluchtgründe.
Der BF brachte vor dem BFA, nachdem er am 22.11.2017 von einer weiblichen Person im Beisein einer Dolmetscherin für die arabische Sprache einvernommen worden war und der BF um einen Arabisch-Dolmetscher ersucht hatte, erst gegen Ende der im Beisein eines Arabisch-Dolmetschers durchgeführten Einvernahme vor einer ihn einvernehmenden weiblichen Person am 22.11.2017 vor:
"Es gibt noch etwas, warum sich meine Familie von mir abgewendet hat, außer dem Alkohol. Mir wurde vorgeworfen, dass ich meinen Körper verkaufe an Männer. Deshalb wollten sie sich von mir entfernen. Das stimmt auch, ich habe Sex mit Männern gehabt und sie können das auch überprüfen, sie können mich auch zum Arzt schicken. Ich weiß, dass ich das mache und das ist so."
Nach diesem Vorbringen wurde die Einvernahme abgebrochen und der BF darüber informiert, dass das Asylverfahren von einem männlichen Referenten weitergeführt und eine Ladung zu einer neuerlichen Einvernahme zeitnah erfolgen werde.
Erst in der Einvernahme vor dem BFA am 05.03.2018 brachte der BF im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache, diesmal vor einer ihn einvernehmenden männlichen Person, Näheres zu einer Bedrohung rund um seine angebliche homosexuelle Orientierung vor.
Der Ansicht der belangten Behörde, der BF habe sein inhaltlich überschaubar gehaltenes Vorbringen durch seine Angabe, homosexuell zu sein, gesteigert, kann nicht gefolgt werden, hat der BF doch nach erster niederschriftlicher Einvernahme am 22.11.2017 im Zuge seiner noch an demselben Tag darauffolgenden zweiten Einvernahme vor dem BFA am 22.11.2017, als er erstmals im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache von einer weiblichen Person einvernommen wurde, von seiner angeblichen Homosexualität berichtet.
Die belangte Behörde führte für die Unglaubwürdigkeit begründend unter anderem aus, dass davon auszugehen sei, "dass bei einer tatsächlichen vorliegenden Homosexualität zumindest spätestens nach dem vierten Befragungstermin vor dem BFA und gemeinsamer Aufarbeitung der Geschehnisse und der Aufklärung über die Möglichkeiten, in diesen Fällen Unterstützung bei entsprechenden Organisationen in Österreich zu erhalten, dass man diese auch in Anspruch nehmen würde."
Dass der BF in seiner letzten niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 05.03.2018 auf eine in Österreich mögliche Unterstützung durch entsprechende Organisationen hingewiesen wurde, diese Möglichkeit jedoch nicht genützt hat, konnte ihm nicht angelastet werden, erwartete er sich doch in seinem Asylverfahren wegen seiner angegebenen Homosexualität internationalen Schutz zu erhalten.
Die belangte Behörde begründete im angefochtenen Bescheid jedenfalls nicht hinreichend, warum sie das Fluchtvorbringen rund um die behauptete homosexuelle Orientierung des BF nicht für glaubwürdig hält, sondern führte diesbezüglich im Wesentlichen aus, der BF sei bei seiner Einvernahme unglaubwürdig aufgetreten, habe auf spezifische Fragen ausweichend geantwortet und sei betreffend Homosexualität unwissend, ohne näher angegeben zu haben, worin sein unglaubwürdiges Auftreten bestanden, auf welche Fragen der BF ausweichend geantwortet habe und woraus ersichtlich sei, dass der BF betreffend Homosexualität unwissend sei.
Die belangte Behörde ging zudem von keinem zeitlichen Zusammenhang zwischen den vorgebrachten Vorfällen im Jahr 2013 - der angeblich in diesem Jahr erfolgten Entführung und Misshandlung des BF und Tötung seines Freundes - und der Ausreise des BF im Jahr 2015 aus, ohne sich näher mit dem weitergehenden Vorbringen des BF vor dem BFA am 05.03.2018, von der Miliz Asaib Ahl al Haqq am 02.09.2015 die letzte Drohung in Form eines Drohbriefes mit Aufforderung, zum Islam zurückzukehren, erhalten zu haben, und dem Vorbringen des BF, "der Druck von der Familie, von den führenden Parteien und von den Milizen hat mich dazu veranlasst, schlussendlich zu flüchten", auseinandergesetzt zu haben.
Eine diesbezüglich nähere Auseinandersetzung wird auch in Zusammenhang mit dem vor dem BFA am 22.11.2017 vorgelegten undatierten angeblich von der Asaib Ahl Al Haqq stammenden Schreiben mit der als letzten Warnung bezeichneten Aufforderung, der von einer bekannten muslimischen Familie abstammende BF müsse zum Islam zurückkehren, hätten Milizangehörige doch erfahren, dass der BF in einem Club für alkoholische Getränke arbeite, für unerlässlich gehalten.
Die belangte Behörde ließ folgendes Vorbringen des BF vor dem BFA am 22.11.2017 gänzlich außer Acht:
"nicht nur seit meiner Ankunft in Österreich sondern auch als ich im Irak war, habe ich mit dem Islam nichts mehr zu tun gehabt, da ich mit den Jesiden zusammengearbeitet habe. Ich bin irakischer Staatsbürger, Araber und auf den Dokumenten ist eingetragen, dass ich Moslem bin, aber ich will mit dem Islam nichts mehr zu tun haben. Ich esse ganz normal Schweinefleisch und ich trinke täglich in der Nacht." Der BF brachte später in der Einvernahme vor dem BFA am 22.11.2017 vor, seine Familie habe sich wegen seines Bezugs zu Alkohol von ihm abgewandt, aber nicht nur deswegen, sondern auch wegen seiner Homosexualität.
Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen des BF rund um seinen Alkoholkonsum, -verkauf, seinem damit zusammenhängenden angeblichen Glaubensabfall, und seiner Homosexualität, welche Gründe alle für das Abwenden seiner Familie von ihm ausschlaggebend gewesen sein sollen, dem vorgelegten Arztbericht vom 07.06.2017, wonach der BF um Bestätigung der multiplen Narben, die angeblich im Jahr 2013 durch Schläge bzw. Stiche an Kopf, Schulter und linkem Unterschenkel im Irak entstanden seien, ersuchte, und der im Folgenden angeführten vom BF vor dem BFA am 22.11.2017 vorgelegten und vom anwesenden Dolmetscher mündlich übersetzten Schreiben ist unterblieben, und zwar
? mit dem vom BF vorgelegten angeblich von der schiitischen Miliz Asaib Ahl al Haqq stammenden undatierten Schreiben mit als letzte Warnung bezeichneter Aufforderung, der von einer bekannten muslimischen Familie abstammende BF müsse zum Islam zurückkehren, hätten die Milizangehörigen doch erfahren, dass der BF in einem Club für alkoholische Getränke arbeite, und
? mit dem vorgelegten Schreiben "an alle Clan-Führer. Der Clan Al-Khalif hält sich von (BF) fern, wegen seiner negativen Taten, die unserem Clan nicht passen. Trotz guten Rates. Aus diesen Gründen geben wir bekannt vor allen Clans und Staaten, dass wir uns von ihm fernhalten und bitten darum uns zu informieren, wenn er irgendeine kriminellen Taten begeht, sowie töten, stehlen oder irgendein anderes Problem. Das unterschreiben wir am 06.11.2012."
Eine diesbezüglich nähere Prüfung wird auch aufgrund der vom BF vor dem BFA am 05.03.2018 angeführten Rückkehrbefürchtung, "wie ich bereits gesagt habe, dreiviertel meiner Familie arbeitet für Asaib Ahl Al Haqq, (...), "lieber würde ich hier sterben, als in den Irak zurückzukehren", für notwendig erachtet.
Ohne Vornahme dieser Prüfung konnte die Behörde jedoch nicht davon ausgehen, dass der BF nicht imstande war, einen Bezug zwischen seinem Fluchtvorbringen und den von ihm vorgelegten Beweismitteln herzustellen.
Der BF brachte vor dem BFA am 05.03.2018, befragt nach seinem gesundheitlichen Befinden, vor:
"Ich bin gesund, ich bin weder in ärztlicher Behandlung, noch muss ich Medikamente nehmen. Ich muss ab und zu Tabletten wegen meiner Kopfschmerzen nehmen."
Dieses Vorbringen war die Fortsetzung seiner Angaben in der Einvernahme vor dem BFA am 22.11.2017, in welcher der BF, befragt, ob er an irgendwelchen ernsthaften oder lebensbedrohlichen Krankheiten leide, angab:
"Aufgrund einiger Verletzungen am Kopf ist mir sehr oft schwindlig. Ich habe auch Arztbefunde da."
Der BF legte dann, wie in der Niederschrift festgehalten, ein Konvolut an Befunden, vor.
Daraufhin befragt, ob er derzeit Medikamente einnehme, gab der BF an:
"Ich habe sehr viele Medikamente. Eine große Menge Kopfschmerztabletten."
Die belangte Behörde setzte sich mit dem den Gesundheitszustand betreffenden Vorbringen des BF nicht näher auseinander, sondern stellte im angefochtenen Bescheid fest, dass der BF gesund und arbeitsfähig sei und führte im Zuge der Beweiswürdigung aus:
"Bezüglich Ihres Gesundheitszustandes darf auf Ihre Ausführungen in Ihrer Einvernahme hingewiesen werden. Hier gaben Sie schließlich an, dass Sie an keiner lebensbedrohenden Erkrankung leiden und sich arbeitsfähig fühlen."
Die vom BF vorgelegten ärztlichen Unterlagen wurden gänzlich unberücksichtigt gelassen, darunter:
? Arztbericht vom 07.06.2017, in welchem festgehalten wurde, dass der BF um Bestätigung der multiplen Narben, die durch Schläge bzw. Stiche an Kopf, Schulter und linkem Unterschenkel, die nach Angaben des BF im Jahr 2013 im Irak entstanden seien, ersucht hat;
? Ambulanzkarte der Allgemeinen Ambulanz eines Krankenhauses vom 14.04.2017, auf welcher folgende Anamnese festgehalten ist:
"seit längerer Zeit immer wieder Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und Rückenschmerzen, in letzter Zeit deutliche Verschlimmerung, bisher keine Therapie, (...).
Seit 4 Monaten keine Therapie ständig Übelkeit, kein Erbrechen, häufiges Wasserlassen, äußert lt. Dolmetscher Probleme schlimme Ereignisse aus der Vergangenheit zu verarbeiten. Patient äußert den Wunsch auf die Behandlung durch einen Nervenfacharzt, da er sich stark psychisch belastet fühlt."
Es wurde zudem die Diagnose "V.a. Somatisierungsstörung" festgehalten;
? Krankenhausberichte vom 04.07.2017 und 14.07.2017 über Behandlung des BF wegen urologischer Beschwerden.
Unter Berücksichtigung dieser Arztberichte wäre auch näher zu prüfen gewesen, ob ein Zusammenhang zwischen dem Fluchtvorbringen und den vor dem BFA angeführten und ärztlich bescheinigten gesundheitlichen Beeinträchtigungen, besonders den "multiplen Narben", die angeblich aus Misshandlungen im Jahr 2013 herrührten, und um deren ärztliche Bestätigung der BF laut einem Arztbericht von Juli 2017 ersucht hat, besteht.
Die belangte Behörde setzte sich somit nicht hinreichend mit dem Fluchtvorbringen des BF betreffend eine Bedrohungssituation wegen Alkoholkonsums, Alkoholverkaufs und Homosexualität und den vorgelegten Beweismitteln vor dem Hintergrund entsprechender aktueller Länderberichte auseinander. Diese nähere Auseinandersetzung wäre jedoch nötig gewesen, um auf eine Asylberechtigung schließen oder eine solche ausschließen zu können.
Außerdem blieb die Refoulementprüfung unter Spruchpunkt II. bloß allgemeingehalten:
"Das BFA vertritt die Auffassung, dass sich für Sie gegenwärtig kein Abschiebungshindernis in den Irak ergibt, weil eine landesweite allgemeine, extreme Gefährdungslage, in der jeder Antragsteller im Fall seiner Abschiebung dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert werden würde, nicht gegeben ist.
Somit lässt sich aus den individuellen persönlichen Verhältnissen keine Gefährdung im Sinne des § 8 AsylG ableiten. Während des ganzen Verhaltens sind keine Anhaltspunkte zu Tage getreten, die darauf hindeuten würden, dass Sie bei Ihrer Rückkehr in eine ausweglose und die Existenz bedrohende Lage geraten würden.
Unter Hinweis auf Vorangeführtes, sowie den ausgeführten Entscheidungsgründen ergibt sich für die erkennende Behörde nach rechtlicher Würdigung gegenständlichen Sachverhaltes, dass die Abschiebung in den Irak mangels substantiierter, glaubhafter und für das BFA nachvollziehbarer Angaben zur individuellen Situation, im Hinblick auf die behauptete Verfolgungsgefahr im Sinne des § 8 AsylG 2005 zum Zeitpunkt gegenständlicher Entscheidung zulässig ist."
Auch die Ausführung zu Spruchpunkt V. bezüglich Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Irak blieb unter Verweis auf Spruchpunkt II. allgemein- und kurzgehalten:
"Wie bereits unter den Spruchpunkt II. dargelegt, ergibt sich in Ihrem Fall keine derartige Gefährdung."
Abschließend steht:
"Es ist somit auszugehen, dass im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z. 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen Ihre Abschiebung in den Irak zulässig ist."
Konkrete Angaben, warum die belangte Behörde im gegenständlichen Fall aufgrund der individuellen Rückkehrsituation des BF vor dem Hintergrund aktueller Länderberichte von keinem Abschiebungshindernis ausgeht, fehlen.
In Gesamtbetrachtung liegt ein mangelhaftes behördliches Ermittlungsverfahren und ein nicht hinreichend begründeter angefochtener Bescheid iSv § 60 AVG vor.
Die Angelegenheit wird daher zur Verfahrensergänzung und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.
3.2.2. Es deutet zudem nichts darauf hin, dass die erforderlichen Ermittlungen und Feststellungen durch das BVwG selbst, verglichen mit den Ermittlungen und Feststellungen durch die belangte Behörde nach Zurückverweisung der Angelegenheit, mit einer wesentlichen Zeitersparnis und Verkürzung der Verfahrensdauer verbunden wäre.
3.2.3. Schließlich liegt auch kein Anhaltspunkt dahingehend vor, dass die Ermittlungen und Feststellungen durch das BVwG selbst im Vergleich zu den Ermittlungen und Feststellungen durch die Verwaltungsbehörde mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.
3.2.4. Aus den dargelegten Gründen war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
4. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Da im gegenständlichen bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelleEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G304.2194121.1.00Zuletzt aktualisiert am
10.03.2020