TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/26 W119 2164831-1

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Veröffentlicht am 26.11.2019
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Entscheidungsdatum

26.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W119 2164831-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch seine Mutter XXXX , vertreten durch den MigrantInnenverein und dessen Obmann Rechtsanwalt Dr. Lennart Binder, LL.M, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31. 5. 2017, Zl IFA:

1093393903-151682340, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005, der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der minderjährige Beschwerdeführer stellte gemeinsam mit seiner Mutter (Zl W119 2164837), seiner minderjährigen Schwester (Zl W119 2164833 und seinen zum Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährigen Bruder (Zl W119 2164827) am 13. 10. 2015 jeweils Anträge auf internationalen Schutz.

Seine volljährige Schwester (Zl W119 2164834) stellte am 12. 10. 2015, sein zum Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjähriger Bruder (Zl W119 2164828) stellte am 30. 6. 2016 einen solchen Antrag.

Am 4. 11. 2015 erfolgte die Erstbefragung der Mutter des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes.

Die Mutter des Beschwerdeführers führte zu ihrem Fluchtgrund aus, dass ihr Ehemann als Beamter in Afghanistan in der Sicherheitsdirektion gearbeitet habe. Eines nachts sei er von einer unbekannten Person abgeholt worden und seitdem gelte er als verschollen. Aus Angst sei sie mit ihren Kindern nach Parwan, Afghanistan gereist. Dort habe ein 53-jähriger Mann ihre Tochter heiraten wollen. Da sie dies nicht gewollt habe, sei sie mit ihren Kindern geflüchtet.

Am 4. 10. 2016 erfolgte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) eine niederschriftliche Einvernahme der Mutter des Beschwerdeführers. Sie gab an, dass sie sowohl in Kabul als auch in Parwan gewohnt hätte. In Kabul lebe ihr Bruder, gemeinsam mit ihrer Mutter, seiner Ehefrau und den vier Kindern. Vor ca. 26 Jahren hätte sie ihren Ehemann geheiratet. Ihr Ehemann hätte in einem Büro gearbeitet, manchmal habe er auch Autos verkauft. Einmal hätte er ihr gegenüber erwähnt, dass er bei "der Sicherheit" arbeite. Ihre ältere Tochter sei ein oder zwei Jahre in die Schule gegangen, "da ihr Stamm sehr streng sei", würden sie Mädchen nicht in die Schule gehen lassen. Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die Beschwerdeführerin an, dass "ein Mann" ihre Tochter hätte heiraten wollen, alle seien dagegen gewesen und ihr Sohn hätte mit diesem Mann gestritten. Es wurde ihnen von Dritten gesagt, dass dieser Mann ein mächtiger Talib sei und Kontakte zur Regierung hätte. So seien sie geflüchtet, ein Nachbar hätte ihnen geholfen, ein Auto organisiert, und sie hätte nur Bargeld mitgenommen.

Am 2. 3. 2017 erfolgte eine weitere Befragung der Mutter des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt. Dabei gab sie an, dass ihr Ehemann Autohändler gewesen sei, darüber hinaus hätte er für den Staat gearbeitet, wobei sie keine Angaben über die genaue Tätigkeit machen konnte. Das Geld für die Schleppung in Höhe von USD 17.000 hätte sie zuhause gehabt. Auf die Frage, warum ihre ältere Tochter mit 19 Jahren noch nicht verheiratet sei, gab sie an, dass ihr Ehemann keinen Druck auf die Kinder ausgeübt hätte wollen, die Kinder hätten selbst über ihr Leben entscheiden können.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 31. 5. 2017, Zl IFA:

1093393903-151682340, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) erkannte aber ihm gemäß § 8 Abs. 1 den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zu (Spruchpunkt II.) und erteilte gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).

Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 25.10.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher die Mutter des Beschwerdeführers ausführlich zu ihren Fluchtgründen und Beschwerdevorbringen befragt wurde.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16. 5. 2018, Zl W260 2164831-1/6E, wurde die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

Aufgrund einer gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof hob dieser mit Erkenntnis vom 26. 2. 2019, Zl E 2425-2430/2018-13, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes auf, weil der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt wurde.

Dies wurde damit begründet, dass der älteren Schwester des Beschwerdeführers in Afghanistan eine Zwangsverheiratung drohe, wodurch sie einen drohenden Eingriff in ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung behauptet habe, weshalb die vorliegende Rechtssache nicht durch einen Richter männlichen Geschlechts hätte verhandelt werden dürfen.

Am 21. 3. 2019 wurde dieses Verfahren der Gerichtsabteilung W119 zugeteilt.

Im zweiten Rechtsgang fand vor dem Bundesverwaltungsgericht am 19. 6. 2019 eine mündliche Verhandlung durch, an der sich die Mutter des Beschwerdeführers beteiligte. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Verhandlung nicht teil.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der minderjährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans und am XXXX geboren. Er stellte am 13. 10. 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um den minderjährigen Sohn der XXXX , der mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl W119 2164837, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde und der damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der Beschwerdeführer gehört als ihr minderjähriger Sohn der Familie an und liegt im gegenständlichen Fall ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vor.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den Angaben der Mutter des Beschwerdeführers im Verfahren sowie aus den damit übereinstimmenden Akteninhalten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 1 VwGVG regelt dieses Bundesgesetz das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt (§ 58 Abs. 2 VwGVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013).

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

A)

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Stellt ein Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z 22 leg. cit. von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser gemäß § 34 Abs. 1 AsylG 2005 als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

§ 34 Abs. 2 AsylG 2005 normiert, dass die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen hat, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art 3 Z13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus anhängig ist (§ 7).

Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten unter den Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

Im vorliegenden Fall wurde der Mutter des Beschwerdeführers gemäß § 3 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass dieser damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Dem minderjährigen Beschwerdeführer ist daher nach § 34 Abs. 4 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang, d.h. der Status des Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, zuzuerkennen, ohne dass allfällige eigene Fluchtgründe zu beurteilen waren (vgl. dazu auch Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 [2006], 499).

B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Die Revision ist sohin gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W119.2164831.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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