TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/28 W140 2225471-1

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Veröffentlicht am 28.11.2019
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Entscheidungsdatum

28.11.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W140 2225471-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. HÖLLER als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl: XXXX / BMI-BFA_WIEN_RD_TEAM_09, über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien alias Marokko, in Schubhaft zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 02.08.2019, Regionaldirektion Wien, wurde über den Beschwerdeführer (BF) gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Das BFA führte u. a. Folgendes aus:

" A) Verfahrensgang

Sie reisten zu einem unbekannten Zeitpunkt illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Sie stellten am 18.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid vom 03.03.2015 zurückgewiesen, da Ungarn für Ihr Asylverfahren zuständig war. Die Entscheidung wurde mit 14.03.2015 rechtskräftig. Am 09.06.2015 wurden Sie nach Ungarn überstellt. Sie kehrten anschließend erneut illegal in das österreichische Bundesgebiet ein.

Am 20.01.2016 stellten Sie einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid vom 12.08.2017 abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde. Diese Entscheidung erwuchs am 19.02.2017 in Rechtskraft. Sie sind seither unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Sie wurden rechtskräftig strafrechtlich verurteilt.

1. Am 28.05.2015, rechtskräftig mit 02.06.2015, wurden Sie vom LG

XXXX , GZ: XXXX gemäß § 27 (1) Z 1 8. Fall (3) SMG Datum der (letzten) Tat 26.04.2015, zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre verurteilt

2. Am 10.04.2019, rechtskräftig mit 16.04.2019, wurden Sie vom LG

XXXX , GZ: XXXX gemäß § 28a Abs. 1 1. Fall, § 28 Abs. 1 2. Fall SMG, § 27 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 SMG, § 223 Abs. 2, § 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monate, davon 16 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre verurteilt

Sie waren zuletzt vom 29.12.2018 bis zum 01.08.2019 in Haft in der JA XXXX . Am Tag Ihrer Entlassung wurden Sie aufgrund eines Festnahmeauftrages festgenommen und anschließend in das PAZ XXXX überstellt.

Sie wurden am 01.08.2019 zur möglichen Schubhaftverhängung einvernommen.

Diese Einvernahme gestaltete sich wie folgt:

(...)

F: Wie ist die Verständigung mit dem Dolmetscher?

A: Die Verständigung ist gut.

F: Sprechen Sie Deutsch?

A: Ein bisschen. Ich habe keinen Deutschkurs besucht.

F: Sind Sie gesund? Nehmen Sie Medikamente?

A: Ich bin gesund. Ich nehme Seroquel für die Psyche.

F: Können Sie dieser Einvernahme folgen

A: Ja.

F: Sind Sie derzeit rechtsfreundlich vertreten?

A: Nein. Ich hatte eine im Gerichtsverfahren.

V: Sie stellten am 18.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid vom 03.03.2015 zurückgewiesen, da Ungarn für Ihr Asylverfahren zuständig war. Die Entscheidung wurde mit 14.03.2015 rechtskräftig. Am 09.06.2015 wurden Sie nach Ungarn überstellt.

Am 20.01.2016 stellten Sie einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid vom 12.08.2017 abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde. Diese Entscheidung erwuchs am 19.02.2017 in Rechtskraft. Sie sind seither unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Sie wurden rechtskräftig strafrechtlich verurteilt. Zuletzt wurden Sie zu 24 Monaten Haft, davon 8 Monate unbedingt verurteilt.

Sie waren zuletzt vom 29.12.2018 bis zum 01.08.2019 in Haft in der JA XXXX . Am Tag Ihrer Entlassung wurden Sie aufgrund eines Festnahmeauftrages festgenommen und anschließend in das PAZ XXXX überstellt.

Sie beziehen keine Leistungen aus der Grundversorgung. Sie verfügen über geringe Barmittel. Sie sind seit behördlich nicht gemeldet.

Es ist beabsichtigt über Sie die Schubhaft zu verhängen. Ihnen wird heute Parteiengehör gewährt.

F: Möchten Sie sich zu diesem Sachverhalt äußern?

A: Ich habe eine Freundin, diese wollte ich heiraten. Ich wollte bei ihr wohnen. Ich kenne nur ihren Vornamen, sie heißt XXXX . Ich lernte sie vor meiner Haft kennen. Sie kommt aus Ungarn. Sie lebt in Wien, XXXX .

Anm: Eine Person mit dem Vornamen Anje ist an dieser Adresse nicht gemeldet.

F: Wann sind Sie zuletzt in das österreichische Bundesgebiet eingereist?

A: Im Jänner 2015.

F: Wo hatten Sie vor nach Ihrer Entlassung Unterkunft zu nehmen?

A: Bei meiner Freundin.

F: Haben Sie bereits einen Schlüssel für die Wohnung?

A: Nein.

F: Haben Sie Personaldokumente?

A: Nein.

F: Über welche Bar- bzw. Finanzmittel verfügen Sie derzeit?

A: 130 Euro. Ich habe in der Haft nicht gearbeitet.

F: Wie haben Sie Ihren Aufenthalt bisher finanziert?

A: Meine Freundin und ein Freund der Ägypter ist, helfen mir finanziell.

F: Wie lautet Ihr Familienstand?

A: Ich bin ledig, keine Kinder.

F: Haben Sie in Österreich Familienangehörige?

A: Ich habe einen Bruder in Österreich. XXXX, IFA XXXX . Momentan habe ich keinen Kontakt zu ihm.

F: Wo leben Ihre Eltern und Geschwister?

A: In Algerien.

F: Wo haben Sie zuletzt in Algerien gewohnt?

A: XXXX .

F: Wann genau haben Sie Algerien verlassen?

A: Im September 2010. Ich war 20 oder 21.

F. Wurden Sie in Algerien straffällig?

A: Nein.

F: Haben Sie Effekte einzuholen?

A: Ich habe ein paar Sachen bei mir und einige Sachen sind bei einem Freund. Er ist momentan in Algerien, aber dann kann er die Sachen bringen.

LA: Sie sind nicht im Besitz eines Reisedokumentes. Daher muss bei der algerischen Botschaft um ein Heimreisezertifikat angesucht werden. Dazu müssen Sie ein entsprechendes Dokument ausfüllen.

Anm: Das Dokument wird mit Hilfe des Dolmetschers ausgefüllt.

LA: Ich stelle Ihnen nun einige Fragen zu Ihrem Heimatland.

F: Welche Sprachen werden in Algerien gesprochen? Wie setzt sich die Bevölkerung zusammen?

A: Arabisch und Französisch. Dann noch Kbaile, Hershawi und Barbar. Es gibt Araber, Berber, unterteilt in Hershawi und Kbaile.

F: Welche Währung gibt es in Algerien? Welche Banknoten gibt es?

A: Dinar. In meiner Zeit gab es 10000, 20000, 50000 und 100000er Scheine. Neu gibt es 200000er Scheine.

F: Welche Sehenswürdigkeiten gibt es in Algieren?

A: Algier, Ohran und in Constantine gibt es die aufgehängte Stadt. Es gibt viele Brücken.

F: Nennen Sie typische Speisen.

A: Chakhchoukha und Couscous

F: Welche Länder grenzen an Algerien?

A: Tunesien, Marokko, Westsahara, Libyen, Mauretanien, Mali und Niger.

(...)

Entscheidung

Gegen Sie besteht eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung. Ihrer Ausreiseverpflichtung sind Sie bisher nicht nachgekommen. Sie wurden straffällig und wurden zweimal rechtskräftig verurteilt. Sie sind derzeit nicht behördlich gemeldet. Sie sind nicht im Besitz von geringen Barmitteln. Sie sind nicht im Besitz eines Personaldokumentes. Zwischen dem 30.11.2017 und Ihrer Inhaftierung am 29.12.2018 waren Sie nicht behördlich gemeldet und somit für die Behörde nicht greifbar.

Es wird bei Ihrer Botschaft um ein Heimreisezertifikat angesucht werden. Nach Ausstellung des Heimreisezertifikates werden Sie nach Algerien abgeschoben werden.

Deshalb wird gegen Sie diesmal die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Es ist ein Sicherungsbedarf gegen Sie gegeben.

(...)

Es ist daher zur Sicherung dieser Maßnahmen beabsichtigt, gegen mich die Schubhaft zu verhängen.

Der Schubbescheid wird mir persönlich im Anschluss an diese Niederschrift zugestellt.

(...)

Es wird Ihnen mitgeteilt, dass Sie bis zur Realisierung der Abschiebung weiterhin in Haft verbleiben und in das PAZ rücküberstellt werden.

F: Haben Sie alles verstanden.

A: Ja. Ich bin krank. Ich kann Ihnen die Telefonnummer meiner Freundin geben. Wenn Sie mich entlassen, lasse ich mir gleich einen Meldezettel geben. Ich gehe zur Caritas und bekomme wieder Grundversorgung. Im Jahr 2018 war ich in Ungarn. Ich habe versucht zu heiraten, aber ohne Pass gelang es nicht.

B) Beweismittel

Es wurden alle in Ihrem Akt Zl. IFA XXXX befindlichen Beweismittel sowie Ihre Befragungs- und Einvernahmeprotokolle herangezogen und gewürdigt.

C) Feststellungen

Der Entscheidung liegen folgende Feststellungen zugrunde:

Zu Ihrer Person:

Sie besitzen nicht die österreichische Staatsbürgerschaft.

Sie sind algerischer Staatsbürger.

Ihre Identität steht nicht fest.

Sie sind ledig und haben keine Kinder.

Sie wurden zweifach rechtskräftig strafrechtlich verurteilt.

Zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:

Gegen Sie besteht eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung. Sie wurden straffällig und rechtskräftig verurteilt. Seit dem 19.07.2019 halten Sie sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Sie waren vom 30.11.2017 bis zu Ihrer Inhaftierung am 29.12.2018 behördlich nicht gemeldet. Seitens der ho. Behörde ist davon auszugehen, dass Sie auf freiem Fuß untertauchen und Ihren illegalen Aufenthalt im Verborgenen fortsetzen werden.

Zu Ihrem bisherigen Verhalten:

Sie gingen noch nie einer legalen Erwerbstätigkeit nach. Es besteht keine begründete Aussicht, dass Sie eine Arbeitsstelle finden.

Sie wurden zweifach strafrechtlich rechtskräftig wegen Verstöße gegen das Suchtmittelgesetz verurteilt.

Sie missachteten die österreichische Rechtsordnung, indem Sie straffällig wurden.

Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel um Ihren Unterhalt zu finanzieren. Sie beziehen keine Leistungen aus der Grundversorgung.

Sie sind in Österreich behördlich nicht gemeldet. Zwischen dem 30.11.2017 und dem 19.12.2018, dem Tag Ihrer Inhaftierung, waren Sie nicht gemeldet. Sie gaben an, in der Zeit unrechtmäßig in Ungarn gewesen zu sein.

Sie gaben an bei Ihrer Freundin wohnen zu können, konnten aber nur den Vornamen angeben. An der angegebenen Adresse, ist keine Frau mit diesem Vornamen gemeldet.

Sie sind in keinster Weise integriert, weil Sie sich erst seit kurzen im Bundesgebiet befinden und weder über ausreichende soziale noch berufliche Bindungen verfügen. Sie haben keine Familienangehörige im österreichischen Bundesgebiet.

D) Beweiswürdigung

Die von der Behörde getroffenen Feststellungen resultieren aus dem Inhalt Ihres BFA-Aktes, Zl. XXXX , sowie aus Ihrer Einvernahme am 01.08.2019.

E) Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG können Fremde festgenommen oder angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder um die Abschiebung zu sichern. Für die Anordnung der Schubhaft muss Fluchtgefahr und Verhältnismäßigkeit vorliegen.

(...)

Entsprechend ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr:

Kriterien 1, 3 und 9

Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig, da gegen Sie eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung besteht. Sie wurden zwei Mal rechtskräftig strafrechtlich verurteilt. Sie verfügen über geringe Barmittel.

Vor Ihrer Inhaftierung waren Sie mehr als ein Jahr ohne behördliche Meldung. Sie gaben an, unrechtmäßig in Ungarn aufhältig gewesen zu sein. Nach Ihrer Entlassung hatten Sie vor bei Ihrer Freundin Unterkunft zu nehmen. Sie konnten den Vornamen Ihrer Freundin angeben, aber nicht den Familiennamen. An der angegeben Adresse ist keine Person mit diesem Vornamen gemeldet. Sie sind nicht in Besitz eines Wohnungsschlüssels.

Sie sind nicht im Besitz eines Reisedokumentes. Es wird bei Ihrer Botschaft um ein Heimreisezertifikat angesucht werden.

Sie verfügen in Österreich über keine verfahrensrelevanten Bindungen. Sie haben einen Bruder im Bundesgebiet, zu diesem haben Sie derzeit keinen Kontakt. Sie gaben an Ihre Freundin heiraten zu wollen, konnten aber lediglich ihren Vornamen angeben und dass Sie ungarische Staatsangehörige ist. Sie gehen keiner Erwerbstätigkeit nach und beziehen keine Leistungen aus der Grundversorgung.

Es ist eindeutig davon auszugehen, dass Sie nicht willens sind sich der österreichischen Rechtsordnung zu unterwerfen.

Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.

Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.

Zu Österreich bestehen keine beruflichen, sozialen oder familiären Bindungen. Sie gehen keiner legalen Beschäftigung nach. Eine verfahrensrelevante Integration ist nicht erkennbar.

Sie missachteten die österreichische Rechtsordnung, indem Sie bereits kurz nach Ihrer Einreise in das österreichische Bundesgebiet straffällig wurden. Im Jahr 2019 wurden Sie erneut rechtskräftig strafrechtlich verurteilt. Es besteht gegen Sie eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung. Es wird bei Ihrer Botschaft um ein Heimreisezertifikat angesucht werden. Sie verfügen über keine schützenswerten familiären und ausreichenden sozialen Bindungen im Bundesgebiet.

Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig und in Ihrem Fall notwendig.

Bei der Prüfung der Fluchtgefahr ist auch ein massives strafrechtliches Verhalten des Fremden in Bezug auf Gewalt- und Vermögensdelikte in Verbindung mit der wegen seiner Mittellosigkeit naheliegenden Wiederholungsgefahr einzubeziehen (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276). Der VwGH hat auch ausgesprochen, dass eine erhebliche Deliquenz des Fremden das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität einer baldigen Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276).

1. Am 28.05.2015, rechtskräftig mit 02.06.2015, wurden Sie vom LG

XXXX , GZ: XXXX gemäß § 27 (1) Z 1 8. Fall (3) SMG Datum der (letzten) Tat 26.04.2015, zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre verurteilt

2. Am 10.04.2019, rechtskräftig mit 16.04.2019, wurden Sie vom LG

XXXX , GZ: XXXX gemäß § 28a Abs. 1 1. Fall, § 28 Abs. 1 2. Fall SMG, § 27 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 SMG, § 223 Abs. 2, § 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monate, davon 16 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre verurteilt

Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.

Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio - Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund Ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht.

Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden.

Sie missachteten die österreichische Rechtsordnung, indem Sie bereits kurz nach Ihrer Einreise in das österreichische Bundesgebiet straffällig wurden. Im Jahr 2019 wurden Sie erneut rechtskräftig strafrechtlich verurteilt. Es besteht gegen Sie eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung. Es wird bei Ihrer Botschaft um ein Heimreisezertifikat angesucht werden. Sie verfügen über keine schützenswerten familiären und ausreichenden sozialen Bindungen im Bundesgebiet.

Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima - ratio - Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.

(...)

Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist."

Die Verwaltungsbehörde übermittelte am 22.11.2019 zum Zwecke der Überprüfung der Schubhaft im Sinne des § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verwaltungsakten womit "die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht gilt".

Mit E-Mail vom 22.11.2019 übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl folgende Stellungnahme:

"Bisheriger Verfahrensgang:

Gegen die Partei besteht seit 19.02.2017 in I. Instanz eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung. Weiter wurde vor dem Hintergrund der massiven Straffälligkeit des Fremden gegen ihn eine weitere Rückkehrentscheidung samt einem auf 10 Jahre befristeten Einreiseverbot am 05.11.2019 erlassen, welche zwar durchsetzbar, jedoch noch nicht rechtskräftig. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung wurde vom Fremden bis dato nicht ergriffen.

Der Fremde ist nicht im Besitz eines Reisedokuments, weshalb in der Vergangenheit bereits mit Algerien ein Verfahren zur Erlangung eines HRZ geführt wurde. Ein solches wurde jedoch von den algerischen Behörden am 14.06.2018 abgelehnt (BF wurde nicht persönlich vorgeführt).

Nachdem der Fremde aus der Gerichtshaft am 01.08.2019 entlassen wurde, wurde er auf Grund eines zuvor übermittelten Festnahmeauftrags der Behörde für das weitere Verfahren vorgeführt.

Er wurde noch am 01.08.2019 niederschriftlich einvernommen und der nun vorgelegte Schubhaftmandatsbescheid am 02.08.2019 zugestellt.

Die Schubhaft wurde zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Um diese auch tatsächlich effektuieren zu können, wurden gleichzeitig ohne unnötigen Aufschub Verfahren HRZ mit den Staaten Marokko, Tunesien und Algerien (neuerlich) gestartet.

Seitens Tunesien langte am 19.09.2019 die Verständigung ein, dass der Fremde nicht als Staatsangehöriger Tunesiens identifiziert werden konnte.

Das Verfahren hinsichtlich des Königreichs Marokko ist laufend und wurden durch das BFA bis dato 3 Urgenzen eingebracht.

Hinsichtlich des Verfahrens mit der Demokratischen Republik Algerien wurden bis dato 5 Urgenzen eingebracht, wobei mit der algerischen Vertretung eine Vorführung vor die algerische Delegation am 29.11.2019 vereinbart wurde.

Die Behörde verspricht sich von dieser Vorführung eine rasche Zusage zur Ausstellung eines HRZ für den Fremden.

Dabei wird nicht übersehen, dass im Falle einer weiteren längeren Überprüfungsdauer im Staat Algerien die Verhältnismäßigkeit einer weiteren Anhaltung amtswegig zu prüfen wäre.

Das bedeutet, dass die Behörde die nun zur gerichtlichen Prüfung vorgelegte Schubhaft nur in dem Fall nach dem Delegationstermin weiter aufrecht erhalten würde, sollte eine klare Zusage zur Ausstellung eines HRZ erfolgen.

Andernfalls wäre es die Absicht der Behörde, die Schubhaft gegen Anwendung einer Meldeverpflichtung aus eigenem zu beheben.

Die Vorlage der amtswegigen Schubhaftbeschwerde erweist sich aus dem Grunde als notwendig, da die Auskunft der algerischen Vertretungsbehörde in eventu erst nach dem 02.12.2019 ha einlangt.

Die ha. Behörde hat bisher alles versucht, um die Schubhaftdauer so kurz wie möglich zu halten.

Die Behörde beantragt daher im Wege der amtswegigen Schubhaftbeschwerde gem. §22a Abs. 1 und 3 BFA-VG den Fortsetzungsausspruch, dass die weitere Anhaltung des Fremden im Stande der Schubhaft den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit im Sinne des § 13 FPG entspricht."

Das Bundesverwaltungsgericht hat von Amts wegen erwogen:

1. Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang und die zitierten Feststellungen des BFA werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme anlässlich der Aktenvorlage angeführten Ausführungen u. a. betreffend Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates.

Auf der Tatsachenebene liegt keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend - vor.

Der BF ist haftfähig, es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Feststellungen des BFA werden der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

Im Besonderen ist hervorzuheben, dass die Behörde dargetan hat, dass sie sich im vorliegenden Fall um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bemüht und nach den Erfahrungswerten davon auszugehen ist, dass ein solches auch von der algerischen oder marokkanischen Vertretungsbehörde erlangt werden kann. Eine Vorführung des BF vor die algerische Delegation ist für den 29.11.2019 vorgesehen.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. - Fortsetzung der Schubhaft

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

Gemäß § 76 Abs 1 FPG idgF können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

Die Schubhaft darf gemäß § 76 Abs 2 FPG idgF nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

§ 76 Abs. 3 FPG idgF lautet:

Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden

wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise - wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG - erreicht werden ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig.

§ 80 FPG idgF lautet:

(1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

Zur Judikatur:

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe." (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich infrage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zugrunde, dass die infrage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013,

Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

Aufgrund der zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere Anhaltung weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Der Verwaltungsgerichthof führte in seiner Entscheidung vom 30.08.2018 (Ra 2018/21/0111) Folgendes aus: "In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG 2014 - einen neuen Hafttitel dar. Über vor oder nach der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen. Ein Erkenntnis nach § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 steht daher einer Beschwerde nach § 22a Abs. 1 BFA-VG 2014, mit der die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von vor oder nach der Erlassung des Erkenntnisses liegenden Haftzeiten begehrt wird, nicht entgegen."

Aufgrund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3 und Z 9 FPG liegt weiterhin Fluchtgefahr vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben. Insbesondere zu berücksichtigen ist, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Die Schubhaft ist jedenfalls wegen Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des

Beschwerdeführers mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt.

Der Beschwerdeführer hatte keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund - dass sich die Behörde um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bemüht - auch verhältnismäßig.

In diesem Zusammenhang war auch die Straffälligkeit des Beschwerdeführers zu berücksichtigen und § 76 Abs. 2a FPG anzuwenden: "(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt."

Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit schließt auch die Anordnung gelinderer Mittel aus.

Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine - die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft - ändernden Umstände erkennen.

Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Zu Spruchpunkt II. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft, öffentliche Interessen,
Rückkehrentscheidung, Schubhaft, Sicherungsbedarf, strafrechtliche
Verurteilung, Überprüfung, Untertauchen, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W140.2225471.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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