Entscheidungsdatum
02.12.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G301 2220559-1/31E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX(vormals: XXXX), geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit:
Kolumbien, vertreten durch den gerichtlichen Erwachsenenvertreter RA Dr. Herbert MARGREITER, dieser wiederum vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, vom 16.05.2019,
Zl. XXXX, betreffend Antrag auf internationalen Schutz und Einreiseverbot:
A) Die Beschwerde wird wegen fehlender Erlassung des angefochtenen
Bescheides als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
1. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1.1. Mit dem im oben Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion XXXX, vom 16.05.2019, Zl. XXXX, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF) vom 24.01.2019 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kolumbien abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kolumbien zulässig ist (Spruchpunkt V.), einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.), gemäß § 55 Abs. 1a FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht festgelegt (Spruchpunkt VII.) sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).
Der mit 16.05.2019 datierte und genehmigte Bescheid (Verwaltungsakt AS 317) wurde entsprechend der behördlichen Zustellverfügung (AS 391) von der in der Justizanstalt XXXXin Untersuchungshaft befindlichen beschwerdeführenden Partei am 21.05.2019 eigenhändig übernommen (AS 433).
Mit dem am 18.06.2019 beim BFA, Regionaldirektion XXXX, eingebrachten und mit demselben Tag datierten Schriftsatz erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den im Spruch angeführten Bescheid.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 27.06.2019 vom BFA vorgelegt.
1.2. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 09.04.2019 an das Bezirksgericht XXXX (AS 227) wurde mitgeteilt, dass sich der Fremde - das ist die beschwerdeführende Partei - im Zuge seiner bisherigen Äußerungen bzw. Befragungen in den anhängigen Asyl- und Strafverfahren im höchsten Maße wirr geäußert und ein absurdes Vorbringen erstattet habe. Aus Sicht der Behörde sei der Fremde keinesfalls handlungs- oder prozessfähig, weshalb um Überprüfung der Bestellung eines Erwachsenenschutzvertreters sowie um allfällige Bekanntgabe der Person des Vertreters ersucht werde.
Mit Aktenvermerk des verfahrensführenden Referenten der belangten Behörde vom 02.05.2019 (AS 269) wurde das Verfahren gemäß § 38 AVG zur Klärung einer Vorfrage "unterbrochen" (gemeint: "ausgesetzt"), nämlich bis zur Bestellung eines Erwachsenenschutzvertreters und zur Übermittlung des psychiatrischen Gutachtens.
Mit Aktenvermerk des verfahrensführenden Referenten der belangten Behörde vom 15.05.2019 (AS 271) wurde festgehalten, dass eine telefonische Kontaktaufnahme mit einer Erwachsenenschutzvertreterin erfolgt sei, wobei diese mitgeteilt habe, dass Anfang der "KW 21" (das ist die Kalenderwoche vom 20. bis 26. Mai 2019, Anm.) seitens der Erwachsenenschutzvertreterin mit dem Fremden eine mündliche Einvernahme durchgeführt werde und am Donnerstag, den 23.05.2019 den verfahrensführenden Referenten telefonisch kontaktieren werde, um ihm bekannt zu gaben, was sie dem zuständigen Gericht empfehlen werde.
Im Zusammenhang mit dem oben angeführten Bescheid der belangten Behörde vom 16.05.2019 wurde der beschwerdeführenden Partei mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 16.05.2019 (AS 395) gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem BVwG die Organisation "ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe" als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.
Am 21.05.2019 wurde der angefochtene Bescheid vom 16.05.2019 der beschwerdeführenden Partei in der Justizanstalt XXXX im Stande der Untersuchungshaft unmittelbar ausgefolgt und von dieser persönlich übernommen.
Mit Aktenvermerk des verfahrensführenden Referenten der belangten Behörde vom 23.05.2019 (AS 441) wurde festgehalten, dass die Erwachsenenschutzvertreterin - wie am 15.05.2019 vereinbart - am 23.05.2019 mit dem betreffenden Referenten telefonisch Kontakt aufgenommen habe, um ihn von der Anhörung im Erwachsenenschutzverfahren vom 21.05.2019 zu berichten. Sie schließe sich der grundsätzlichen Einschätzung des BFA hinsichtlich des Geisteszustandes des Asylwerbers an und empfehle dem BGXXXX die Fortführung des Verfahrens nach dem Erwachsenenschutzgesetz.
Am 24.10.2019, 09:09 Uhr, teilte der verfahrensführende Referent des BFA einer Bediensteten der Außenstelle Graz des BVwG telefonisch mit, dass für Freitag, den 25.10.2019, um 11:00 Uhr die begleitete Abschiebung des BF auf dem Luftweg nach Kolumbien geplant sei.
Am selben Tag um 10:50 Uhr teilte eine Mitarbeiterin der Diakonie Wien ebenso einer Bediensteten der Außenstelle Graz des BVwG telefonisch mit, dass aus ihrer Sicht die beschwerdeführende Partei nicht geschäftsfähig gewesen wäre, als er die ARGE als Rechtsvertreter bevollmächtigt habe; sie ergänzte, dass eine schriftliche Stellungnahme übermittelt werde (Aktenvermerk zu OZ 18).
Mit der am 24.10.2019 "in Vertretung" der beschwerdeführenden Partei von einer Mitarbeiterin der Diakonie mittel Telefax an die Einlaufstelle des BVwG in Wien eingebrachten Eingabe (OZ 18) wurde mit dringlichem Hinweis auf die für den nächsten Tag geplante Abschiebung der beschwerdeführenden Partei unter anderem ausgeführt, dass das Bezirksgericht XXXXmit Beschluss vom 19.07.2019 einen einstweiligen Erwachsenenvertreter bestellt habe. Weiters habe das Bezirksgericht XXXX aufgrund eines psychiatrischen Gutachtens, aus welchem hervorgehe, dass der Fremde an einer psychotischen Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis leide, mit Beschluss vom 19.09.2019 einen Erwachsenenvertreter für die Vertretung der beschwerdeführenden Partei im Asylverfahren bestellt. Es sei daher davon auszugehen, dass die beschwerdeführende Partei aufgrund ihrer psychischen Erkrankung - unter anderem - bereits am Tag der Erlassung des inhaltlichen Bescheides vom 16.05.2019 nicht in der Lage gewesen sei, ihre Angelegenheiten ohne Gefahr, sich selbst zu schaden, allein besorgen habe können, weshalb sie nicht handlungsfähig gewesen sei. Aus diesem Grund sei der Bescheid vom 16.05.2019 nicht rechtswirksam zugestellt worden. Entsprechende Unterlagen zur Untermauerung des Vorbringens und eine Vertretungsvollmacht der Einschreiterin wurden der Eingabe jedoch nicht beigelegt.
Aufgrund dieser Eingabe erfolgte am 24.10.2019, 14:22 Uhr, seitens des erkennenden Richters ein Telefonat mit der betreffenden Mitarbeiterin der Diakonie, in dem dieser zur Kenntnis gebracht wurde, dass die Eingabe insoweit einen verbesserungsfähigen Mangel aufweise, als entgegen dem Vermerk auf dem Deckblatt eine Vertretungsvollmacht des BF bzw. des gerichtlich bestellten Erwachsenenvertreters nicht vorgelegt wurde. Der Einschreiterin wurde daraufhin gemäß § 13 Abs. 3 AVG iVm. § 17 VwGVG aufgetragen, den aufgezeigten Mangel so rasch wie möglich zu beseitigen (Aktenvermerk OZ 22).
Eine Verbesserung des aufgezeigten Mangels (Übermittlung einer gültigen Vertretungsvollmacht) oder eine Übermittlung von relevanten Unterlagen zum Nachweis der in der Eingabe der Diakonie angeführten Behauptungen (z.B. Bestellungsbeschluss betreffend Erwachsenenvertretung) erfolgte jedoch nicht. Auch daran anschließende Versuche des erkennenden Richters, mit dem gerichtlichen Erwachsenenvertreter Kontakt aufzunehmen, schlugen fehl, wobei erst nach telefonischer Auskunft einer Kanzleimitarbeiterin des Erwachsenenvertreters am 25.10.2019, 09:00 Uhr, in Erfahrung gebracht werden konnte, dass dieser nicht im Büro und erst wieder am Montag (das ist der 28.10.2019, Anm.) erreichbar sei (Aktenvermerk OZ 25).
Im Zuge von daraufhin amtswegig unternommenen Ermittlungen konnte schließlich am 25.10.2019 der betreffende gerichtliche Bestellungsbeschluss beigeschafft werden.
Mit diesem Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX09.2019, Zl. XXXX (OZ 24), wurde für die beschwerdeführende Partei Dr. Herbert MARGREITER, Rechtsanwalt, XXXXXXXX Salzburg, zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter gemäß § 271 ABGB bestellt. Die gerichtliche
Erwachsenenvertretung umfasst folgenden Wirkungsbereich:
* Vertretung des Betroffenen im Asylverfahren vor dem Bundesamt für
Fremdenwesen und Asyl zur IFA-Zahl: XXXX und einem allfälligen Rechtsmittelverfahren.
Mit der am 25.10.2019 eingebrachten und mit demselben Tag datierten Eingabe des BFA, Regionaldirektion XXXX, wurde ein Bericht über die am 25.10.2019 um 09:00 Uhr erfolgte begleitete Abschiebung des BF von Wien nach XXXX (Kolumbien) übermittelt (OZ 26).
Mit schriftlicher Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 29.10.2019 wurden dem BF im Wege seines gerichtlich bestellten Erwachsenenvertreters und der belangten Behörde die Möglichkeit einer Stellungnahme zum näher dargelegten Ergebnis der Beweisaufnahme binnen drei Wochen ab Zustellung eingeräumt. In dieser Verständigung wurde als Ergebnis zusammenfassend festgehalten, dass es im vorliegenden Fall einer rechtswirksamen Erlassung des schriftlichen Bescheides der belangten Behörde gegenüber der beschwerdeführenden Partei ermangle, weshalb auch kein tauglicher Anfechtungsgegenstand für die gegenständliche Beschwerde vorliege. Die gegenständliche Beschwerde werde daher wegen fehlender Erlassung des schriftlichen Bescheides als unzulässig zurückzuweisen sein.
Mit dem am 18.11.2019 beim BVwG eingebrachten und mit 15.11.2019 datierten Schriftsatz des vom gerichtlichen Erwachsenenvertreter - unter gleichzeitiger Vorlage der schriftlichen Vertretungsvollmacht - zur weiteren Vertretung im Verfahren bevollmächtigten Rechtsvertreters wurde eine Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme fristgerecht übermittelt.
Mit dem am 19.11.2019 beim BVwG eingebrachten und mit 18.11.2019 datierten Schriftsatz des bevollmächtigten Rechtsvertreters des BF wurde eine verbesserte Stellungnahme übermittelt. Im Wesentlichen zusammengefasst wurde darin - gleichlautend wie in der ersten Stellungnahme vom 15.11.2019 - vorgebracht, dass der BF aus den näher dargelegten Gründen zu keinem Zeitpunkt geschäfts- und prozessfähig gewesen sei, weshalb ihm der angefochtene Bescheid der belangten Behörde nie rechtswirksam zugestellt worden sei.
Eine Stellungnahme der belangten Behörde zum Ergebnis der Beweisaufnahme ist bislang nicht eingelangt.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestritten gebliebenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
Der als Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme angenommene Sachverhalt (einschließlich der sich daraus ergebenden rechtlichen Beurteilung) wurde den Parteien im Rahmen des schriftlichen Parteiengehörs zur allfälligen Stellungnahme nachweislich zur Kenntnis gebracht. Seitens der beschwerdeführenden Partei wurde im Zuge der beiden von ihrem bevollmächtigten Rechtsvertreter - fristgerecht - übermittelten Stellungnahmen vom 15.11.2019 bzw. 18.11.2019 den dargelegten Feststellungen nicht entgegengetreten. Die belangte Behörde hat zum Ergebnis der Beweisaufnahme keine Stellungnahme abgegeben.
Die getroffenen Feststellungen, die auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens beruhen, waren daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde zu legen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zurückweisung der Beschwerde (Spruchpunkt A.):
Der mit der gegenständlichen Beschwerde angefochtene Bescheid der belangten Behörde vom 16.05.2019 wurde der beschwerdeführenden Partei am 21.05.2019 gemäß § 24 Zustellgesetz (ZustG) unmittelbar ausgefolgt und von dieser persönlich übernommen.
Gemäß § 62 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) können Bescheide, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, sowohl schriftlich als auch mündlich erlassen werden.
Die Erlassung schriftlicher Bescheide hat durch Zustellung (§§ 21 und 22 AVG iVm. ZustG) bzw. Ausfolgung (§ 24 ZustG) zu erfolgen. Als "erlassen" gilt ein schriftlicher Bescheid ab dem Zeitpunkt, ab dem eine rechtswirksame Zustellung (Ausfolgung) vorliegt.
Gemäß § 9 AVG ist die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten, insoweit sie in Frage kommt, von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen (vgl. dazu insbesondere §§ 21, 24 und 242 ABGB).
Die Frage der Handlungsfähigkeit und somit auch jene der Prozessfähigkeit ist nach der Rechtsprechung des VwGH von der Behörde als Vorfrage (iSd § 38 AVG) zu beurteilen (Hinweis VwGH 13.10.2005, Zl. 2004/18/0221, mwN). Einen Mangel der Prozessfähigkeit hat sie in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (Hinweis VwGH 20.02.2013, Zl. 2010/11/0062). Mangelt es einem Adressaten einer Verfahrenshandlung (insbesondere auch eines Bescheides) in Bezug auf den Verfahrensgegenstand an der Prozessfähigkeit, so geht die Verfahrenshandlung insofern ins Leere, als sie diesem Adressaten gegenüber keinerlei Rechtswirkungen entfaltet. Die Behörde kann diesfalls Verfahrenshandlungen rechtswirksam nur gegenüber dem gesetzlichen Vertreter setzen (siehe VwGH 25.02.2016, Ra 2016/19/0007). Mangelnde Prozessfähigkeit führt somit zur Unwirksamkeit verfahrensrechtlicher Akte der Behörde (z.B. von Zustellungen), auch kann die prozessunfähige Person keine wirksamen Verfahrenshandlungen setzen.
Für die Frage der Wirksamkeit einer Zustellung kommt es darauf an, ob der Zustellungsempfänger handlungsfähig war, und nicht darauf, ob für ihn bereits ein Sachwalter bestellt worden ist (VwGH 20.02.2013, Zl. 2010/11/0062). Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH (Hinweis VwGH 23.04.1996, Zl. 95/11/0365, und 20.02.2002, Zl. 2001/08/0192) wirkt die Sachwalterbestellung (nunmehr wohl gleichermaßen anzuwenden auf die Bestellung einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung gemäß § 271 ABGB) insofern konstitutiv, als ab ihrer Wirksamkeit die Prozess- und Handlungsfähigkeit im dort umschriebenen Ausmaß keinesfalls mehr gegeben ist. Für die Zeit davor ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer schon damals nicht mehr prozessfähig gewesen ist und somit nicht mehr in der Lage war, Bedeutung und Tragweite des Verfahrens und der sich in diesem ereigneten prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten (VwGH 25.05.2005, Zl. 2003/09/0019; VwGH 27.02.2006, Zl. 2004/05/0326).
Eine zulässige Bescheidbeschwerde an ein Verwaltungsgericht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG setzt einen wirksam erlassenen Bescheid voraus. Wenn der angefochtenen Erledigung Bescheidcharakter nicht zukommt, ist eine Beschwerde vom Verwaltungsgericht als unzulässig zurückzuweisen (vgl. dazu VwGH 24.04.2003, Zl. 99/20/0182; 10.12.2008, Zl. 2008/22/0302; 11.11.2009, Zl. 2008/23/0764).
Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die Erlassung des am 16.05.2019 genehmigten Bescheides durch unmittelbare Ausfolgung an die damals in der Justizanstalt XXXX in Untersuchungshaft angehaltene beschwerdeführende Partei verfügt, obwohl die belangte Behörde zu jenem Zeitpunkt im Hinblick auf den bisherigen Ermittlungsstand ganz offensichtlich selbst unverändert davon ausging, dass die beschwerdeführende Partei aufgrund ihres bislang im Verfahren gezeigten und als besonders auffällig und bizarr zu qualifizierenden Verhaltens und ihres ganz offensichtlich stark beeinträchtigten psychischen Gesundheitszustandes nicht prozess- und handlungsfähig sein könnte. So veranlassten diese Umstände die belangte Behörde auch dazu (vgl. § 11 AVG), mit Schreiben an das zuständige Bezirksgericht vom 09.04.2019 eine gerichtliche Überprüfung des Gesundheitszustandes und der Handlungsfähigkeit der beschwerdeführenden Partei und - bei fehlender Prozessfähigkeit - die mögliche Anordnung einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung von Amts wegen anzuregen.
Gerade aus diesem Grund ordnete die belangte Behörde auch die Aussetzung des anhängigen Asylverfahrens gemäß § 38 AVG an.
Dadurch, dass die belangte Behörde letztlich aber weder das von ihr selbst eingeleitete pflegschaftsgerichtliche Verfahren zur Klärung der Prozess- und Handlungsfähigkeit, noch die am 15.05.2019 (also einen Tag vor Genehmigung des Bescheides) bereits für 23.05.2019 angekündigte Rückmeldung einer mit der belangten Behörde in Kontakt stehenden Vertreterin einer Erwachsenenschutzeinrichtung abwartete, sondern im völligen Gegensatz dazu und ohne erkennbaren Anlass am 16.05.2019 einen Bescheid verfasste und dessen unmittelbare Ausfolgung an die beschwerdeführende Partei veranlasste, erweist sich die unmittelbare Ausfolgung des Bescheides an die beschwerdeführende Partei am 21.05.2019 als rechtsunwirksam, zumal aus dem gesamten Akteninhalt nicht einmal ansatzweise irgendwelche Umstände ersichtlich sind, wonach die belangte Behörde plötzlich am Tag der Genehmigung des Bescheides davon ausgehen hätte können, dass die beschwerdeführende Partei nunmehr - entgegen dem bis dahin vorliegenden Ermittlungsstand - in der Lage sein würde, Bedeutung und Tragweite des Verfahrens und der sich in diesem ereigneten prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen des Asylverfahrens entsprechend zu verhalten.
Darüber hinaus hat die belangte Behörde weder eine Fortsetzung des am 02.05.2019 von ihr gemäß § 38 AVG ausgesetzten Verfahrens verfügt, noch die bei der Aussetzung aufgezeigte Vorfrage (Klärung der Prozessfähigkeit) offenbar nach eigener Anschauung beurteilt.
Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass es im vorliegenden Fall einer rechtswirksamen Erlassung des schriftlichen Bescheides der belangten Behörde gegenüber der beschwerdeführenden Partei ermangelt, weshalb auch kein tauglicher Anfechtungsgegenstand für die gegenständliche Beschwerde vorliegt.
Die gegenständliche Beschwerde war daher wegen fehlender Erlassung des schriftlichen Bescheides als unzulässig zurückzuweisen.
3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Da die Beschwerde zurückzuweisen war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine Verhandlung entfallen.
3.3. Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist teilweise zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
fehlende Bescheidgenehmigung, mangelnder Anknüpfungspunkt,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G301.2220559.1.01Zuletzt aktualisiert am
10.03.2020