Entscheidungsdatum
02.12.2019Norm
AsylG 2005 §2Spruch
G301 2213179-4/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER über den Antrag vom 21.10.2019 der XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Dominikanische Republik, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Bernhard WEBER in Wien, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.02.2019, G301 XXXX, abgeschlossenen Verfahrens:
A) Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird als verspätet
zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
1. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit dem am 21.10.2019 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion XXXX, eingebrachten und auch an das BFA gerichteten Schriftsatz (datiert mit 21.10.2019) beantragte die antragstellende Partei durch ihren bevollmächtigten Rechtsvertreter die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG zum Aktenzeichen XXXX.
Darin wurde aus den näher dargelegten Gründen "an den Bundesverwaltungsgerichtshof der Republik Österreich" der Antrag gestellt, den rechtswidrigen Bescheid vom 13.12.2018 zu GZ XXXX der belangten Behörde in sämtlichen Spruchpunkten aufzuheben, in eventu eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und die Wiederaufnahme des Verfahrens zu GZ XXXX zu bewilligen. Gestützt wurde dieser Antrag in rechtlicher Hinsicht auf § 69 Abs. 1 Z 1 AVG, in eventu auf § 69 Abs. 1 Z 2 AVG und wurde im Wesentlichen zusammengefasst damit begründet, dass am 07.10.2019 bei der belangten Behörde Akteneinsicht genommen und im Zuge dessen festgestellt worden sei, dass der "vormaligen Einschreiterin, der Diakonie Wien" die von der belangten Behörde unterdrückten, näher bezeichneten Urkunden nicht vorgelegt worden seien. Dadurch sei die 14-Tage-Frist des § 69 Abs. 2 AVG am 07.10.2019 ausgelöst worden, da die Frist mit dem Zeitpunkt beginne, in dem der Antragsteller Kenntnis vom Wiederaufnahmegrund erlangt habe.
Am 31.10.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der vom BFA, Regionaldirektion XXXX, vorgelegte gegenständliche Antrag auf Wiederaufnahme unter Anschluss der Bezug habenden Verwaltungsakten ein (OZ 1). Gleichzeitig wurde beantragt, den Wiederaufnahmeantrag abzuweisen.
Mit gerichtlichem Mängelbehebungsauftrag vom 05.11.2019 (OZ 2), zugestellt am selben Tag, wurde der antragstellenden Partei folgender Sachverhalt zur Kenntnis gebracht:
"Das im Wiederaufnahmeantrag dargelegte Wiederaufnahmebegehren richtet sich dem Wortlaut nach an "den Bundesverwaltungsgerichtshof der Republik Österreich (§ 69 Abs. 4 AVG)", wobei mangels Existenz eines "Bundesverwaltungsgerichtshofes" davon ausgegangen werden kann, dass damit vom Wiederaufnahmewerber das "Bundesverwaltungsgericht der Republik Österreich" gemeint ist. Dem konkreten Begehren nach wurde neben der Aufhebung eines "rechtswidrigen Bescheides vom 13.12.2018 zu GZ XXXX der belangten Behörde" (hier wohl gemeint: des BFA) in sämtlichen Spruchpunkten, letztlich auch die Bewilligung der "Wiederaufnahme des Verfahrens zu GZ XXXX" beantragt.
Anträge einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluss des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens richten sich nach § 32 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 i.d.g.F.
Wiederaufnahmeanträge an ein Verwaltungsgericht müssen sich auf ein bestimmtes abgeschlossenes Verfahren beziehen und dieses bezeichnen, den Wiederaufnahmegrund darlegen und angeben, wann der Wiederaufnahmewerber von dem behaupteten Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat. Sämtliche Voraussetzungen für die Wiederaufnahme muss der Wiederaufnahmewerber darlegen. Fehlen diese Ausführungen, so handelt sich dabei um einen verbesserungsfähigen Mangel im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG iVm. § 17 VwGVG."
Da im gegenständlichen Wiederaufnahmeantrag nicht dargelegt wurde, auf welches abgeschlossene Verfahren des BVwG sich der Antrag konkret beziehe, wurde der antragstellenden Partei aufgetragen, dass der aufgezeigte Mangel binnen zwei Wochen ab Zustellung des Mängelbehebungsauftrages zu verbessern ist.
Mit dem am 19.11.2019 beim BVwG eingebrachten und mit 18.11.2019 datierten Schriftsatz des Rechtsvertreters (OZ 3) wurde das im Wiederaufnahmeantrag dargelegte Begehren inhaltlich wiederholt, wobei in einem Eventualantrag neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung nunmehr nicht wie im Antrag noch ausgeführt die Wiederaufnahme des Verfahrens des BFA zur Geschäftszahl XXXX, sondern die Bewilligung der Wiederaufnahme des Verfahrens des BVwG zur Geschäftszahl G301 XXXX beantragt wurde.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestritten gebliebenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zurückweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens (Spruchpunkt A.):
Der mit "Wiederaufnahme des Verfahrens" betitelte § 32 des Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung, lautet:
"§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn
1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder
3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder
4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.
(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse."
Gemäß § 17 VwGVG findet § 69 AVG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine Anwendung. Die Bestimmungen über die Wiederaufnahme gemäß § 32 VwGVG entsprechen jedoch weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 und 70 AVG, weshalb insoweit die zu § 69 AVG ergangene Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts herangezogen werden kann (vgl. VwGH 31.08.2015, Ro 2015/11/0012; 27.02.2019, Ra 2018/10/0095).
Die in § 32 Abs. 2 VwGVG vorgesehene subjektive Frist beginnt bereits mit der Kenntnis des Antragstellers von dem Sachverhalt, der den Wiederaufnahmegrund bilden soll; entscheidend ist die Kenntnis von einem Sachverhalt, nicht aber die rechtliche Wertung dieses Sachverhalts. Für den Fristenlauf ist daher nicht maßgebend, ob dem Antragsteller die mögliche Qualifizierung eines Sachverhalts als Wiederaufnahmegrund bewusst ist (VwGH 20.09.2018, Ra 2018/09/0050; auch VwGH 26.04.2013, 2011/11/0051; 13.01.1993, 92/12/0046).
Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:
Der vorliegende Wiederaufnahmeantrag richtet sich - entsprechend dem Begehren im Zuge der Mängelverbesserung mit Schriftsatz vom 18.11.2019 - gegen das mit Erkenntnis des BVwG vom 18.02.2019, G301 XXXX, abgeschlossene verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren.
Zunächst ist festzuhalten, dass - entgegen der auch noch im Schriftsatz des Rechtsvertreters vom 18.11.2019 vertretenen Ansicht - auf Anträge auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des BVwG abgeschlossenen Verfahrens § 32 VwGVG maßgeblich ist und nicht § 69 AVG. Auf die Anwendbarkeit des § 32 VwGVG wurde bereits im Mängelbehebungsauftrag vom 05.11.2019 ausdrücklich hingewiesen.
Gemäß § 32 Abs. 2 erster Satz VwGVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat.
Der gegenständliche Wiederaufnahmeantrag wurde am 21.10.2019 beim BFA, Regionaldirektion XXXX, und damit nicht bei dem gemäß § 32 VwGVG zuständigen BVwG eingebracht. Am 28.10.2019 veranlasste das BFA die Weiterleitung des Antrages an das zuständige BVwG, wo der Antrag samt den Bezug habenden Verwaltungsakten am 31.10.2019 einlangte.
Gemäß § 6 Abs. 1 AVG hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.
Wird - wie im gegenständlichen Fall - ein fristgebundenes Anbringen bei einer unzuständigen Stelle eingereicht, so ist dieses Anbringen nach § 6 Abs. 1 AVG unverzüglich an die richtige Einbringungsstelle weiterzuleiten, wobei die Weiterleitung auf Gefahr des Einschreiters erfolgt. Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist die Frist nur dann gewahrt, wenn die unzuständige Stelle das Anbringen zur Weiterleitung an die zuständige Stelle spätestens am letzten Tag der Frist zur Post gibt oder das Anbringen bis zu diesem Zeitpunkt bei der zuständigen Stelle einlangt (vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/10/0068; 20.11.2014, Ra 2014/07/0050; 21.03.2016, Ra 2015/08/0180).
Zum Beginn des Fristenlaufs wurde im gegenständlichen Wiederaufnahmeantrag ausdrücklich vorgebracht, dass die Frist mit Vornahme der Akteneinsicht beim BFA am 07.10.2019 zu laufen begonnen habe.
Der Wiedereinsetzungsantrag wäre daher unter Zugrundelegung dieses im Antrag genannten Beginns des Fristenlaufs nur dann als rechtzeitig eingebracht anzusehen, wenn er innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem die antragstellende Partei von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hatte, somit innerhalb des Zeitraums vom 07.10.2019 bis zum Ablauf des 21.10.2019 beim BVwG eingebracht worden wäre.
Da der Wiederaufnahmeantrag jedoch am letzten Tag der zweiwöchigen Frist beim BFA, Regionaldirektion XXXX, und somit bei einer unzuständigen Behörde eingebracht wurde, erfolgte eine Weiterleitung an das BVwG jedenfalls auf Gefahr des Einschreiters, weshalb die nicht fristwahrende Weiterleitung an das BVwG der antragstellenden Partei zuzurechnen ist.
Dazu ist ergänzend anzumerken, dass eine fristwahrende Weiterleitung des Antrages vom BFA an das BVwG ohne unnötigen Aufschub jedenfalls nicht mehr möglich gewesen wäre. Wird ein Anbringen noch innerhalb der vorgesehenen Frist eingebracht, kann sie aber erst nach Ablauf dieser Frist an das für die Einbringung zuständige Verwaltungsgericht weitergeleitet werden, so ist sie jedenfalls als verspätet anzusehen.
Da der gegenständliche Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens erst nach Ablauf der zweiwöchigen Frist beim BVwG eingebracht wurde, war der Antrag gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG als verspätet zurückzuweisen.
3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Da der Antrag auf Wiederaufnahme zurückzuweisen war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine Verhandlung entfallen.
3.3. Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist teilweise zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Fristablauf, Fristversäumung, Verspätung, WiederaufnahmeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G301.2213179.4.00Zuletzt aktualisiert am
10.03.2020