TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/3 G313 2206413-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.12.2019
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Entscheidungsdatum

03.12.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G313 2206413-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Slowakei, vertreten durch RA Mag. Timo Gerersdorfer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.08.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.04.2019 zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene

Bescheid dahingehend abgeändert, dass in Spruchpunkt I. die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf ein (1) Jahr herabgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 16.08.2018, wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 70 Abs. 3 FPG dem BF ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II).

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Dabei wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben, in eventu diesen zu beheben und zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

3. Die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 26.09.2018 vorgelegt. Mit Beschwerdevorlage beantragte die belangte Behörde um vollinhaltliche Abweisung der Beschwerde.

4. Mit Schreiben des BVwG vom 12.11.2018 wurde der BF um Vorlage aktueller Einkommensnachweise bzw. um Nachweis des Familienstandes (falls dieser geändert wurde), und um Auskunft ersucht, ob mit dem BF noch weitere Personen an seiner Wohnsitzadresse wohnen und gegebenenfalls die Namen und die Geburtsdaten der Mitbewohner bekanntzugeben.

Die vom BVwG angeforderten für die gegenständliche Entscheidung für relevant gehaltenen Informationen sind alle beim BVwG eingelangt.

5. Am 30.04.2019 wurde vor dem BVwG, Außenstelle Graz, mit dem BF, seinem Rechtsvertreter und seiner Mutter als Zeugin eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist slowakischer Staatsangehöriger.

1.2. Er hat im Bundesgebiet seine Mutter als nähere Bezugsperson. Des Weiteren leben noch ein Onkel, eine Tante und eine Cousine des BF in Österreich. Der Aufenthaltsort seines Vaters ist unbekannt. Der Vater des BF soll laut diesbezüglich glaubhafter Angabe mit Stellungnahme vom 22.06.2016 angeblich in Italien leben und sich dort zeitweise in Haftanstalten aufgehalten haben.

1.3. Der BF wohnte im Bundesgebiet ab Mai 2010 mit seiner Mutter in gemeinsamem Haushalt zusammen und weist für diese Zeit auch eine Hauptwohnsitzmeldung auf. Für die Wohnung, die der BF mit seiner Mutter gemeinsam bewohnte, ist zum Zeitpunkt des zwischen dem Unterkunftgeber und dem BF abgeschlossenen Mietvertrags vom 25.08.2017 eine monatliche Miete (inklusive Betriebskosten) in Höhe von EUR 280,61 angefallen.

Festgestellt werden kann, dass der BF ab Einreise in das österreichische Bundesgebiet im Mai 2010 zwar eine durchgehende Hauptwohnsitzmeldung, jedoch keinen durchgehenden Aufenthalt besitzt.

1.4. Zum Zeitpunkt seiner Einreise im Mai 2010 befand sich der BF noch in einer laufenden Ausbildung zum Kellner in der Slowakei. Diese Ausbildung hat der BF im Juni 2010 absolviert.

Der BF war im Bundesgebiet ab Jänner 2011 bei verschiedenen Dienstgebern beschäftigt und hat im Zeitraum von Mai 2016 bis September 2019 auch Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen. Sein letztes Beschäftigungsverhältnis endete am 25.10.2019.

1.5. Die Mutter des BF, die sich im Bundesgebiet erstmals von Februar 1999 bis Februar 2003 in einem Beschäftigungsverhältnis befand, geht nunmehr seit April 2010 einer laufenden Beschäftigung nach, und hat für den BF am 10.06.2016 folgende von einem inländischen Gericht beglaubigte für fünf Jahre lang gültige Haftungserklärung abgegeben:

"Ich erkläre, das ich für folgende Person (ergänzende Anmerkung: an dieser Stelle Daten des BF angeführt)

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 15 NAG für die Erfordernisse einer alle Risiken abdeckenden Krankenversicherung, einer Unterkunft und entsprechender Unterhaltsmittel aufkomme, und für den Ersatz jener Kosten hafte, die einer Gebietskörperschaft bei der Durchsetzung eines Aufenthaltsverbotes, einer Ausweisung, einer Zurückschiebung oder der Vollziehung der Schubhaft, einschließlich der Aufwendungen für den Ersatz gelinderer Mittel, sowie aus dem Titel der Sozialhilfe oder eines Bundes- oder Landesgesetzes, das die Grundversorgungsvereinbarung nach Art. 15a B-VG, BGBl. I Nr. 80/2004, umsetzt, entstehen. Diese Haftungserklärung ist für fünf Jahre gültig!"

1.6. Der BF wurde an einem slowakisch-österreichischen Grenzübergang am 13.12.2018 einer Polizeikontrolle unterzogen. Im Zuge dieser wurde festgestellt, dass gegen den BF ein Aufenthaltsverbot besteht. Es wurde folglich, nachdem dem BF die Einreise nach Österreich verweigert worden war, für eine gesicherte Ausreise des BF in die Slowakei gesorgt.

Nunmehr hält sich der BF, abwartend auf den Ausgang des gegenständlich in Österreich geführten fremdenpolizeilichen Verfahrens, in der Slowakei auf, und zwar zusammen mit seiner Lebensgefährtin, die laut diesbezüglich glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung am 30.04.2019 zum Zeitpunkt seiner Haftentlassung im Mai 2016 bereits schwanger gewesen ist und deren Sohn zum Zeitpunkt der Verhandlung drei Jahre alt war.

1.7. Der BF wurde im Bundesgebiet rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, und zwar mit

? Urteil von Mai 2016 wegen Suchtgifthandels durch Überlassung zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 17 Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren.

1.7.1. Dieser strafrechtlichen Verurteilung lagen folgende strafbare Handlungen zugrunde:

Der BF hat im Bundesgebiet zu einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt im August 2015 bis Mitte März 2016 vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich Cannabiskraut 8Wirkstoff 0,4%, Delta-9-THC und 4,6% THCA) mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt, in vielzähligen Angriffen bestimmten Personen durch gewinnbringenden Gebrauch überlassen, und zwar den jeweils abgesondert verfolgten

I. (...) zumindest 3.000 Gramm zu einem Grammpreis von mindestens 5,50 Euro.

II. (..) zumindest 500 Gramm zu einem Grammpreis von mindestens 6 Euro.

Bei der Strafbemessung wurde der bisherige ordentliche Lebenswandel mildernd und das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen erschwerend gewertet.

1.7.2. Nach rechtskräftiger Verurteilung des BF von Mai 2016 wurde laut Gerichtsbeschluss vom 01.06.2018 von der Republik Österreich als betreibende Partei gegen den BF als verpflichtende Partei Fahrnisexekution wegen EUR 17.508,- geführt.

Am 27.06.2018 wurde gerichtlich festgehalten, dass die Republik Österreich als betreibende Partei - unter Verzicht auf Beschlussausfertigung - die Einschränkung der bewilligten Exekution auf den Betrag von EUR 15.633,50 beantragt hat.

Der BF hatte demnach Schulden in Höhe von EUR 15.633,50 zurückzuzahlen. Davon zahlte der BF regelmäßig einen Betrag von ca. EUR 292,- zurück. Seitdem sich der BF nicht mehr in Österreich aufhält, zahlt seine Mutter die Monatsraten.

1.7.3. Der BF befand sich von April 2016 bis Mai 2016 in Haft. Die Probezeit des mit Strafrechtsurteil von Mai 2016 ausgesprochenen bedingten Teils der Haftstrafe im Ausmaß von 17 Monaten ist noch offen.

1.7.4. Die mündliche Verhandlung am 30.04.2019 gestaltete sich auszugsweise wie folgt ("VR" für verhandelnde Richterin und ""Z" für Zeugin bzw. Mutter des BF):

"VR: Nachdem Sie mit ihm zusammenleben oder zeitweise zusammengelebt haben, was haben Sie für eine Beobachtung machen können im Hinblick auf diese Suchtmittel?

Z: Er ist immer in die Arbeit gegangen. Ich kann nichts Schlechtes sagen. Er hat auch immer trainiert. Ich habe nichts bemerkt.

VR: Aber ist für Sie jetzt irgendetwas anders als vorher, theoretisch könnte es jetzt auch wieder so sein und Sie nichts davon merken?

Z: Das glaube ich nicht. Es ist ihm bewusst, dass er Familie und ein Kind hat. Es ist sicher schlimm für ihn. Er hat keine Arbeit und hat kein Geld. Ich muss ihm Geld schicken. Auch für mich ist das belastend.

VR: Sie wirken auf ihn ein, dass er auf dem rechten Weg bleibt?

Z: Ja, sicher. Aber ich glaube, er sollte eine Chance bekommen, weil er doch noch jünger war, als er die Straftat begangen hat."

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben angeführte Verfahrensgang beruht auf dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie des nunmehr vorliegenden Gerichtsaktes.

2.2. Zu den Feststellungen:

2.2.1. Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des BF beruhen auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

2.2.2. Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen des BF ergab sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt, wobei die Feststellung zum Aufenthalt seines Vaters in Italien aufgrund der bei der belangten Behörde am 02.08.2016 eingelangten Mitteilung durch den Rechtsvertreter des BF, der Vater des BF "soll in Italien leben und sich dort zeitweise als Insasse in Gefängnissen befinden" (AS 137). Die Feststellung zum Aufenthalt der sonstigen Verwandten des BF in Österreich (Onkel, Tante und Cousine) konnte aufgrund des diesbezüglich glaubhaften Beschwerdevorbringens getroffen werden konnte.

2.2.3. Dass der BF mit seiner Mutter seit Mai 2010 in gemeinsamem Haushalt zusammenwohnt, beruht auf dies bescheinigende den BF und seine Mutter betreffende Zentralmelderegisterauszüge in Zusammenschau mit der am 14.12.2018 beim BVwG eingelangten Mitteilung vom 11.12.2018, dass der BF an seiner Wohnsitzadresse (nur) mit seiner Mutter zusammenwohne. Die Feststellung, dass sich die Mutter des BF bereits seit Juli 2002 im Bundesgebiet aufhält, beruht auf die diesbezügliche erste Hauptwohnsitzmeldung im ihre Person betreffenden Zentralmelderegisterauszug.

Dass zum Zeitpunkt des zwischen dem BF und dem Unterkunftgeber abgeschlossenen Mietvertrags vom 25.08.2017 eine Monatsmiete inklusive Betriebskosten in Höhe von EUR 280,61 angefallen ist, beruht auf dem diesbezüglich vorgelegten Mietvertrag (AS 72f).

2.2.4. Dass dem BF am 20.01.2011 unbefristet eine Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer erteilt wurde, ergab sich aus einem aktuellen Fremdenregisterauszug.

2.2.5. Die Feststellung, dass der BF im Juni 2010 seine in der Slowakei von September 2007 bis Juni 2010 nachgegangene Berufsausbildung zum Kellner absolviert hat, beruht auf diesbezüglich vorgelegten Nachweisen bzw. Übersetzungen davon (AS 77ff).

Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit des BF und seiner Mutter beruhen auf ihre Personen betreffende AJ WEB - Auskunftsverfahrensauszüge. Die von einem inländischen Gericht beglaubigte fünf Jahre lang gültige Haftungserklärung der Mutter des BF vom 10.06.2016 wurde vom Rechtsvertreter des BF mit Schreiben vom 28.07.2016 vorgelegt und langte am 02.08.2016 bei der belangten Behörde ein (AS 137ff).

2.2.6. Die Feststellungen zur rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung des BF vom Mai 2016 ergab sich aus einem Strafregisterauszug und dem Inhalt des diesbezüglichen Strafrechtsurteils im Verwaltungsakt (AS 21).

Die dem BF aus dieser Verurteilung entstandenen Schulden ergaben sich aus dem vorliegenden Gerichtsbeschluss vom 01.06.2018 über die gegen den BF geführte Fahrnisexekution wegen EUR 17.508,-, bzw. aus dem darauffolgenden gerichtlichen Vermerk vom 27.06.2018, dass die Republik Österreich als betreibende Partei - unter Verzicht auf Beschlussausfertigung - die Einschränkung der bewilligten Exekution auf den Betrag von EUR 15.633,50 beantragt hat (AS 329). Dass der BF und seit Ausreise des BF seine Mutter diese Schulden des BF in regelmäßigen Raten abbezahlen, konnte aufgrund ihres diesbezüglich glaubhaften Vorbringens in der mündlichen Verhandlung am 30.04.2019 festgestellt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Anzuwendendes Recht:

3.1.1. Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet:

"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

(...)."

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

3.1.2. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren und die Feststellungen ergaben Folgendes:

Mit im Spruch angeführtem Bescheid wurde gegen den BF ein unbefristetes Aufenthaltsverbot nach § 67 Abs. 1 und 2 FPG erlassen.

Der BF, rumänischer Staatsbürger, hält sich - nicht durchgehend - seit Februar 2012, demnach seit weniger als zehn Jahre im Bundesgebiet auf, weshalb nicht der erhöhte Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S. 5 FPG, sondern der einfache Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S. 2 FPG zur Anwendung gelangt.

Dem angefochtenen Aufenthaltsverbot liegt im Wesentlichen die rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung des BF von Mai 2016 zugrunde.

Hinsichtlich dieser strafrechtlichen Verurteilung des BF weist das erkennende Gericht der Vollständigkeit halber darauf hin, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen unabhängig und eigenständig, von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096). Es geht bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

Fest steht, dass der BF im Mai 2016 wegen Suchtgifthandels zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 17 Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig strafrechtlich verurteilt wurde.

Dieser strafrechtlichen Verurteilung lag zugrunde, dass der BF im Bundesgebiet zu einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt im August 2015 bis Mitte März 2016 vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b) übersteigenden Menge, nämlich Cannabiskraut (Wirkstoff 0,4%, Delta-9-THC und 4,6% THCA) mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt, in vielzähligen Angriffen zwei bestimmten Personen durch gewinnbringenden Gebrauch überlassen hat, und zwar

? einer abgesondert verfolgten Person 3.000 Gramm zu einem Grammpreis von mindestens 5,50 Euro und

? einer weiteren abgesondert verfolgten Person zumindest 500 Gramm zu einem Grammpreis von mindestens 6 Euro.

Diese strafbaren Handlungen hat der BF innerhalb eines Zeitraums begangen, als sich sowohl der BF als auch seine Mutter in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis befunden haben. Dass der BF während dieses Zeitraums bestimmten Personen Suchtgift aufgrund einer wirtschaftlichen Notsituation entgeltlich überlassen hat, geht aus dem Akteninhalt nicht hervor, zumal für die Mietwohnung, die der BF seit August 2017 und zusammen mit seiner Mutter seit November 2017 bewohnt, laut Mietvertrag insgesamt rund EUR 280,- inklusive Betriebskosten anfallen, und seine Mutter im Juni 2016 für ihn auch eine gerichtlich beglaubigte für fünf Jahre gültige Haftungserklärung abgegeben hat bzw. aufgrund eigener Erwerbstätigkeit abgeben konnte, und außerdem auch eine wirtschaftliche Notsituation diese strafbaren Handlungen nicht rechtfertigen, sondern nur auf weitere strafbare Handlungen schließen lassen könnten.

Der BF beging seine strafbaren Handlungen in Zusammenhang mit Suchtgift in gewinnbringender Absicht.

In seiner Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof regelmäßig betont, dass ein Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (siehe zuletzt VwGH 25.1.2018, Ra 2018/21/0004, Rn. 8); für die Annahme eines Wegfalls der aus dem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit eines Fremden ist in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich (vgl. VwGH 26.4.2018, Ra 2018/21/0027; VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0193, Rn. 12).

Fest steht, dass der BF nach Verbüßung seiner einmonatigen Haftstrafe, wie er glaubhaft in der mündlichen Verhandlung am 30.04.2019 angab, lange Zeit auf Arbeitssuche war, wobei nicht außer Acht zu lassen ist, dass seine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung von Mai 2016 für ihn ein erschwerendes Hindernis dargestellt haben mag. Fest steht, dass der BF ab Februar 2017 wieder im Bundesgebiet einer eintägigen geringfügigen Beschäftigung und von April 2017 bis Juni 2018 einer weiteren Beschäftigung bei einem anderen Dienstgeber nachgehen konnte.

Der BF zahlte, soweit dies ihm im Bundesgebiet möglich war, einen Teil der ihm aus seiner strafrechtlichen Verurteilung erwachsenen Schulden zurück, und zwar regelmäßige Beträge von rund EUR 292,-. Der BF hielt sich ab 13.08.2018, an welchem Tag der BF an einem slowakisch-österreichischen Grenzübergang von der Polizei aufgegriffen und aufgrund eines bestehenden Aufenthaltsverbotes für eine gesicherte Ausreise des BF in die Slowakei gesorgt wurde, nicht mehr im Bundesgebiet auf, abgesehen von seinem Aufenthalt im Bundesgebiet zwecks Einvernahme des BF in der mündlichen Verhandlung am 30.04.2019. Erst zum Antritt eines Beschäftigungsverhältnisses am 27.05.2019, wofür der BF bereits am 24.05.2019 mit dem Dienstgeber einen Dienstvertrag abgeschlossen hat, ist der BF wieder in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Der BF war bei diesem Dienstgeber nur rund ein Monat lang von Mai bis Juni 2019 und dann nicht ganze zwei Monate lang von September bis Oktober 2019 beschäftigt und hat sich in erwerbsfreier Zeit dazwischen und danach wieder in der Slowakei aufgehalten.

Aufgrund der im Zeitraum von Februar 2017 bis Juni 2018 und auch im Zeitraum von Mai 2019 bis Oktober 2019 im Bundesgebiet nur kurzzeitigen Beschäftigungen und seiner teilweisen Schuldenzurückzahlung durch regelmäßige monatliche Ratenzahlungen kann kein besonderes Wohlverhalten des BF im Bundesgebiet nach Haftentlassung im Mai 2016 erkannt werden, auch nicht vor dem Hintergrund, dass er sich durch seine Angabe in der mündlichen Verhandlung, dumm gewesen zu sein und seine strafbaren Handlungen tuen ihm leid, reuig zeigte, zumal sich der BF, wie aus dem Akteninhalt ersichtlich, nach Haftentlassung vorwiegend in der Slowakei aufgehalten hat.

Die Beurteilung der Gefährdungsprognose ist daher unter Bedachtnahme des Gesamtverhaltens des BF und aller individueller Umstände vorzunehmen.

Hervorzuheben ist in Zusammenhang mit den vom BF begangenen Suchtgiftdelikten jedenfalls die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, weshalb das maßgebliche öffentliche Interesse in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wiegt, als das gegenläufige private Interesse des Fremden (vgl. VwGH 14.01.1993, 92/18/0475).

Gerade Suchtgiftdelinquenzen stellen ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist, und an deren Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (vgl. VwGH 22.11.2012, 2011/23/0556, mwN).

Aufgrund der für die Gesundheit der Menschen besonders gefährlichen Suchtgiftkriminalität, der bei Suchtgiftdelikten bestehenden hohen Wiederholungsgefahr und der Tatsachen, dass der BF den Suchtgifthandel im Zeitraum von August 2015 bis Mitte März 2016 in vielzähligen Angriffen begangen hat, und zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt noch eine dreijährige Probezeit aus seiner strafrechtlichen Verurteilung offen ist, die aus Angst vor weiterer strafrechtlicher Konsequenz auch Ursache für die kriminelle Enthaltsamkeit des BF sein könnte, ist zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt von keiner positiven Zukunftsprognose, sondern von einer vom BF im Bundesgebiet für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehenden erheblichen Gefahr iSv § 67 Abs. 1 S. 2 FPG auszugehen.

Bei der Bemessung der Einreiseverbotsdauer kann dem BF jedenfalls die nahe Beziehung des BF zu seiner Mutter, mit welcher er im Bundesgebiet ab Mai 2010 in gemeinsamem Haushalt zusammenwohnte und welche für ihn am 10.06.2016 eine Haftungserklärung abgab und während Erwerbslosigkeit des BF für ihn die Ratenzahlungen zur Abbezahlung seiner Schulden leistete, seine - wenn auch jeweils nur kurzzeitigen - legalen Beschäftigungen und zuletzt seine in der mündlichen Verhandlung am 30.04.2019 gezeigte Reue über seine im Bundesgeiet begangenen strafbaren Handlungen zugutegehalten werden.

Im Herkunftsstaat des BF könnte dem BF zur Bewirkung eines Gesinnungswandels beim BF auch seine angebliche in der Slowakei verbliebene Lebensgefährtin behilflich sein. Laut seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung am 30.04.2019 hat er diese vor fünf Jahren in der Slowakei kennen gelernt und mit dieser einen drei Jahre alten Sohn.

Dass mit dieser in der Slowakei lebenden Lebensgefährtin eine nähere Beziehung besteht, kann jedoch ausgeschlossen werden, lebte der BF doch jedenfalls im Zeitraum von Mai 2010 bis zu einem Zeitpunkt nach Erlassung des gegenständlich angefochtenen Aufenthaltsverbotes vorwiegend in Österreich in gemeinsamem Haushalt mit seiner Mutter zusammen.

Es wird in Gesamtbetrachtung aller individuellen Umstände die Dauer eines einjährigen Aufenthaltsverbotes für gerechtfertigt und auch für hoch genug gehalten, um den BF innerhalb dieser Zeit in der Slowakei zu einem positiven Gesinnungswandel bewegen zu können.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Da eine sofortige Ausreise des BF nicht im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit für unbedingt erforderlich gehalten wurde, konnte dem BF ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt werden.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, Durchsetzungsaufschub, Herabsetzung,
Interessenabwägung, Milderungsgründe, öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G313.2206413.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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