Entscheidungsdatum
03.12.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G309 2195926-1/11E
G309 2195922-1/7E
G309 2195923-1/7E
G309 2195931-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER über die Beschwerden 1) des XXXX, geb. am XXXX, 2) der XXXX, geb. am XXXX, 3) des mj. XXXX, geb. am XXXX und 4) des mj.
XXXX, geb. am XXXX, alle StA: Irak, die minderjährigen Beschwerdeführer gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX, alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas WALDHOF, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien - Außenstelle Wien, vom 20.04.2018, Zl. XXXX, XXXX, XXXX, XXXX, betreffend internationalen Schutz nach
Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. des bekämpften Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte IV. bis VI. stattgegeben, eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak auf Dauer für unzulässig erklärt und der Beschwerdeführerin XXXX, gemäß § 55 Abs. 1 AsylG der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus", den Beschwerdeführern XXXX, den mj. XXXX und mj. XXXX, gemäß § 55 Abs. 2 AsylG eine "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von jeweils 12 Monaten erteilt.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Bei den BeschwerdeführerInnen (im Folgenden: BF) handelt es sich um eine vierköpfige Familie, bestehend aus den miteinander verheirateten Eltern und ihren zwei minderjährigen Kindern. Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden: BF1) verließ seinen Herkunftsstaat Irak erstmalig im Juli 2008, die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2) im September 2008 nach Syrien. Der BF1 und die BF2 hielten sich bis zu ihrer Ausreise Anfang Oktober 2013 in XXXX, Syrien und die BF2 auch zeitweise in XXXX, Irak auf. Die BF verließen ihren Herkunftsstaat Irak Anfang Oktober 2013 und stellten nach ihrer Einreise ins Bundesgebiet am 24.10.2013 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung gaben der BF1 und die BF2 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion XXXX, am 24.10.2013 an, die im Spruch genannten Namen zu führen, am XXXX (BF1) und am XXXX (BF2) in XXXX geboren zu sein, Staatsangehörige des Irak zu sein, der arabischen Volksgruppe anzugehören und Moslems der sunnitischen Glaubensrichtung zu sein. Ferner gaben der BF1 und die BF2 übereinstimmend an, traditionell und standesamtlich miteinander verheiratet und gemeinsame Eltern des Drittbeschwerdeführers (im Folgenden: BF3) und des Viertbeschwerdeführers (im Folgenden: BF4) zu sein und im Irak zuletzt in XXXX, Saleheddin, gelebt zu haben.
Zu den Gründen der Ausreise befragt, gaben der BF1 und die BF2 gleichlautend an, dass sie den Irak aufgrund der Arbeit des BF1 verlassen hätten. Der BF1 habe nach dem Sturz von Saddam Hussein den Irak verlassen müssen, da er einer seiner Leibwächter gewesen sei und für ihn gearbeitet habe. Milizen haben ihn beseitigen wollen, so wie fast jeden der für ihn [Saddam Hussein] gearbeitet habe. Er habe seine Habschaften verkauft und sei aus dem Irak geflohen. Syrien habe er gemeinsam mit seiner Familie verlassen, weil derzeit Krieg herrsche und seine Familie dort nicht mehr in Sicherheit sei. Die vorgebrachten Fluchtgründe würden auch für ihre Kinder gelten und hätten diese überdies keine eigenen Fluchtgründe.
Bei einer Rückkehr befürchte der BF1 verfolgt und getötet zu werden. Die BF2 hingegen gab an, dass sie selbst nichts zu befürchten habe. Sie habe den Irak verlassen um ihren nunmehrigen Ehemann zu heiraten und habe Angst um ihn und um die gemeinsamen Kinder, welche seinen Namen tragen.
2. Nach Zulassung des Verfahrens wurden der BF1 am 09.10.2014 und die BF2 am 22.10.2014 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), im Beisein eines geeigneten Dolmetschers in arabischer Sprache niederschriftlich vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter einvernommen.
Dabei gab der BF1 an, dass er seitens der irakischen Regierung bedroht werde, weil er Leibwächter von Udai Saddam, aus der Gegend von Saddam Hussein und ein Mitglied der Baath-Partei gewesen sei. Er sei der Leiter einer Privat-Sicherheitsgruppe und aller Leibwächter des Udai Saddam gewesen. Bei der Privatsicherheitsbehörde habe es sich um die EL AMN ALKHAS gehandelt. Diese Tätigkeit habe er von 1997 bis 2003 ausgeübt, danach habe er nicht mehr arbeiten dürfen. Er habe den Irak erst 2008 verlassen, weil die Regierung es davor nicht geschafft habe nach XXXX zu kommen und gegen ihn ein Haftbefehl erlassen worden sei. Im Falle seiner Rückkehr würde er von den Schiiten festgenommen und getötet werden. Die BF2 führte aus, dass sie keine persönlichen eigenen Fluchtgründe habe. Sie habe in XXXX bis 2011 das Bachelorstudium XXXX betrieben und abgeschlossen und sei dazu bis 2013 zwischen dem Irak und Syrien gependelt. Bei einer Rückkehr fürchte sie um das Leben ihrer Kinder.
3. Am 16.03.2016 und 22.07.2016 erfolgte eine erneute niederschriftliche Einvernahme des BF1 und der BF2 vor dem BFA. Im Zuge der Einvernahme führte der BF1 aus, dass er der Bodyguard von Udai Hussein gewesen sei und er die gleiche Großfamilie wie Saddam Hussein habe. Er sei von 1991 bis 1997 als Angestellter einer Spezialsicherheitsabteilung und ab 1997 bis 2003 als Chef einer solchen Gruppe tätig gewesen. Dabei sei er direkt Udai Hussein unterstellt gewesen. Er und seine Brüder hätten statt dem Militärdienst in der Sicherheitsabteilung Dienst versehen, 1997 sei er von Udai Hussein persönlich als Bodyguard ausgewählt worden und habe ab diesem Zeitpunkt auch eine Sicherheitsgruppe geführt. Im Oktober 2009 sei ein Haftbefehl gegen ihn ausgestellt worden und sei er persönlich von der irakischen Regierung bzw. den Milizen bedroht worden. Die BF2 wiederholte im Wesentlichen ihre Angaben der Erstbefragung, insbesondere, dass sie persönlich keine Probleme im Irak gehabt habe, aber diesen aufgrund der Tätigkeit ihres Mannes als Leibwächter von Udai Hussein verlassen habe.
4. Mit Stellungnahme und Urkundenvorlage vom 15.11.2017 führten die BF im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass der BF1 seit 1991 Mitglied der Baath- Partei und der von Qusay Hussein geleiteten Sicherheitsabteilung "EL AMN AL KHAS" gewesen sei. Bis 1997 sei er mit der Objektsicherung für Saddam Hussein betraut gewesen, 1997 sei er als Leibwächter für Udai Hussein vorgeschlagen und von diesem persönlich ausgewählt worden. Nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein und dem Tod seiner Söhne 2003 sei er untergetaucht. Er habe sich an wechselnden Orten versteckt und so in relativer Sicherheit bis Juli 2008 in XXXX und Umgebung leben können. Zu diesem Zeitpunkt habe er von einem Freund erfahren, dass er auf einer Tötungsliste schiitischer Milizen stehe. Im Oktober 2009 habe er außerdem einen Haftbefehl erhalten. Zwei seiner Kollegen, welche mit ihm als Leibwächter für Udai Hussein gearbeitet hätten, seien von schiitischen Milizen verhaftetet und in weiterer Folge ermordet worden. Seine beiden Brüder, welche ebenfalls in der Sicherheitsabteilung "EL AMN AL KHAS" gearbeitet hätten, würden sich nicht mehr im Irak, sondern der Türkei aufhalten. Als ehemaliges Mitglied der Baath-Partei und des Regimes von Saddam Hussein drohe ihm Verfolgung durch schiitische Milizen. Bei seiner Rückkehr würde zutage treten, dass er sich einem Haftbefehl entzogen habe und werde er deswegen verhaftet und in weiterer Folge zu einer Haftstrafe, oder schlimmstenfalls zum Tode verurteilt werden. Er könne nicht wie ein Teil seiner Familie Zuflucht in der kurdischen Autonomieregion finden, da gegen ihn ein Haftbefehl bestehe und er im Zuge der Sicherheitsüberprüfung an die irakische Zentralregierung ausgeliefert werde. Er und seine Gattin (BF2) würden sich um eine Integration in Österreich bemühen und habe die BF2 bereits die Deutschprüfung auf der Niveaustufe B1 abgeschlossen. Die BF2 engagiere sich ehrenamtlich und nehme an der "XXXX" für Akademiker teil. Der BF3 besuche die örtliche Volksschule und der BF4 den Kindergarten.
5. Mit den im Spruch angeführten Bescheiden des BFA, den BF zugestellt am 30.04.2018, wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz vom 24.10.2013 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.), als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG [2005] nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG [2005] iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die BF Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung der BF in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde ausgeführt, dass die minderjährigen BF über keine eigenen Fluchtgründe verfügen würden und daher auf die Bescheide ihrer Eltern, insbesondere des Vaters, verwiesen werde. Es habe zudem nicht festgestellt werden können, dass die BF in ihrem Herkunftsstaat einer Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt, oder in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt gewesen seien. Es stehe fest, dass die BF keine Verfolgung durch den irakischen Staat bzw. dessen Behörden zu befürchten hätten. Der BF1 sei ein arbeitsfähiger Mann, die BF2 eine arbeitsfähige Frau, beide im erwerbsfähigen Alter, mit Schulausbildung und die BF2 mit einem Bachelorabschluss in XXXX. Eine Rückkehr in den Irak sei den BF zumutbar und möglich. Da Verwandte des BF1 und der BF2 in der autonomen Kurdenzone Zuflucht gefunden haben, sei auch eine innerstaatliche Fluchtalternative dorthin möglich. Das Fluchtvorbringen des BF1, wonach er Leibwächter des Udai Hussein gewesen sei, erweise sich insgesamt als nicht glaubhaft.
6. Mit dem am 16.05.2018 beim Bundesamt eingebrachten und mit 14.05.2018 datierten Schriftsatz erhoben die BF, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Farhad PAYA, Beschwerde gegen die sie betreffenden Bescheide des BFA. Darin wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge die angefochtenen Bescheide dahingehend abändern, dass der Beschwerde Folge geben werde und den BF der Status von Asylberechtigten zuerkennen; ihnen allenfalls subsidiären Schutz gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gewähren und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilen; in eventu aussprechen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und den BF einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 erteilen, zumindest aber aussprechen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorübergehend unzulässig ist und den Aufenthalt der BF bis auf weiteres zu dulden; die angefochtenen Bescheide aufheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung neuer Bescheide an die belangte Behörde zurückverweisen und eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen.
In der Sache brachten die BF unter Beanstandung der Ermittlungen der Länderfeststellungen, sonstiger Verfahrensmängel, einer mangelhaften Beweiswürdigung und inhaltlicher Rechtswidrigkeit vor, dass das BFA keine Feststellungen zu der für ihn bei einer Rückkehr in den Irak bestehenden Verfolgungsgefahr getroffen habe, welche sich aus seiner beruflichen Tätigkeit für eine hochrangige Persönlichkeit des ehemaligen Regimes und seiner Mitgliedschaft bei der Baath-Partei ergeben würden. Zudem habe sich das BFA nicht ausreichend mit der prekären Sicherheitslage und dem gegen ihn erlassenen Haftbefehl und den damit in weiterer Folge verbundenen Haftbedingungen im Irak auseinandergesetzt. Betreffend die Rückkehrentscheidung führen die BF aus, dass sie keine sichere Zuflucht in der Autonomen Kurdenregion finden könnten, da der BF1 die Sicherheitsüberprüfung nicht positiv absolvieren könne. Das BFA habe außerdem die Integrationsbemühungen der BF, insbesondere der BF2 außer Acht gelassen und sich auch nicht mit der Lage minderjähriger Kinder auseinandergesetzt.
7. Die gegenständlichen Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom BFA vorgelegt und langten am 22.05.2018 beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.
8. Mit Schreiben vom 14.08.2019 beim BVwG eingelangt am 20.08.2019 stellte der BF1 durch seinen Rechtsvertreter Rechtsanwalt Dr. Andreas WALDHOF einen Fristsetzungsantrag gem. Art. 133 Abs. 1 Z 2 B-VG. Der Akt wurde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung über den Fristsetzungsantrag vorgelegt, und von diesem die verfahrensleitende Anordnung erlassen, binnen drei Monaten eine Entscheidung zu erlassen, den Verwaltungsgerichtshof hierüber zu verständigen, oder aber anzugeben warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt. Diese Anordnung lange am 17.09.2019 beim BVwG ein.
9. Das BVwG verband die gegenständlichen Rechtssachen zur gemeinsamen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 AVG iVm § 17 VwGVG und führte am 17.10.2019 in der Außenstelle Graz eine öffentliche mündliche Verhandlung, unter Beiziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache und im Beisein einer Vertreterin des BFA durch. Der BF1 und die BF2 nahmen im Beisein ihres Rechtsvertreters an der Verhandlung teil. Von der Teilnahme der unmündigen mj. BF3 und BF4 an der Verhandlung wurde abgesehen. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde den BF Gelegenheit gegeben ihre Ausreisemotivation neuerlich umfassend darzulegen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der BF:
Der BF1 und die BF2 verließen ihren Herkunftsstaat Mitte 2008 nach Syrien, wo sie sich bis zu ihrer Ausreise Anfang Oktober 2013 aufhielten. Die BF2 pendelte während dieser Zeit immer wieder nach XXXX, um ihr Bachelorstudium abzuschließen. Anfang Oktober 2013 reisten die BF legal von XXXX nach ISTANBUL und von dort schlepperunterstützt über die Balkanroute nach Österreich, wo sie am 24.10.2013 die verfahrensgegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz stellten. Sie reisten rechtswidrig ins Bundesgebiet ein, sind seither Asylwerber und verfügen über keinen anderen Aufenthaltstitel.
Die BF führen die im Spruch angeführten Identitäten (Namen und Geburtsdatum), sind irakische Staatsangehörige, bekennen sich zum sunnitischen Islam und sind Angehörige der Volksgruppe der Araber. Die Muttersprache der BF ist arabisch. Der BF1 und die BF2 sind standesamtlich wie traditionell miteinander verheiratet und die Eltern der gemeinsamen Kinder BF3 und BF4. Sämtliche BF wurden in XXXX geboren und lebten der BF1 und die BF2 vor ihrer Ausreise nach Syrien dort und alle BF gemeinsam in XXXX, Syrien. Die BF verfügen über ein irakisches Ausweisdokument im Original.
Im Bundesgebiet lebt die Schwester der BF2 und deren Familie, mit denen die BF in regelmäßigen Kontakt stehen. Im Irak haben sowohl der BF1 als auch die BF2 noch Verwandte. Ein Bruder des BF1 betreibt ein Fischgeschäft, ein anderer studiert in XXXX an der Universität XXXX, die Schwester des BF1 studierte XXXX, die Eltern der BF2 leben in XXXX. Zu ihren Verwandten im Irak halten die BF wöchentlich Kontakt über das Internet.
Die BF sprechen arabisch und verfügen der BF1 über Deutsch-Sprachkenntnisse des Niveaus A1 und die BF2 über das Niveau B1, worüber sie auch eine Sprachprüfung ablegten. Die BF3 und BF4 besuchen die Volksschule. Die BF3 und BF4 wurden nicht vernommen, weisen aber altersentsprechende Deutschkenntnisse auf und können arabisch sprechen, jedoch nicht lesen oder schreiben.
Der BF1 und die BF2 nehmen an Integrationsprojekten sowie an Deutschkursen teil und engagierte sich die BF2 ehrenamtlich als Dolmetscherin. Die BF pflegen die üblichen sozialen Kontakte und weisen dahingehend auch eine Reihe Unterstützungserklärungen auf.
Der BF1 ist ein körperlich gesunder, arbeitsfähiger Mann mit hinreichender Ausbildung in der Schule, einer Ausbildung als Lehrer und Berufserfahrung als Verkäufer. Die BF2 ist eine körperlich gesunde, arbeitsfähige Frau mit umfassender Schulbildung und einem Bachelorabschluss in XXXX. Keiner der BF leidet an einer schweren oder unmittelbar lebensbedrohlichen Erkrankung.
Sowohl der BF1, als auch die BF2 sind im Bundesgebiet ohne geregelte Beschäftigung und befinden sich alle BF in der Grundversorgung des Bundes. Der BF1 besitzt jedoch einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag mit Einstellungszusage als Pizzakoch.
Die BF sind in Österreich strafrechtlich unbescholten und halten sich seit ihrer Einreise im Oktober 2013 durchgehend in XXXX auf.
1.2. Zu den Fluchtmotiven der BF:
Das Vorbringen der BF vor dem BFA, in der Beschwerde und der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht zu den Gründen für das Verlassen ihres Herkunftsstaates wonach sie im Wesentlichen zusammengefasst den Irak verlassen hätten, weil der BF1 bis 1997 als Sicherheitsbeauftragter für Saddam Hussein und von 1997 bis 2003 als Leibwächter von Udai Hussein gearbeitet habe und deshalb von der irakischen Regierung und schiitischen Milizen verfolgt werde, wird dieser Entscheidung nicht als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt. Weitere Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates wurden nicht vorgebracht.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF vor ihrer Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr in ihrem Herkunftsstaat einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.
Ein konkreter Anlass oder Vorfall für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer generellen Verfolgungsgefahr oder Bedrohung aufgrund ihrer Religion, durch schiitische Milizen, den IS oder von staatlicher Seite ausgesetzt sind.
1.3. Zur Situation im Herkunftsstaat:
Zur aktuellen Lage im Irak werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der gegenüber dem BF offengelegten Quellen (Länderberichte Stand 09.04.2019) getroffen:
Vergleichende Länderkundliche Analyse (VLA) i.S. §3 Abs 4a AsylG
Erläuterung
Bei der Erstellung des vorliegenden LIB wurde die im §3 Abs 4a AsylG festgeschriebene Aufgabe der Staatendokumentation zur Analyse "wesentlicher, dauerhafter Veränderungen der spezifischen, insbesondere politischen Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind", berücksichtigt. Hierbei wurden die im vorliegenden LIB verwendeten Informationen mit jenen im vorhergehenden LIB abgeglichen und auf relevante, im o.g. Gesetz definierte Verbesserungen hin untersucht.
Als den oben definierten Spezifikationen genügend eingeschätzte Verbesserungen wurden einer durch Qualitätssicherung abgesicherten Methode zur Feststellung eines tatsächlichen Vorliegens einer maßgeblichen Verbesserung zugeführt (siehe Methodologie der Staatendokumentation, Abschnitt II). Wurde hernach ein tatsächliches Vorliegen einer Verbesserung i.S. des Gesetzes festgestellt, erfolgte zusätzlich die Erstellung einer entsprechenden Analyse der Staatendokumentation (siehe Methodologie der Staatendokumentation, Abschnitt IV) zur betroffenen Thematik.
Verbesserung i.S. §3 Abs 4a AsylG
Titel
LIB-Abschnitt
Ein Vergleich der Informationen zu asylrelevanten Themengebieten im vorliegenden LIB mit jenen des vormals aktuellen LIB hat ergeben, dass es zu keinen wie im §3 Abs 4a AsylG beschriebenen Verbesserungen im Irak gekommen ist.
Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 9.4.2019, Parlamentswahlen vom 30.12.2018 (relevant für Abschnitt 3. Sicherheitslage)
Die folgende Karte von liveuamap zeigt die Einteilung des Irak in offiziell von der irakischen Zentralregierung kontrollierte Gouvernements (in rosa), die autonome Region Kurdistan (KRG) (in gelb) und Gebiete unter der weitgehenden Kontrolle von Gruppen des Islamischen Staates (IS) (in grau). Die Symbole kennzeichnen dabei Orte und Arten von sicherheitsrelevanten Vorfällen, wie Luftschläge, Schusswechsel/-attentate, Sprengstoffanschläge/Explosionen, Granatbeschuss, uvm.
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Quelle: Liveuamap - Live Universal Awareness Map (1.4.2019): Map of Iraq, https://iraq.liveuamap.com/en/time/01.04.2019, Zugriff 1.4.2019
Seit Sommer 2018 ist die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Irak zurückgegangen. Im Dezember 2018 wurde ein Rekordtief an Sicherheitsvorfällen registriert (Joel Wing 2.1.2019). Anfang 2019 ist diese Zahl wieder leicht angestiegen, wobei die Monate Jänner und Februar in etwa die gleichen Zahlen an Angriffen und Opfern aufweisen (Joel Wing 4.3.2019). Für März 2019 wurde die niedrigste, je vom Irak-Experten Joel Wing registriere Zahl von Sicherheitsvorfällen verzeichnet (Joel Wing 3.4.2019).
Die folgende Grafik von Iraq Body Count (IBC) stellt die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar. (IBC 3.2019).
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Quelle: Iraq Bodycount (3.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 1.4.2019
Die folgende Tabelle des IBC gibt die Zahlen der Todesopfer an. Für Dezember 2018 sind 155 zivile Todesopfer im Irak ausgewiesen. Im Jänner 2019 wurden von IBC 323 und im Februar 2019 271 getötete Zivilisten im Irak dokumentiert (IBC 3.2019).
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Quelle: IBC - Iraq Bodycount (3.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 1.4.2019
Der Islamische Staat (IS) ist im Irak weitestgehend auf Zellen von Aufständischen reduziert worden, die meist aus jenen Gebieten heraus operieren, die früher unter IS-Kontrolle standen, d.h. aus den Gouvernements Anbar, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salahaddin. Laut dem Institute for the Study of War (ISW) werden nur die Distrikte Shirqat und Tuz in Salahaddin, Makhmour in Erbil, Hawija und Daquq in Kirkuk, sowie Kifri und Khanaqin in Diyala als umkämpft angesehen (EASO 3.2019). Das ganze Jahr 2018 über führten IS-Kämpfer Streifzüge nach Anbar, Bagdad und Salahaddin durch, zogen sich dann aber im Winter aus diesen Gouvernements zurück. Die Anzahl der verzeichneten Übergriffe und zivilen Todesopfern sank daher im Vergleich zu den Vormonaten deutlich ab (Joel Wing 2.1.2019).
BAGDAD
Aufständische haben mittlerweile die meisten ihrer Ressourcen aus Bagdad abgezogen, einst das Hauptziel des Terrorismus (Joel Wing 4.3.2019). Im Dezember 2018 wurden 15 sicherheitsrelevante Vorfälle mit zehn Toten (Joel Wing 2.1.2019) verzeichnet, bzw. 17 Tote und drei Verwundete (UNAMI 3.1.2019). Im Jänner 2019 wurden zwölf sicherheitsrelevante Vorfälle mit 13 Toten erfasst (Joel Wing 4.2.2019), im Februar dagegen nur noch sieben Vorfälle mit sieben Toten (Joel Wing 4.3.2019) und im März vier Vorfälle mit fünf Toten und fünf verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Dabei handelte es sich meist um Schießereien/Schussattentate in den Vorstädten und Dörfern des Gouvernements (Joel Wing 4.3.2019).
Der IS behielt jedoch eine latente Präsenz nördlich von Bagdad und begann damit seine Unterstützungszone weiter auszubauen (ISW 7.3.2019). Er verfügt in Bagdad und den Bagdad Belts über mehrere aktive Zellen (EASO 3.2019). Der nördliche "Bagdad-Belt" dient dabei als Transferroute von Kämpfern zwischen den Gouvernements Anbar, Salahaddin und Diyala, während das sogenannte "Dreieck des Todes" im südlichen Bagdad-Belt IS-Gruppen in den Gouvernements Anbar, Bagdad und Babil verbindet. Irakische Sicherheitskräfte (ISF) haben seit Dezember 2018 mehrere IS-Kämpfer an Kontrollpunkten entlang der Autobahnen, die das Gouvernement Babil mit Bagdad verbindet, festgenommen und im Februar 2019 180 Personen mit Verbindungen zum IS verhaftet (ISW 7.3.2019).
AUTONOME REGION KURDISTAN (KRG)
In Nordkurdistan setzte die Türkei ihre Angriffe auf PKK-Stellungen fort. Zwei Treffer durch Luftschläge in Ninewa zogen letztlich einen Protest der irakischen Regierung nach sich. Die Türkei gab jedoch bekannt, ihre Aktionen fortführen zu wollen (Joel Wing 2.1.2019). Als Folge eines Luftangriffs, bei dem mutmaßlich einige Zivilisten ums Leben kamen, stürmte eine aufgebrachte Menge einen Posten der türkischen Armee nahe Dohuk, wobei eine Person ums Leben kam und zehn verletzt wurden (BBC 26.1.2019). Im Dezember 2018 wurden zwölf Luftschläge mit 31 Toten registriert (Joel Wing 2.1.2019) im Jänner 2019 elf mit 35 Toten (Joel Wing 4.2.2019) und im März zwei Vorfälle mit 32 Toten und 10 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Zusammenstöße zwischen türkischen Soldaten und kurdischen Kämpfern hatten Todesopfer auf beiden Seiten zur Folge (Joel Wing 26.3.2019). Am 30.3.2019 bombardierte die türkische Luftwaffe erneut PKK-Stellungen im Qandil Gebirge (BAMF 1.4.2019).
Der IS rekrutiert in der kurdischen Autonomieregion (ISW 7.3.2019).
NORD- UND ZENTRALIRAK
In einem Bericht des UN-Sicherheitsrats vom 1.2.2019 heißt es, dass verbliebene IS-Kämpfer nach wie vor eine Bedrohung im Nord- und Zentralirak (Gouvernements Kirkuk, Ninewa und Salahaddin, sowie Anbar, Bagdad und Diyala) darstellen (UNSC 1.2.2019). Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salahaddin sind dabei das Herzstück der Umgruppierungsbemühungen des IS. Dort werden monatlich auch die meisten sicherheitsrelevanten Vorfälle verzeichnet. Der IS ist beinahe im gesamten ruralen Gebiet dieser Gouvernements aktiv, kann sich Berichten zufolge in einigen Städten nachts völlig frei bewegen und hebt Steuern ein (Joel Wing 3.4.2019). Die Lage in diesen umstrittenen Gebieten hat sich nach dem Abzug der kurdischen Peschmerga 2017 verschärft (Landinfo 8.1.2019). Die Konkurrenz zwischen der irakischen Zentralregierung und der kurdischen Autonomieregierung, erzeugt in diesen Gebieten zusätzliche Instabilität, die wiederum vom IS ausgenutzt werden kann (ISW 7.3.2019). Sowohl kurdische Streitkräfte als auch Mitglieder der vom Iran unterstützten Volksmobilisierungskräfte (PMF) üben weiterhin in unterschiedlichem Ausmaß Kontrolle und Einfluss aus, was die Zentralregierung in eine prekäre Lage versetzt, da sie sowohl mit zivilen Unruhen, als auch mit Versuchen einer Reorganisation des IS umgehen und gleichzeitig ihre Verbündeten unter Kontrolle halten muss (ACLED 2019).
Insbesondere ländliche Gebiete, das Hamrin-Gebirge, sowie das Diyala-Flußdelta dienen dem IS als Rückzugsorte, von wo bereits im Jahr 2018 ein Großteil der IS-Operationen im Irak ausgegangen sind (Landinfo 8.1.2019). Das Hamrin-Gebirge ermöglicht dabei den Nord-Süd Übergang zwischen den Gouvernements Ninewa und Diyala und bietet dem IS dauerhaften Schutz vor Luftangriffen und Bodenoffensiven (ISW 7.3.2019). Es gelang den irakischen Sicherheitskräften (ISF) bisher trotz umfangreicher Säuberungsaktionen nicht, den IS aus Hawija zu vertreiben (ISW 7.3.2019; vgl. Landinfo 8.1.2019). Zwischen 25. und 27. März wurde eine neuerliche koordinierte Luft- und Bodenoperation durch die Luftwaffe der Koalition und die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) gegen den IS im nordwestlichen Irak geführt (OIR 29.3.2019).
Der IS führt seine Operationen hauptsächlich südlich und westlich von Ninewas Hauptstadt Mossul durch (Joel Wing 4.2.2019). Er soll auch in der Stadt über Schläferzellen verfügen und hat dort zuletzt im Februar 2019 eine Autobombe eingesetzt (ISW 7.3.2019). Seit einigen Wochen fordern IS-Angriffe insbesondere in Ninewa regelmäßig viele Opfer (Joel Wing 1.4.2019). So wurden in der Provinz im Dezember 2018 22 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 36 Toten und 37 Verwundeten registriert, wobei hier elf ältere Leichen eingerechnet wurden, die aus Trümmern der Altstadt von Mossul geborgen wurden. Mit den verbliebenen 25 im Dezember getöteten Personen und 37 Verwundeten verzeichnete die Provinz die meisten Gewaltopfer im Irak im Dezember (Joel Wing 2.1.2019). Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für den Irak nennt für den selben Zeitraum hingegen sieben Tote und 19 Verwundete (UNAMI 3.1.2019). Im Jänner 2019 wurden neun Vorfälle mit 75 Toten und einer verwundeten Person, sowie zwei Massengräberfunde (ältere Gräber aus der Zeit der IS-Herrschaft) mit den Überresten von insgesamt 66 Leichen verzeichnet (Joel Wing 4.2.2019). Im Februar kam es erneut zu einem Anstieg der IS-Aktivitäten, mit 20 Vorfällen mit 147 Toten und 31 Verletzten, wobei wiederum die meisten der Toten auf Funde von Massengräbern älteren Datums zurückgehen (Joel Wing 4.3.2019). Im März wurden elf Vorfälle mit 109 Toten und 53 Verletzten registriert (Joel Wing 3.4.2019).
In Diyala kam es im Dezember 2018 zu 28 sicherheitsrelevanten Vorfällen, mit insgesamt 15 Toten und 16 Verwundeten, darunter drei Angriffe auf Kontrollpunkte (Joel Wing 2.1.2019), sowie Mörserbeschuss der Stadt Saraya (Joel Wing 10.12.2018). Im Jänner 2019 wurden 32 Vorfälle mit zehn Toten und 21 Verwundeten registriert (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 26 Vorfälle mit acht
Toten und 16 Verwundeten (Joel Wing 4.3.2019) und im März 17 Vorfälle mit acht Toten und 18 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019).
In Kirkuk wurden im Dezember 17 Vorfälle mit 204 Toten und 16 Verwundeten registriert, wobei 200 Leichenfunde aus einem Massengrab im Distrikt Hawija im Süden Kirkuks miteingerechnet wurden (Joel Wing 2.1.2019). Im Jänner 2019 wurden 28 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 13 Toten und 31 Verwundeten registriert (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 17 Vorfälle mit 17 Toten und 7 Verwundeten (Joel Wing 4.3.2019) und im März 15 Vorfälle mit sieben Toten und sechs Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Die Stämme von Diyala kündigten um Jänner 2019 eine Mobilmachung gegen den IS an, um die Sicherheitskräfte in ihrem Kampf zu unterstützen (Diyaruna 21.1.2019).
In Salahaddin wurden im Dezember acht Vorfälle mit drei Toten und zwei, bzw. drei Verletzten registriert (Joel Wing 2.1.2019; vgl. UNAMI 3.1.2019), im Jänner 2019 14 Vorfälle mit 17 Toten und 36 Verwundeten (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 18 Vorfälle mit 25 Toten und 48 Verwundeten (Joel Wing 4.3.2019) und im März acht Vorfälle mit acht Toten und 14 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019).
In Anbar, ist es dem IS wieder gelungen eine Unterstützungszone in der Nähe von Amariyat alFallujah einzurichten, von der aus seit August 2018 Angriffe in Fallujah erfolgen (ISW 7.3.2019). Im Dezember 2018 wurden in Anbar acht Vorfälle mit acht Toten und 13 Verwundeten registriert (Joel Wing 2.1.2019), im Jänner 2019 16 Vorfälle mit elf Toten und 35 Verwundeten (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 28 Vorfälle mit 46 Toten und 26 Verletzten und im März fünf Vorfälle mit acht Toten und fünf Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Der starke Anstieg im Februar wird auf das Einsickern fliehender IS-Kämpfer aus dem benachbarten Syrien zurückgeführt (Joel Wing 4.3.2019).
SÜDIRAK
Am 21.12.2018 setzte die Polizei scharfe Munition und Tränengas ein, um Demonstranten im südirakischen Basra an der Erstürmung eines Regierungsgebäudes zu hindern. Die zweitgrößte Stadt des Landes erlebt seit Juli 2018 ausgedehnte Proteste gegen Korruption, Misswirtschaft, die schlechte Grundversorgung und Arbeitslosigkeit (Guardian 18.7.2018; vgl. Reuters 21.12.2019). Auch 2019 kommt es weiterhin zu häufigen Protesten (Jane's 5.2.2019).
In Qadisiya wurde im Dezember 2018 ein sicherheitsrelevanter Vorfall mit einer verwundeten Person registiert. In Babil waren es im Dezember 2018 zwei Vorfälle mit sechs Verletzten (Joel Wing 2.1.2019), im Jänner 2019 drei Vorfälle mit sechs Verletzten (Joel Wing 4.2.2019) und im Februar zwei Vorfälle mit zwei Verletzten (Joel Wing 4.3.2019). Im März wurde in Babil ein Vorfall registriert, bei dem zwei Personen getötet wurden (Joel Wing 3.4.2019). In Basra wurden bei einem Zusammenstoß zweier Stämme am 11.3.2019 mindestens drei Menschen getötet und sieben weitere verwundet (Kurdistan 24 12.3.2019).
Quellen:
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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (1.4.2019): Briefing Notes 1 April 2019, per E-Mail
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Diyaruna (21.1.2019): Diyala tribes mobilise to rout ISIS remnants, http://diyaruna.com/en_GB/ articles/cnmi_di/features/2019/01/28/feature-02, Zugriff 14.3.2019
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ISW - Institute for the Study of War (7.3.2019): ISIS Re-Establishes Historical Sanctuary in Iraq, https://iswresearch.blogspot.com/2019/03/isis-re-establishes-historic-sanctuary.html, Zugriff 12.3.2019
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Jane's 360 (5.2.2019): Protests in Iraq's Basra likely throughout 2019, but security force presence mitigates disruption risk to oil sites,
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Joel Wing, Musings on Iraq (2.1.2019): Islamic State Went Into Hibernation In Winter 2018 ,
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Joel Wing, Musings on Iraq (4.2.2019): Slight Uptick In Islamic State Ops In Iraq As New Year Begins, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/02/slight-uptick-in-islamic-state-ops-in.html, Zugriff 12.3.2019
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Joel Wing, Musings on Iraq (4.3.2019): Islamic State Might Be Coming Out Of Its Winter Hibernation In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/03/islamic-state-might-becoming-out-of.html, Zugriff 12.3.2019
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Joel Wing, Musings on Iraq (26.3.2019): Security In Iraq Mar 15-21, 2019,
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Joel Wing, Musings on Iraq (1.4.2019): Security In Iraq Mar 22-28, 2019,
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Joel Wing, Musings on Iraq (3.4.2019): Iraq Saw Lowest Violence Ever March 2019,
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Liveuamap - Live Universal Awareness Map (13.3.2019): Map of Iraq, https://iraq.liveuamap.com/en/time/13.03.2019, Zugriff 13.3.2019
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OIR - Operation Inherent Resolve (29.3.2019): Fight is not over:
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https://www.inherentresolve.mil/Media-Library/News-Releases/Article/1799730/fight-is-notover-iraqi-clearances-spearhead-fight-against-daesh-in-iraq/, Zugriff 1.4.2019
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The Guardian (18.7.2018): Protests spread through cities in Iraq's oil-rich Shia south,
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UNAMI - United Nations Assistance Mission for Iraq (3.1.2019): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of December 2018, http://www.uniraq.org/index.php?
option=com_k2&view=item&id=10269:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-december2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 12.3.2019
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UNSC - United Nations Security Council (1.2.2019): Implementation of resolution 2421 (2018) Report of the Secretary-General,
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1. Politische Lage
Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018). Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat (AA 12.2.2018), der aus 18 Provinzen (muhafazat) besteht (Fanack 27.9.2018). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).
An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuwwab, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat), für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt. Zusammen bilden sie den Präsidialrat (Fanack 27.9.2018).
Teil der Exekutive ist auch der Ministerrat, der sich aus dem Premierminister und anderen Ministern der jeweiligen Bundesregierung zusammensetzt (Fanack 27.9.2018; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (RoI 15.10.2005).
Am 2.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih zum Präsidenten des Irak (DW 2.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (BBC 3.10.2018). Abd al-Mahdi ist seit 2005 der erste Premier, der nicht die Linie der schiitischen Da'wa-Partei vertritt, die seit dem Ende des Krieges eine zentrale Rolle in der Geschichte Landes übernommen hat. Er unterhält gute Beziehungen zu den USA. Der Iran hat sich seiner Ernennung nicht entgegengestellt (Guardian 3.10.2018).
Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik (Fanack 27.9.2018). Im Gegensatz zum Präsidenten, dessen Rolle weitgehend zeremoniell ist, liegt beim Premierminister damit die eigentliche Exekutivgewalt (Guardian 3.10.2018).
Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 27.9.2018). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 17.10.2018; vgl. IRIS 11.5.2018).
Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich (Standard 3.10.2018). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnite, der Premierminister ist ein Schiite und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018).
In weiten Teilen der irakischen Bevölkerung herrscht erhebliche Desillusion gegenüber der politischen Führung (LSE 7.2018; vgl. IRIS 11.5.2018). Politikverdrossenheit ist weit verbreitet (Standard 13.5.2018). Dies hat sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen im Mai 2018 gezeigt (WZ 12.5.2018). Der Konfessionalismus und die sogennante "Muhassasa", das komplizierte Proporzsystem, nach dem bisher Macht und Geld unter den Religionsgruppen, Ethnien und wichtigsten Stämmen im Irak verteilt wurden, gelten als Grund für Bereicherung, überbordende Korruption und einen Staat, der seinen Bürgern kaum Dienstleistungen wie Strom- und Wasserversorgung, ein Gesundheitswesen oder ein Bildungssystem bereitstellt (TA 12.5.2018).
Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten und Schiiten sowie Kurden festigen den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 12.2.2018).
Die Zeit des Wahlkampfs im Frühjahr 2018 war nichtsdestotrotz von einem Moment des verhaltenen Optimismus gekennzeichnet, nach dem Sieg über den sogenannten Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (ICG 9.5.2018). Am 9.12.2017 hatte Haider al-Abadi, der damalige irakische Premierminister, das Ende des Krieges gegen den IS ausgerufen (BBC 9.12.2017). Irakische Sicherheitskräfte hatten zuvor die letzten IS-Hochburgen in den Provinzen Anbar, Salah al-Din und Ninewa unter ihre Kontrolle gebracht. (UNSC 17.1.2018).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irakstand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018
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Al Jazeera (15.9.2018): Deadlock broken as Iraqi parliament elects speaker,
https://www.aljaze