Entscheidungsdatum
03.12.2019Norm
BFA-VG §18 Abs5Spruch
G302 2225941-1/2Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Manfred ENZI über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA.: Serbien, vertreten durch: RA XXXX (Erwachsenenvertreter), in XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2019, Zl.XXXX, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu Recht:
A) Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende
Wirkung zuerkannt.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang und Feststellungen:
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge: belangte Behörde oder BFA) wurde gegen XXXX, geb. XXXX, StA.:
Serbien (in weiterer Folge: Beschwerdeführer oder kurz BF) gemäß § 52 Absatz 5 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.). Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 10 Jahr/en befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).
Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im Wesentlichen damit, dass aufgrund seines bereits mehrfach zitierten Gesamtfehlverhaltens, insbesondere im Hinblick auf seine rechtskräftigen Verurteilungen, seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei. Er wäre mehrfach von inländischen Gerichten rechtskräftig verurteilt worden und habe mehr als 10 Jahre seines Lebens in Haft verbracht. Zweifelsfrei widerstrebe sein weiterer Aufenthalt sowohl der öffentlichen Ordnung als auch der öffentlichen Sicherheit. Eine sofortige Ausreise nach der Entlassung aus der Anhaltung sei daher erforderlich.
Der BF erhob dagegen durch seine Rechtsvertretung Beschwerde und verwies darauf, dass die belangte Behörde den BF im Verfahren über die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und Verhängung eines Einreiseverbotes nicht einvernommen, sondern ihm lediglich ein schriftliches Parteiengehör eingeräumt habe. Damit hätte die belangte Behörde verkannt, dass eine schriftliche Stellungnahme den persönlichen Eindruck des BF nicht ersetzen könne und habe nur eine ansatzweise Ermittlung der für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände vorgenommen. Bei der Festsetzung eines Einreiseverbotes sei eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, wobei die Behörde das bisherige Verhalten des BF zu beurteilen und zu berücksichtigen habe. In Bezug auf strafgerichtliche Verurteilungen sei nicht bloß auf die Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern immer auf das zugrunde liegende Verhalten abzustellen. Maßgeblich seien Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild, darauf kommt es bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes an. Eine derartige Beurteilung habe das BFA unterlassen. Aufgrund der unterlassenen Einvernahme des BF zur Erlangung eines persönlichen Eindrucks ergebe sich eine besonders gravierende Ermittlungslücke, da der persönliche Eindruck ein wesentlicher Aspekt für die vom BFA vorzunehmende Gefährdungsprognose sei. Auch die Rückkehrsituation des BF wäre nicht konkret eruiert worden, obwohl bei der Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG 2014 (Bindungen zum Heimatstaat) auch auf die Frage der Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage bei einer Rückkehr dorthin Bedacht zu nehmen sei. Hinsichtlich der Frage der Intensität der privaten Bindungen in Österreich sei die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks unabdingbar. Darüber hinaus wäre im Bescheid nicht auf seine psychische Erkrankung eingegangen und auch keine Ermittlungen über eine Aufenthaltsverfestigung durchgeführt worden. Der BF habe sich bis zu seiner ersten Verurteilung bereits mehr als 17 Jahre ununterbrochen und rechtmäßig in Österreich aufgehalten. Der BF könne gem. dem Beschluss des Pflegschaftsgerichtes, welcher der belangten Behörde übermittelt worden sei, selbständig keine Rechtsgeschäfte gegenüber Behörden und Gerichten durchführen. Der BF hätte in Serbien kein Unterstützungsnetzwerk. In Österreich hingegen schon und er sei aufgrund seiner psychischen Erkrankung darauf angewiesen und besonders vulnerabel. Diese Umstände wären im angefochtenen Bescheid nicht oder nicht im notwendigen Ausmaß berücksichtigt worden. Die belangte Behörde hätte ihn einvernehmen müssen, um überhaupt eine Abwägung nach § 9 BFA-VG durchführen zu können und sich hinsichtlich einer Gefährdungsprognose einen persönlichen Eindruck verschaffen zu können. Die Ermittlungen der belangten Behörde würden sich damit als grob mangelhaft erweisen und müsse der Bescheid daher aufgehoben werden. Die Beweiswürdigung der Feststellungen zum Privat- und Familienleben des BF wären nicht objektiv und unparteiisch durchgeführt worden. Aufgrund der nicht erfolgten Einvernahme und dem Ignorieren wesentlicher Sachverhaltselemente könne die belangte Behörde keine gesetzmäßige Würdigung des Privat- und Familienlebens des BF vornehmen, da sie diesbezüglich über viel zu wenige Informationen verfüge. Die belangte Behörde begründe die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot ausschließlich mit der Delinquenz des BF und dem Umstand, dass er einen Antrag gem. § 133a StVG gestellt hätte. Dabei verkenne die belangte Behörde jedoch, dass der BF laut Beschluss des Pflegschaftsgerichtes einen solchen Antrag nicht selbständig unterschreiben könne und ihm offensichtlich nicht bewusst gewesen sei, dass die Voraussetzung eines Antrags nach § 133a StVG eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung sei und er damit das Land, in dem er aufgewachsen sei und das ihm ein Unterstützungsnetzwerk biete, verlassen müsse und er für 10 Jahre nicht mehr einreisen dürfe. Beim Rechtsberatungsgespräch habe der BF ausdrücklich mitgeteilt, dass er nicht nach Serbien ausreisen wolle, da er dort über keinerlei Anknüpfungspunkte verfüge und er aufgrund seiner Erkrankung keinerlei Lebensgrundlage hätte. Aufgrund der grob mangelhaften Ermittlungen der belangten Behörde und der falschen Beurteilung seines Antrags auf §133a StVG, der keine Rechtsgültigkeit habe, sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig.
Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, wo diese am 02.12.2019 einlangten.
Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang sowie die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts der belangten Behörde.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das bisherige Ermittlungsverfahren als hinreichend, um den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen. Aus den angeführten Gründen konnte der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegende Akteninhalt dem gegenständlichen Erkenntnis im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt werden.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung vom Bundesamt abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.
Das BVwG hat über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 BFA-VG (oder gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl. VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).
Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben des BF als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.
Der BF macht ein reales Risiko einer Verletzung der hier zu berücksichtigenden Bestimmungen (insbesondere Art. 8 EMRK) geltend. Bei einer Grobprüfung dieses Vorbringens kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass es sich dabei um "vertretbare Behauptungen" handelt.
Daher war der gegenständlichen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen war.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Schlagworte
aufschiebende WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G302.2225941.1.00Zuletzt aktualisiert am
10.03.2020