TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/6 W140 2221814-6

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.12.2019
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Entscheidungsdatum

06.12.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W140 2221814-6/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. HÖLLER als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl: XXXX über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, in Schubhaft zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Mit Mandatsbescheid vom 09.04.2019, Regionaldirektion Niederösterreich Flughafen Wien-Schwechat, wurde über den Beschwerdeführer (BF) gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.11.2019, W140 2221814-5/3E,

wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

Das Bundesverwaltungsgericht führte u. a. Folgendes aus:

"Verfahrensgang:

(...)

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.10.2019, W171 2221814-4/4E,

wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

Das Bundesverwaltungsgericht führte u. a. Folgendes aus:

"I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 13.07.2016 wurde der Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache abgewiesen und mit einer Rückkehrentscheidung in den Herkunftsstaat verbunden. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

2. Der Beschwerdeführer (in der Folge auch: BF) wurde am 08.04.2019 aus der Schweiz nach Österreich rücküberstellt und nach der Ankunft im Bundesgebiet festgenommen. Am selben Tag brachte er einen neuerlichen Asylfolgeantrag ein.

3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: Bundesamt bzw. BFA) hat mit Bescheid vom 09.04.2019 über den Beschwerdeführer die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet. Diesbezüglich verwies das Bundesamt auf eine rechtskräftige Vorstrafe wegen Vermögens- und Suchtmitteldelikten. Hinsichtlich der Begründung der Fluchtgefahr verwies das Bundesamt auf die Umgehung/Behinderung einer Abschiebung durch illegale Ausreise und das Bestehen einer (früheren) rechtskräftigen Rückkehrentscheidung sowie die fehlende Verankerung im Bundesgebiet. In Bezug auf die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung wurde insbesondere die Straffälligkeit und die potenzielle Gefährlichkeit des Beschwerdeführers thematisiert. Diese Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag zugestellt.

4. Am 13.06.2019 wurde der Beschwerdeführer einer Delegation seines Herkunftsstaates zur Erlangung eines Heimreisezertifikats (HRZ) vorgeführt. Dabei wurde er als algerischer Staatsbürger identifiziert. Allerdings sei noch eine Identitätsüberprüfung in Algerien notwendig. Diese Überprüfung ist aktuell noch nicht abgeschlossen.

5. Am 29.07.2019 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt zur gerichtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung der Anhaltung in Schubhaft vor. Im Vorlageschreiben wurde auf das Vorverhalten des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit 2010 hingewiesen. Eine Entscheidung Algeriens werde aufgrund der internen Organisation der Botschaft und der dortigen Behörden nicht vor Anfang September erfolgen. Das Bundesamt werde zu diesem Zeitpunkt jedenfalls eine Entscheidung urgieren.

6. Das Bundesverwaltungsgericht stellte mit Erkenntnis vom 31.07.2019, W137 2221814-1/2E, fest, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorlagen und diese auch verhältnismäßig waren.

7. Am 19.08.2019 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt zur neuerlichen gerichtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung der Anhaltung in Schubhaft vor. Im Vorlageschreiben verwies das Bundesamt auf eine zwischenzeitlich ergangene strafgerichtliche Entscheidung und bestätigt die beabsichtigte Urgenz im HRZ-Verfahren.

8. Das Bundesverwaltungsgericht stellte mit Erkenntnis vom 22.08.2019, W137 2221814-2/2E, neuerlich fest, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorlagen und diese auch verhältnismäßig waren.

9. Am 10.09.2019 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt zur neuerlichen gerichtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung der Anhaltung in Schubhaft vor. Im Vorlageschreiben verwies das Bundesamt auf zwei mittlerweile ergangene Urgenzen (27.08.2019 und 10.09.2019) bei der algerischen Botschaft hinsichtlich des ausständigen Heimreisezertifikates. Eine wesentliche Änderung der haftbegründenden Umstände habe sich in der Zwischenzeit nicht ergeben.

10. Mit Erkenntnis des BVwG vom 16.09.2019 zu W171 2221814-3 wurde abermals festgestellt, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorlagen und diese auch verhältnismäßig waren.

11. Am 03.10.2019 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt zur neuerlichen gerichtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung der Anhaltung in Schubhaft vor. Im Vorlageschreiben verwies das Bundesamt auf zwei mittlerweile ergangene Urgenzen (27.08.2019 und 10.09.2019) bei der algerischen Botschaft hinsichtlich des ausständigen Heimreisezertifikates. Eine wesentliche Änderung der haftbegründenden Umstände habe sich in der Zwischenzeit nicht ergeben. Eine Identifizierung des BF sei noch nicht erfolgt.

12. Nach gerichtlichem Ersuchen vom 09.10.2019 erfolgte seitens des BFA an diesem Tage eine Einvernahme des BF durch ein hiezu geschultes Organ. Dabei führte der BF aus, er sei nicht krank und nehme keine Medikamente. An seinen persönlichen Verhältnissen habe sich seit Beginn der Haft nichts verändert und spreche aus seiner Sicht eigentlich nichts gegen eine weitere Anhaltung in Schubhaft.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Betreffend den Beschwerdeführer liegt eine (aktuelle) rechtskräftige Rückkehrentscheidung nach Algerien vor. Die algerische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ist unstrittig und von der algerischen Botschaft bestätigt; seine tatsächliche Identität wird derzeit - in Hinblick auf die Ausstellung eines Heimreisezertifikats (HRZ) - von den algerischen Behörden geprüft. Urgenzen seitens der Behörde ergehen in regelmäßigen Abständen. Mit einer diesbezüglichen Entscheidung kann realistisch in den kommenden Wochen gerechnet werden.

1.2. Der Beschwerdeführer hat sich im Verlauf seiner Asylverfahren und des Aufenthalts in Österreich als insgesamt nicht kooperativ und nicht vertrauenswürdig erwiesen. Er wurde im Juli 2014 wegen Vermögens- und Suchtmitteldelikten zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe (18 Monate, davon 12 Monate bedingt) verurteilt. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil eines Landesgerichtes vom 23.07.2019 von der Anklage der absichtlichen schweren Körperverletzung freigesprochen.

1.3. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht nach wie vor. An der bisherigen Dauer trifft das Bundesamt keine Schuld. Diese ergibt sich aus den erforderlichen administrativen Abläufen im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, da der Beschwerdeführer (nach eigenen Angaben) über keine Personaldokumente verfügt, beziehungsweise diese 2010 jedenfalls nicht aus Algerien mitgenommen haben will.

1.4. Der Beschwerdeführer ist nicht Asylwerber; es kommt ihm kein faktischer Abschiebeschutz zu. Er ist in Österreich in keiner Form integriert, verfügt nur über geringfügige Deutschkenntnisse und keine substanziellen sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Zudem verfügt er über keine gesicherte Unterkunft und war im Bundesgebiet seit Oktober 2010 (bis zur Anordnung der Schubhaft) ausschließlich in Polizeianhaltezentren und einer Justizanstalt gemeldet. Vom Vorwurf der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung (betreffend einen Vorfall vom Februar 2015) wurde er zwischenzeitlich rechtskräftig freigesprochen. Gegenwärtig verfügt er über ein Barvermögen von rund 300 Euro. Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich gesund und arbeitsfähig sowie jedenfalls haftfähig. Er erhält laufend Schubhaftbetreuung und hatte sowohl unmittelbar nach Anordnung der Schubhaft, als auch am Tag der Erlassung der Entscheidung im Asylfolgeverfahren sowie zuletzt vor wenigen Tagen Schubhaftbetreuungstermine.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren - insbesondere den rechtskräftigen Asylentscheidungen und den (mit Dokumenten belegten) Ausführungen des Bundesamtes zum gegenwärtig laufenden HRZ-Verfahren mit Algerien. Der derzeit absehbare Zeithorizont für die HRZ-Ausstellung ergibt sich aus den übermittelten Informationen der algerischen Botschaft (Überprüfungserfordernis, Urlaube) und dem Gerichtswissen hinsichtlich derartiger Überprüfungen, die in vielen Fällen mehrere Monate dauern können.

2.2. Die Feststellungen zum Verhalten des Beschwerdeführers ergeben sich aus der Aktenlage. Die strafrechtliche Verurteilung ist einer rezenten Abfrage im Strafregister entnommen. Aktenkundig (durch übermittelte Ladungen, Anklageschrift, etc.) ist auch die Beendigung des Strafprozesses betreffend den Beschwerdeführer.

2.3. Die realistische Möglichkeit der Rücküberstellung ergibt sich aus der diesbezüglich grundsätzlich problemlosen Zusammenarbeit mit den Vertretungen und Behörden des Herkunftsstaates. Der Asylfolgeantrag des Beschwerdeführers ist zudem vor mehr als zwei Monaten rechtskräftig zurückgewiesen und mit einer Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat verbunden worden.

Der Grund für die Länge der Anhaltedauer liegt im Kern in der vom Beschwerdeführer verursachten Notwendigkeit der Erlangung eines Heimreisezertifikats und insbesondere der erforderlichen Identitätsprüfung in Algerien. Würde der Beschwerdeführer über ein Personaldokument verfügen, hätte die Schubhaft wahrscheinlich schon (durch Abschiebung/freiwillige Ausreise) beendet werden können. Diese Umstände sind jedenfalls nicht dem Bundesamt vorzuwerfen; die Verantwortung dafür trägt der Beschwerdeführer selbst. Es steht ihm frei, den behördlichen Prüfungsvorgang in Algerien durch konkrete, leicht überprüfbare Angaben wesentlich zu beschleunigen, was er jedoch bisher unterlassen hat.

2.4. Der rechtskräftige Abschluss des jüngsten Asylverfahrens, der fremdenrechtliche Status des Beschwerdeführers und die Feststellungen zu seiner fehlenden Integration ergeben sich aus der Aktenlage. Diese Umstände wurden vom Beschwerdeführer auch nie bestritten. Hinsichtlich des strafrechtlichen Freispruches befinden sich die gerichtlichen Dokumente im Akt. Seine bisherigen Meldeadressen ergeben sich aus einer rezenten Nachschau im Zentralen Melderegister (ZMR). Das Barvermögen des Beschwerdeführers ist aus der Anhaltedatei ersichtlich.

(...)

Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz "liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 - immer noch - vor, da "bestimmte Tatsachen", nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung nach in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete, haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar. Eine eigenständige Beschwerde gegen den Bescheid oder die Anhaltung in Schubhaft hat bisher nicht stattgefunden. Hinsichtlich des HRZ-Verfahrens ist eine unverhältnismäßige Dauer ebenfalls noch nicht feststellbar. Die Zubringung in Schubhaft während der üblichen Ermittlungszeit von vier bis sechs Monaten ist dem Beschwerdeführer nach Ansicht des Gerichts in diesem Fall zumutbar und ist die Haft weiterhin als verhältnismäßig anzusehen. Insbesondere ist die festgestellte übliche Ermittlungszeit noch nicht überschritten. Für eine Änderung entscheidungsrelevanter Umstände gibt es keinen Hinweis.

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann dementsprechend der bescheidmäßigen Ausführungen weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Neben der dafür erforderlichen hinreichenden persönlichen Vertrauenswürdigkeit - siehe dazu das unstrittige Vorleben des Beschwerdeführers in Österreich - fehlt es dem Beschwerdeführer überdies an hinreichenden finanziellen Mitteln für einen nunmehr erforderlichen Aufenthalt von mehreren Wochen (allenfalls wenigen Monaten), weshalb eine Sicherheitsleistung auch aus diesem Grund nicht in Betracht kommt.(...)"

Die Verwaltungsbehörde übermittelte am 04.11.2019 zum Zwecke der Überprüfung der Schubhaft im Sinne des § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verwaltungsakten womit "die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht gilt".

Mit E-Mail vom 04.11.2019 übermittelte das BFA folgende Stellungnahme:

"(...)

Mit 15.04.2019 wurde ein Verfahren zur Beschaffung eines Heimreisezertifikates in Ermangelung des Vorliegens identitätsbezeugender Dokumente gestartet. Am 13.06.2019 wurde der Fremde durch die Botschaft Algeriens nach Urgenz "positiv" identifiziert. Eine Überprüfung der algerischen Behörden ist jedoch noch nötig, bevor ein Heimreisezertifikat ausgestellt werden kann.

Unter Hinweis auf den Inhalt des Schubhaftbescheides vom 09.04.2019 wird, in Anbetracht der bevorstehenden Abschiebung des Fremden und der Tatsache, dass es sich bei dem Fremden um einen verurteilten Strafrechtstäter handelt der erhebliches Gewaltpotential besitzt und der somit eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt, ersucht festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Weiters wurde der Fremde gem. SMG rechtskräftig verurteilt. Überdies scheint in der Personeninformation ein Waffenverbot gegen Herrn XXXX auf.

(...)

Festzuhalten ist, dass sich die Behörde um die Ausstellung eines Heimreisezertifikat bemüht. Bis dato wurde kein HRZ ausgestellt, zumal eine Überprüfung der Identität in Algerien laufend ist."

Das Bundesverwaltungsgericht hat von Amts wegen erwogen:

1. Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang und die zitierten Entscheidungsgründe der Vorentscheidung werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme anlässlich der Aktenvorlage angeführten Ausführungen u. a. betreffend Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates.(...)"

Die Verwaltungsbehörde übermittelte am 29.11.2019 zum Zwecke der Überprüfung der Schubhaft im Sinne des § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verwaltungsakten womit "die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht gilt".

Mit E-Mail vom 29.11.2019 übermittelte das BFA folgende Stellungnahme:

"Verfahrensgang:

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Der o.g Fremde reiste laut eigenen Angaben am 15.11.2010 von Italien kommend mit einem Autobus illegal nach Österreich ein und wurden bereits am 18.11.2010 in Wien wegen Verdachtes des gewerbsmäßigen Suchtgifthandels von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes festgenommen und in die Justizanstalt XXXX eingeliefert.

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Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 07.12.2010, Zahl XXXX , wurden der Fremde wegen § 27 Abs. 1,2 und 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten bedingt mit einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt und sofort aus der Gerichtshaft entlassen. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX wurde zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet.

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Am 08.12.2010 brachte der Fremde im Stande der Schubhaft einen Asylantrag ein.

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Der BF wurde am 16.12.2010 aufgrund Haftunfähigkeit nach Beginn eines Hungerstreiks aus der Schubhaft entlassen und tauchte unter.

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Das Asylbegehren wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle XXXX , vom 14.02.2011, Zahl 10 11.578-BAE, gem. §§ 3 und 8 Asyl abgewiesen sowie wurden Sie gem. § 10 AsylG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Da der BF über keine aufrechte Meldung verfügte und der tatsächlicher Aufenthaltsort unbekannt war, wurde der gegenständliche Bescheid gem. § 23 Abs. 3 ZustellG mittels Hinterlegung im Akt zugestellt. Dieses Verfahren erwuchs am 01.03.2011 in Rechtskraft.

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Am 10.09.2011 wurden der BF in XXXX Wien, XXXX , einer fremdenrechtlichen Kontrolle unterzogen und wurden, nachdem der illegale Aufenthalt festgestellt wurde, gem. den Bestimmungen des § 120 1a FPG festgenommen. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 10.09.2011, Zahl XXXX , wurde gegen den BF zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm. Einreiseverbot und zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet. Der BF wurden aufgrund Haftunfähigkeit aus der Schubhaft entlassen.

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Der BF befand sich von 10.09.2011 bis zum 17.09.2011 in Schubhaft und tauchte nach Entlassung abermals unter und flüchtete in einen Mitgliedsstaat.

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Am 13.12.2013 stellte der Fremde in Schweden unter der Identität

XXXX , geb. XXXX StA. Algerien einen Antrag auf internationalen Schutz. Es wurde eine Überstellung gem. Dublin - Verordnung von Schweden angekündigt. Der Fremde entzog sich der Überstellung durch Untertauchen. Aufgrund dessen wurde das Verfahren gem. Dublin - Verordnung eingestellt.

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Der algerische StA. reiste abermals selbstständig unbekannten Datums nach Österreich ein und hat gerichtlich strafbare Handlungen begangen.

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Am 27.05.2014 wurde XXXX von Beamten der Landespolizeidirektion

XXXX wegen des Verdachtes der Sachbeschädigung, gem. § 27 Abs. 1 Zif. 1 8. Fall und Abs. 3 SMG, des Widerstandes gegen die Staatsgewalt und schwerer Körperverletzung festgenommen und in die Justizanstalt XXXX eingeliefert.

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Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 07.07.2014, Zahl XXXX , wurde der Fremde wegen §§ 127, 128 Abs. 1 zif. 4, 129 Zif. 1, 12 2. Fall, 129 und 223 StGB sowie § 27 Abs. 1 zif. 1 8. Fall und Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten davon 12 Monate bedingt mit einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

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Am 09.10.2014 wurde der Fremde in der Justizanstalt XXXX niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen und es wurde gegen Sie mit Bescheid von 21.10.2014 eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem 8-jährigen Einreiseverbot erlassen.

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Der algerische StA. wurde am 22.11.2014 aus der Justizanstalt XXXX entlassen und tauchten abermals unter und flüchteten in einen Mitgliedsstaat.

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Dieser Bescheid erwuchs am 23.10.2014 in erster Instanz in Rechtskraft.

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Am 23.03.2018 stellte der o.g. Fremde unter der Identität XXXX, geb. XXXX StA. Algerien in der Schweiz einen Antrag auf internationalen Schutz.

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Am 14.05.2018 stellte Herr XXXX unter der Identität XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien in den Niederlanden einen Antrag auf internationalen Schutz.

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Im Zuge des mit den niederländischen Behörden geführten Dublin Konsultationsverfahrens wurde von den niederländischen Behörden eine Überstellung für den 31.07.2018 angekündigt. Dieser Überstellung entzog sich der Fremde erneut durch Untertauchen.

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Am 18.04.2018 wurde durch die Schweizer Asylbehörde eine Überstellung nach Österreich für den 22.05.2018 angekündigt. Der Überstellung hat sich der Fremde Sie sich abermals durch Untertauchen entzogen.

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Am 08.04.2019 wurde der Beschwerdeführer von den Schweizer Behörden tatsächlich nach Österreich überstellt.

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Über Anordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Fremde am 08.04.2019 festgenommen, von einem Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und im Anschluss in das Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel überstellt.

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Da XXXX in der Schweiz einen Asylantrag stellte und bereits gegen den Fremden eine rechtskräftige negative Entscheidung in Österreich bestand, wurde der Asylantrag im Mitgliedsstaat als Folgeantrag behandelt.

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Mit Bescheid vom 09.04.2019 wurde gem. §76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm. §57 Abs. 1 AVG die Anhaltung in der Schubhaft begründet.

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Mit Bescheid des BFA vom 25.04.2019 wurde der zweite Asylantrag des Fremden gem. § 68 AVG zurückgewiesen. Der Bescheid erwuchs mit 10.05.2019 in Rechtskraft.

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Mit 13.06.2019 wurde im Verfahren zur Beschaffung eines Heimreisezertifikates die behauptete Identität des Fremden als "positiv" identifiziert. Eine genauere Überprüfung wird von den algerischen Behörden im Heimatland noch durchgeführt, bevor ein Heimreisezertifikat ausgestellt werden kann.

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Mit Anklageschrift von 03.05.2019 wird dem BF zur Last gelegt, er habe das Verbrechen der absichtlich schweren Körperverletzung nach § 15, 87 Abs. 1 StGB begangen. Das Strafverfahren ist derzeit noch bei der Staatsanwaltschaft XXXX anhängig.

-

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX von 23.07.2019 wird Herr XXXX gem. 3 259 Ziffer 3 stopp freigesprochen.

Stellungnahme des zuständigen Referenten:

Der betroffene Fremde befindet sich seit dem 09.04.2019 durchgehend in Schubhaft. Davor wurde der Fremde gem. Verordnung (EU) Nr. 604.2013 von der Schweiz zur Behandlung des Asylantrages aus der Schweiz überstellt. Mit 15.04.2019 wurde ein Verfahren zur Beschaffung eines Heimreisezertifikates in Ermangelung des Vorliegens identitätsbezeugender Dokumente gestartet. Am 13.06.2019 wurde der Fremde durch die Botschaft Algeriens nach Urgenz "positiv" identifiziert. Eine Überprüfung der algerischen Behörden ist jedoch noch nötig, bevor ein Heimreisezertifikat ausgestellt werden kann. Unter Hinweis auf den Inhalt des Schubhaftbescheides vom 09.04.2019 wird, in Anbetracht der bevorstehenden Abschiebung des Fremden und der Tatsache, dass es sich bei dem Fremden um einen verurteilten Strafrechtstäter handelt der erhebliches Gewaltpotential besitzt und der somit eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt, ersucht festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Weiters wurde der Fremde gem. SMG rechtskräftig verurteilt. Überdies scheint in der Personeninformation ein Waffenverbot gegen Herrn XXXX auf.

Verfahrensgang seit Bestätigung der Schubhaft durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht GZ: W140 2221814-5/3E von 08.11.2019:

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts wurde gem. § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig sei. Am 18.11.2019 langt bei der Behörde eine Verständigung der Behörde von der Anklageerhebung ein. Festzuhalten ist, dass sich die Behörde um die Ausstellung eines Heimreisezertifikat bemüht. Bis dato wurde kein HRZ ausgestellt, zumal eine Überprüfung der Identität in Algerien laufend ist."

Mit E-Mail vom 02.12.2019 teilte das BFA Folgendes mit: "Die Abteilung Heimreisezertifikate des BFA bemüht sich weiterhin um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates. Die Überprüfung der Identität des Beschwerdeführers in Algerien ist laufend und wird regelmäßig durch die Abteilung Heimreisezertifikate des Bundesamtes urgiert. Nach den Erfahrungswerten der HRZ - Abteilung ist davon auszugehen, dass ein Heimreisezertifikat erlangt werden kann."

Das Bundesverwaltungsgericht hat von Amts wegen erwogen:

1. Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang und die zitierten Entscheidungsgründe des Vorerkenntnisses werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme anlässlich der Aktenvorlage angeführten Ausführungen, insbesondere betreffend Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates.

Auf der Tatsachenebene liegt keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend - vor.

Der BF ist haftfähig, es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere dem zitierten Vorerkenntnis.

Im Besonderen ist hervorzuheben, dass die Behörde dargetan hat, dass sie sich im vorliegenden Fall um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bemüht und nach den Erfahrungswerten davon auszugehen ist, dass ein solches auch von der algerischen Botschaft erlangt werden kann. Eine Identitätsüberprüfung in Algerien ist im Laufen.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. - Fortsetzung der Schubhaft

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

Gemäß § 76 Abs 1 FPG idgF können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

Die Schubhaft darf gemäß § 76 Abs 2 FPG idgF nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

§ 76 Abs. 3 FPG idgF lautet:

Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise - wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG - erreicht werden ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig.

§ 80 FPG idgF lautet:

(1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

Zur Judikatur:

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe." (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich infrage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zugrunde, dass die infrage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

Aufgrund der zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere Anhaltung weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Der Verwaltungsgerichthof führte in seiner Entscheidung vom 30.08.2018 (Ra 2018/21/0111) Folgendes aus: "In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG 2014 - einen neuen Hafttitel dar. Über vor oder nach der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen. Ein Erkenntnis nach § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 steht daher einer Beschwerde nach § 22a Abs. 1 BFA-VG 2014, mit der die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von vor oder nach der Erlassung des Erkenntnisses liegenden Haftzeiten begehrt wird, nicht entgegen."

Aufgrund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG liegt weiterhin Fluchtgefahr vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben. Insbesondere zu berücksichtigen ist, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Die Schubhaft ist jedenfalls wegen Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des Beschwerdeführers mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt.

Der Beschwerdeführer hatte keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund - dass sich die Behörde um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bemüht / eine Identitätsüberprüfung in Algerien ist im Laufen - auch verhältnismäßig.

In diesem Zusammenhang war auch die Straffälligkeit des Beschwerdeführers zu berücksichtigen und §76 Abs. 2a FPG anzuwenden:

"(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt."

Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit schließt auch die Anordnung gelinderer Mittel aus.

Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine - die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft - ändernden Umstände erkennen.

Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Zu Spruchpunkt II. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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