TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/9 G305 2225707-1

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Veröffentlicht am 09.12.2019
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Entscheidungsdatum

09.12.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3

Spruch

G305 2225707-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA.: Serbien, vertreten durch Dr. Paul DELAZER und Dr. Rudolf KATHREIN, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2/1, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Tirol, Zl.: XXXX, zu Recht erkannt:

A) In Stattgebung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid

aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Savezni upravni sud je po sudiji Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS odlucujuci o žalbi gospodina/gospode Nebojsa PAUNOVIC, rod. 31.01.1967, državljan/državljanka Serbien, zastupan/a po Dr. Paul DELAZER und Dr. Rudolf KATHREIN, protiv rešenja Saveznog ureda za strance i azil od -, br. Zl.: 375706200 - 190943144/BMI-BFA_TIROL-RD, priznao za pravo:

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 01.10.2019 führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, RD Tirol (im Folgenden: belangte Behörde oder kurz: BFA) mit XXXX, geb. XXXX, StA. Serbien (in der Folge: Beschwerdeführer oder kurz: BF) eine mündliche Verhandlung durch.

2. Mit Bescheid vom 15.10.2019, Zl.: XXXX, sprach die belangte Behörde aus, dass der BF gemäß § 66 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) iVm. § 55 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (NAG) idgF. aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen werde (Spruchpunkt I.) und gegen ihn gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt werde (Spruchpunkt II.).

3. Gegen diesen ihm am 29.10.2019 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid erhob er im Wege seiner ausgewiesenen Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, die er auf die Beschwerdegründe "Rechtswidrigkeit des Inhalts" bzw. " Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften" und mit dem Antrag auf ersatzlose Aufhebung des Bescheides, in eventu auf Abänderung in der Weise verband, dass eine Ausweisung nicht erlassen werde.

4. Am 26.11.2019 legte die belangte Behörde die gegen den oben näher bezeichneten Bescheid erhobene Beschwerde und die Bezug habenden Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der am XXXX in XXXX (Jugoslawien jetzt: Serbien) geborene Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Serbien und damit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

1.2. Der BF ist zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt ins Bundesgebiet eingereist, um hier zu arbeiten (AS 206 oben).

1.3. Er ist mit XXXX, geb. XXXX, StA.: Rumänien, verheiratet. Die Ehe wurde am XXXX2014 vor dem Standesamt von XXXX (Serbien) zur Ehebuch-Nr. XXXX geschlossen (Internationale Heiratsurkunde zu AS 215).

Die Ehe ist zwar dem Bande nach aufrecht, doch besteht seit dem 07.09.2015 keine eheliche Gemeinschaft mehr.

Bereits davor, und zwar vom 07.10.2014 bis 30.04.2015 war die Ehegattin des BF (getrennt von ihrem Ehegatten) in XXXX mit Hauptwohnsitz gemeldet (AS 127; AS 131).

Vom 30.04.2015 bis 10.07.2015 scheint eine gemeinsame Hauptwohnsitzmeldung an der Anschrift XXXX auf. Von 10.07.2015 bis 07.09.2015 scheint an der Anschrift XXXX eine weitere gemeinsame Hauptwohnsitzmeldung auf (AS 127 und AS 131).

Am 07.09.2015 bis 08.10.2015 verzog sie in den EU-Raum (AS 127).

Am 08.10.2015 zog sie aus dem EU-Raum nach Österreich und war ab diesem Tag bis einschließlich 28.06.2016 (getrennt vom Ehegatten) an der Anschrift XXXX mit Hauptwohnsitz gemeldet (AS 127).

In der Folge zog sie aus Niederösterreich nach Kärnten um und war ab dem 28.06.2016 bis 25.08.2016 (getrennt vom Ehegatten) an der Anschrift XXXX mit Hauptwohnsitz gemeldet (AS 127).

Nach dem 25.08.2016 scheint bei ihr keine Hauptwohnsitzmeldung in Österreich mehr auf.

Die Ehegattin des BF ist am 25.08.2016 unbekannt wohin verzogen und seitdem nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet (AS 139). Anhaltspunkte für ein gemeinsames Eheleben bestehen seither nicht mehr, zumal sie nie mehr zum BF nach Innsbruck zurückgekehrt ist (AS 203 ff; AS 143 Mitte; AS 153 ff).

1.4. Der BF hat der Behörde den Umstand, dass seine Ehegattin verzogen ist, der zuständigen Behörde nicht gemeldet, obwohl er dazu verpflichtet gewesen wäre (AS 153 Mitte).

Aus diesem Grunde erließ die Bezirkshauptmannschaft XXXX am 18.07.2019 zu GZ: XXXX wegen Verletzung der Bestimmung des § 54 Abs. 6 NAG eine Strafverfügung gegen den BF, auf deren Grundlage sie gemäß § 77 Abs. 1 Z 5 NAG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 100,00, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 134 Stunden über ihn verhängte (AS 153 ff).

Am 25.07.2019 brachte der BF die über ihn verhängte Geldstrafe zur Einzahlung (AS 157).

1.5. Seinen Aufenthalt im Bundesgebiet stützte der BF auf eine von der Bezirkshauptmannschaft XXXX am 10.07.2014 zur GZ.: XXXX ausgestellte, bis 10.07.2019 gültige Aufenthaltskarte für Angehörige von EWR-BürgerInnen oder Schweizer BürgerInnen (AS 75).

Am 10.07.2019 verlor diese auf den BF ausgestellte Aufenthaltskarte ihre Gültigkeit (AS 75 Mitte).

Am 06.06.2019 beantragte der BF bei der Bezirkshauptmannschaft XXXX die Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte (AS 99). Im Antragsformular bezeichnete er seinen Familienstand als "verheiratet".

Eine Daueraufenthaltskarte wurde ihm jedoch nicht ausgestellt (AS 119).

1.6. Die Ehegattin des BF, XXXX, stützte ihren Aufenthalt im Bundesgebiet auf eine von der Stadtgemeinde XXXX zu GZ.: XXXX am 03.06.2014 ausgestellte Anmeldebescheinigung für EWR-BürgerInnen und Schweizer BürgerInnen (AS 21).

1.7. Der BF weist seit dem 26.05.2014 nachstehende Wohnsitzmeldungen im Bundesgebiet auf:

26.05.2014 bis 02.07.2014 XXXX Hauptwohnsitz

02.07.2014 bis 03.07.2015 XXXX Hauptwohnsitz

03.07.2015 bis laufend XXXX Hauptwohnsitz

Weitere Wohnsitzmeldungen bestehen bei ihm nicht.

1.8. Bei ihm scheinen beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger nachstehende Beschäftigungs- bzw. Versicherungszeiten auf:

Fa. XXXX 04.08.2014 bis 14.09.2014 Arbeiter

Fa. XXXX 04.12.2014 bis 04.10.2016 Arbeiter

Fa. XXXX 15.02.2017 bis 27.04.2017 Arbeiter

Fa. XXXX 26.05.2017 bis 07.08.2017 Arbeiter

Fa. XXXX 04.09.2017 bis 18.09.2017 Arbeiter

Fa. XXXX 02.10.2017 bis 05.12.2017 Arbeiter

Fa. XXXX 18.01.2018 bis laufend Arbeiter

Die Summe der Beitragsgrundlagen belief sich im Jahr 2019 auf

01.01.2019 bis 31.01.2019 EUR 1.976,52

01.02.2019 bis 28.02.2019 EUR 1.811,31

01.03.2019 bis 31.03.2019 EUR 1.737,19

01.04.2019 bis 30.04.2019 EUR 2.167,87

01.05.2019 bis 31.05.2019 EUR 2.220,14

01.06.2019 bis 30.06.2019 EUR 1.830,00

01.07.2019 bis 31.07.2019 EUR 2.098,01

01.08.2019 bis 31.08.2019 EUR 1.888,76

01.09.2019 bis 30.09.2019 EUR 1.991,69

01.10.2019 bis 31.10.2019 EUR 1.978,69

In den nachstehend angeführten Zeiträumen bezog er Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung:

25.10.2016 bis 06.11.2016 Arbeitslosengeldbezug

08.11.2016 bis 20.12.2016 Arbeitslosengeldbezug

08.01.2017 bis 14.02.2017 Arbeitslosengeldbezug

06.12.2017 bis 17.01.2018 Arbeitslosengeldbezug

1.9. Am 15.06.2018 schloss der BF mit dem Vermieter XXXX einen auf drei Jahre befristeten Mietvertrag über eine an der Anschrift XXXX gelegene Mietwohnung, bestehend aus drei Zimmern, einer Küche, Bad, WC und einem Kellerabteil. Der BF trat allein als Mieter in Erscheinung (AS 105 oben).

Für die Mietwohnung vereinbarten die Vertragsparteien einen monatlichen Bruttomonatsmietzins in Höhe von EUR 874,50 (Pkt. II. des Mietvertrages, AS 105).

Diese Wohnung bewohnt er allein mit seinem Sohn XXXX (AS 206 oben).

1.10. Der BF ist im Bundesgebiet strafgerichtlich unbescholten.

1.11. Er spricht neben seiner Muttersprache serbisch auch die deutsche Sprache (AS 204).

1.12. Im Bundesgebiet leben neben seiner Schwester XXXX (AS 204 unten) auch seine Söhne XXXX und XXXX (AS 206 oben; AS 207 oben). Während sein Sohn XXXX beim BF wohnt, lebt XXXX bei seiner in XXXX aufhältigen Freundin (AS 206 oben). Ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis besteht nicht.

Abgesehen davon besucht der BF oft den serbischen Klub XXXX (AS 207 oben).

1.13. Serbien gilt als sicherer Herkunftsstaat und bestehen anlassbezogen keine Anhaltspunkte, die einer Abschiebung des BF nach Serbien entgegenstehen würden.

Der BF unterliegt im Herkunftsstaat weder einer strafgerichtlichen, noch politischer Verfolgung (AS 173 unten).

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

Die Konstatierungen zur Identität des BF und zu dessen in Serbien gelegenen Geburtsort gründen auf seinen Angaben, die er bei seiner Einvernahme durch die belangte Behörde gemacht hatte (AS 203). Diese Angaben werden durch die Angaben in den Ablichtungen des Reisepasses und die in der eingeholten (aktuellen) ZMR-Abfrage bestätigt und konnten daher als den Tatsachen entsprechend festgestellt werden.

Die Konstatierungen zum Familienstand des BF ergeben sich aus der im Gerichtsakt einliegenden internationalen Heiratsurkunde, die jene Ehe beurkundet, die der BF mit XXXX, geb. XXXX, StA.: Rumänien, vor dem Standesamt von XXXX (Serbien) schloss (AS 215). Auf derselben Quelle beruhen auch die Feststellungen dazu, dass diese Ehe vor dem Standesamt von XXXX zur Ehebuch-Nr. XXXX beurkundet ist.

Die Feststellungen dazu, dass die Ehe dem Bande nach noch aufrecht ist, die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht, gründet auf den Angaben des BF, die er 01.10.2019 anlässlich seiner Einvernahme durch die belangte Behörde gemacht hatte (AS 203 ff) und auf den eingeholten ZMR-Abfragen, den BF und dessen Ehegattin betreffend.

Die Angaben des BF in der Beschwerdeschrift vom 13.11.2019, dass sich seine Ehegattin meldepolizeilich abgemeldet hätte, weil sie in Deutschland eine Arbeit als Pflegerin angenommen habe und dass sie tatsächlich ihre freie Zeit bei ihrem Ehegatten verbringe und im gemeinsamen Haushalt in Tirol lebe, womit er ein gemeinsames Eheleben mit seiner Ehegattin behauptete, erscheinen dem Gericht nicht glaubwürdig, zumal sie einerseits im Widerspruch mit den Angaben des BF stehen, die er am 01.10.2019 vor der belangten Behörde gemacht hatte, und auch dem in der ZMR-Abfrage dokumentierten Stand der Wohnsitzmeldungen der BF im Bundesgebiet widersprechen.

So hat sich die BF am 25.08.2016 im Bundesgebiet abgemeldet und ist unbekannt wohin verzogen. Seit dem 25.08.2016 liegen keine weiteren Wohnsitzmeldungen der BF im Bundesgebiet mehr vor. Schon dieser Umstand widerspricht dem Beschwerdevorbringen, dass die Ehegattin des BF, die angeblich in Deutschland als Pflegerin arbeitet und dort zwei oder drei Wochen durchgehend bei einer zu pflegenden Person wohnen soll, in ihrer zwei bis drei Wochen währenden Freizeit bei ihrem Ehegatten im "gemeinsamen Haushalt in Tirol" wohnen soll. Wäre dies tatsächlich der Fall, müsste sich dies auch in entsprechenden Wohnsitzmeldungen im ZMR wiederspiegeln. Das ist nicht der Fall. Seit dem 25.08.2016 liegen - wie gesagt - keine Wohnsitzmeldungen der Ehegattin des BF im Bundesgebiet mehr vor. Abgesehen davon stellen die Angaben in der Beschwerde ein aliud gegenüber den Angaben des BF vor der belangten Behörde dar. So hatte er auf die Frage, wer denn aller in der Wohnung in der XXXX wohne nur sich und seinen Sohn XXXX angegeben. Darüber hinaus gab er auch an, dass sein Sohn XXXX früher auch dort gelebt hätte und dass er jetzt bei einer Freundin in der Nähe des Flughafens wohne (AS 206 oben). Die Erwähnung seines Sohnes XXXX als ehemaligen Mitbewohner in der Wohnung XXXX macht die Angaben des BF vollständig. Da er bei seinen Angaben, wer in der Wohnung wohnt, die Ehegattin nicht erwähnte, ist davon auszugehen, dass sie tatsächlich seit ihrem Wegzug aus Österreich nie mehr dort gewohnt hat. Das im Widerspruch zu seinen Angaben stehende Beschwerdevorbringen, dass sie alle zwei bis drei Wochen für einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen in der Wohnung in XXXX beim BF wohnen soll, erscheint dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht nicht glaubwürdig. Dass die eheliche Gemeinschaft durch den Wegzug der Ehegattin des BF tatsächlich für immer aufgehoben wurde, zeigt sich auch an der Antwort des BF auf die von den Organen der belangten Behörde gestellte Frage, er nicht genau wisse, wann seine Frau das letzte Mal bei ihm war (AS 205 oben). Würde die Ehegattin tatsächlich, wie in der Beschwerdeschrift vorgebracht, alle zwei bis drei Wochen für zwei bis drei Wochen bei ihm wohnen, hätte er dies auch erwähnt bzw. wäre dies in der vor der belangten Behörde erstellten Niederschrift dokumentiert worden. An einer anderen Stelle der von den ihn einvernommenen Organen der belangten Behörde erstellten Niederschrift gab der BF auf die Frage, wie oft seine Frau zu ihm kommen würde, an, dass diese nicht oft frei hätte, da sie als Pflegerin "eigentlich sieben Tage die Woche arbeiten" müsse und "vielleicht nur ein Wochenende frei" habe und "da kommt sie dann" (AS 205 Mitte). Bei Wahrunterstellung dieser Angabe, würde sich die Ehegattin - so sie nach Österreich kommt - lediglich nur für die Dauer eines Wochenendes bei ihm aufhalten. Diese Angaben widersprechen ebenfalls dem Beschwerdevorbringen.

Berücksichtigt man die Angaben des BF und setzt diese in Bezug zur allgemeinen Lebenserfahrung, muss daraus die Schlussfolgerung gezogen werden, dass der BF und seine Ehegattin seit ihrem am 07.09.2015 stattgehabten Auszug aus der letzten gemeinsamen Ehewohnung in XXXX in Österreich keinen gemeinsamen Wohnsitz mehr haben. Dafür spricht auch der Umstand, dass der BF hinsichtlich des aktuellen Wohnortes seiner Ehegattin keine konkreten Angaben zu machen vermochte (AS 204 ff). Hätten er und seine Ehegattin noch ein - wenn auch nur auf kurze Dauer gelebtes - gemeinsames Eheleben, würden sich in der von der belangten Behörde am 01.10.2019 aufgenommenen Niederschrift konkrete Angaben zu ihrem Aufenthaltsort finden. Das auch die Beschwerdeschrift keine konkreten Angaben zum aktuellen Aufenthaltsort der Ehegattin enthält, ist anzunehmen, dass der BF deshalb keine konkreten (aktuellen) Aufenthaltsort gemacht hat, weil ihm dieser einfach nicht bekannt ist.

Das erkennende Gericht hegt auch Zweifel daran, dass sich die Ehegattin des BF als Pflegekraft in Deutschland aufhalten soll. Das zeigt sich insbesondere an den widersprüchlichen Angaben des BF, der gegenüber den Einvernahmebeamten der belangten Behörde angab, dass sich seine Ehegattin in Rumänien aufhalten würde; an einer anderen Stelle gab er an, dass sie seit zwei Jahren in Deutschland als Pflegekraft tätig wäre (AS 206 unten). Bezüglich der angeblichen Tätigkeit als Pflegekraft seiner Ehegattin tat er mit seinem Vorbringen in der Beschwerdeschrift einen weiteren Widerspruch auf. So heißt es in der Beschwerde, sich die Ehefrau des BF ab Juni 2016 meldepolizeilich abgemeldet hätte, weil sie in Deutschland eine Arbeit als Pflegerin angenommen habe. Tatsächlich meldete sich die Ehegattin des BF am 25.8.2016 (sohin vor mehr als drei Jahren) von der Unterkunft in Österreich ab. Vor der belangten Behörde hatte der BF angegeben, dass seine Ehegattin erst seit zwei Jahren in Deutschland tätig wäre. Davor habe sie sich ein Jahr in Rumänien aufgehalten (AS 206 Mitte).

Vor diesem Hintergrund waren die gemachten Feststellungen zu treffen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Stattgebung der Beschwerde:

3.1.1. Den in Beschwerde gezogenen Bescheid stützte die belangte Behörde im Wesentlichen kurz zusammengefasst auf die Bestimmung des § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG und begründete dies damit, dass die Ehegattin (eine EWR-Bürgerin) des BF nicht bloß vorübergehend aus dem Bundesgebiet weggezogen ist, weshalb die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erhalt des Aufenthaltsrechts nicht mehr gegeben seien. Der BF habe daher das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht verloren. Zwar habe er ein Familienleben mit seinem älteren Sohn Alexander und gehe im Bundesgebiet einer Berufstätigkeit nach. Die privaten und familiären Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet würden zwar schwer wiegen, jedoch nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung einer Ausweisung.

Die Beschwerde begründete der BF im Kern damit, dass seine Ehegattin ihre Freizeit bei ihm verbringe und im gemeinsamen Haushalt in Tirol lebe und die Ehe nach wie vor aufrecht sei. Seine Ehegattin könne eben nur zu Zeiten außerhalb der 24-Stunden-Pflege, die sie leiste, bei ihm im gemeinsamen Haushalt in Tirol sein. Es werde ausdrücklich bestritten, dass seine Ehegattin "aus Tirol weggezogen" sei. Die Ehe werde nach wie vor in Tirol geführt; auf Grund der Besonderheiten der 24-Stunden-Pfege ergeben sich auch unübliche Arbeits- und damit Aufenthaltszeiten. Für die Ausweisung würden die Voraussetzungen fehlen.

3.1.2. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt (Z 1 leg cit) und als EWR-Bürger, wer Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist (Z 8 leg cit).

Der Beschwerdeführer ist serbischer Staatsangehöriger und damit Fremder im Sinne dieser Bestimmung.

Er hat sich am 26.05.2014 erstmals mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet angemeldet und hält sich seither durchgehend in Österreich auf. Seinen Aufenthalt im Bundesgebiet hat er auf eine Ehe mit einer rumänischen Staatsagehörigen (sie gilt als EWR-Bürgerin), die er am XXXX.2014 vor dem Standesamt XXXX (Serbien) ehelichte, und auf eine ihm von der Stadtgemeinde XXXX am 10.07.2014 zur GZ.: XXXX ausgestellte, bis 10.07.2019 gültige Aufenthaltskarte für Angehörige von EWR-BürgerInnen oder Schweizer BürgerInnen (AS 75) gestützt.

Durch seine Ehe mit einer rumänischen Staatsangehörigen, die noch immer nicht geschieden ist, gilt der BF gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 FPG als begünstigter Drittstaatsangehöriger. Als solche gelten der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten und eingetragenen Partners in gerade aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.

3.1.3. Zur Aufhebung der Ausweisung des BF aus dem österreichischen Bundesgebiet:

Der mit "Ausweisung" betitelte § 66 FPG lautet:

"§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist."

Gemäß § 54 Abs. 1 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt.

Gemäß § 52 Abs. 1 NAG sind auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie Ehegatte oder eingetragener Partner sind (Z 1); Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesem Unterhalt tatsächlich gewährt wird (Z 2); oder Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird (Z 3).

Gemäß § 52 Abs. 2 NAG berührt der Tod, sein nicht bloß vorübergehender Wegzug aus dem Bundesgebiet, die Scheidung oder Aufhebung der Ehe sowie die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft mit ihm das Aufenthaltsrecht seiner Angehörigen gemäß Abs. 1 nicht.

Anlassbezogen ergibt sich daraus für den BF, dass er als Ehegatte einer rumänischen Staatsangehörigen, die EWR-Bürgerin ist, grundsätzlich die für einen Aufenthalt von mehr als drei Monaten notwendigen Voraussetzungen erfüllt. Gemäß § 52 Abs. 2 NAG berührt der vorübergehende Wegzug der EWR-Bürgerin aus dem Bundesgebiet, von der der begünstigte Drittstaatsangehörige seinen Aufenthalt im Bundesgebiet ableitet, selbst dann nicht, wenn sie bloß vorübergehend aus dem Bundesgebiet weggezogen ist.

Daraus ergibt sich, dass gemäß § 52 Abs. 2 NAG das Aufenthaltsrecht erlischt, wenn die Ehegattin (eine EWR-Bürgerin) auf Dauer aus dem Bundesgebiet weggezogen ist. Gemäß § 2 Abs. 7 NAG unterbrechen kurzfristige Inlands- und Auslandsaufenthalte, insbesondere zu Besuchszwecken, die anspruchsbegründende oder anspruchsbeendende Dauer eines Aufenthalts oder einer Niederlassung nicht.

Die Ehegattin des BF ist am 25.08.2016 unbekannten Aufenthalts aus dem Bundesgebiet weggezogen und lebt hier seitdem nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit dem BF. In seinem Haushalt in XXXX, lebt neben dem BF nur noch sein Sohn XXXX. Sonst lebt dort niemand.

Der BF geht im Bundesgebiet von kleinen zeitlichen Unterbrechungen abgesehen einer Erwerbstätigkeit als Arbeiter nach. Aktuell geht er bei der Fa. XXXX seit dem 18.01.2018 bis laufend einer nichtselbständigen Erwerbstätigkeit als Arbeiter nach und erzielt Einkünfte in einer Höhe, die ihm einen legalen Aufenthalt im Bundesgebiet ermöglichen.

Da er bei seiner Einreise ins Bundesgebiet zu dem Zweck eingereist ist, hier Arbeit zu suchen und er bis laufend einer Erwerbstätigkeit nachgeht, scheidet eine Ausweisung aus dem Bundesgebiet gemäß § 66 Abs. 1 FPG aus, zumal sein Aufenthalt auch keine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt. Dabei kann außer Betracht bleiben, dass und aus welchem Grund die eheliche Gemeinschaft zwischen dem BF und seiner als EWR-Bürgerin anzusehenden Ehegattin aufgehoben ist.

3.1.4. Aus diesen Gründen erweist sich daher das die auf die Bestimmung des § 66 Abs. 1 FPG gestützte Ausweisung als rechtswidrig. Daraus resultierend fehlt auch dem Ausspruch gemäß § 70 Abs. 3 FPG die erforderliche Rechtsgrundlage.

3.2. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall liegt dem Bundesverwaltungsgericht die zur Klärung der Rechtsfrage nötige Aktenlage vor. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes hätte eine mündliche Verhandlung auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lassen und war der Sachverhalt iSd § 24 Abs. 4 VwGVG entscheidungsreif. In Anbetracht dessen konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen, Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G305.2225707.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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