TE Bvwg Beschluss 2019/12/12 G311 2226096-1

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Veröffentlicht am 12.12.2019
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Entscheidungsdatum

12.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

G311 2226096-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geboren am

XXXX, Staatsangehörigkeit: Serbien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie - Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.11.2019,

Zahl XXXX:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid zur Gänze aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.11.2019 wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I). In den übrigen Spruchpunkten II. bis VI. wurde gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG über die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist und einer Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Weiters wurde über ihn gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt.

In der Bescheidbegründung wurden folgende Sachverhaltsfeststellungen getroffen:

Die Beschwerdeführer sei nicht österreichischer Staatsangehöriger und somit Fremde. Sie sei serbische Staatsbürgerin. Nach ihren Angaben sei sie am 30.09.2019 in das Bundesgebiet eingereist, sie verfüge über keine Aufenthaltsberechtigung. Sie sei einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen und dabei von der LPD betreten worden. Laut Stempel in ihrem Reisepass habe sie den sichtsvermerksfreien Aufenthalt überschritten. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass der Aufenthalt durch die unerlaubte Erwerbstätigkeit jedenfalls unrechtmäßig sei, resultiere aus den gesetzlichen Bestimmungen und sei unstrittig. Die unerlaubte Erwerbstätigkeit sei durch die direkte Betretung durch die Beamten der Landespolizeidirektion XXXX eindeutig nachgewiesen und daher unstrittig.

In der rechtlichen Beurteilung wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin ihren sichtsvermerksfreien Aufenthalt nach den vorliegenden Einreisestempel überschritten habe. Sie habe in Österreich durch die unerlaubte Erwerbstätigkeit in Form der Schwarzarbeit ein Fehlverhalten gesetzt und habe sie mit Wissentlichkeit und Absichtlichkeit agiert. Sie habe Angehörige in Österreich und damit sei auch klar, dass sie der unerlaubten Arbeit wegen nach Österreich gekommen sei. Sie stelle eine massive Bedrohung der öffentlichen Ordnung dar, es müsse mit einem zweijährigen Einreiseverbot gegen die Beschwerdeführerin vorgegangen werden, da sie ihr bisheriges Verhalten mit Sicherheit "prolongieren" wolle.

Im vorgelegten Verwaltungsakt liegt eine Anzeige der Landespolizeidirektion XXXX vom 12.11.2019 ein. Darin wurde unter der Rubrik "Tatbeschreibung" Folgendes festgehalten:

Am 11.11.2019 sei im Zuge eines Planquadrates eine Kontrolle in einem Lokal in XXXX, durchgeführt worden. Von außen habe bereits beobachtet werden können, dass die Beschwerdeführerin einem Gast ein Bier gegeben habe, danach habe sie sich hinter die Theke begeben, bei der Kontrolle sei sie wieder hinter der Theke hervorgekommen. Die Beschwerdeführerin habe von 21.03.2018 bis 21.03.2019 eine Aufenthaltstitel als Studentin gehabt, ein Verlängerungantrag sei mit 09.04.2019 zurückgezogen worden, seit 26.04.2019 bestehe keine aufrechte Meldung mehr. Der Reisepass der Beschwerdeführerin sei sichergestellt worden. Die Verantwortlichen des Lokals würden separat wegen Übertretung des AuslBG und des ASVG zur Anzeige gebracht.

Die Beschwerdeführerin wurde am 12.11.2019 vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Dabei gab sie an, sie sei ledig und habe keine Sorgepflichten, ihre gesamte Familie, außer ihre Eltern und Großeltern, würden in Österreich leben. Sie sei am 30.09.2019 ins Bundesgebiet eingereist. Sie lebe von der Unterstützung der Eltern und Großeltern. Sie sei nur zu Besuch und sei im Besitz von Euro 700,--. Als sie ein Visum gehabt habe, habe sie für 10 Stunden in einem Cafe gearbeitet. In dem Cafe, in dem sie bei der Kontrolle angetroffen wurde, habe sie nicht gearbeitet, nur etwas getrunken.

Gegen den im Spruch angeführten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass es mehrere Zeugen gebe, die bestätigen könne, dass die Beschwerdeführerin dort nicht gearbeitet habe, sondern nur im Laptop getippt habe um Liederwünsche von Gästen einzugeben. Dazu wurde die Einvernahme mehrerer namentlich genannter Zeugen beantragt. Die belangte Behörde habe jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen. Die Beschwerdeführerin sei am 19.11.2019 freiwillig ausgereist und habe am 26.11.2019 eine Bestätigung bei der österreichischen Botschaft in Belgrad geholt.

II. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchteil A):

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Ausführlich hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27.06.2018, Ra 2017/09/0031, insbesondere Rz 13 und 14 mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

"13 Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 10.9.2014, Ra 2014/08/0005; 24.3.2015,

Ra 2014/09/0043, 14.12.2015, Ra 2015/09/0057, und 20.2.2018, Ra 2017/20/0498, jeweils mwN).

14 Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszugs gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung (vgl. etwa das zit. Erkenntnis Ra 2017/20/0498, mwN)."

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass nach den vorliegenden Umständen gegenständlich eine bewilliglose Beschäftigung vorliegen könnte.

Die Beschwerdeführerin bestritt jedoch, bei ihrer Einvernahme am 12.11.2019 einer Beschäftigung nachgegangen zu sein. Aus der Anzeige der Landespolizeidirketion XXXX vom 12.11.2019 lässt sich entnehmen, dass die Beschwerdeführerin keine Angaben zum Vorhalt machte. Die Behörde hätte daher weitere Erhebungen zur Frage, ob tatsächlich eine Beschäftigung vorlag, vornehmen müssen. Ohne Vorliegen einer rechtskräftigen Bestrafung des allfälligen Arbeitgebers wären die meldungslegenden Polizeibeamten einzuvernehmen bzw von diesen eine detaillierte Stellungnahme anzufordern gewesen. Weiters wären der Betreiber des Lokals und sonstige Zeugen einzuvernehmen gewesen. Im Rahmen einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung hätte die Behörde dann ausgehend von all diesen Beweismitteln darlegen müssen, warum sie der Verantwortung der Beschwerdeführerin folgt oder nicht.

Es liegen somit gravierende Ermittlungslücken der belangten Behörde vor.

Die belangte Behörde wird daher zunächst alle zur Ergänzung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes erforderlichen Ermittlungen vorzunehmen und allenfalls - je nach Ausgang des Ermittlungsverfahrens - einen neuen Bescheid zu erlassen haben.

Es hat sich nicht ergeben, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen wäre, zumal nichts darauf hindeutet, dass die erforderliche Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst, verglichen mit der Feststellung durch die belangte Behörde nach Zurückverweisung der Angelegenheit, mit einer wesentlichen Zeitersparnis und Verkürzung der Verfahrensdauer verbunden wäre.

Schließlich liegt auch kein Anhaltspunkt dahingehend vor, dass die Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Vergleich zur Feststellung durch die Verwaltungsbehörde mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G311.2226096.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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