TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/16 L515 2216525-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.12.2019
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Entscheidungsdatum

16.12.2019

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

L515 2216525-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hermann LEITNER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER und den fachkundigen Laienrichter RR Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumsservice, Landesstelle XXXX , vom 05.12.2018, OB:

XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, iVm § 1 Abs. 2, § 40 Abs. 1, § 42 Abs. 1 und 2, § 43 Abs. 1, § 45 Abs. 1 und 2, § 47 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, § 29b Abs. 1 StVO 1960, BGBl 159/1960 iVm § 1 Abs. 4 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF, stattgegeben und festgestellt, dass die Voraussetzungen hinsichtlich der Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass iSd zitierten Bestimmungen des BBG vorliegen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz

(B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die beschwerdeführende Partei (nachfolgend auch als "bP" bezeichnet) ist Inhaber eines Behindertenpasses (GdB 60 v.H.) und eines bis 30.09.2018 befristeten Parkausweises iSd § 29b StVO und beantragte am 04.02.2018 (eingelangt am 06.02.2018) unter Beifügung eines Befundkonvolutes die Neufestsetzung des Grades der Behinderung und die Ausstellung eines Parkausweises gem. § 29b StVO.

I.2. Die bP wurde am 10.04.2018 einer Begutachtung durch eine medizinische Sachverständige zugeführt und darüber ein Gutachten erstellt. Dieses ergab einen Gesamtgrad der Behinderung vom 60 v.H.; die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde bejaht.

I.3. Mit Schreiben vom 14.05.2018 wurde der bP das eingeholte Gutachten zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen drei Wochen ab Zustellung zu äußern. Am 05.06.2018 langte eine entsprechende Stellungnahme der bP ein, worauf ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie eingeholt wurde. Das Gutachten ergab einen Gesamtgrad der Behinderung vom 60 v.H.; die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde bejaht.

I.4. Mit Schreiben des Sozialministeriumservice vom 06.12.2018 wurde der bP ein entsprechender bis 30.05.2021 befristeter Behindertenpass (im Scheckkartenformat) übermittelt. Das Gutachten des medizinischen Sachverständigen vom 30.11.2018 wurde dem Schreiben beigelegt.

I.4.1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 05.12.2018 wurde der Antrag der bP vom 04.02.2018 in Bezug auf den beantragten Parkausweis abgewiesen; die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" liegen nicht laut Dafürhalten der belangten Behörde vor. Das Gutachten des medizinischen Sachverständigen vom 30.11.2018 wurde dem Schreiben beigelegt.

I.5. Gegen diesen Bescheid erhob die bP mit Schreiben vom 31.12.2018 Beschwerde.

I.6. Im Verfahren zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung wurde ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten eines Facharztes für Chirurgie eingeholt. Im darauffolgenden Gutachten vom 14.03.2019 (Begutachtung am selben Tag) wurde ausgeführt, dass die bP maximal 500 zurücklegen könne. "Die Überwindung von Niveauunterschieden ist sicher mühsam, durch Anhalten mit beiden Händen aber möglich, die sicher Beförderung ist durch die hauptsächliche Belastung des linken Beines und Anhalten mit beiden Händen erhalten."

I.7. Da das Beschwerdevorentscheidungsverfahren nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Zeit von zwölf Wochen erledigt werden konnte, wurde die Beschwerde samt Akt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die Beschwerdevorlage langte am 25.03.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.8. Mit Schreiben vom 27.05.2019 wurde der bP das eingeholte Gutachten zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Am 23.04.2019 langte eine entsprechende Stellungnahme der bP sowie ein ärztlicher Befundbericht einer FÄ für Neurologie vom 19.03.2019 ein.

I.9. Die Beratung und Abstimmung im nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat des Bundesverwaltungsgerichtes erfolgte am 16.12.2019.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.0. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Die bP ist österreichischer Staatsbürger und an der im Akt ersichtlichen Adresse wohnhaft.

1.2. Die bP ist seit 29.09.2015 im Besitz eines Behindertenpasses (GdB 60 v.H.) mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung", sowie eines bis 30.09.2018 befristeten Parkausweises.

1.3. Am 10.04.2018 erfolgte im Auftrag des Sozialministeriumservice eine Begutachtung durch eine medizinische Sachverständige (FA f. Orthopädie). Das betreffende Gutachten vom 01.05.2018 blieb bei der bisherigen Einschätzung von 60 % und begründete dies mit der Besserung nach neuerlicher Operation des vorbekannten Hüftleidens, welche daher eine Stufe niedriger als zuletzt eingeschätzt wurde. Verneint wurde die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

1.4. In ihrer Stellungnahme vom 29.05.2018 wies die bP auf den sich nicht verbessernden Gesundheitszustand hin. Der Weg von seinem Wohnhaus zum Bahnhof betrage 800 m, weswegen sie den Eintrag "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" beantrage.

1.5. Das am 21.11.2018 - im Verfahren zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung - von einem ärztlichen Sachverständigen (Facharzt für Orthopädie) erstellte Gutachten kam wiederum zu einer Einschätzung von 60 % und verneinte wiederum die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

1.6. Mit Schreiben vom 31.12.2019 erhob die bP Beschwerde. Die Streichung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sei wegen des unveränderten Behinderungsgrades verbunden mit massiver Bewegungseinschränkung unzulässig. Der Beschwerde angeschlossen war ein orthopädischer Befundbericht vom 18.12.2018, wonach im Wesentlichen die Hüfte in Ordnung sei.

1.7. Im Hinblick auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung erfolgte am 14.03.2019 im Auftrag des Sozialministeriumservice eine Begutachtung durch einen ärztlichen Sachverständigen (Facharzt für Chirurgie). Das betreffende Gutachten vom 14.03.2019 weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf:

"...

Anamnese:

Lt. Beschwerde Unveränderter Gesundheitszustand (Unzumutbarkeit wurde mit GA vom 2014-08 BSB Gutachten Dr. Bauer eingetragen) und massive Bewegungseinschränkung.

Neue Befunde: 1. 2018-12 Befund GKK 2. 2018-12 Befund Hüfte Beide eingelangt am

7.1.19. VGA 60%

Derzeitige Beschwerden:

im Vordergrund der Antragstellung stehen Schmerzen im Bereich der rechten Hüfte, die maximale Gehstrecke wird mit 500 m angegeben, eine Gehhilfe wird nicht verwendet. Bei längerer Belastung kommt es auch zu Schmerzen im rechten Kniegelenk. Er hätte auch ein komisches Gefühl im Bereich der rechten Fußsohle, offensichtlich ausgehend von Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule. Keine weiteren Angaben

[...]

Gesamtmobilität - Gangbild:

leicht rechts hinkend ohne Gehhilfe sicher

[...]

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung: Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1) Einschränkung der rechten Hüfte nach Endoprothese und Pfannenrekonstruktion

2) Wirbelsäulendegeneration

3) Überlastungsarthrose rechtes Kniegelenk

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Bluthochdruck und Beinlängendifferenz nicht mehr berücksichtigt, keine Befunde, keine Medikamente, Beinlängendifferenz aus klinischem Aspekt nicht nachvollziehbar

Dauerzustand

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? Herr XXXX ist in seiner Mobilität sich eingeschränkt. Er kann maximal 500 m zurücklegen, wobei eine Gehhilfe derzeit noch nicht verwendet wird. Die Überwindung von Niveauunterschieden ist sicher mühsam, durch Anhalten mit beiden Händen aber möglich, die sichere Beförderung ist durch hauptsächliche Belastung des linken Beines und Anhalten mit beiden Händen erhalten.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor? nein

Gutachterliche Stellungnahme:

Herr XXXX ist in seiner Mobilität sich eingeschränkt. Er kann maximal 500 m zurücklegen, wobei eine Gehhilfe derzeit noch nicht verwendet wird. Die Überwindung von Niveauunterschieden ist sicher mühsam, durch Anhalten mit beiden Händen aber möglich, die sichere Beförderung ist durch hauptsächliche Belastung des linken Beines und Anhalten mit beiden Händen erhalten.

..."

1.8. Im Rahmen des Parteiengehörs verwies die bP auf ihre körperlichen Einschränkungen und die damit einhergehenden reduzierten sozialen Kontakte. Hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel brachte sie im Wesentlichen vor, dass eine Gehstrecke im Ausmaß von 500 m das absolute Maximum sei. Treppensteigen bergab sei eine besondere Herausforderung. Der beigelegte Befund vom 19.03.2019 berichtet von einer bekannten distal symmetrische Polyneuropathie.

2.0. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt der vorliegenden Akte und dem seitens des ho. Gerichts durchgeführten ergänzenden Ermittlungsverfahrens.

2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

Zu prüfen ist im gegenständlichen Fall die konkrete Fähigkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080).

Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 - 400 m ausgeht (vgl. u.a. Ro 2014/11/0013 vom 27.05.2014). Auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren, wie z.B. ein längerer Weg vom Wohnort zur nächsten Haltestelle oder Bahnhof, kommt es nicht an (VwGH vom 22.10.2002, GZ 2001/11/0258).

Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen und dem nicht widerlegten Vorbringen der bP kann wohl davon ausgegangen werden, dass die bP in der Lage ist, eine Strecke von 300 - 400 zu Fuß zurückzulegen, es ist jedoch davon auszugehen, dass sie erhebliche Schwierigkeiten im Zuge des Überwindens von Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, zum Teil auch Schwierigkeiten beim Stehen, aber jedenfalls bei der Sitz-platzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt -ihrem Wesen nach verbunden mit Phasen der Beschleunigung und des Bremsens- hat.

3.0. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:

-

Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF

-

Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF

-

Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF

-

Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF

-

Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF

-

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF

-

Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF

Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.

3.2. Gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; ...

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, weshalb im gegenständlichen Fall gem. § 45 Abs. 3 und 4 BBG der Senat in der im Spruch ersichtlichen Zusammensetzung zu entscheiden hat.

3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Das Sachverständigengutachten vom 14.03.2019 wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 10.04.2019 im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt. In der Stellungnahme hatte die bP folglich - i.S. der obigen Ausführungen - die Möglichkeit, sich dazu zu äußern.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.

3.4. Gemäß § 1 Abs 1 BBG soll Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen durch die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.

Gemäß § 1 Abs 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 42 Abs 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs 3 leg. cit.) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.

Gemäß § 1 Abs 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen [....]

Gemäß Abs 4 leg cit ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen: [....]

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

Gemäß Abs 5 leg cit bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

Gemäß § 3 Abs 1 leg cit ist dem Behindertenpassinhaber/der Behindertenpassinhaberin, zum Nachweis, dass er/sie über die Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügt, die im § 29b Abs 2 bis 4 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. 159 (StVO), genannten Berechtigungen in Anspruch nehmen kann, ein Parkausweis auszustellen. Die in einem gültigen Behindertenpass enthaltene Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung oder Blindheit" ist der Eintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gleichzuhalten.

Gem. § 29b StVO ist den Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses ..., die über die Zusatzeintragung "Unzumubarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter

Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" ... ein Ausweis

auszufolgen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080). Auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren, kommt es nicht an (VwGH vom 22.10.2002, GZ 2001/11/0258).

Die Prüfung, ob die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" vorzunehmen ist, hat entlang der Kriterien der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF, (konkret: ob bei der bP

----------

--erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

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--erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

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--erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

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--eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

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--eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit

vorliegen) zu erfolgen; die Ausführungen der medizinischen Sachverständigen erweisen sich in dieser Hinsicht als ausreichend.

Wie bereits festgestellt wurde, hat die beschwerdeführende Partei erhebliche Schwierigkeiten im Zuge des Überwindens von Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, zum Teil auch Schwierigkeiten beim Stehen, aber jedenfalls bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. Aus der Sicht des ho. Gerichts erweist sich aus diesen Gründen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für die beschwerdeführende Partei als nicht zumutbar.

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei der Beurteilung der Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel um keine vom medizinischen Sachverständigen zu lösende Tatsachen-, sondern eine von der Behörde bzw. dem Gericht zu lösende Rechtsfrage handelt.

3.5. Da der Beschwerde stattgegeben wurde, konnte eine Verhandlung unterbleiben.

3.6. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Diesbezüglich ist die vorliegende und im gegenständlichen Erkenntnis zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Darüber hinaus stellt sich der anzuwendende Gesetzestext als eindeutig dar. Die wesentliche Problemstellung liegt im gegenständlichen Fall in der Auslegung des Rechtsbegriffs des Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, welche seitens des ho. Gerichts im Lichte der zitierten, einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur gelöst wurde.

Auf Grundlage der obigen Ausführungen war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L515.2216525.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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