Entscheidungsdatum
16.12.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G305 2195969-1/11E
G305 2190566-1/10E
G305 2190564-1/13E
G305 2190573-1/12E
Schriftliche Ausfertigung des am 24.05.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerden 1. des XXXX, geb. XXXX, StA.: Irak,
2. des XXXX, geb. XXXX, StA.: Irak, 3. der XXXX, geb. XXXX, StA.:
Irak und 4. der mj. XXXX, geb. XXXX, StA.: Irak, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Steiermark - Außenstelle Graz, vom 20.02.2018,
Zlen. XXXX, XXXX, XXXX, XXXX, vertreten durch den Migrantinnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R1, 1090 Wien, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.05.2019, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) sind Staatsangehöriger der Republik Irak und stellten am 23.10.2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 25.10.2015 fand eine Erstbefragung der BF vor Organen der LPD Steiermark statt.
2. Es wurden der BF2 und die BF3 am 16.11.2017 und der Bruder des BF2 bzw. Ehegatte der BF3 - der BF2 - am 05.12.2017 jeweils von einem Organ des BFA niederschriftlich einvernommen.
Die BF3 als Mutter und gesetzliche Vertreterin der minderjährigen BF4 gab dabei an, dass ihre Tochter keine eigenen Fluchtgründe habe.
3. Mit den im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 20.02.2018 wurde der Antrag der BF auf Gewährung von internationalem Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), den BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.), und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise der BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestehe (Spruchpunkt VI).
4. Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
5. Am 28.03.2018 wurden dem BVwG die gegenständlichen Beschwerden samt dazugehörigen Verwaltungsakten vorgelegt.
6. Am 24.05.2019 fand vor dem BVwG, Außenstelle Graz, in Abwesenheit der BF und in Abwesenheit ihres Rechtsvertreters eine mündliche Verhandlung statt. In dieser wurde dieses schriftlich ausgefertigte Erkenntnis mündlich verkündet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Der BF1 führt die im Spruch angegebene Identität (XXXX, geb. XXXX, StA.: Irak) und ist irakischer Staatsangehöriger. Er gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur islamischen Religionsgemeinschaft der schiitischen Glaubensrichtung. Seine Muttersprache ist arabisch.
Er ist gesund und nimmt auch keine Medikamente bzw. Substanzen mit bewusstseinsverändernder Wirkung.
Der BF1 ist mit der am XXXX geborenen BF3 verheiratet und haben die Ehegatten zwei Kinder, und zwar die am XXXX mj. BF4 und die im XXXX geborene mj. XXXX. Während die mj. BF4 den BF1 und die BF3 auf ihrer Flucht vom Herkunftsstaat nach Europa begleitete, verblieb die mj. XXXX im Herkunftsstaat. Die mj. XXXX hat den BF1, die BF3 und die mj. BF4 deshalb nicht begleitet, da für diese ein Reisepass nicht vorhanden war.
Der BF1 besuchte in Bagdad von 1996 - 2002 die Grundschule und übte in der Folge den Beruf des Friseurs aus, dies bis zu seiner Ausreise.
1.2. Der BF2 führt die im Spruch angegebene Identität (XXXX) und ist irakischer Staatsangehöriger. Er gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur islamischen Religionsgemeinschaft der schiitischen Glaubensrichtung. Seine Muttersprache ist arabisch.
Auch er ist gesund und nimmt auch keine Medikamente bzw. Substanzen mit bewusstseinsverändernder Wirkung.
Der BF2 ist unverheiratet und besuchte von 1998 - 2004 die Grundschule in Bagdad, von 2004 - 2010 die Haupt- und Mittelschule in Bagdad und von 2010 - 2012 die Universität in Bagdad. Er hat sein Universitätsstudium nicht abgeschlossen.
Seinen Lebensunterhalt finanzierte er sich durch eine Mitarbeit im Friseurgeschäft des Bruders.
1.3. Die BF3 führt die im Spruch angegebene Identität (XXXX) und ist irakische Staatsangehörige. Sie gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur islamischen Religionsgemeinschaft der schiitischen Glaubensrichtung. Ihre Muttersprache ist arabisch.
Auch sie ist gesund und nimmt auch keine Medikamente bzw. Substanzen mit bewusstseinsverändernder Wirkung.
Die BF3 besuchte von 1991 - 1999 die Grundschule in Bagdad. Seit ihrer Eheschließung mit dem BF1 lebte sie im Eigentumshaus der Familie und übte den Beruf einer Hausfrau aus.
Sie ist die leibliche Mutter der mj. BF4 und der zu einem nicht festgestelltem Zeitpunkt des Jahres 2015 geborenen mj. XXXX.
1.4. Die mj. BF4 führt die im Spruch angegebene Identität (XXXX) und ist irakische Staatsangehörige. Sie gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur islamischen Religionsgemeinschaft der schiitischen Glaubensrichtung. Ihre Muttersprache ist arabisch.
Auch sie ist gesund und nimmt auch keine Medikamente bzw. Substanzen mit bewusstseinsverändernder Wirkung.
Die beschwerdeführenden Parteien lebten im Herkunftsstaat in einem Eigentumshaus der Familie. Ihre wirtschaftlichen Verhältnisse wurden als sehr gut bezeichnet.
Der Vater und die Mutter des BF1 und des BF2 sowie deren Brüder XXXX und XXXX leben im Herkunftsstaat.
1.5. Während sich der BF1 und der BF2 noch im Bundesgebiet aufhalten und hier mit Hauptwohnsitz an der Anschrift XXXX, XXXX, aufrecht gemeldet sind, sind die BF3 und die mj. BF4 am 02.05.2019 im Rahmen der unterstützten freiwilligen Rückkehr aus dem Bundesgebiet in den Herkunftsstaat Irak ausgereist (Ausreisebestätigung der IOM vom 06.05.2019).
1.6. Die beschwerdeführenden Parteien hatten mit den Gerichten, den Verwaltungsbehörden und der Polizei des Herkunftsstaates keine Probleme.
Keine der beschwerdeführenden Parteien gehörte einer politischen Partei, einer bewaffneten Gruppierung oder sonstigen politischen Bewegung des Herkunftsstaates an.
Es war keine der beschwerdeführenden Parteien politisch jemals aktiv.
1.7. Die beschwerdeführenden Parteien sind im Bundesgebiet strafgerichtlich unbescholten. Sie haben hier keine Verwandte, mit Ausnahme der jeweiligen mitbeschwerdeführenden Parteien. Sie haben auch keine Angehörigen in einem EU-Mitgliedsstaat und besitzen bzw. besaßen sie im Bundesgebiet weder Barvermögen, noch Wertgegenstände, noch Liegenschaften, die ihnen einen dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet ermöglichen würden bzw. einen solchen sicherstellen würden. Der BF1 und der BF2 leben von der staatlichen Unterstützung. Bis zu ihrer freiwilligen Ausreise in den Herkunftsstaat lebten auch die BF3 und die mj. BF4 von Mitteln aus der staatlichen Unterstützung.
Die beschwerdeführenden Parteien hatten in Österreich keine sozialen Kontakte. Sie gingen auch keiner Erwerbstätigkeit nach bzw. standen diese in keinem Ausbildungsverhältnis.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass die mittlerweile 6-jährige mj. BF4 in Österreich die Schule besucht hätte.
Die BF3 hat am 12.10.2017 die Deutschsprachprüfung auf dem Niveau A2 bestanden. Darüber hinaus hat sie an einem Werte- und Orientierungskurs des ÖIF teilgenommen.
Inwieweit der BF2 Sprachkompetenzen erworben hat, konnte nicht festgestellt werden.
Der BF1 hat im Rahmen des Projekts Sprachencall 2017 an einem Deutschkurs im Ausmaß von 40 Unterrichtseinheiten teilgenommen und er hat am 08.11.2017 an einem Werte- und Orientierungskurs des ÖIF teilgenommen. Darüber hinaus hat er bei der Gemeinde XXXX gemeinnützige Hilfstätigkeiten in den Jahren 2016 und 2017 verrichtet. In welchem Ausmaß diese gemeinnützigen Hilfstätigkeiten verrichtet wurden, ist nicht feststellbar.
Inwieweit der BF2 und die BF3 gemeinnützige Hilfsstätigkeit verrichteten, konnte nicht festgestellt werden.
1.8. Es steht fest, dass der BF1 in Bagdad einen Friseursalon betrieben hat. Im Rahmen seines Geschäftsbetriebes hat er eine nicht feststellbare Anzahl an Kunden unbekannter Provenienz bedient.
Anders bezogen konnte nicht festgestellt werden, dass der BF1 mit zwei Personen, die am letzten Arbeitstag vor seiner Ausreise ins Geschäft gekommen waren, in Streit geraten wäre. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass es zwischen ihm und den beiden beteiligten unbekannten Personen zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen wäre. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass es sich bei diesen beiden Personen, so es sie überhaupt gab, um Angehörige einer Miliz gehandelt hätte.
Dass es abgesehen von einer Auseinandersetzung, die sich lt. den Angaben des BF1 am 24.09.2015 zugetragen haben soll, noch weitere Auseinandersetzungen mit dritten Personen bzw. Angehörigen einer Miliz gegeben hätte, konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.
Fest steht lediglich, dass der BF1, der BF2, die BF3 und die mj. BF4 am 25.09.2015 von Bagdad nach Erbil mit dem Flugzeug reisten und von hier aus mit dem Bus den Herkunftsstaat in Richtung Türkei verließen.
Es konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien aus religiösen und politischen Gründen bzw. wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Friseure, Studenten, Hausfrau) Verfolgungshandlungen durch radikal schiitische Milizen ausgesetzt gewesen wären. Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass sie im Herkunftsstaat eine westliche Lebenseinstellung zur Schau getragen hätten und deshalb verfolgt worden wären. Dass die BF3 aus geschlechtsspezifischen Gründen verfolgt worden wäre, konnte ebenfalls nicht festgestellt werden. Dass die beschwerdeführenden Parteien aus Angst um ihr Leben und mangels Schutzfähigkeit bzw. Schützwilligkeit der irakischen Behörden zur Flucht nach Österreich gezwungen gewesen wären, konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.
Es steht fest, dass die beschwerdeführenden Parteien weder mit der Polizei, noch mit den Verwaltungsbehörden, noch mit den Gerichten des Herkunftsstaates ein Problem gehabt hätten. Weiter steht fest, dass sie einen angeblichen Vorfall mit Angehörigen einer schiitischen Miliz der Polizei des Herkunftsstaates nie zur Anzeige brachten. Weiter steht fest, dass gegen keine der beschwerdeführenden Parteien ein Gerichtsverfahren anhängig war bzw. ist.
Insgesamt vermochten die beschwerdeführenden Parteien daher eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft zu machen.
1.9. Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.
Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordirak, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.
Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.
Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war bzw. ist durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es hat in der Vergangenheit vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.
Eine systematische Verfolgung von Angehörigen der arabischen Volksgruppe bzw. von Personen, die sich zum muslimischen Glauben schiitischer Ausrichtung bekennen, ist in keinem der vorliegenden Länderberichte dokumentiert.
Anlassbezogen ist nicht hervorgekommen, dass die Beschwerdeführer, welche der arabischen Ethnie und der muslimischen Glaubensgemeinschaft schiitischer Ausrichtung angehören, einer asylrelevanten Bedrohung durch schiitische Milizen ausgesetzt gewesen wären. Es ist auch nicht hervorgekommen, dass es ihnen - selbst bei Wahrunterstellung einer allfälligen asylrelevanten Verfolgung - nicht möglich gewesen wäre, eine innerstaatliche Fluchtalternative zu wählen.
1.9.1. Die Asa'ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz'ali-Netzwerk, League of the Righteous, kurz: AAH) ist eine der unter der PMF zusammengefassten Milizen. Diese Miliz wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Ausgegangen wird von einer Gruppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist, wie die Badr-Organisation und Kata'ib Hizbullah, vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Seitens der Regierung wurde 2016 der Versuch unternommen, Teile der PMF in die staatliche Sicherheitsstruktur einzugliedern und unter die Kontrolle des Premierministers zu stellen - ein Projekt, dessen Ausgang noch immer unklar ist.
Eine landesweite und systematische Verfolgung für Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft durch diese Miliz besteht nicht.
Die schiitische Glaubensgemeinschaft in BAGDAD stellt gegenüber der sunnitischen Gemeinschaft die Mehrheit dar und ist sie in der Gesellschaft und in der Regierung präsent. Die Angehörigen der schiitischen Glaubensgemeinschaft spielen überdies eine große Rolle im irakischen Parlament.
Quellen:
Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017,
http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (Letzter Zugriff am 16.07.2018)
ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten der Asa'ib Ahl al-Haqq, insbesondere Verhalten gegenüber sunnitischen MuslimInnen 02.02.2018,
https://www.ecoi.net/de/dokument/1424853.html (Letzter Zugriff am 16.07.2018)
UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017
https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 16.07.2018)
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 16.07.2018)
UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 18.07.2018)
BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc (Letzter Zugriff am 18.07.2018)
1.9.2. Die beschwerdeführenden Parteien hatten nach eigenen Angaben weder mit den Behörden des Herkunftsstaates, noch mit den Gerichten, noch mit der Polizei des Herkunftsstaates, noch wegen ihres Religionsbekenntnisses oder wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe ein Problem. Weder sie, noch die übrigen Angehörigen ihrer Kernfamilie waren politisch aktiv oder Mitglieder einer politisch aktiven Bewegung oder einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien bis zu dem behaupteten Vorfall am 24.09.2015 Kontakt zu Angehörigen einer Miliz, namentlich der Miliz ASA¿IB AHL AL-HAQQ, gehabt hätten, oder dass einer der beschwerdeführenden Parteien angeworben worden wäre, an der Seite einer (schiitischen) Miliz zu kämpfen. Weiter konnte nicht festgestellt werden, dass der BF1 als Betreiber eines Friseurgeschäftes von Milizangehörigen zu Schutzgeldzahlungen bzw. sonstigen Zahlungen aufgefordert worden wäre. Es sind auch keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass sie nach dem behaupteten Vorfall (weitere) Berührungspunkte mit dieser oder einer anderen, im Herkunftsstaat aktiven Miliz gehabt hätten.
Auch konnte nicht festgestellt werden, dass sie mit Angehörigen einer der weiteren Glaubensrichtungen des Herkunftsstaates Probleme gehabt hätten. Der BF1 ist einer Erwerbstätigkeit als Friseur nachgegangen, aus der er zum Einkommen seiner Kernfamilie beitragen konnte. Er und seine Familie konnten von diesen Einkünften nach eigenen Angaben sehr gut leben.
Die beschwerdeführenden Parteien haben keine konkrete individuelle Verfolgung aufgrund ihrer Tätigkeit oder ihrer Herkunft glaubhaft machen können.
Den in den Beschwerdeschriften enthaltenen Ausführungen, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass eine Gruppenverfolgung der schiitischen Bevölkerung durch schiitische Milizen stattfinde, ist entgegen zu halten, dass sich aus den dem BVwG vorliegenden Länderinformationen keine Anhaltspunkte dahin ergeben würden, dass die in Bagdad lebenden Angehörigen der schiitischen Glaubensrichtung eine Gruppenverfolgung befürchten müssten.
Wenn es in der Beschwerde weiter heißt, dass die beschwerdeführenden Parteien in anderen Landesteilen des Irak keine Fluchtalternative gehabt hätten, lässt sich dies mit dem vorliegenden Länderbericht nicht in Einklang bringen. Dass sie von Angehörigen der schiitischen Milizen mit dem Umbringen bedroht wären, ist ebenfalls nicht hervorgekommen.
Auch konnte nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in ihrer Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte, oder dass sie als Zivilpersonen einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wären.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person der beschwerdeführenden Parteien:
Die Identität der beschwerdeführenden Parteien ergibt sich einerseits aus dem in der Beschwerdeschrift unbekämpft gebliebenen Feststellungen zur Identität, andererseits aus dem im Akt einliegenden Ablichtungen der Reisedokumente bzw. der weiter in Ablichtung vorgelegten Urkunden.
Die zu ihrer Ausreise aus dem Irak, zur weiteren Reiseroute und zur Einreise ins Bundesgebiet getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus den Angaben der beschwerdeführenden Parteien, die sie anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen der Sicherheitsbehörden und ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA gemacht hatten. Diese Angaben sind im Wesentlichen unstrittig geblieben und konnten daher der gegenständlichen Entscheidung daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden.
2.2. Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien:
Die beschwerdeführenden Parteien stützen ihre Fluchtgründe im Wesentlichen auf den vom BF1 genannten Fluchtgrund. Sowohl vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, als auch vor der belangten Behörde hatte die zwischenzeitig ausgereiste BF3 angegeben, sich auf die Fluchtgründe des BF1 zu stützen und selbst keine eigenen Fluchtgründe zu haben. Auch hatte sie nicht angegeben, dass sie im Herkunftsstaat wegen einer angeblichen (von ihr nicht behaupteten) westlichen Lebenseinstellung bzw. ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der irakischen Frauen bedrängt gewesen zu sein.
Die Fluchtgründe der mj. BF4, die ebenfalls bereits in den Herkunftsstaat zurückgekehrt ist, stützen sich ebenfalls auf die Fluchtgründe des BF1.
Der BF1 stützte seine Fluchtgründe in der Befragung vor dem BFA im Wesentlichen darauf, dass er wegen Problemen mit einer Miliz zur Flucht gezwungen gewesen wäre. Konkret soll er an seinem letzten Arbeitstag am 24.09.2015 von zwei Männern in seinem Friseursalon nach seinen Kunden angesprochen worden sein. Er habe sich darüber aufgeregt und einen der beiden Männer die Kappe vom Kopf gewischt, worauf hin eine Schlägerei ausgebrochen wäre. Zu dieser Schlägerei sei sein Bruder dazu gekommen und sie hätten sich weiter gebrügelt. Schließlich seien alle aus dem Salon gegangen, wo sie dann von benachbarten Geschäftsleuten getrennt worden seien. Über Empfehlung dieser benachbarten Geschäftsleute hätten sie ein Taxi genommen und seien in den benachbarten Bezirk XXXX gefahren und hätten sie dort ein Reisebüro aufgesucht, um ein Ticket nach Erbil zu kaufen. In der Folge hätten sie in einem Hotel übernachtet und seien sie (alle beschwerdeführenden Parteien) mit dem Flugzeug nach Erbil geflogen und hätten die Ausreise aus dem Irak von Erbil nach Türkei fortgesetzt.
Im Gegensatz zu seinem Vorbringen in der Erstbefragung berichtete der BF1 anlässlich seiner Befragung durch das BFA nichts von allfälligen Drohungen durch eine Miliz, nichts von etwaigen eigenen Schutzgeldzahlungen oder von Drohungen mit dem Umgebracht werden. Auch berichtete er nichts davon, dass das Familienhaus, indem sie lebten, nach dem Vorfall beschossen worden wäre. Das Erstvorbringen unterscheidet sich vom Vorbringen vor dem BFA dadurch, dass der BF1 deshalb zur Flucht gezwungen gewesen sei, weil die Familie Schutzgeldzahlungen zahlen hätte müssen und sie bei der zweiten Forderung kein Geld mehr gehabt hätte. Deshalb hätten sie alles verkaufen und den Irak verlassen müssen. Dass hier ein Vorfall im Friseursalon den Grund für die Ausreise gebildet hätte, wurde nicht behauptet.
Schon dieser Umstand untergräbt die Glaubwürdigkeit des Vorbringens des BF1.
Wie der BF1 brachte auch der BF2 in der Erstbefragung vor, dass er mit seinem Bruder in einem Friseursalon in Bagdad gearbeitet hätte und sie kurz vor der Ausreise Drohungen von Terrormilizen bekommen hätten. Nach seinen Angaben musste die Familie nur ein einziges Mal Schutzgeld zahlen. Im Gegensatz zu seinem Bruder behauptete der BF2, dass die Terrormiliz nach dieser einen Schutzgeldzahlung durch den Vater versucht hätte, ihn und den BF1 zu rekrutieren, was beide jedoch abgelehnt hätten. Dies habe dazu geführt, dass noch am Abend des selben Tag das Haus beschossen worden sei und er und sein Bruder mit der Familie die Flucht ergriffen hätten. Mit diesem Vorbringen setzte er sich in einen Widerspruch zum Vorbringen des BF2, wonach das Nichtaufbringen einer angeblichen zweiten Schutzgeldzahlung den Grund für die Ausreise gebildet hätte.
Vor dem BFA behauptete der BF2, dass einige Milizen begonnen hätten, zum Geschäft des Bruders zu kommen und sie dazu bewegen wollten, sich ihnen anzuschließen. Sodann habe er eines Tages beobachtet, wie sein Bruder mit zwei anderen Personen gestritten hätte. Er sei sofort hin, um seinem Bruder zu helfen und sei es zu einer Schlägerei gekommen.
Einer von ihnen sei bewusstlos geworden. Die Nachbaren seien gekommen, um den Streit zu beenden. Danach seien sie, wie oben beschrieben, ausgereist.
Im Gegensatz zu seinem Bruder, dem BF1, behauptete der BF2 ein fortgesetztes Erscheinen von Milizangehörigen.
Der BF1 berichtete lediglich von einem einmaligen Vorfall.
Nach den Schilderungen des BF2 soll einer der beiden Männer lediglich auf den Boden gefallen sein. Von einer etwaigen Bewusstlosigkeit des Mannes sagte der BF1 nichts. Der BF2 dagegen behauptete, dass einer der beiden Männer im Streit bewusstlos geworden sei.
Vor dem BFA gaben der BF1 und der BF2 übereinstimmend an, dass sie nach dem behaupteten Vorfall nicht mehr nach Hause gegangen wären und stattdessen die Nacht in einem Hotel in einem anderen Bezirk von Bagdad verbracht hätten.
Den Angaben vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde zur Folge sollen sie das Land verlassen haben, nachdem die zweite Schutzgeldtranche nicht aufgebracht werden konnte (lt. BF1) bzw. nachdem das Familienhaus nach der Ablehnung eines Rekrutierungsversuches beschossen worden sei (lt. BF2).
Das erkennende BVwG verkennt nicht, dass den Angaben vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde ein geringeres Gewicht zukommt, als den Angaben vor dem BFA. Dennoch ist in Anbetracht der hervorgehobenen Widersprüche in den Schilderungen des BF1 und des BF2 davon auszugehen, dass die von ihnen geschilderten Erlebnisse auf einem tatsachenwidrigen Gedankenkonstrukt beruhen. Nur so lassen sich die eklatanten Widersprüche in den Vorbringen anlässlich der Erstbefragung und der niederschriftlich dokumentierten Befragung vor dem BFA erklären.
Die beschwerdeführenden Parteien haben vor dem BFA übereinstimmend angegeben, dass sie keiner bewaffneten Gruppierung bzw. politischen Partei des Herkunftsstaates angehörten. Auch hatten sie angegeben, dass sie weder mit der Polizei, noch mit den Gerichten, noch mit den Verwaltungsbehörden des Herkunftsstaates Probleme gehabt hätten. Der BF1 und der BF2 wie auch die BF3 haben angegeben, dass gegen sie kein Gerichtsverfahren im Herkunftsstaat anhängig ist. Auch haben sie verneint, dass sie wegen ihrer Zugehörigkeit zur arabischen Ethnie bzw. wegen ihrer Zugehörigkeit zum islamischen Glauben schiitischer Ausrichtung oder aus anderen Gründen einer Verfolgung ausgesetzt gewesen wären. Sie haben übereinstimmend angegeben politisch nie aktiv gewesen zu sein.
Es waren daher in den Feststellungen die Konstatierungen zu treffen.
Insgesamt ist es den beschwerdeführenden Parteien nicht gelungen, eine asylrelevante Verfolgung oder Bedrohung glaubhaft zu machen.
2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat
Die länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak gründen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes und auf den als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignissen im Herkunftsstaat des BF in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen. Diesen war auch kein über die oben erörterten, vom BF selbst dargebotenen Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der allenfalls Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen dem BF drohende individuelle Gefährdung beinhaltet hätte.
3. Rechtliche Beurteilung:
Eingangs wird darauf hingewiesen, dass die BF1 und BF2 mit einem am 06.06.2019 beim BVwG eingelangtem Schreiben zusammen mit einem Wiedereinsetzungsantrag "(vorsichtshalber)" auch um schriftliche Ausfertigung des am 24.05.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses ersucht haben.
Der mit "Verkündung und Ausfertigung der Erkenntnisse" betitelte § 29 VwGVG lautet wie folgt:
"§ 29. (1) Die Erkenntnisse sind im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen. Sie sind zu begründen.
(2) Hat eine Verhandlung in Anwesenheit von Parteien stattgefunden, so hat in der Regel das Verwaltungsgericht das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen sogleich zu verkünden.
(2a) Das Verwaltungsgericht hat im Fall einer mündlichen Verkündung die Niederschrift den zur Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof legitimierten Parteien und Organen auszufolgen oder zuzustellen. Der Niederschrift ist eine Belehrung anzuschließen:
1. über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß Abs. 4 zu verlangen;
2. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt.
(...).
(4) Den Parteien ist eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses zuzustellen. (...)."
Im gegenständlichen Fall sind weder die BF noch ihr Rechtsvertreter zur mündlichen Verhandlung am 24.05.2019 erschienen und wurde in der Verhandlung am 24.05.2019 in ihrer Abwesenheit das Erkennntnis mündlich verkündet.
Nach Rechtsanschauung des VwGH ist nicht nur ein in Anwesenheit, sondern auch ein in Abwesenheit der Parteien mündlich verkündetes Erkenntnis rechtsgültig (vgl. VwGH 14.09.2016, Fr 2016/18/0015).
Der Rechtsvertreter der BF brachte mit seinem am 06.06.2019 beim BVwG eingelangten Schreiben vor, die Verhandlungsniederschrift sei am 31.05.2019 zugestellt worden. Aus einem im Akt zu Zl. 2190566-1ff eingelangten Rückschein geht jedoch "29.05.2019" als Datum der Übernahme der Verhandlungsniederschrift (vom 24.05.2019) hervor.
Mit dem am 06.06.2019 beim BVwG eingelangten Schreiben wurde zusammen mit einem Wiedereinsetzungsantrag "(vorsichtshalber)" auch ein Antrag auf schriftliche Ausfertigung (des am 24.05.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses) gestellt. Dieser Antrag vom 06.06.2019 wurde gemäß § 29 Abs. 2a Z. 1 VwGVG binnen zwei Wochen nach Zustellung der Verhandlungsniederschrift vom 24.05.2019 und damit auf jeden Fall rechtzeitig gestellt.
Der vom BF1 - Ehegatte der BF3 und Vater der minderjährigen BF4 - gestellte Antrag auf schriftliche Ausfertigung gilt analog dazu, dass eine von einem Familienangehörigen eingebrachte Beschwerde auch für die übrigen Familienmitglieder gilt, auch für die BF3 (Ehegattin des BF1) und ihr gemeinsames Kindes, die BF4, die bereits in ihren Herkunftsstaat zurückgekehrt sind.
Es war für die BF daher das gegenständliche Sammelerkenntnis auszufertigen. Dieses tritt an die Stelle der gekürzten Ausfertigungen des am 24.05.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses vom 14.06.2019.
Zu Spruchteil A):
3.1. Zu Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide:
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, der sich eignet, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH vom 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; vom 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318 und vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH vom 05.11.1992, Zl. 92/01/0792 und vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH vom 01.06.1994, Zl. 94/18/0263 und vom 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).
Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).
Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor einer konkreten Verfolgung findet (VwGH vom 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH vom 08.09.1999, Zlen. 98/01/0503 und 98/01/0648).
Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH vom 21.01.1999, Zl. 98/20/0399 und vom 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).
3.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die gegenständliche Beschwerde als unbegründet:
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.
Eine gegen eine Person gerichtete Verfolgungsgefahr aus solchen Gründen wurde von den beschwerdeführenden Parteien weder im Verfahren vor der belangten Behörde, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft gemacht.
Soweit die beschwerdeführenden Parteien der Beschwerde geltend machten, dass sie eine konkrete individuelle Verfolgung aufgrund ihrer Tätigkeit erlitten hätten und sie wegen ihrer Herkunft mit dem Umbringen bedroht worden seien, ist dem entgegenzuhalten, dass der BF1 als Geschäftsführer einen Friseurbetrieb in Bagdad unterhielt. Der BF2 war Student an einer irakischen UNI in Bagdad und studierte hier das Fach Buchhaltung. Die BF3 war in einer traditionellen Rolle als Hausfrau und Mutter verhaftet. Sie hatte bei der Ausreise aus dem Irak die zweitgeborene jüngere Tochter Fatima im Herkunftsstaat bei einer Verwandten zurückgelassen und ist gemeinsam mit dem BF1, dem BF2 und der mj. BF4 ausgereist.
Keiner der beschwerdeführenden Parteien gehörte einer gefährdenden Berufsgruppe des Irak an, zu denen sie selbst in der Beschwerde Berufsgruppen wie Polizisten, Soldaten, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte, Mitglieder des Sicherheitsapparates, Kollaborateure und Mitarbeiter von Ministerien zählen. Keiner von ihnen gehört einer gefährdeten Berufsgruppe des Herkunftsstaates an. Dazu zählen weder Friseure, noch Studenten, noch Hausfrauen. Als Angehörige der arabischen Ethnie bzw. der muslimischen Glaubensrichtung schiitischer Ausrichtung gehören sie in Bagdad jeweils der Mehrheitsbevölkerung an. Selbst im gesamtirakischen Kontext bildet die arabische Ethnie bzw. die muslimische Glaubensrichtung schiitischer Ausrichtung die Mehrheit in der Bevölkerung. Dieser Vorhalt entbehrt daher jeder Grundlage, genauso wie die Behauptung, dass die BF in anderen Landesteilen des Irak keine Fluchtalternative zur Verfügung gehabt hätten, wäre das Fluchtvorbringen berechtigt gewesen.
Anlassbezogen ist die Fluchtalternative nicht weiter zu prüfen, zumal die BF eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen konnten.
Wenn die beschwerdeführenden Parteien weiter behaupten, dass sie konkrete Drohungen gegen ihr Leben von einer bewaffneten Miliz erhalten hätten bzw. von sie von gezielten Verfolgungshandlungen betroffen gewesen wären, lässt sich dies mit dem Fluchtvorbringen nicht in Einklang bringen. Geht man vom Fluchtvorbringen vor dem BFA aus, behauptete der BF1 lediglich einen einmaligen Besuch von zwei Männern in seinem Friseursalon, mit denen es angeblich zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen wäre, dies weil er einem von ihnen die Kappe vom Kopf gewischt hätte. Nach diesem Vorfall will er gemeinsam mit den Mitbeschwerdeführern umgehend das Land verlassen haben. Von wiederholten Verfolgungshandlungen wider ihn bzw. wider der Mitbeschwerdeführer berichtete er nichts. Im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass dieses Vorbringen vor dem BFA auffallend jenen in der Erstbefragung widerspricht. Auch der BF2 und die BF3 vermochten konkrete Verfolgungshandlungen wider ihre Person bzw. Drohungen gegen Leid und Leben nicht glaubhaft zu machen.
Wenn es in der Beschwerdeschrift weiter heißt, dass sich schiitische Milizen massiver Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht hätten und es über dies gewaltsame Übergriffe auf Teile der sunnitischen Bevölkerung gebe, übersehen die BF mit diesen allgemeinen Ausführungen zum Irak, dass sie selbst gar nicht der sunnitischen Glaubensgemeinschaft angehören und nach den hg. Länderinformationen zum Herkunftsstaat keine Berichte zu einer systematischen Verfolgung der Angehörigen der schiitischen Glaubensrichtung vorliegen. Die Länderinformationen sind nicht nachvollziehbar, da Quellenangaben zur Gänze fehlen und diese daher einer Überprüfung nicht zugänglich sind.
Insgesamt ist weder dem BF1, noch dem BF2 gelungen, eine asylrelevante Verfolgung gegen ihre Person glaubhaft zu machen.
Die BF3 und die mj. BF4 sind am 02.05.2019 freiwillig aus dem Bundesgebiet in den Irak ausgereist, während der BF1 und der BF2 nach wie vor im Bundesgebiet aufhalten. Die freiwillige Rückkehr lässt darauf schließen, dass die BF3 und die mj. BF4 im Herkunftsstaat tatsächlich keine Verfolgung bzw. Bedrohung, von wem immer, zu erwarten haben. Noch dazu gehört die mj. BF4 einer als vulnerabel geltenden Person an.
3.1.3. Aus den angeführten Gründen war daher der gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide gerichtete Teil der Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide:
3.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn der beschwerdeführenden Partei eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.
Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.
Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH vom 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; vom 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; vom 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; vom 26.06.1997, ZI. 95/18/1291 und vom 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH vom 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).
Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH vom 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH vom 14.10.1998, Zl. 98/01/0122 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH vom 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (z.B. VwGH vom 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; vom 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438 und vom 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH vom 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; vom 08.06.2000, Zl. 99/20/0203 und vom 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offenbliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH vom 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).
Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH vom 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; vom 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR vom 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; vom 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).
Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR vom 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; vom 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH vom 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (z.B. das Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm.
§ 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR vom 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH vom 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; vom 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; vom 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; und vom 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH vom 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).
3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG nicht gegeben sind.
Dass die beschwerdeführenden Parteien im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnten, konnte im Rahmen des vor dem BVwG durchgeführten Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.
Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um teils