Entscheidungsdatum
19.12.2019Norm
BBG §40Spruch
W115 2223202-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Regina BAUMGARTL als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , bevollmächtigt vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX , vom XXXX , OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG idgF zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin hat am XXXX durch ihren bevollmächtigten Vertreter beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage der erteilten Vollmacht einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.
Nachstehend angeführte medizinische Beweismittel wurden in Vorlage gebracht:
- Befundberichte, Dr. XXXX , Facharzt für Neurologie vom XXXX
1.1. Im von der belangten Behörde zur Überprüfung des Antrages eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten wurde von Dr. XXXX , Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am XXXX , der Gesamtgrad der Behinderung mit 20 vH bewertet. Die Funktionseinschränkungen wurden wie folgt beurteilt:
Lfd. Nr.
Funktionseinschränkung
Position
GdB
01
Chronisches Müdigkeitssyndrom Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da schon dauerhafte affektive und somatische Beschwerden, aber keine anhaltenden kognitiven Störungen.
03.05.01
20 vH
1.2. Im Rahmen
des von der belangten Behörde gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs hat die Beschwerdeführerin unter Vorlage weiterer medizinischer Beweismittel im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass bei der Untersuchung durch die befasste Sachverständige nicht alle Befunde vorgelegen hätten. Aus den nunmehr nachgereichten Befunden gehe hervor, dass die bei ihr vorliegende Erkrankung "Chronic Fatigue Syndrome (CFS)" eine Multisystemerkrankung sei. So würden die vorgelegten Befunde chronische Darmstörungen, eine chronische Hepatitis, eine Virenbelastung, Hashimoto, eine Fibromyalgie, ein Raynaud-Syndrom und den Verdacht auf Psoriasis dokumentieren.
1.3. Zur Überprüfung der Einwendungen und der neu vorgelegten Beweismittel wurde von der belangten Behörde eine mit XXXX datierte ergänzende medizinische Stellungnahme der bereits befassten Sachverständigen Dr. XXXX , basierend auf der Aktenlage, mit dem Ergebnis eingeholt, dass weder die erhobenen Einwendungen noch die neu vorgelegten Beweismittel geeignet seien, eine geänderte Beurteilung zu begründen.
2. Ohne der Beschwerdeführerin das Ergebnis des erweiterten Ermittlungsverfahrens gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis zu bringen, hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und einen Grad der Behinderung in Höhe von 20 vH festgestellt.
Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass das durchgeführte Beweisverfahren ergeben habe, dass der Grad der Behinderung 20 vH betrage. Die im Zuge des Parteiengehörs erhobenen Einwendungen seien einer abermaligen Überprüfung durch die befasste Sachverständige unterzogen worden. Dabei sei festgestellt worden, dass die Einwendungen nicht geeignet gewesen seien, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu entkräften. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, welche einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Da somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien, sei der Antrag abzuweisen gewesen.
In der rechtlichen Beurteilung zitiert die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des BBG.
Als Beilage zum Bescheid wurde von der belangten Behörde das Sachverständigengutachten Dris. XXXX sowie die dazu eingeholte ergänzende medizinische Stellungnahme übermittelt.
3. Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben.
Unter Vorlage eines Befundkonvolutes wurde von der Beschwerdeführerin im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass ihre CFS-Erkrankung am XXXX von Dr. XXXX , einem Facharzt für Neurologie diagnostiziert worden sei. Es sei für sie nicht nachvollziehbar, weshalb im eingeholten Sachverständigengutachten der Grad der Behinderung für das diagnostizierte Chronische Müdigkeitssyndrom lediglich mit 20 vH beurteilt worden sei, obwohl im Befund Dris. XXXX bestätigt werde, dass die IOM-Kriterien zur klinischen Diagnose eines Chronic Fatigue Syndroms (CFS) erfüllt seien und sie beim "Bell Score" 20 von 100 Punkten erreicht habe. Sie leide an körperlicher und mentaler Erschöpfung. Bei Überlastung (mehr als einmal pro Woche aus dem Haus) leide sie an einem Grippegefühl, Halsschmerzen, erhöhter Temperatur und Fibromyalgieschmerzen. Auch mentaler Stress würde Symptome verursachen. Weiters leide sie seit dem Jahr XXXX an Schlafstörungen und die Tagesrhythmik sei verschoben. Sie leide außerdem an Kopfschmerzen und Migräne, an Entzündungen, an einem Cervicalsyndrom, an Dorsalgie und Lumbalgie, an einer Schilddrüsenunterfunktion sowie an Hashimoto. Auch habe sie immer wieder erhöhte Leberwerte und erhöhte CRP-Werte, welche sich die behandelnden Ärzte nicht erklären könnten. Laut Sonographie vom XXXX habe sie Gallensteine und einen geringgradigen Leberparenchymschaden. Sie leide auch an Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Zudem habe sie seit vielen Jahren Schmerzen in der Halswirbelsäule, Ischiasbeschwerden, Rippenblockierungen und Schmerzen im ganzen Rücken. Ihre Konzentrationsfähigkeit bzw. ihr Kurzzeitgedächtnis seien so stark beeinträchtigt, dass sie nicht einmal mehr ein Buch lesen wolle, weil sie sich die Handlung nicht merken würde. Auch zu Arztbesuchen würde sie sich "Spickzetteln" mitnehmen, damit sie nichts vergesse. Weiters habe sie durch ihre Erkrankung sehr blasse Haut und Darmstörungen. Auch habe sie den ganzen Sommer über kalte Füße bei gleichzeitig schweißnasser Stirn. Temperaturen über 28 Grad würden sie sehr belasten. Bei Kälte könne es vorkommen, dass ihre Finger weiß werden würden (Raynaud-Syndrom). Zudem habe sie seit dem Jahr XXXX fast 40 kg zugenommen. Ihre Lymphknoten (Hals, Achsel) würden sich bei Anstrengung immer wieder entzünden und sie bekomme dann Halsschmerzen und grippeähnliche Symptome, wie leichtes Fieber. Sie sei sehr medikamentensensitiv und vertrage viele Medikamente gar nicht. So habe sie verschiedene Schilddrüsenmedikamente ausprobiert, aber keine wirkliche Verbesserung bemerkt. Ihre Leistungsfähigkeit sei laut Dr. XXXX soweit herabgesetzt, dass sie - ohne gesundheitliche Folgen - das Haus nur mehr für Arztbesuche verlassen könne. Aber auch hierbei würde sie anschließend eine Woche zur Erholung brauchen. Aufgrund ihrer Gesundheitsschädigungen müsste daher der Grad der Behinderung 80 vH betragen. Sie ersuche daher um Korrektur ihrer Einstufung.
4. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt langte der Aktenlage nach am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Mai 1990 über die Beratung, Betreuung und besondere Hilfe für behinderte Menschen (Bundesbehindertengesetz - BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Gemäß § 46 BBG beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
Gemäß § 54 Abs. 18 BBG tritt § 46 BBG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2015 mit 1. Juli 2015 in Kraft.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG sind die Erkenntnisse zu begründen. Für Beschlüsse ergibt sich aus § 31 Abs. 3 VwGVG eine sinngemäße Anwendung.
Zu A)
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden,
1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm. 11.).
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 2. Satz ausgeführt hat, ist vom prinzipiellen Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auszugehen. Nach der Bestimmung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG kommt bereits nach ihrem Wortlaut die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht (vgl. auch Art. 130 Abs. 4 Z 1 B-VG). Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
Ist die Voraussetzung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG erfüllt, hat das Verwaltungsgericht (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist) "in der Sache selbst" zu entscheiden.
Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im oben angeführten Erkenntnis ausgeführt hat, wird eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).
Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als grob mangelhaft:
Die Beschwerdeführerin hat sowohl mit ihrem Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses als auch im Rahmen des von der belangten Behörde erteilten Parteiengehörs ein umfangreiches Konvolut an ärztlichen Befunden und Unterlagen betreffend ihre Gesundheitsschädigungen, insbesondere das bei ihr diagnostizierte Chronic Fatigue Syndrom (CFS) auch Chronisches Müdigkeitssyndrom genannt, in Vorlage gebracht.
Die belangte Behörde hat zur Überprüfung der vorliegenden Gesundheitsschädigungen zwar ein auf persönlicher Untersuchung basierendes neurologisch/psychiatrisches Sachverständigengutachten sowie eine auf der Aktenlage basierende ergänzende medizinische Stellungnahme der befassten Sachverständigen eingeholt, jedoch ist im vorliegenden Fall das der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte Sachverständigengutachten (auch in Zusammenschau mit der ergänzenden medizinischen Stellungnahme) hinsichtlich der Beurteilung des bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Leidens eines Chronischen Müdigkeitssyndroms nicht nachvollziehbar. So ist eine schlüssige und nachvollziehbare Auseinandersetzung mit den medizinischen Beweismitteln durch die befasste Sachverständigen nicht im ausreichenden Maße erfolgt, da auf die von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Unterlagen nicht im Einzelnen eingegangen worden ist. So wurden sowohl im eingeholten Sachverständigengutachten Dris. XXXX , basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am XXXX , als auch in der dazu eingeholten ergänzenden medizinischen Stellungnahme vom XXXX lediglich auszugsweise der Inhalt der vorgelegten medizinischen Unterlagen zitiert, Aussagen über die Schwere der darin beschriebenen Gesundheitsschädigungen bzw. Feststellungen hinsichtlich deren Auswirkungen und Einfluss auf den Grad der Behinderung sind nicht bzw. nicht im ausreichenden Maße getroffen worden.
Dies wiegt umso schwerer, als in dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten fachärztlichen neurologischen Befundbericht Dris. XXXX vom XXXX im Zusammenhang mit dem bei der Beschwerdeführerin diagnostizierten Chronischen Müdigkeitssyndrom neben einer deutlichen Belastungsintoleranz auch anhaltende kognitive Beeinträchtigung im Sinne eines "Brain Fog" sowie Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme beschrieben werden. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen ist es für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar, wie die von der belangten Behörde herangezogene Sachverständige zu dem Schluss gelangt ist, dass bei der Beschwerdeführerin lediglich eine somatoforme Störung leichten Grades ohne anhaltende kognitiven Störungen vorliegt und daher das bei ihr diagnostizierte Chronische Müdigkeitssyndrom unter die Positionsnummer 03.05.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung von 20 vH einzuschätzen gewesen ist. Ausführungen, warum die Sachverständige hinsichtlich der Art und Schwere des bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Chronischen Müdigkeitssyndroms zu einer anderen Beurteilung kommt als Dr. XXXX , sind weder dem eingeholten Gutachten noch der ergänzenden medizinischen Stellungnahme zu entnehmen. Eine Auseinandersetzung mit dem Befundbericht von Dr. XXXX vom XXXX und den darin angeführten Leidenszuständen ist somit von Dr. XXXX nicht im ausreichenden Maße erfolgt.
Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen kann somit nicht von einer Schlüssigkeit des eingeholten Sachverständigengutachtens (auch in Zusammenschau mit der ergänzend eingeholten medizinischen Stellungnahme) gesprochen werden.
Ein Gutachten bzw. eine medizinische Stellungnahme, welche Ausführungen darüber vermissen lässt, aus welchen Gründen der ärztliche Sachverständige zu einer Beurteilung gelangt ist, stellt keine taugliche Grundlage für die von der belangten Behörde zu treffende Entscheidung dar (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321).
Darüber hinaus wurden von der Beschwerdeführerin eine Vielzahl an Befunden in Vorlage gebracht, in denen u.a. als Diagnosen eine Hashimoto-Thyreoiditis, eine Arthritis vor allem der Fingergelenke, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Ein- u. Durchschlafstörungen, eine Hypertonie sowie eine Fettleber angeführt sind (siehe diesbezüglich insbesondere das ärztliche Attest von Dr. XXXX vom XXXX und den Befundbericht von Dr. XXXX vom XXXX ). Trotz der Vielzahl der in den vorgelegten Befunden dokumentierten Gesundheitsschädigungen hat die belangte Behörde jedoch lediglich ein neurologisch/psychiatrisches Sachverständigengutachten sowie aufgrund der dagegen erhobenen Einwendungen eine ergänzende medizinische Stellungnahme des bereits befassten Sachverständigen eingeholt. Zwar besteht kein Anspruch auf die Zuziehung von Sachverständigen eines bestimmten medizinischen Teilgebietes, jedoch ist im vorliegenden Fall das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten (auch in Zusammenschau mit der ergänzenden medizinischen Stellungnahme) zur Beurteilung des bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Gesamtleidenszustandes nicht geeignet. Aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen liegen konkrete Anhaltspunkte vor, dass zusätzlich zur erfolgten Einholung eines Sachverständigengutachtens der Fachrichtung Neurologie/Psychiatrie jedenfalls auch die Einholung eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens unbedingt erforderlich ist, um eine vollständige und ausreichend qualifizierte Prüfung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin (auch im Hinblick auf eine mögliche wechselseitige Leidensbeeinflussung der vorliegenden Gesundheitsschädigungen) zu gewährleisten. Die alleinige Heranziehung einer Sachverständigen der Fachrichtung Neurologie/Psychiatrie durch die belangte Behörde ist somit offensichtlich sachwidrig erfolgt.
Der eingeholte medizinische Sachverständigenbeweis vermag daher die verwaltungsbehördliche Entscheidung nicht zu tragen. Die seitens des Bundesverwaltungsgerichtes erforderliche Überprüfung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ist auf dieser Grundlage nicht möglich.
Im fortgesetzten Verfahren wird von der belangten Behörde sohin das der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende neurologisch/psychiatrische Sachverständigengutachten in der vorhin dargelegten Art und Weise zu ergänzen sein. Weiters ist unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens und unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen zusätzlich zum bereits eingeholten Sachverständigengutachten der Fachrichtung Neurologie/Psychiatrie ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, einzuholen und die Ergebnisse bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Die Zusammenfassung der eingeholten Gutachten hat durch den zu befassenden allgemeinmedizinischen Sachverständigen zu erfolgen.
Von den Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird die Beschwerdeführerin mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein.
Aus den dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat und sich der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung des Grades der Behinderung als so mangelhaft erweist, dass weitere Ermittlungen bzw. konkretere Sachverhaltsfeststellungen erforderlich erscheinen.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes und angesichts der im gegenständlichen Fall unterlassenen Sachverhaltsermittlungen - nicht ersichtlich.
Im Übrigen scheint die Zurückverweisung der Rechtssache an die belangte Behörde auch vor dem Hintergrund der seit 01.07.2015 geltenden Neuerungsbeschränkung in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 46 BBG zweckmäßig. Dies insbesondere im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführerin durch die belangte Behörde keine Möglichkeit gegeben wurde, zum Ergebnis des im Zuge der Überprüfung der Einwendungen eingeholten medizinischen Sachverständigenbeweises Stellung zu nehmen. Die Beschwerdeführerin hatte sohin keine Gelegenheit, der sachverständigen Beurteilung konkret und substantiiert entgegenzutreten und auszuführen ob, gegebenenfalls welche, gutachterlichen Ausführungen dem tatsächlichen Leidensausmaß widersprechen.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall der Beschwerdeführerin noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückzuverweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A) wurde ausführlich unter Bezugnahme auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) ausgeführt, warum die Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen geboten war.
Schlagworte
Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W115.2223202.1.00Zuletzt aktualisiert am
10.03.2020