Entscheidungsdatum
20.12.2019Norm
AsylG 2005 §35 Abs1Spruch
W212 2207233-1/6E
W212 2207231-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SINGER nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 03.09.2018, Zl. Islamabad-OB/KONS/0950/2018 aufgrund des Vorlageantrages von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) mj. XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX , beide Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Joachim Rathbauer, über die Beschwerde gegen die Bescheide der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 12.07.2018, beschlossen:
A) Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, die
bekämpften Bescheide behoben und die Angelegenheiten zur Erlassung neuer Entscheidungen an die Behörde zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Die Beschwerdeführer, Staatsangehörige Afghanistans, stellten am 08.10.2017 bei der Österreichischen Botschaft Islamabad (im Folgenden: "ÖB Islamabad") Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG). Begründend führten sie aus, ihrem Ehemann bzw. Vater XXXX , geb. XXXX , StA Afghanistan, sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 20.12.2013, XXXX , der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden.
2. Die Erstbeschwerdeführerin wurde am 24.01.2018 durch die ÖB Islamabad einvernommen. Davie wurde sie zu ihren persönlichen Verhältnissen, ihrer Eheschließung und ihrem Ehemann befragt. Auf dem Protokoll der Einvernahme wurde vermerkt, dass die Erstbeschwerdeführerin einen viel jüngeren Eindruck mache. Beim Zweitbeschwerdeführer dem angeblichen Sohn der Bezugsperson, könnte es sich um deren Bruder handeln. Die Erstbeschwerdeführerin habe immer wieder ihre Aussagen geändert, eine DNA-Analyse könne angeregt werden.
3. Mit Erledigung vom 13.06.2018 wurde seitens des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mitgeteilt, dass die Gewährung des Status subsidiär Schutzberechtigter oder Asylberechtigter nicht wahrscheinlich sei, da die Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG nicht erfüllten.
4. Mit Schreiben vom 19.06.2018 wurde den Beschwerdeführern die Möglichkeit zur Stellungnahme (Parteiengehör) zur Mitteilung des BFA eingeräumt.
5. In der Stellungnahme vom 02.07.2018 wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG erfüllt seien, da die die Bezugsperson durch eine Nebentätigkeit ein ausreichendes monatliches Einkommen erziele. Die beiden Mitbewohner der Bezugsperson seien inzwischen aus der Wohnung ausgezogen, weshalb eine ortsübliche Unterkunft zur Verfügung stehe. Darüber hinaus komme gegenständliche der Ausnahmetatbestand des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG zur Anwendung.
6. Das BFA teilte nach Befassung mit dieser Stellungnahme in einer E-Mail-Nachricht vom 11.07.2018 mit, dass die negative Entscheidung aufrecht bleibe.
7. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 12.07.2018 verweigerte die ÖB Islamabad die Erteilung des Einreisetitels gemäß § 26 FPG 2005 iVm § 35 AsylG 2005 mit der Begründung, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status von Asylberechtigten oder subsidiäre Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG nicht erfüllten. Der Nachweis einer für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehenen Unterkunft sei nicht erbracht worden.
8. Gegen den Bescheid richtet sich die am 19.07.2018 eingebrachte Beschwerde, in welcher im Wesentlichen auf das Familienleben der Beschwerdeführer und der Bezugsperson iSd Art. 8 EMRK verwiesen wurde.
9. In der Folge erließ die ÖB Islamabad am 03.09.2018 eine Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG, mit welcher die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG abgewiesen wurde.
10. Dagegen brachten die Beschwerdeführer am 03.09.2018 einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG ein. Dem Vorlageantrag lag ein neuer Mietvertrag der Bezugsperson bei.
11. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres, eingelangt am 09.10.2018, wurde dem Bundesverwaltungsgericht der gegenständliche Verwaltungsakt übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Behebung der Bescheide und Zurückverweisung:
§ 34 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:
"(1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;
3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."
§ 35 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:
"(1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat."
§ 60 Abs. 2 Z 1-3 AsylG idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:
"Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen
§ 60. (1) ...
(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn
1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,
2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,
3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und
(3) ..."
§ 75 Abs. 24 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 lautet:
"(24) Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs. 1 Z 15, 3 Abs. 4 bis 4b, 7 Abs. 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs. 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016. §§ 17 Abs. 6 und 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung des Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung
des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 gestellt wurde. § 22 Abs. 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter."
§ 11 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:
"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.
...
§ 11a Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 68/2013 lautet:
"Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt."
§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet wie folgt:
(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
§ 13 Abs. 4 BFA-VG lautet:
(4) Gelingt es einem Fremden nicht, ein behauptetes Verwandtschaftsverhältnis, auf das er sich in einem Verfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht oder in einem Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005 beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, so hat ihm das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht auf sein Verlangen und auf seine Kosten die Vornahme einer DNA-Analyse zu ermöglichen. Der Fremde ist über diese Möglichkeit zu belehren. Das mangelnde Verlangen des Fremden auf Vornahme einer DNA-Analyse ist keine Weigerung des Fremden, an der Klärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Im weiteren Verfahren darf nur die Information über das Verwandtschaftsverhältnis verarbeitet werden; allenfalls darüber hinaus gehende Daten sind zu löschen. Das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht hat dem Fremden die Kosten der DNA-Analyse auf Antrag zu erstatten, wenn das behauptete Verwandtschaftsverhältnis durch das auf der DNA-Analyse beruhende Gutachten festgestellt wurde und sich der Fremde im Bundesgebiet aufhält.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152 uvam).
Mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, wurde in § 9 Abs. 3 FPG jedoch für Fremde (ohne Unterschied) die Möglichkeit geschaffen, gegen ablehnende Entscheidungen der österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten Beschwerde an das BVwG zu erheben; dies gilt auch für die Ablehnung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005. Das Gesetz sieht nun ein geschlossenes Rechtsschutzsystem vor, in dem das Zusammenwirken zweier Behörden (der unmittelbaren Bundesverwaltung), wie es in § 35 Abs. 4 AsylG 2005 angeordnet wird, vor einem gemeinsamen, zuständigen Verwaltungsgericht, nämlich dem BVwG, angefochten und dort überprüft werden kann. Dabei steht es dem BVwG offen, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, was voraussetzt, dass das BFA seine Mitteilung auch entsprechend begründet und dem Antragsteller Gelegenheit geboten wird, davon Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung nehmen zu können. Wird dieses Parteiengehör nicht gewährt, könnte einem bestreitenden Vorbringen des Antragstellers in der Beschwerde an das BVwG gegen eine abweisende Entscheidung in Bezug auf den Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 das Neuerungsverbot nach § 11a Abs. 2 FPG nicht entgegengehalten werden (vgl. auch VwGH vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0083 bis 0086-12).
Der VfGH hat in seiner jüngeren Rechtsprechung bereits wiederholt gefordert, im Visaverfahren nach § 35 AsylG 2005 auch die Einhaltung des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen und sicherzustellen (vgl. insbesondere auch VfGH vom 6. Juni 2014, B 369/2013, und vom 23. November 2015, E 1510- 1511/2015-15).
Zunächst ist festzuhalten, dass die belangte Behörde korrekt davon ausging, dass die Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 nicht erfüllen. Der Bezugsperson wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 20.12.2013, C12 427.636-1/2012/24E, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Gemäß § 35 Abs. 2 AsylG haben Familienangehörige von subsidiär Schutzberechtigten die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG zu erfüllen, um Einreisetitel nach § 35 AsylG zu erlangen.
Im gegenständlichen Fall sind die Erteilungsvoraussetzungen nach § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG nicht erfüllt worden. Die Beschwerdeführer legten im Verfahren einen Mietvertrag der Bezugsperson über eine 34 m2 große Wohnung ( XXXX ) vor. Ob diese Wohnung für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich anzusehen ist, kann gegenständlich dahingestellt bleiben, da die Bezugsperson mit 20.08.2018 in eine andere Wohnung ( XXXX ) umzog. Der Mietvertrag zu dieser Wohnung wurde gleichzeitig mit dem Vorlageantrag vom 11.09.2018 vorgelegt. Dieser unterliegt jedoch dem Neuerungsverbot des § 11a Abs. 2 FPG und ist daher im gegenständlichen Beschwerdeverfahren unbeachtlich. Unabhängig davon wurde der neue Mietvertrag weiters in Kopie von sehr schlechter Qualität vorgelegt, sodass die Quadratmeteranzahl der Wohnung nicht lesbar ist. Die Beschwerdeführer haben daher nicht den Nachweis erbracht, dass sie oder die Bezugsperson über einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft verfügen, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird.
Sohin liegen die Voraussetzungen nach § 60 AsylG 2005 nicht vor.
Im gegenständlichen Fall ist jedoch auch die Ermessensregel des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG 2005 zu beachten. Voraussetzung dieser Ausnahme ist, dass die Einreise des Antragstellers zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens "dringend geboten ist". So ist im Zuge dieser Beurteilung unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VfGH vom 23.09.2019, E 2226-2230/2019, sowie sinngemäß VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).
Eine derartige Abwägung der privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführer iSd Art. 8 EMRK setzt jedoch voraus, dass die Familienangehörigeneigenschaft der Beschwerdeführer als Ehefrau bzw. minderjähriges Kind der Bezugsperson zweifelsfrei feststeht. Dies ist jedoch nicht der Fall, weshalb der Behörde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vorzuwerfen ist.
Aus dem Protokoll der Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin am 24.01.2018 geht hervor, dass die Erstbeschwerdeführerin zu ihren Lebensumständen und ihrer Eheschließung widersprüchliche Angaben machte. Im Protokoll wurde weiters festgehalten, dass die Erstbeschwerdeführerin auf die Dolmetscherin einen viel jüngeren Eindruck gemacht habe und dass es sich beim Zweitbeschwerdeführer nicht um den Sohn, sondern um den jüngeren Bruder der Bezugsperson handeln könnte. Seitens der ÖB solle daher eine DNA-Analyse angeregt werden.
Die Beschwerdeführer legten zum Nachweis der Familienangehörigeneigenschaft eine Heiratsurkunde und Tazkiras der Beschwerdeführer und der Bezugsperson vor. Die vorgelegte afghanische Heiratsurkunde vom 15.08.2017 enthält die an diesem Tag vor einem Gericht in der Provinz Baghlan erstatteten Aussagen von drei namentlich genannten Personen, wonach die am 30.03.2006, also elf (!) Jahre zuvor, erfolgte Eheschließung der Erstbeschwerdeführerin mit der Bezugsperson bestätigt werde. Die Eheleute werden im Text der Urkunde namentlich genannt, allerdings nur durch den Vornamen und die Vornamen von Vater und Großvater identifiziert. Altersangaben oder die Nummern von Identitätsdokumenten fehlen. Der Zweitbeschwerdeführer wird in der Urkunde auch angeführt, allerdings als " XXXX ".
Die Beweiskraft derartiger, allein auf Zeugenaussagen basierender Urkunden ist generell gering, weil der Wahrheitsgehalt solcher Zeugenaussagen vor Ausstellung der Urkunden nicht überprüft wird, afghanische Personenstandsurkunden unwahren Inhalts weit verbreitet sind und derartige Dokumente von den Behörden ohne adäquaten Nachweis ausgestellt werden (z.B. deutsches Auswärtiges Amt, 06.11.2015, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 27).
Die vorgelegte Heiratsurkunde ist daher nicht geeignet, die angeblich elf Jahre zuvor stattgefundene traditionelle Eheschließung zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson nachzuweisen. Weitere schriftliche Nachweise der traditionellen Eheschließung wurden nicht vorgelegt. Urkunden über eine Registrierung der Ehe wurden ebenfalls nicht vorgelegt. Die gerichtlich beurkundeten Zeugenaussagen vom 15.08.2017 über eine Eheschließung stellen keine staatliche Registrierung der Ehe dar.
Darüber hinaus wäre die Erstbeschwerdeführerin zum Zeitpunkt der angeblichen Eheschließung erst 15 Jahre alt und damit nicht ehemündig gewesen. Nach österreichischem Recht ist eine Ehe, die von einer 15-Jährigen geschlossen wird, keinesfalls gültig. Der Oberste Gerichtshof hat jeweils unter Verweis auf Art. 16 Haager Minderjährigenschutzabkommen und § 6 IPRG in seinen Entscheidungen OGH 7Ob 600/86, 9 Ob 34/10f und 6 Ob 138/13g dargelegt, dass außerhalb der verfassungsrechtlich geschützten Grundwertungen etwa die Einehe, das Verbot der Kinderehe und des Ehezwanges, der Schutz des Kindeswohles im Kindschaftsrecht oder das Verbot der Ausbeutung der wirtschaftlichen und sozial schwächeren Partei zum Inhalt der geschützten Grundwertungen des österreichischen Rechts zählen. Nach § 6 IPRG ist eine Bestimmung des fremden Rechtes dann nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. Eine Kinderehe widerspricht eindeutig den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung, und folgt aus § 6 IPRG, dass die von der Erstbeschwerdeführerin behauptete, in Afghanistan geschlossene Ehe auch aus diesem Grund in Österreich keinen Rechtsbestand hätte. Auch aus der Entscheidung des EGMR vom 08.12.2009 (Case of Munoz Diaz vs. Spain, No. 49.151/07) geht hervor, dass keine Verpflichtung besteht, Eheschließungen auf Grundlage fremder Rechtsordnungen anzuerkennen, die den Grundwerten der nationalen Rechtsordnung widersprechen.
Zu den von den Beschwerdeführern vorgelegten Dokumenten ist festzuhalten, dass die Erstbeschwerdeführerin in ihrem Reisepass als " XXXX ", der Zweitbeschwerdeführer als " XXXX " geführt werden. In ihrer Tazkira und der Heiratsurkunde wird die Erstbeschwerdeführerin jedoch nur durch ihren Vornamen " XXXX " (sic) und die Namen von Vater und Großvater identifiziert. Auch auf der Tazkira des Zweitbeschwerdeführer (und auf der Heiratsurkunde) wird der Nachname " XXXX " nicht genannt. Auch die Bezugsperson wird in ihrer Tazkira, der Heiratsurkunde und der Tazkira des Zweitbeschwerdeführers nur als " XXXX " bezeichnet. Die Bezugsperson führt jedoch in Österreich den Namen " XXXX ". Da somit der gemeinsamen Familienname " XXXX " auf den Dokumenten, die zum Nachweis der Familienangehörigeneigenschaft zur Bezugsperson vorgelegt wurden, zur Gänze fehlt, sind diese Dokumente allein zum Nachweis der Angehörigeneigenschaft nicht ausreichend. Das erkennende Gericht kann daher nicht feststellen, ob es sich bei den Beschwerdeführern um Familienangehörige der Bezugsperson handelt.
Der Anregung der ÖB auf Durchführung bzw. Ermöglichung einer DNA-Analyse wurde im fortgesetzten Verfahren jedoch nicht nähergetreten, da die Anträge allein aufgrund der Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 abgelehnt wurden. Der Verfassungsgerichtshof hat jedoch in seiner oben angeführten Entscheidung vom 23.09.2019, E 2226-2230/2019, festgehalten, dass bei Nichterfüllung der Voraussetzungen immer eine Abwägung zu erfolgen hat, ob die Stattgebung des Antrages dennoch gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.
Da die Beweismittel nicht geeignet sind, um das behauptete Verwandtschaftsverhältnis zwischen den Beschwerdeführern und der Bezugsperson nachzuweisen, wären DNA-Analysen zum Nachweis der Familienangehörigeneigenschaft erforderlich. Erst dann kann eine Abwägung der Interessen der Beschwerdeführer an einer Fortsetzung des Familienlebens in Österreich erfolgen. Gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG hat eine organisatorische Hilfestellung zur Beibringung des DNA-Nachweises und die entsprechende Belehrung zu erfolgen (arg:
"hat ihm (...) zu ermöglichen"; "ist (...) zu belehren").
Die Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren - unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur (vgl. VwGH 22.02.2018, RA2017/18/0131) - eine entsprechende Belehrung gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG durchzuführen und den Beschwerdeführern Gelegenheit zur Vornahme einer solchen DNA-Analyse zu geben haben.
Hinzuweisen ist in dem Zusammenhang auf die ständige Rechtsprechung des EGMR, wonach ein von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt entsteht (vgl. EGMR 21.6.1988, Fall Berrehab, Appl. 10730/84 [Z 21]; 26.5.1994, Fall Keegan, Appl. 16969/90 [Z 44]). Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden (EGMR 19.2.1996, Fall Gül, Appl. 23218/94 [Z 32]).
Sollte es im fortgesetzten Verfahren im Zuge der DNA-Gutachtensergebnisse erweislich sein, dass der Zweitbeschwerdeführer der Sohn der Bezugsperson und der Erstbeschwerdeführerin ist, könnte auch die Frage der Familienangehörigeneigenschaft der Erstbeschwerdeführerin neu zu beurteilen sein.
Im Hinblick auf die Familieneigenschaft zwischen der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführer ist darauf zu verweisen, dass der VfGH in seiner jüngeren Rechtsprechung bereits wiederholt gefordert hat, in Visa-Verfahren nach § 35 AsylG auch die Einhaltung des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen und sicherzustellen (vgl. insbesondere VfGH 06.06.2014, B369/2013; 23.11.2015, E1510-1511/2015-15; 27.11.2017, E1001-1005/2017). Aus der Judikatur des VfGH ergibt sich zumindest, dass eine konkrete und individuelle Prüfung der beteiligten Interessen nach den Kriterien des Art. 8 EMRK stattzufinden hat und eine eventuelle Ablehnung eines Einreisetitels entsprechend begründet werden muss.
Sollte es im fortgesetzten Verfahren im Zuge der DNA-Gutachtensergebnisse erweislich sein, dass der Zweitbeschwerdeführer der Sohn der Bezugsperson ist, ist in weiterer Folge eine Abwägung des öffentlichen Interesses mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen an einer Familienzusammenführung trotz Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien, vorzunehmen.
Aus obgenannten Gründen waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufzuheben und der ÖB Islamabad die Erlassung neuer Bescheide aufzutragen.
Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war das Beschwerdeverfahren ohne mündliche Verhandlung durchzuführen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A) wurde ausgeführt, dass die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens in Visaangelegenheiten nicht im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen ist. Im Übrigen trifft § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelleEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W212.2207231.1.00Zuletzt aktualisiert am
10.03.2020