TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/20 W159 2177334-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.12.2019
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Entscheidungsdatum

20.12.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §55 Abs1a

Spruch

W159 2177334-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. XXXX , gegen den Bescheid des BFA, Erstaufnahmestelle Ost (EASt-Ost) vom 02.12.2019, Zl. IFA XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I bis IV gemäß § 68 Abs. 1 AVG iVm § 3 und Abs. 1 und 8 Abs. 1 sowie 57 AsylG und 55 Abs. 1a FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, gelangte (spätestens) am 15.12.2016 erstmals nach Österreich und stellte an diesem Tag einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Bei der noch am gleichen Tag stattgefunden Erstbefragung durch die XXXX gab er an, dass er dem Clan Shanshi angehöre und er mit seiner Familie bereits 1999 Somalia verlassen habe, weil dort Krieg gewesen sei und dann in Syrien aufhältig gewesen sei. Er habe aber auch Syrien verlassen, weil dort Krieg sei. Dann habe er sich in Ungarn aufgehalten, dort habe er auch Probleme gehabt, er habe keinen Job und keine Dokumente. Weiters leide er schon seit sieben Jahren unter Herzbeschwerden und habe Asthma.

Bereits am 24.12.2016 erfolgte eine Anzeige wegen Verdachts der versuchten Vergewaltigung und des räuberischen Diebstahls sowie der Übertretung des § 27 Abs. 2 SMG.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.03.2017 Zl. XXXX wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und Ungarn für die Prüfung dieses Antrages für zuständig erklärt sowie unter Spruchteil II. die Außerlandesbringung angeordnet und die Abschiebung nach Ungarn für zulässig erklärt.

Mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 28.03.2017 XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 15, 201 Abs. 1 StGB sowie des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach § 127, 131 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren (unbedingt) verurteilt. Aus der Urteilsbegründung ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer gegen das Opfer mit brutaler Gewalt und der Drohung, sie zu töten vorgegangen ist. Als erschwerend wurde das Zusammentreffen von zwei Verbrechen und die Verletzung des Vergewaltigungsopfers, als mildernd, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, weiters das Alter von unter 21 Jahren, ein reumütiges Geständnis, die Alkoholisierung und die Unbescholtenheit angenommen.

Mit Beschluss des BVwG vom 02.08.2017 Zl. XXXX wurde aufgrund der Beschwerde des Antragsstellers, der bekämpfe (Dublin)Bescheid behoben und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Behandlung von Asylwerbern in Ungarn gegen europäisches und internationales Recht verstoße.

Daraufhin erfolgte am 10.10.2017 eine inhaltliche Einvernahme des Antragsstellers durch das BFA Regionaldirektion Kärnten. Der Beschwerdeführer wiederholte seine Fluchtgründe und gab an, dass er am XXXX in XXXX geboren sei und mit seiner Familie im Alter von 2 Jahren Somalia verlassen habe und nach Syrien gegangen sein. Er sei dann nach 15 Jahren nach Europa ausgereist und habe sich in Ungarn aufgehalten. Dort habe er einen Asylantrag gestellt. Dann sei er weiter nach Deutschland gegangen und auch dort habe er einen Asylantrag gestellt. Er sei dann nach Ungarn abgeschoben worden und in der Folge nach Österreich weitergereist. Seine Mutter lebe in Syrien. Sie habe in einem Hotel gearbeitet. Sein Vater sei schon vor vielen Jahren in Somalia ermordet worden. Verwandte habe er in Somalia keine. In Syrien habe er als Mechaniker gearbeitet. Er habe in Österreich Drogen und Alkohol konsumiert und habe in einer Disco eine Frau belästigt. Er wisse nicht, warum die Familie nach Syrien geflüchtet sei. Er habe Syrien dann wegen des Krieges verlassen. Er sei aber persönlich nicht bedroht worden. Er habe Herzprobleme und könne somalisch sprechen.

Mit Bescheid des Bundesamtes Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Kärnten vom 30.10.2017 wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz vom 15.12.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchteil II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia abgewiesen, unter Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründe nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Somalia zulässig sei sowie unter Spruchpunkt IV einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt, unter Spruchpunkt V. festgelegt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise vorliege und unter Spruchpunkt VI. ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen. In dem Bescheid wurde unter anderem festgehalten, dass der Beschwerdeführer wohl behaupte, an einem Herzproblem zu leiden, aber nicht in ärztlicher Behandlung stehe und seine Beschwerden nicht glaubwürdig seien, er sei vielmehr ein junger und arbeitsfähiger Mann. Bei einer Rückkehr im Heimatland wäre er in der Lage, allenfalls durch Hilfstätigkeiten, ein ausreichendes Einkommen zu sichern. Festgestellt wurde auch, dass er in XXXX geboren sei und somalischer Staatsbürger sei, dem Clan Shanshi angehöre, der nach den vorliegenden Länderinformationen jedenfalls nicht verfolgt werde. Der Beschwerdeführer habe weiters keinerlei persönliche Bedrohungen hinsichtlich Somalia vorgebracht. Er habe wohl den Großteil seines Lebens in Syrien verbracht, aber er sei somalisch erzogen und somalisch muttersprachlich aufgewachsen. Selbst wenn sich für den Antragssteller bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat bei einem Wiedereinstieg in das dortige Leben einige Startschwierigkeiten ergeben würden, wäre dies noch kein Rückkehrhindernis, zumal er ein mobiler, gesunder junger und arbeitsfähiger Mensch, ohne erkennbare familiäre Verpflichtungen sei und in der Hauptstadt XXXX die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet sei und er überdies auf eine Reintegrationsunterstützung zurückgreifen könne und schließlich auch seine Mutter, die offenbar gut verdiene, ihn von Syrien aus finanziell unterstützen könnte. Es hätte auch keine psychische oder physische Erkrankung festgestellt werden können.

Zum Spruchpunkt I. wurde insbesondere ausgeführt, dass es keine Hinweise auf eine aktuelle oder zukünftige asylrelevante Verfolgung oder Verfolgungsgefahr des Asylwerbers in Somalia gebe (Spruchteil I.). Zu Spruchpunkt II. wurde insbesondere ausgeführt, dass der Antragssteller eine individuelle, konkret gegen ihn gerichtete Gefahr einer Verfolgung nicht glaubhaft habe machen können. Die allgemeine Lage in Somalia sei nicht dergestalt, dass bereits jedem, der sich dort aufhalte, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste. Es lasse sich aus den bereits dargestellten individuellen persönlichen Verhältnissen keine Gefährdung iSd § 8 AsylG ableiten, sodass spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei. Es liege weiters kein Familienleben in Österreich vor. Er habe auch keine schützenswerten, privaten oder sozialen Anknüpfungspunkte. Er sei rechtswidrig im Dezember 2016 nach Österreich eingereist und sei überdies in Österreich gravierend straffällig geworden. Unter Berücksichtigung aller Umstände sei daher ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht zu erteilen und eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen. Da auch keine Gefährdung iSd § 50 FPG festgestellt worden sei und einer Abschiebung nach Somalia keine Empfehlung des EGMR entgegenstehe, sei die Abschiebung nach Somalia für zulässig zu erklären gewesen (Spruchpunkt III.). Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde mit einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung begründet. (Spruchpunkt IV.), dies hatte auch die Verpflichtung zu unverzüglichen freiwilligen Ausreise zu Folge, (Spruchpunkt V).

Zu Spruchpunkt VI. wurde insbesondere ausgeführt, dass der Beschwerdeführer sowohl von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als 3 Monaten als auch einer innerhalb von 3 Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden sei. Er habe eine junge Frau vergewaltigen wollen und sich an einem räuberischen Diebstahl bereichert und sei daher eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit und sei daher das Einreiseverbot im ausgesprochenen Ausmaß erforderlich.

Mit Erkenntnis des BVwG vom 07.11.2018, Zl. XXXX wurde die dagegen erhobene Beschwerde in allen Punkten als unbegründet abgewiesen. In dieser Entscheidung wurde unter anderem insbesondere auch ausgeführt, dass sich die Lage in XXXX als noch ausreichend stabil darstelle und dass im Falle eines jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mannes ein soziales Netz jedenfalls nicht erforderlich sei, zumal der Beschwerdeführer familiäre Bezüge nach Somalia bestritten habe. Zu den Behauptungen des Beschwerdeführers herzkrank zu sein, sei festzuhalten, dass sich diese nicht belegen lassen würden. Der Beschwerdeführer habe überdies eine fundierte Berufsausbildung. Er sei in einem somalisch dominierten Umfeld aufgewachsen und spreche unbestrittenermaßen somalisch. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wurde insbesondere dargelegt, dass der Beschwerdeführer keine konkrete persönliche Verfolgung in Somalia vorgebracht habe und es ihm nicht gelungen sei eine konkret und gezielt auf seine Person abzielenden aktuelle Verfolgung von maßgeblicher Intensität glaubhaft zu machen.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde nach Darlegung der Bezug habenden Rechtslage und Judikatur nochmals festgehalten, dass der Beschwerdeführer auch ohne eventuelle familiäre Bezüge nicht Gefahr laufe, derzeit in XXXX in eine existenzbedrohende Lage zu geraten und sei auch die zumutbare Erreichbarkeit von Mogadischu nicht bestritten worden. Die Sicherheitslage sei wohl fragil, aber es herrsche nach Überzeugung des erkennenden Gerichtes keine derartige allgemeine Gefährdungslage, die eine Rückkehr für jeden unter dem Gesichtspunkt des Artikel 3 EMRK verunmöglichen würde, noch würden irgendwelche individuellen gefährdungserhöhenden Momente hinzutreten. Auch ohne familiärer Unterstützung würde der Beschwerdeführer durch seine Ausbildung, Gesundheit und Berufserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in der Lage sein eine Beschäftigung zu finden, um ein menschenwürdiges Leben führen zu können. Auch sonstige außergewöhnliche Umstände, die eine Abschiebung unzulässig machen könnten, seien im gegenständlichen Verfahren nicht hervorgetreten. Daher sei die Beschwerde auch hinsichtlich subsidiärem Schutz abzuweisen gewesen.

Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG würden nicht vorliegen; der Beschwerdeführer habe wohl im Verfahren durchgehend vorgebracht in Österreich über einen entfernten Cousin zu verfügen, zu dem er aber keinen Kontakt mehr habe und verfüge sonst über keine Familienangehörigen in Österreich, sodass jedenfalls kein Eingriff in das Recht auf Familienleben vorliege.

Der Beschwerdeführer habe sich die meiste Zeit während seines Aufenthaltes in Österreich in Haft befunden, da er wegen versuchter Vergewaltigung und räuberischem Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt worden sein. Auch wenn er behaupte in der Haft Deutsch gelernt zu haben, und nunmehr keinen Alkohol und keine Drogen mehr zu sich nehme, könne ein ernsthafter Versuch sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren, nicht erkannt werden. Auch eine dauerhafte Selbsterhaltungsfähigkeit sei zu keinem Zeitpunkt hervorgekommen. Es seien insgesamt keine Aspekte einer außergewöhnlichen schützenswerten dauernden Integration in Österreich hervorgekommen. Insgesamt sei kein Sachverhalt hervorgetreten, welcher unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass der angefochtene Bescheid einen unverhältnismäßigen Eingriff in das durch Artikel 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben darstellen würde. Im vorliegenden Fall sei daher eine Rückkehrscheindung dringend geboten, zumal auch keine Bedrohungssituation iSd § 50 Abs. 1 und 2 FPG habe festgestellt werden können und auch einer Abschiebung nach Somalia keine Empfehlung des EGMR entgegenstehe, sondern vielmehr dieser entschieden habe, dass Abschiebungen nach Somalia nicht generell unzulässig wären, eine solche als zulässig zu bezeichnen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe deswegen nicht, da das BVwG mit Beschluss vom 24.07.2017 der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zuerkannt habe. Zu Spruchpunkt VI wurde überhaupt kein Vorbringen erstattet, sondern lediglich ein (völlig unbegründeter) Eventualantrag auf Aufhebung des Einreiseverbotes gestellt.

Dieses Erkenntnis wurde am 12.11.2018 rechtskräftig.

Am 21.11.2019 stellte der Beschwerdeführer einen (weiten) den nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er noch am gleichen Tag von der XXXX einer Erstbefragung unterzogen. Er gab eindeutig an, dass die alten Asylgründe aufrecht bleiben und er keine neuen Asylgründe habe, er wiederholte, dass er weder Änderungen noch eine neue Situation noch neue Fluchtgründe habe, er brauche aber dauerhafte Medikation, weil er an Asthma leide und Epileptiker sei und nehme er auch dauerhaft XXXX . Er habe Österreich verlassen, weil er das Land habe verlassen sollen.

Der Beschwerdeführer wurde in Schubhaft genommen (wogegen er keine Beschwerde erhob!).

Am 28.11.2019 erfolgte im XXXX eine Einvernahme des Antragsstellers. Dabei wurde nach Kontakt mit der Sanitätsstelle festgestellt, dass der Beschwerdeführer haft-und einvernahmefähig sei, dass von einer Herzerkrankung nichts bekannt sei und diesbezüglich auch keine Medikamente vorliegen würden. Es sei auch nichts wegen Epilepsie bekannt. Der Beschwerdeführer sei unauffällig und habe keine suizidalen Gedanken. Der Beschwerdeführer konnte keine Dokumente vorlegen und brachte auch nicht vor, dass er ein Familienleben in Österreich führe, gab aber an, dass er die deutsche Sprache könne. Er bestand darauf, dass er Probleme mit dem Herzen habe. Er sei Moslem, habe in Somalia niemanden, seine Mutter sie in Syrien, Geschwister habe er keine, er habe vor zehn Tagen zuletzt mit seiner Mutter telefoniert. Seine Mutter habe ihn erhalten, er wisse aber nicht, was sie gearbeitet habe. Er sei zuhause gewesen. Er sei in Österreich nicht fair behandelt worden. Er habe lediglich in einer Diskothek ein Mädchen betastet, wobei beide alkoholisiert gewesen seien. In Somalia würde er getötet werden. Er kenne das Land auch nicht. Zum Länderinformationsblatt möchte er ausdrücklich keine Stellungnahme abgeben.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Erstaufnahmestelle Ost vom 02.12.2019 Zl. XXXX wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz vom 21.11.2019 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und unter Spruchteil II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und unter Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt sowie unter Spruchpunkt IV. keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt.

In der Begründung des Bescheides wurde das Verfahren (zu dem gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz) einschließlich der oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt sowie (aktuelle) Feststellungen zu Somalia getroffen. Festgestellt wurde, dass der Antragssteller jung, gesund und im arbeitsfähigem Alter sei, kein relevanter Familienbezug im Bundesgebiet bestehe und er an keinen Krankheiten leide. Aufgrund der aktuellen Durchführungsvereinbarungen mit Polizeianhaltezentren seien diese verpflichtet bei Hinweisen auf schwere körperliche, psychische oder ansteckende Krankheiten unverzüglich die Erstaufnahme zu verständigen. Dies ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erfolgt. Auch habe der Beschwerdeführer keinerlei Nachweise für Krankheiten vorgelegt, sodass davon auszugehen sei, dass keine solchen vorliegen. Weiter wurde die bereits erwähnte Verurteilung des Landesgerichtes XXXX zitiert und festgehalten, dass eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot bestehe. Zu den Spruchpunkten I. und II. wurde insbesondere festgehalten, dass der Beschwerdeführer keine (neuen) Fluchtgründe vorgebracht habe und auch schon im Erstverfahren keine relevanten Fluchtgründe habe glaubhaft machen können. Es sei daher im vorliegenden Fall weder in der maßgeblichen Sachlage noch in den anzuwendeten Rechtsnormen eine Änderung eingetreten, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen lassen würden, sodass das Bundesamt zur Zurückweisung dieses Antrages verpflichtet sei.

Weiters hätten keine der in § 57 genannten Gründe festgestellt werden können, sodass auch kein diesbezüglicher Asylaufenthaltstitel zu erteilen gewesen sein (Spruchpunkt III.). Zu Spruchpunkt IV. wurde schließlich festgehalten, dass bei einer zurückweisenden Entscheidung nach § 68 AVG keine Frist für eine freiwillige Ausreise bestehe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragssteller, vertreten durch XXXX , fristgerecht eine gegen alle Spruchpunkte Beschwerde. Darin wurde kritisiert, dass die belangte Behörde es unterlassen habe auf das individuelle Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen und einer Gesamtbeurteilung anhand der aktuellen herkunftsstaatsspezifischen Informationen zu beurteilen, wobei der Beschwerdeführer über kein verlässliches familiäres- oder Clan-bezogenes Netzwerk im Herkunftsstaat verfüge. Diesbezüglich wurde auch aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation auszugsweise zitiert. Es sei daher zusammenfassend festzuhalten, dass Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorlägen, da nicht davon auszugehen wäre, dass der Beschwerdeführer in der Lage wäre sein Auskommen in Somalia zu sichern und ihm bei einer Rückführung ein "real risk" einer unmenschlichen Behandlung iSd Artikel 3 EMRK drohe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Es wird davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer somalischer Staatsangehöriger ist, am XXXX in XXXX geboren wurde, dem Clan Shanshi und der islamischen Religion angehört und den Großteil seines Lebens in Syrien verbracht hat, wo er von seiner dort arbeitenden Mutter erhalten wurde.

Der Beschwerdeführer hat keine neuen Fluchtgründe vorgebracht, sondern sich auf seine bisherigen Fluchtgründen, die bereits rechtskräftig negativ beurteilt wurden, bezogen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer unter schwerwiegenden, psychischen oder organischen Erkrankungen leidet. Der Beschwerdeführer hat wohl durchgehend eine Herzerkrankung behauptet, aber im Zuge des Verfahrens zu seinem ersten und zweiten Asylantrag niemals diesbezüglich ärztliche Befunde vorlegen können und wurde er auch nunmehr der Schubhaft untersucht, wobei auch da keine diesbezüglichen Erkrankungen hervorgetreten sind. Der Beschwerdeführer führt kein Familienleben in Österreich. Es sind auch sonst keine privaten Bindungen oder besondere integrativen Momente hervorgetreten, wenn auch der Beschwerdeführer über gewisse Deutschkenntnisse verfügt. Der Beschwerdeführer ist weder selbsterhaltungsfähig, noch hat er irgendwelche Nachweise für Ausbildungen, freiwilligen Arbeit, Vereinsmitgliedschaften oder sonstige Hinweise auf eine Integration vorgelegt.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 28.03.2017 Zl. XXXX wegen des Verbrechens der (versuchten) Vergewaltigung und des Verbrechens des räuberischen Diebstahls zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. In dem Urteil wurde als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen sowie die Verletzung des Vergewaltigungsopfers angeführt, wobei auch aus dem Urteil und den diesem vorangehenden Polizeiprotokoll ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer mit großer Brutalität gegen das Opfer vorgegangen ist, als mildernd, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, das Alter von unter 21 Jahren, ein reumütiges Geständnis, die Alkoholisierung und die Unbescholtenheit angenommen.

Zu Somalia wird verfahrensbezogen folgendes festgestellt:

1. Politische Lage

Hinsichtlich der meisten Tatsachen ist das Gebiet von Somalia faktisch zweigeteilt, nämlich in: a) die somalischen Bundesstaaten; und b) Somaliland, einen 1991 selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird (AA 4.3.2019, S.5), aber als autonomer Staat mit eigener Armee und eigener Rechtsprechung funktioniert (NLMBZ 3.2019, S.7). Während Süd-/Zentralsomalia seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen war und ist, hat sich der Norden des Landes unterschiedlich entwickelt (BS 2018, S.4).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2018, S.5). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten (AA 5.3.2019b). Das Land hat bei der Bildung eines funktionierenden Bundesstaates Fortschritte erzielt (UNSC 15.5.2019, Abs.78), staatliche und regionale Regierungsstrukturen wurden etabliert (ISS 28.2.2019). Der Aufbau von Strukturen auf Bezirksebene geht hingegen nur langsam voran (UNSC 15.5.2019, Abs.50).

Somalia ist damit zwar kein failed state mehr, bleibt aber ein fragiler Staat. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind sehr schwach, es gibt keine flächendeckende effektive Staatsgewalt (AA 4.3.2019, S.4f). Die Regierung verfügt kaum über eine Möglichkeit, ihre Politik und von ihr beschlossene Gesetze im Land durch- bzw. umzusetzen (FH 5.6.2019b, C1). Das Land befindet sich immer noch mitten im Staatsbildungsprozess (BS 2018, S.33).

Die Herausforderungen sind dabei außergewöhnlich groß, staatliche Institutionen müssen von Grund auf neu errichtet werden. Zusätzlich wird der Wiederaufbau durch die Rebellion von al Shabaab, durch wiederkehrende Dürren und humanitäre Katastrophen gehemmt. Außerdem sind Teile der staatlichen Elite mehr mit der Verteilung von Macht und Geld beschäftigt, als mit dem Aufbau staatlicher Institutionen (BS 2018, S.33). In vielen Bereichen handelt es sich bei Somalia um einen "indirekten Staat", in welchem eine schwache Bundesregierung mit einer breiten Palette nicht-staatlicher Akteure (z.B. Clans, Milizen, Wirtschaftstreibende) verhandeln muss, um über beanspruchte Gebiete indirekt Einfluss ausüben zu können (BS 2018, S.23). Zudem ist die Bundesregierung finanziell von Katar abhängig, das regelmäßig außerhalb des regulären Budgets Geldmittel zur Verfügung stellt (SEMG 9.11.2018, S.30).

Somalia ist keine Wahldemokratie, auch wenn die Übergangsverfassung eine Mehrparteiendemokratie und Gewaltenteilung vorsieht (BS 2018, S.13f). Es gibt keine freien und fairen Wahlen auf Bundes- (USDOS 13.3.2019, S.23; vgl. FH 5.6.2019b, A1) und auch keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler oder regionaler Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 4.3.2019, S.5f). Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 geplant (AA 5.3.2019b). Angesichts der bestehenden Probleme bleibt aber abzuwarten, ob diese Wahlen wirklich stattfinden werden (NLMBZ 3.2019, S.9). Bei den Vorbereitungen dafür wurden bisher nur wenige Fortschritte gemacht (FH 5.6.2019b, A3).

Eigentlich sollte die Bundesregierung auch die Übergangsverfassung noch einmal überarbeiten, novellieren und darüber ein Referendum abhalten. Dieser Prozess ist weiterhin nicht abgeschlossen (USDOS 13.3.2019, S.23), und es gibt diesbezüglich Konflikte mit den Bundesstaaten (NLMBZ 3.2019, S.7).

Die beiden Kammern des Parlaments wurden mittels indirekter Wahlen durch ausgewählte Älteste Ende 2016 / Anfang 2017 besetzt (USDOS 13.3.2019, S.1/23). Über 14.000 Wahlmänner und -frauen waren an der Wahl der 275 Abgeordneten beteiligt. Zuvor waren Abgeordnete unmittelbar durch einzelne Clanälteste bestimmt worden (AA 4.3.2019, S.6; vgl. AA 5.3.2019b). Das Unterhaus wurde nach Clan-Zugehörigkeit besetzt, das Oberhaus nach Zugehörigkeit zu Bundesstaaten. Die Wahlen zu beiden Häusern wurden generell als von Korruption durchsetzt und geschoben erachtet (USDOS 13.3.2019, S.1/23). Sie wurden von Schmiergeldzahlungen, Einschüchterungen, Stimmenkauf und Manipulation begleitet (BS 2018, S.14/19). Dieses Wahlsystem ist zwar noch weit von einer Demokratie entfernt und unterstreicht die Bedeutung der politischen Elite (BS 2018, S.22). Trotz allem waren die Parlamentswahlen ein bemerkenswerter demokratischer Fortschritt (AA 4.3.2019, S.6; vgl. AA 5.3.2019b; BS 2018, S.22).

Insgesamt erfolgte die Zusammensetzung des Unterhauses entlang der 4.5-Formel, wonach den vier Hauptclans jeweils ein Teil der Sitze zusteht, den kleineren Clans und Minderheiten zusammen ein halber Teil (USDOS 13.3.2019, S.26; vgl. BS 2018, S.13f). Die 4.5-Formel hat zwar politischen Fortschritt gewährleistet, ist aber zugleich Ursprung von Ressentiments (SRSG 13.9.2018, S.2).

Die Präsidentschaftswahl fand am 8.2.2017 statt. Die beiden Parlamentskammern wählten den früheren Premierminister Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten (AA 4.3.2019, S.6; vgl. BS 2018, S.14; USDOS 13.3.2019, S.1). Seine Wahl wurde als fair und transparent erachtet (USDOS 13.3.2019, S.1). Im März 2017 bestätigte das Parlament Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 5.3.2019b; vgl. BS 2018, S.14). Die aktuelle Regierung agiert wie eine Regierung der nationalen Einheit. Sie wurde so zusammengesetzt, dass alle relevanten Clans und Gruppen sich in ihr wiederfinden (AA 4.3.2019, S.10).

Gemäß einer Quelle üben aber salafistische Netzwerke zunehmend Einfluss auf die Regierung aus (NLMBZ, S.8f). Nach anderen Angaben kann von Salafismus keine Rede sein, vielmehr sind der Präsident und seine Entourage Moslembrüder bzw. deren Ideologie sehr nahestehend (ME 27.6.2019). Wieder eine andere Quelle berichtet, dass die politische Basis des Präsidenten eine nationalistische ist (ICG 12.7.2019, S.10). Gleichzeitig unterwandert al Shabaab das System, indem sie Wahldelegierte zur Kooperation zwingt (Mohamed 17.8.2019).

Das Konzept einer politischen Opposition ist nur schwach ausgeprägt, die Regeln der Politik sind abgestumpft. Misstrauensanträge, Amtsenthebungsverfahren und Wahlen werden zur Bereicherung und zum politischen Machtausbau missbraucht (SRSG 13.9.2018, S.4). Generell sind die Beziehungen zwischen Bundesregierung und Parlament problematisch. Außerdem kam es 2018 zu einer großen Zahl an Personaländerungen, so wurde etwa der Bürgermeister von Mogadischu, zahlreiche Minister und der Chief Justice ersetzt (NLMBZ, S.8f).

Gegen Ende 2018 war vom Parlament ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Farmaajo eingeleitet worden. Dieses Verfahren wurde jedoch Mitte Dezember 2018 aus formalen Gründen für ungültig erklärt bzw. zurückgezogen (VOA 20.12.2018; vgl. FH 5.6.2019b, A1; UNSC 15.5.2019, Abs.3). Auch zwischen Ober- und Unterhaus ist es zu politischen Auseinandersetzungen gekommen (AMISOM 15.1.2019a; vgl. UNSC 15.5.2019, Abs.3). Diese wurden im Juli 2019 vorläufig beigelegt (UNSC 15.8.2019, Abs.3).

Ein nationaler Versöhnungsprozess ist in Gang gesetzt worden. Dieser wird international unterstützt (UNSC 21.12.2018, S.6).

Föderalisierung: Während im Norden bereits die Gliedstaaten Somaliland und Puntland etabliert waren, wurden im Rahmen eines international vermittelten Abkommens von 2013 bis 2016 die Bundesstaaten Jubaland, South West State (SWS), Galmudug und HirShabelle neu gegründet (AA 5.3.2019b; vgl. USDOS 13.3.2019, S.1; BS 2018, S.4f/12). Offen sind noch der finale Status und die Grenzen der Hauptstadtregion Benadir/Mogadischu (AA 5.3.2019b; vgl. UNSC 15.5.2019, Abs.22). Mit der Gründung der Bundesstaaten und einem relativ demokratisch erfolgten Machtwechsel konnten wichtige Weichen in Richtung Demokratisierung, legitimer Staatsgewalt und Föderalismus gestellt werden (AA 4.3.2019, S.4). Beim Prozess der Föderalisierung gab es in den letzten Jahren signifikante Fortschritte (BS 2018, S.3). Allerdings hat keine dieser Verwaltungen die volle Kontrolle über die ihr nominell unterstehenden Gebiete (USDOS 13.3.2019, S.1; vgl. BS 2018, S.15).

Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clan-Balance:

Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir. Allerdings finden sich in jedem Bundesstaat Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden (BFA 8.2017, S.55f).

Wichtige Detailfragen zur föderalen Staatsordnung sind weiterhin ungeklärt, z.B. die Einnahmenverteilung zwischen Bund und Bundesstaaten; die jeweiligen Zuständigkeiten im Sicherheitsbereich; oder die Umsetzung der für 2020 geplanten Wahlen (AA 5.3.2019b; vgl. NLMBZ 3.2019, S.7) - und die gesamte Frage der Machtverteilung zwischen Bund und Bundesstaaten (UNSC 15.5.2019, Abs.25; vgl. UNSC 21.12.2018, S.5).

Die Bundesregierung tut sich schwer, in den Bundesstaaten Macht und Einfluss geltend zu machen (NLMBZ 3.2019, S.7). Außerdem kommt es in den Beziehungen zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Bundesstaaten immer wieder zu (politischen) Spannungen (AA 5.3.2019b; vgl. NLMBZ 3.2019, S.7), die manchmal auch in Gewalt eskalierten (BS 2018, S.4).

Zusätzlich haben die Bundesstaaten abseits des Nationalen Sicherheitsrates 2017 einen Kooperationsrat der Bundesstaaten (CIC) geschaffen, welcher unter Ausschluss der Bundesregierung arbeitet (SEMG 9.11.2018, S.5; vgl. AA 5.3.2019b). Während andere Mitglieder des CIC den Dialog mit der Bundesregierung verweigerten (AMISOM 12.10.2018), hat der Präsident von HirShabelle, Mohamed Abdi Waare, diesen zwischenzeitlich gesucht (AMISOM 12.10.2018; vgl. UNSC 21.12.2018, S.1). Der CIC hat bereits zweimal die Kooperation mit der Bundesregierung suspendiert (SEMG 9.11.2018, S.31f), so etwa im September 2018. Im Oktober 2018 haben alle Bundesstaaten außer HirShabelle angekündigt, gemeinsame Sicherheitskräfte aufzustellen (UNSC 21.12.2018, S.1). Generell herrscht zwischen Bundesregierung und Bundesstaaten ein besorgniserregendes Maß an Misstrauen (SRSG 13.9.2018, S.3). Dadurch wird auch die Lösung von Schlüsselfragen zu Politik und Sicherheit behindert (UNSC 15.5.2019, Abs.2; vgl. SRSG 3.1.2019, S.2).

Bei dieser Auseinandersetzung kommt u.a. die Krise am Golf zu tragen: In Somalia wird eine Art Stellvertreterkrieg ausgetragen, bei welchem die unterschiedlichen Interessen und Einflüsse speziell von Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) eine Rolle spielen. Dies hat die schon bestehenden Spannungen zwischen der Bundesregierung und den Bundesstaaten weiter verschärft, erstere ist in zunehmende Isolation geraten (SEMG 9.11.2018, S.4/30; vgl. ICG 12.7.2019, S.9; FH 5.6.2019b, C1). Diese Entwicklung hat zur Destabilisierung Somalias beigetragen (NLMBZ 3.2019, S.10). Allerdings gibt es zumindest Anzeichen für eine Verbesserung der Situation (UNSC 15.5.2019, Abs.80). So hat sich Präsident Farmaajo für die Verschlechterung der Beziehungen zu den Bundesstaaten öffentlich entschuldigt (ICG 12.7.2019, S.9). Die Bundesregierung versucht insbesondere HirShabelle und Galmudug in ihr Lager zu ziehen (BMLV 3.9.2019). Trotzdem bleiben die Spannungen bestehen (UNSC 15.8.2019, Abs.2).

1) Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba): Jubaland wurde im Jahr 2013 gebildet, damals wurde auch Ahmed Mohamed Islam "Madobe" zum Präsidenten gewählt (USDOS 13.3.2019, S.24). Bis Anfang August hatten sich für die Neuwahl des Präsidenten neun Kandidaten registrieren lassen (UNSC 15.8.2019, Abs.6). Am 22.8.2019 wurde dann Ahmed Madobe als Präsident bestätigt. Die Wahl war allerdings umstritten: Da die Bundesregierung mehr Kontrolle gewinnen möchte, hat sie erklärt, die Wahl nicht anzuerkennen und den Wahlkandidaten der Opposition, Abdirashif Mohamad Hidig, zu unterstützen (BAMF 26.8.2019, S.6). Der Verwaltung von Jubaland ist es gelungen, zumindest in Kismayo eine Verwaltung zu etablieren. Dadurch, dass die Ogadeni auch mit anderen Clans kooperieren und diese in Strukturen einbinden, wurde die Machtbalance verbessert (BFA 8.2017, S.57ff). Diese Inkorporation funktioniert auch weiterhin, die Verwaltung in Kismayo hat sich weiter gefestigt. Außerdem konnten durch die Kooperation mit Teilen der Marehan auch die nicht der al Shabaab zuneigenden Gebiete von Gedo gefestigt werden (ME 27.6.2019).

2) South West State (SWS; Bay, Bakool, Lower Shabelle): Der SWS wurde in den Jahren 2014/2015 etabliert, Sharif Hassan Sheikh Adam zum ersten Präsidenten gewählt (USDOS 13.3.2019, S.24). Im Dezember 2018 wurde im SWS neu gewählt (AA 5.3.2019b). In der Folge ist im Jänner 2019 mit Abdulaziz Hassan Mohamed "Lafta Gareen" ein neuer Präsident angelobt worden (AMISOM 17.1.2019a; vgl. UNSC 27.12.2018; UNSC 15.5.2019, Abs.4). Zuvor war es zu Anschuldigungen gegen die Bundesregierung gekommen, sich in den Wahlkampf eingemischt zu haben. Ein Kandidat - der ehemalige stv. Kommandant der al Shabaab, Mukhtar Robow - war verhaftet worden, was zu gewaltsamen Demonstrationen geführt hat (SRSG 3.1.2019, S.2f; vgl. UNSC 21.12.2018, S.2). Beim Aufbau der Verwaltung konnten Fortschritte erzielt werden (BMLV 3.9.2019).

3) HirShabelle (Hiiraan, Middle Shabelle): HirShabelle wurde 2016 etabliert. Zum Präsidenten wurde Ali Abdullahi Osoble gewählt. Anführer der Hawadle hatten eine Teilnahme verweigert (USDOS 13.3.2019, S.24f). Im Oktober 2017 wurde Mohamed Abdi Waare zum neuen Präsidenten, nachdem sein Vorgänger des Amtes enthoben worden war (UNSOM, 24.10.2017). Nach politischen Spannungen haben sich die Beziehungen zwischen Exekutive und Legislative verbessert (UNSC 15.5.2019, Abs.8). Die im Zuge der Bildung des Bundesstaates neu aufgeflammten Clankonflikte sind gegenwärtig weitgehend abgeflaut (ME 27.6.2019). Dazu beigetragen haben Bemühungen des Premierministers und Katars, wobei letzteres Investitionen in Aussicht gestellt hat. Man ist auf die Hawadle zugegangen. Die Clans - v.a. in Middle Shabelle - haben daraufhin ihre Proteste gegen die Regionalverwaltung reduziert. Unklar ist, ob diese neue Haltung Bestand haben wird. In Belet Weyne hingegen treffen Vertreter von HirShabelle nach wie vor auf unverminderte Ablehnung (BMLV 3.9.2019). Sowohl in den von HirShabelle in Middle Shabelle kontrollierten Gebieten wie auch in Belet Weyne ist eine Verbesserung der Verwaltung zu verzeichnen (BMLV 3.9.2019).

4) Galmudug (Galgaduud, Teile von Mudug): Im Jahr 2015 wurde die Regionalversammlung von Galmudug vereidigt. Sie wählte Abdikarim Hussein Guled zum ersten Präsidenten. Dieser trat im Feber 2017 zurück. Unter dem neuen Präsidenten Ahmed Duale Gelle "Haaf" wurden Friedensgespräche mit der Ahlu Sunna Wal Jama'a (ASWJ) initiiert. Die Gruppe kontrolliert Teile von Galgaduud (USDOS 13.3.2019, S.24). Ende 2017 wurde mit der ASWJ ein Abkommen zur Machtteilung abgeschlossen (UNSC 15.5.2019, Abs.7; vgl. AMISOM 5.7.2019). Ab September 2018 wuchsen die politischen Spannungen. Im Oktober 2018 wurde in Cadaado ein Gegenpräsident gewählt, während Ahmed "Haaf" weiterhin von Dhusamareb aus regiert (UNSC 21.12.2018, S.2). In der Folge kam es zu Diskussionen und Spannungen über das Datum der nächsten Wahlen. Im März 2019 hat die NISA sogar die Kontrolle über das Gelände des Präsidentensitzes übernommen (UNSC 15.5.2019, Abs.7). Während Haaf das Abkommen mit der ASWJ für nichtig erklärt hat, hat diese mit der Bundesregierung eine Einigung erzielt (UNSC 15.8.2019, Abs.5). Galmudug wird von Hawiye/Habr Gedir/Sa'ad dominiert (EASO 2.2016, S.17).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.3.2019b): Somalia - Innenpolitik, URL, Zugriff 10.4.2019

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AMISOM (5.7.2019): Somalia starts process to integrate Ahlu Sunna forces into the Somali Security Forces, URL, Zugriff 16.7.2019

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AMISOM (17.1.2019a): 17 January 2019 - Morning Headlines [Quelle:

Halbeeg News], Newsletter per E-Mail

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AMISOM (15.1.2019a): 15 January 2019 - Daily Monitoring Report [Quelle: Halbeeg News], Newsletter per E-Mail

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AMISOM (12.10.2018): 12 October 2018 - Daily Monitoring Report [Quelle: Jowhar News], Newsletter per E-Mail

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (26.8.2019): Briefing Notes 26. August 2019

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BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, URL, Zugriff 31.5.2019

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BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung (Österreich) (3.9.2019): Anfragebeantwortung an die Staatendokumentation

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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Somalia Country Report, URL, Zugriff 19.3.2019

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FH - Freedom House (5.6.2019b): Freedom in the World 2019 - Somalia, URL, Zugriff 22.7.2019

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ICG - International Crisis Group (12.7.2019): Somalia-Somaliland:

The Perils of Delaying New Talks - Africa Report N°280, URL, Zugriff 8.7.2019

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ISS - Institute for Security Studies / Meressa K Dessu / Dawit Yohannes (28.2.2019): Is this the right time to downsize AMISOM?, URL, Zugriff 13.3.2019

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ME - Militärstrategischer Experte (27.6.2019): Interview mit der Staatendokumentation

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Mohamed, Abdirizak Omar / Hiiraan.com (17.8.2019): The Recent Al-Shabab Resurgence: Policy Options for Somalia, URL, Zugriff 23.8.2019

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UNSC - UN Security Council (15.5.2019): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 15.7.2019

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UNSC - UN Security Council (27.12.2018): January 2019 Monthly Forecast, URL, Zugriff 15.7.2019

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UNSC - UN Security Council (21.12.2018): Report of the Secretary-General on Somalia, URL, Zugriff 7.5.2019

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UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (24.10.2017):

Mohamed Abdi Waare inaugurated as the second President of HirShabelle state, URL, Zugriff 4.9.2019

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USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Somalia, URL, Zugriff 18.3.2019

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VOA - Voice of America / Mohamed Olad Hassan (20.12.2018):

Somalia's Parliament Drops Impeachment of President, URL, Zugriff 22.1.2019

2. Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

Die Sicherheitslage bleibt instabil und unvorhersagbar (AMISOM 7.8.2019, S.2). Zwar ist es im Jahr 2018 im Vergleich zu 2017 zu weniger sicherheitsrelevanten Zwischenfällen und auch zu einer geringeren Zahl an Todesopfern gekommen, doch ist die Sicherheitslage weiterhin schlecht. Sie ist vom bewaffneten Konflikt zwischen AMISOM (African Union Mission in Somalia), somalischer Armee und alliierten Kräften auf der einen und al Shabaab auf der anderen Seite geprägt. Zusätzlich kommt es in ländlichen Gebieten zu Luftschlägen (NLMBZ 3.2019, S.17). Weiterhin führt der Konflikt unter Beteiligung der genannten Parteien zu zivilen Todesopfern, Verletzten und Vertriebenen (USDOS 13.3.2019, S.1). Wer sich in Somalia aufhält, muss sich der Gefährdung durch Terroranschläge, Kampfhandlungen, Piraterie sowie kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein (AA 17.9.2019). Auch der Konflikt um Ressourcen (Land, Wasser etc.) führt regelmäßig zu Gewalt (BS 2018, S.31).

Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017, S.21; vgl. BMLV 3.9.2019).

Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden - etwa Dhusamareb oder Guri Ceel. In Puntland gilt dies für größere Gebiete, darunter Garoowe (BFA 8.2017, S.21/91f; vgl. BMLV 3.9.2019).

Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2019). Auch das Maß an Kontrolle über bzw. Einfluss auf einzelne Gebiete variiert. Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, ist die Situation in Puntland und - in noch stärkerem Ausmaß - in Süd-/Zentralsomalia komplexer. In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben; oder die von niemandem kontrolliert werden; oder deren Situation unklar ist (LIFOS 9.4.2019, S.6).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (17.9.2019): Somalia - Reise- und Sicherheitshinweise - Reisewarnung, URL, Zugriff 17.9.2019

-

ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2019): Africa (Data through 19 January 2019), URL, Zugriff 23.1.2019

-

AMISOM (7.8.2019): Progress Report of the Chairperson of the Commission on the situation in Somalia/AMISOM, URL, Zugriff 22.8.2019

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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