Entscheidungsdatum
20.12.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W111 2157387-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. DAJANI, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.04.2017, Zl. 1092803005-151647609, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.11.2019 zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG
2005 idgF der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger Somalias, stellte am 28.10.2015 infolge illegaler Einreise in das Bundesgebiet den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem er am folgenden Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt wurde. Der Beschwerdeführer gab zusammengefasst an, er sei traditionell verheiratet, stamme aus XXXX , sei Moslem sowie Angehöriger der Volksgruppe der "Bare." Der Beschwerdeführer habe sich bis zum Jahr 1995 in Somalia aufgehalten, im Zeitraum 1995 bis 1999 habe er in Äthiopien gelebt sowie im Anschluss bis zum 10.06.2014 in Kenia. Seine Ausreise habe er am 15.06.2014 auf dem Luftweg aus Mogadischu angetreten. Infolge eines Aufenthalts in der Türkei bis Februar 2015 sei er über eine näher dargestellte Route nach Österreich gelangt.
Zum Grund seiner Flucht führte der Beschwerdeführer aus, seine Familie hätte einer sehr kleinen Volksgruppe angehört und die Gruppe der Ogaden hätte versucht, ihr Land wegzunehmen. Als sein Vater sich geweigert hätte, sei er im Jahr 1995 von einem Angehörigen jener Gruppe getötet worden. Die Familie hätte daraufhin nach Äthiopien flüchten müssen. Im Jahr 2012 hätte der Beschwerdeführer nach Abschluss der Schule bei einer näher bezeichneten Organisation für Entwicklungszusammenarbeit und Bildung gearbeitet. Im Februar hätte er im Rahmen seiner Arbeit nach Somalia zurückgewollt. Beim Überqueren der Grenze in einem PKW zusammen mit zwei Arbeitskollegen seien sie von fünf Männern angehalten worden, welche sie nach ihren Namen und Volksgruppen gefragt hätten. Nachdem er seinen Namen genannt hätte, habe ihn einer der Männer, welcher Ogaden gewesen wäre, erkannt und gefragt, ob er wegen des weggenommenen Landes zurückgekommen sei. Obwohl der Beschwerdeführer dies verneinte, hätten die Männer ihn entführt; er sei diesen fünf Tage lang in einem Wald ausgeliefert gewesen, wo sie ihn brutal misshandelt hätten. Sie hätten ihm das rechte Bein gebrochen und Zigaretten auf seinem Körper ausgedrückt. Durch die beiden Arbeitskollegen hätte die Mutter des Beschwerdeführers von der Entführung erfahren und USD 1.000,- an Lösegeld für die Freilassung des Beschwerdeführers gezahlt. Der Beschwerdeführer habe dann sechs Monate in einem Spital in Kenia verbracht; er könne weder nach Kenia, noch in sein Heimatland zurück. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, von Mitgliedern der Volksgruppe der Ogaden getötet zu werden.
Am 10.03.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die somalische Sprache niederschriftlich zu den Gründen seiner Antragstellung auf internationalen Schutz einvernommen. Der Beschwerdeführer brachte anlässlich jener Einvernahme zusammenfassend (im Detail vgl. Verwaltungsakt, Seiten 53 ff) vor, er sei gesund und habe eine Frau, welche im April 2015 nach Österreich gereist und hier asylberechtigt sei, im Bundesgebiet im gleichen Monat traditionell geheiratet. Seine Frau, mit welcher er nicht zusammenwohne, sei aktuell schwanger. Der Beschwerdeführer habe Kenia im Juni 2014 verlassen, da er von den dortigen Behörden zwangsweise nach Mogadischu abgeschoben worden sei. Dort habe er Angst vor den Clans gehabt und sei nach fünf Tagen ausgereist. In jenen fünf Tagen sei nichts vorgefallen, er habe sich jedoch nicht getraut, hinauszugehen. Der Beschwerdeführer habe in Kenia die Grund- und Hauptschule sowie eine Universität besucht und habe nie Probleme aufgrund seiner Religion oder mit den Behörden seines Herkunftslandes gehabt.
Zum Grund seiner Flucht führte er aus, er habe nach Abschluss der Schule begonnen, für eine Organisation zu arbeiten, welche Leute aus Somalia unterstütze und sei im Jahr 2012 mit zwei weiteren Personen über die Grenze von Kenia nach Somalia ( XXXX ) gefahren. Als der Beschwerdeführer seinen Namen genannt hätte, habe man ihn erkannt. Im Jahr 1995 wäre es zu einem Vorfall gekommen, als sein Vater in Zusammenhang mit einem Grundstücksstreit ermordet worden wäre. Der Beschwerdeführer sei nun gefragt worden, ob er jenes Grundstück zurück haben wolle. Der Beschwerdeführer hätte erklärt, dass er dies nicht wollte und für die erwähnte Organisation arbeiten würde. Sie hätten ihn dennoch festgenommen und in einen Wald in der Nähe von XXXX gebracht. Dort hätten sie ihn geschlagen und ihm das Bein gebrochen. Sie hätten Zigaretten auf ihm ausgedämpft und ihm die Hände zusammengebunden. Seine beiden Kollegen hätten alles seiner Mutter erzählt, welche daraufhin nach XXXX gekommen wäre und erfahren hätte, dass es sich um den gleichen Clan handle, der seinen Vater umgebracht hätte. Die Mutter sei zu den Ältesten des Clans gegangen und hätte gesagt, dass der Beschwerdeführer nicht wegen des Grundstücks hier sei. Sie hätte versprechen müssen, dass der Beschwerdeführer nie wieder nach XXXX kommen würde, zudem habe sie USD 1.000,- gezahlt. Nach fünf Tagen hätten sie den Beschwerdeführer freigelassen. Der Beschwerdeführer habe sich dann für sechs Monate in einem Krankenhaus in Kenia befunden. In Mogadischu habe er Angst gehabt, da dieser Clan auch in Mogadischu lebe. Die Leute würden wissen, dass er der Einzige sei, der das Land zurückverlangen könnte. Außer dem geschilderten Problem und seiner Minderheitenangehörigkeit habe er keine Befürchtungen bezüglich seines Heimatlandes.
Vorgelegt wurden Unterlagen hinsichtlich erfolgter Integrationsbemühungen sowie der traditionellen Eheschließung des Beschwerdeführers.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 06.04.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers in Spruchpunkt I. bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab, erkannte diesem in Spruchpunkt II. gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm in Spruchpunkt III. gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung.
Die Behörde stellte in der Entscheidungsbegründung zunächst die Staatsangehörigkeit und Volksgruppezugehörigkeit, nicht jedoch die präzise Identität des Beschwerdeführers fest und ging desweiteren davon aus, dass der Beschwerdeführer Mogadischu aus wirtschaftlichen Gründen verlassen hätte. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe hätten sich in einem von Mogadischu rund 600 Kilometer entfernten Gebiet zugetragen. Der Beschwerdeführer sei in Somalia eigenen Angaben zufolge keinen Problemen mit den dortigen Behörden ausgesetzt gewesen und habe sich nie politisch betätigt. Dass dieser bei einer Rückkehr nach Somalia einer asylrelevanten Gefahr in Zusammenhang mit seiner Clanzugehörigkeit ausgesetzt sein würde, habe nicht festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer habe eine Verfolgung durch eine einem Sub-Clan der Ogaden zugehörende Privatperson geschildert, eine Verfolgung durch den gesamten Clan der Ogaden ergebe sich aus seinen Ausführungen jedoch nicht. Da sich jene Person bzw. Personengruppe jedoch 600 Kilometer entfernt von Mogadischu aufhielte und in Mogadischu keinen Einfluss oder Macht besitze, könne eine landesweite Verfolgung ausgeschlossen werden. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung sei laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unzureichend. Eine Asylgewährung alleine aufgrund der Clanzugehörigkeit sei ausgeschlossen, da es in Mogadischu keine Clanmilizen und keine Clangewalt gebe. Die Sicherheitslage für Angehörige kleiner Clans und ethnischer Minderheiten habe sich wesentlich gebessert. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers seien keine gegen ihn persönlich gerichteten asylrelevanten Verfolgungshandlungen zu entnehmen gewesen.
Das Bundesamt gelange jedoch zur Ansicht, dass für den Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Mogadischu die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung bestünde, zumal er dort über kein soziales Netz verfüge, welches für einen Wiedereinstieg vonnöten wäre. Dem Beschwerdeführer sei daher ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht als subsidiär Schutzberechtigter zu gewähren gewesen.
3. Gegen Spruchpunkt I. des dargestellten Bescheides richtet sich die durch die nunmehr bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation am 04.03.2017 fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in welcher begründend ausgeführt wurde, der Beschwerdeführer befürchte, im Falle seiner Rückkehr nach Somalia aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Clan der Barre von Mitgliedern des Clans der Ogaden getötet zu werden, ohne in Bezug auf jene Gefährdung mit Schutz durch die Behörden Somalias rechnen zu können. Zudem habe die Behörde Ermittlungen zur Clanzugehörigkeit des Beschwerdeführers unterlassen.
4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 16.05.2017 mitsamt dem bezughabenden Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
5. Am 11.10.2019 langte eine verfahrensleitende Anordnung des VwGH beim BVwG ein mit der Aufforderung, binnen drei Monaten in der Angelegenheit zu entscheiden.
6. Am 05.11.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts in Anwesenheit eines Dolmetschers für die somalische Sprache und in Anwesenheit der beschwerdeführenden Partei sowie deren Rechtsvertreters eine mündliche Verhandlung durch. Das Bundesamt war ordnungsgemäß geladen worden, hatte jedoch bereits im Vorfeld schriftlich mitgeteilt, auf eine Teilnahme an der Beschwerdeverhandlung zu verzichten.
Die gegenständlich relevanten Teile der Verhandlung gestalteten sich wie folgt:
"R: Möchten Sie hinsichtlich Ihres bisherigen Vorbringens Änderungen oder Korrekturen durchführen? Wurden Sie bis jetzt korrekt behandelt?
BFV: Im Rahmen der Vorbereitung habe ich gemeinsam mit dem BF festgestellt, dass es nur einen Fehler gab in seinem Einvernahmeprotokoll. Auf Seite 8 des Bescheides, die Grundschule hat er von 2001 bis 2008 besucht und nicht bis 2009.
BF: Meine Aussagen waren ansonsten vollständig und korrekt, ebenso korrekt war die Behandlung durch die Beamten.
Nachgefragt gebe ich an, dass die Einvernahmen mir rückübersetzt wurden und ich habe keine Fehler gefunden.
R: Können Sie mir einen kurzen Lebenslauf schildern?
BF: Ich heiße (...), ich bin in der Stadt XXXX geboren am XXXX . Im Jahr 1995 wurde mein Vater getötet und dann sind wir nach Äthiopien geflüchtet. Bis zum Jahre 1999 haben wir in Äthiopien gelebt. Ein Mehrheitsclan hat meinen Vater umgebracht. Sie wollten uns unser Grundstück wegnehmen. Der Täter heißt XXXX . Es handelte sich um ein Feld. Es war ein großes Feld, es gehörte der ganzen Familie des Großvaters. Ich war noch klein, ich habe es nicht wahrgenommen, aber es wurde mir später erzählt. Wie groß genau kann ich nicht sagen, aber es wurde so beschrieben, dass drei Familien drauf leben könnten. Es hat viel Geld gebracht, man konnte gut leben. Im Vergleich zu den anderen Dorfbewohnern, war mein Großvater wohlhabend, es handelte sich aber nicht um einen Großgrundbesitz. Nur wir wurden enteignet, alle übrigen Einwohner gehörten einem anderen Clan an. Mein Clan heißt Barre Hassan und der andere Clan heißt Mohammed Subeer, dies ist ein Sub-Clan der Ogaden. Unser Clan, hat man uns gesagt, stammt von Isaak. Von 1995 bis 1999 haben wir in Äthiopien gelebt. Wir sind dorthin geflüchtet und ich habe dort keine Schule besucht, wir waren nur Flüchtlinge. Im Jahr 2000 sind wir nach Kenia gegangen, auch als Flüchtlinge. Dort habe ich dann begonnen die Schule zu besuchen. Meine Mutter ist Händlerin geworden. Sie hatte das Gemüse dorthin gebracht, dort wo wir gelebt haben und die anderen kleinen Händler haben das Gemüse dann von ihr gekauft. Die Grundschule dort habe ich von 2001 bis 2008 besucht. Und von 2009 bis 2012 habe ich das Gymnasium besucht. Dann im Jahr 2013 habe ich begonnen die Uni in XXXX zu besuchen. Dort habe ich Journalismus studiert.
Nachgefragt gebe ich an, dass ich Vorlesungen in den Gegenständen Hörfunk, Zeitungen und Public Relation besucht habe.
Der kenianische Staat hat ab dem Ende des Jahrs 2013 begonnen, die Somalier abzuschieben. Ich wurde am 10.06.2014 nach Somalia abgeschoben.
R: Hat sich vor dem 10.06.2014 ein Fluchtauslösendes Ereignis zugetragen?
BF: Nein, bis zum 10.06.2014 es ist nichts passiert. Ich habe in den Monaten davor aber jeden Tag woanders geschlafen, damit ich mich vor den kenianischen Behörden verstecke.
R: Ich frage Sie nochmals, Ihr Leben war also vor dem 10.06.2014 völlig normal? D.h. es gab keine Form von Verfolgung?
BF: Es war nicht normal. Ca. 1 oder 2 Wochen davor wurden wir festgenommen und in ein Fußballstadion festgehalten durch die kenianischen Behörden. Am 10.06.2014 wurde ich nach Somalia abgeschoben.
R: Was passierte dann?
BF: Ich wurde nach Mogadischu abgeschoben. Im Jahr 2012 sind wir nach XXXX gegangen.
R: Warum erwähnen Sie jetzt einen Vorgang aus 2012, wenn Sie mir vorher auf zweifache Nachfrage gesagt haben, dass sich vor dem 10.06.2014 nichts Fluchtauslösendes ereignet hat?
BF: Ich wollte das erzählen, bereits, als ich meine Schulbesuchszeit erwähnt habe, aber ich habe es vergessen. Ich bin jetzt darauf gekommen. Wenn ich gefragt werde, warum ich das nicht vorher erwähnt habe, gebe ich an, dass ich gedacht habe, dass Sie die Zeit meinen, als ich von der Polizei festgenommen wurde. Ob kurz vor der Abschiebung was passiert ist.
R: Was ist also 2012 passiert?
BF: Nachdem ich die Schule abgeschlossen habe, habe ich für XXXX gearbeitet. XXXX ist XXXX . Die XXXX war eine Organisation, die von UNHCR unterstützt wurde. Sie wollten das Volk entwickeln und die Kinder ausbilden. Man hat uns dann nach XXXX geschickt.
R: Was war Ihre konkrete Aufgabe dort?
BF: Ich war für die Bewusstseinsbildung der Kinder zuständig.
Nachgefragt gebe ich an: wir sind zu den Leuten gegangen in der Stadt, zu ihren Siedlungen sind wir gegangen, überall sind wir gegangen und haben darüber gesprochen, wie wichtig es ist, die Kinder auszubilden. Wir sind dort hingegangen, wo sich Leute aufhalten (Kaffeehäuser etc.) und haben mit den Leuten gesprochen. Dies wäre mein Auftrag gewesen, aber das Problem entstand, bevor wir das tun konnten. Wir sind an der Grenze vorbeigegangen. Mit wir meine ich, mich und zwei weitere Personen. Fünf Minuten nach dem Grenzübertritt haben uns fünf bewaffnete Männer angehalten. Sie haben uns aufgefordert aus dem Auto auszusteigen. Wir stiegen aus und man fragte uns, wer wir seien. Sie haben uns nach unseren Namen und unseren Clanzugehörigkeiten gefragt. Nachdem ich meinen Namen und meine Clanzugehörigkeit gesagt habe, hat mich einer der Männer erkannt.
R: Wie hätte er sie erkennen sollen? Sie waren 3 Jahre alt, als Sie das Land verlassen haben.
BF: Weil ich meinen vollständigen Namen und meine Clanzugehörigkeit erwähnt habe. So erkennen sich die Somalier. Er hat erkannt, dass ich aus dieser Familie stamme, die man damals enteignet hat.
Nachgefragt gebe ich an: ich habe meinen Namen " XXXX " genannt. Der Mann hat mir gesagt, dass ich aus dieser Familie stamme und fragte mich, ob ich jetzt gekommen wäre das Feld zurückzufordern. Ich sagte, dass ich nicht deshalb zurückgekommen bin. Ich bin gekommen, um diesen Auftrag zu erfüllen, wie alle anderen auch. Dann haben die Männer gesagt, dass das nicht plausibel ist, was ich sagte. Sie sagten, dass sie mich mitnehmen werden und mich zu ihr Camp bringen werden. Sie haben mich zu ihr Camp gebracht. Sie haben miteinander gesprochen, sie sagten, sie haben meinen Vater umgebracht und ich bin zurückgekommen, um das Feld zurückzubekommen. Sie haben meine Hände nach hinten gebunden. Sie haben meine Füße auch gefesselt. Sie haben mich fünf Tage lang dort gefangen gehalten und haben mir Brandwunden mit Zigaretten am Bauch zugefügt. Sie haben mich mit dem Gewehrkolben an die Hüfte geschlagen. Meine rechte Hüfte war gebrochen. 6 Monate war ich deswegen im Spital. Meine Kollegen, die dabei waren, haben meiner Mutter alles erzählt.
R: Wo war dieses Camp?
BF: Das ist ca. 3 Minuten mit dem Auto von XXXX entfernt. Dort gab es Bäume, Gebüsche. Das war kein richtig gebautes Camp. Sie haben ihre Zelte dort gebaut mit Stoffen. Meine Kollegen wurden freigelassen, sie durften gehen, weil sie dem gleichen Mehrheitsclan angehören. Sie haben meine Mutter von dem Vorfall informiert. Meine Mutter ist dann aus Äthiopien nach XXXX gekommen.
R: Warum war Ihre Mutter in Äthiopien und Sie in Kenia?
BF: Weil im Jahr 2008 ist meine Mutter nach Äthiopien zurückgegangen. Ich bin wegen meiner Ausbildung in Kenia geblieben.
R: Fahren Sie fort.
BF: Meine Mutter ist zu den älteren Männern bzw. zum Mehrheitsclan gegangen. Sie hat die älteren Männer gebeten mich freizulassen. Sie erklärte ihnen, dass ich nicht wegen dem Feld zurückgekommen bin, dass diese Geschichte seit langem für uns erledigt ist. Nachgefragt gebe ich an: meine Mutter hat in Äthiopien auch als Händlerin gearbeitet. Die Älteren sagten, dass sie nichts dagegen machen können. Meine Mutter hat nicht gleich aufgegeben, sie ist immer wieder zu den Männern gegangen. Dann haben sie 1000 USD aufgefordert und sagten, dass meine Mutter versprechen muss, dass ich nicht mehr zurückkomme. Das nächste Mal werde ich getötet. Nachgefragt gebe ich an, dass meine Mutter das Geld von ihrer Arbeit als Händlerin hatte. Das Geld wurde ihr geschickt. Ich wurde dann freigelassen, wurde mit einem Auto nach Kenia gebracht in ein Spital, wo ich 6 Monate verbrachte. Nachgefragt gebe ich an: es war das XXXX . Ich war in der Abteilung für die Leute, die Brüche erlitten haben. Nachgefragt gebe ich an: dort ist es nicht so weit entwickelt, wie in Europa, dass die Abteilungen in den Spitälern verschiedene Namen haben.
R: Wo befindet sich das XXXX Hospital?
BF: Die genaue Adresse weiß ich nicht. Nachgefragt gebe ich an: ich habe vergessen, in welchem Stadtteil das ist. Es ist schon lange her, ca. 4-5 Jahre.
R: Wie schaut denn das Gebäude aus?
BF: Das ist ein großes Gebäude.
R: Können Sie mir das etwas detaillierter beschreiben?
BF: Es war ein sehr großes Spital. Ich war das 1. Mal dort, war krank und kann mich nicht mehr genau daran erinnern. Nachgefragt gebe ich an, dass die Behandlung ungefähr 300.000 kenianische Währung, also ungefähr 4000 Dollar gekostet hat. Zuerst wurde mir eine Metallstange hineingegeben und nach einiger Zeit wurde es entfernt. Mein Bein tut mir manchmal weh, aber es wird immer besser.
R: Waren Sie deswegen in Österreich beim Arzt?
BF: Nein, aber in der Türkei, als ich dort war. Mein Bein tat mir weh und dann bin ich dort zum Arzt gegangen, in Österreich aber nicht.
R: Wie viele Angehörige Ihres Clans leben in Somalia?
BF: Ich schätze ca. 100 Familien. Sie leben in lower und middle
Juubba. Nachgefragt gebe ich an: mein Großvater hatte noch andere männliche Nachkommen. Sie sind nicht mehr in Somalia, sie sind in Afrika, Europa und in Amerika.
R: Haben Sie Verwandte in Mogadischu?
BF: Nein.
R: Was würde Sie daran hindern in lower und middle Jubba zu leben?
BF: Die Ogarden leben dort, vor allem der Subclan Mohamed Subeer.
R: Sie gaben vorher gerade an, dass ca. 100 Familien Ihres Clans dort leben würden. Warum können Sie dann dort nicht leben?
BF: Weil die Leute, die uns enteignet haben, glauben, dass, wenn ich zurückkomme, möchte ich unbedingt unser Feld zurückhaben.
R: Wenn diese Menschen so mächtig sind, warum sollten sie sich dann vor Ihnen fürchten? Was könnten Sie tun, um ihr Land zurückzubekommen?
BF: Wenn das Land sicher wird, dann könnte ich das zurückfordern.
R: Wie viel männliche Nachkommen hat eigentlich Ihr Großvater?
BF: Drei. Nachgefragt gebe ich an: Mein Vater, der getötet wurde und zwei Onkeln, die normal gestorben sind. Ein Onkel hat einen Sohn bekommen und der zweite Onkel hat zwei Söhne. Meine drei Cousins leben in Amerika, Norwegen und in Uganda.
R: Beschreiben Sie mir Ihre letzten Monate in Kenia.
BF: In der Zeit vor Juni 2014 wurde ich von den Behörden festgenommen und in ein Fußballstadion festgehalten.
R: Wann waren Sie im Spital und wann wurden Sie entlassen?
BF: Entlassen wurde ich Juli oder August 2013.
R: Wann war der Vorfall an der kenianisch-somalischer Grenze? War es Sommer oder Winter?
BF: Es gibt dort keine Kälte, aber es war wenig heiß. Das war Ende des Jahres. Nachgefragt gebe ich an, dass es ungefähr im Dezember war. Es ist 6-7 Jahre her.
R: Ich glaube doch, dass ein Vorfall im Zuge dessen man von bewaffneten Milizen entführt wird und dann 5 Tage inhaftiert hat, so eindringlich ist, dass man sich das Datum in Erinnerung behält.
BF: Das stimmt, aber, wenn man noch dazu viele andere Probleme erlebt hat, dann vergisst man einiges.
R: Können Sie irgendwelche Belege über Ihren Krankenhausaufenthalt beibringen?
BF: Ich wurde plötzlich vom Haus, wo ich damals war, festgenommen. Alle meine Sachen habe ich zurückgelassen und wurde nach Mogadischu abgeschoben. Ich durfte keine anderen Sachen mitnehmen, außer das Gewand, das ich angehabt habe.
R: Warum haben Sie dann das Zeugnis über Ihre Schulausbildung mitgenommen?
BF: Mein Zeugnis ist in der Schule geblieben. Ich habe damals nur eine Bestätigung bekommen, mit der ich die Uni besuchen durfte.
R: Wie sind Sie an dieses Zeugnis gekommen, wenn Sie nichts, außer dem Gewand, was sie angehabt haben, mitgenehmen konnten?
BF: Das Zeugnis wurde mir geschickt. Ich habe einen Freund kontaktiert. Mein Freund ist zu meiner Schule in XXXX hingegangen. Ich habe im Jahr 2012 die Schule abgeschlossen. Nachgefragt gebe ich an, mein Freund hat es mir per Post geschickt.
R: Können Sie das nachweisen?
BF: Das Zeugnis ist mit einem Kuvert gekommen. Ich weiß nicht, ob ich das Kuvert noch habe.
R: Wann ist es gekommen?
BF: Anfang dieses Jahres.
R: Warum haben Sie sich das schicken lassen?
BF: Ich wollte mich hier weiterbilden, deshalb.
R: Wann hat die Rückoperation, die Sie vorhin erwähnt haben, stattgefunden?
BF: Im Jahr 2013 im April oder im Mai.
R: Warum waren Sie eigentlich 6 Monate im Krankenhaus? Wurden Sie die ganze Zeit behandelt?
BF: Die Ärzte im Spital sagten mir, dass ich im Spital bleiben musste. Für mich war es schwierig. Ich bin nur auf einer Seite gelegen und konnte mich auf der anderen Seite nicht legen. Sie wollten mich zuerst normal behandeln, aber die normale Therapie hat nicht funktioniert. Danach haben sie mich operiert. Nachgefragt gebe ich an: Manchmal werden die Brüche ohne Metallstützen behandelt.
R: Sind Sie mit einer medizinischen Begutachtung einverstanden?
BF: Ja.
R: Haben Sie Narben von den ausgedrückten Zigaretten?
BF: Ja.
R: Wo haben Sie die?
BF: Am Bauch.
BF zeigt die Narben am Bauch.
R: Können Sie sich vorstellen in Mogadischu zu leben?
BF: Nein, weil die Sicherheitslage in Mogadischu schlecht ist. In Mogadischu leben verschiedene Clans und Subclans. Und die könnten mir feindselig sein.
R: Ist Ihre Mutter wohlhabend?
BF: Ja. Es geht ihr gut.
R: D.h. finanziell wäre es für Sie kein Problem in Mogadischu zu leben, weil Sie Ihre Mutter unterstützen würde?
BF: Nein, meine Mutter hat meine Ausbildung auf die Uni bezahlt. Es hat 500 bis 1000 USD alle 3 Monate gekostet.
R: Außer der Sicherheitslage gibt es keinen Grund für Sie, nicht in Mogadischu zu sein?
BF: Nein, außer der Sicherheitslage gibt es keinen Grund.
R: Auf Ihrer Flucht waren Sie ja einige Zeit in Mogadischu. Wie lange waren Sie in Mogadischu?
BF: 5 Tage.
R: Wo haben Sie in diesen 5 Tagen gelebt?
BF: In einem Hotel versteckt.
R: Wurden Sie in diesen 5 Tagen in irgendeiner Form in Mogadischu attackiert?
BF: Ich habe das Hotel nicht verlassen. Ich hatte Angst attackiert zu werden.
R: Wer hat die Angelegenheiten für Sie in Mogadischu erledigt?
BF: Meine Mutter hatte eine Person kontaktiert und diese hat alles für mich erledigt.
R: Selbst für den Fall, dass Sie in Ihre Heimatregion tatsächlich nach 17 Jahren noch einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt wären, ist es doch höchstunwahrscheinlich, dass in einer Millionenstadt, wie Mogadischu, aufgrund Ihrer Geschichte in Ihrem Heimatdorf verfolgt werden würden?
BF: In Mogadischu leben 2 Millionen. Die Somalier kennen einander und für sie ist die Clanzugehörigkeit wichtig. Mit der Clanzugehörigkeit wird jemand erkannt.
R: Laut den Länderberichten ist die Clanzugehörigkeit in Mogadischu aber nicht so wichtig.
BF: Doch, sie ist wichtig. Dort leben viele verschiedene Clans. Clankonflikte sind in Mogadischu ausgebrochen.
BFV verweist auf die Gewährung subsidiären Schutzes, welche verlängert wurde. Ich verweise auf das Erkenntnis des VwGH zur Zahl RA2014/18/0011, aus dem zu entnehmen ist, dass eine IFA nicht zu prüfen ist, wenn dem BF bereits subsidiärer Schutz zusteht und der BF hat heute glaubhaft vorgebracht, dass er im Falle einer hypothetischen Rückkehr nach XXXX einer asylrelevanten Verfolgung durch den Clan des Mohamed Subeer ausgesetzt wäre.
R: Gehen Sie gegenwärtig einer Beschäftigung nach?
BF: Ja, ich arbeite bei der Kunststoffindustrie. Heute um 21 Uhr muss ich arbeiten gehen.
Übergeben wird das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation.
Vorgebracht wird, dass der BF zwischenzeitlich Vater zweier Kinder geworden ist und legt die entsprechenden Geburtsurkunden vor.
Weiters wird ein Konvolut an Integrationsunterlagen vorgelegt.
R: Sie haben vorher angegeben, dass Ihnen das "Kenia Certificate of Secondary Education" per Post zugeschickt wurde, nachdem es nachträglich ausgestellt wurde. Weiters haben Sie angegeben, dass Sie nur mit dem, was Sie am Leib trugen, Kenia verlassen haben. Woher haben Sie dann das Zeugnis der " XXXX School"?
BF: Das habe ich in meiner Tasche gefunden. Ich hatte eine Weste angehabt und ich hatte mein Schulabschlusszeugnis immer bei mir.
R: Sie wollen mir erklären, wenn Sie durch Kenia spazieren, immer Ihr Abschlusszeugnis mit sich tragen?
BF: Nein, an dem Tag, als mich die Polizei festgenommen hat, hatte ich das Zeugnis in meiner Westentasche. Nachgefragt gebe ich an: ich brauchte es an diesem Tag für die Uni. Das war, bevor das Schulzeugnis ausgestellt wurde. Dort ist es üblich, dass das Zeugnis erst nach einem Jahr nach dem Schulabschluss ausgestellt wird. So ist das System in Kenia, ich weiß nicht warum. Mit dem gelben Zertifikat kann man die Uni besuchen. Man bekommt auch eine andere Bestätigung, worauf die Noten stehen, diese habe ich nicht mit. Das andere Zeugnis, das Ihnen vorliegt, bekommt man erst 1 Jahr später.
R: Wann beginnt das Semester an Ihrer Universität, wo Sie studiert haben?
BF: Im April. Nachgefragt gebe ich an, dass ein Semester 3 Monate hat. Das zweite Semester beginnt im Juni. Das dritte Semester beginnt ungefähr Ende September.
R: Kommen wir noch einmal kurz auf Ihr Studium zu sprechen. Können Sie mir irgendwelche Lehrinhalte mitteilen, die Ihnen an der Universität vermittelt wurden?
BF: Wir lernten, wie man Videoaufzeichnungen macht, wie man Artikel schreibt. Nachgefragt gebe ich an: es ist unterschiedlich. Es gibt Artikel, die man für die Zeitung eigentlich schreibt. Andere Artikel schreibt man, um selbst vorzulesen. Zuerst lernt man das Journalismus allgemein. Danach spezialisiert man sich für ein Fach.
R: Können Sie mir etwas Konkretes sagen, was Sie dort gelernt haben?
BF: Public Relation, Broad Casting. Der Gegenstand z.B. war Reporting, da habe ich gelernt, wie man Videos aufzeichnet.
R: Eine Frage zum Spital in XXXX . In welchem Stock sind Sie dort gelegen?
BF: Im zweiten Stock (Erdgeschoss nicht mitgezählt).
R: Wie hießen die behandelten Ärzte?
BF: Jedes Mal ist ein anderer Arzt gekommen.
R: Wer hat Sie operiert?
BF: Das weiß ich nicht. Das wurde nicht erwähnt, welcher Arzt genau mich operiert hat. Man hat mir nur mitgeteilt, dass ich operiert werde.
R: Wie hieß die Abteilung, in der Sie gelegen sind?
BF: Die Abteilung, die für die Knochenbrüche zuständig ist.
R an D: Gibt es im Somalischen einen Ausdruck, wie Abteilung für Knochen?
D: Ja, das gibt es.
R an BFV: Möchten Sie eine Stellungnahme zum LIB abgeben, das Ihnen übergeben wurde?
BFV: Nein, ich verzichte auf eine Stellungnahme.
R an BFV: Möchten Sie noch etwas hinzufügen?
BFV: Ich verweise auf die Beschwerde.
R an BF: Möchten Sie noch etwas angeben?
BF: Nein. (...)"
7. Aus einem seitens des Bundesverwaltungsgerichts in Auftrag gegebenen Sachverständigen-Gutachtens eines habilitierten Facharztes für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie vom 25.11.2019 ergibt sich, dass die Narben nach Misshandlung mit Zigaretten und die noch schwach sichtbare, ehemalige Fissurlinie für den Wahrheitsgehalt der vom Beschwerdeführer geschilderten Ereignisse sprechen würden, was auch die Angabe einer konservativen Behandlung dieser "nicht verschobenen Schenkelhalsfraktur" mit einer Orthose und adäquater Physiotherapie in dem offenbar modern ausgestatteten Spital in XXXX erhärte. Der Sachverständige schlussfolgerte, dass "der Kausalzusammenhang mit dem Unfall/Misshandlungen von 2012 zu 100% gegeben" sei. Dieser sei medizinisch denk- und nachvollziehbar.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Aufgrund des Antrags auf internationalen Schutz vom 28.10.2015, der Einvernahmen der beschwerdeführenden Partei durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.04.2017, der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt, der Einsichtnahmen in das zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister sowie auf Grundlage der vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung am 05.11.2019, werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Zur beschwerdeführenden Partei und den vorgebrachten Fluchtgründen:
1.1.1. Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger Somalias, gehört seinen Angaben zufolge dem Clan der "Barre Hassan", einer Untergruppe der Isaak, an und bekennt sich zum moslemischen Glauben. Er stellte am 28.10.2015 infolge illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Der Beschwerdeführer wurde in XXXX in der Region Jubbada Hoose geboren und lebte dort bis zum Alter von etwa drei Jahren gemeinsam mit seiner Familie. Nachdem sein Vater im Zuge der Enteignung des Grundstücks der Familie durch Angehörige eines in der Region höher gestellten Clans getötet worden war, flüchteten der Beschwerdeführer und seine Angehörigen nach Äthiopien, wo sie bis zum Jahr 1999 lebten. Anschließend übersiedelten sie nach Kenia, wo der Beschwerdeführer die Schule und eine Universität besuchte und bis zur Ausreise Richtung Europa im Juni 2014 seinen Wohnsitz gehabt hat.
1.1.2. Der Beschwerdeführer hat im Kern glaubhaft vorgebracht, eine Rückkehr in seine Herkunftsregion XXXX zu fürchten, da er im Jahr 2012 im Zuge einer beruflichen Reise nach Somalia kurz nach dem Grenzübertritt im Bereich seiner Herkunftsregion durch bewaffnete Männer angehalten und zur Bekanntgabe seines Namens und seiner Volksgruppe aufgefordert wurde; dabei erkannte einer der Männer den Beschwerdeführer als Angehörigen jener Familie, von welcher die Angehörigen des Mehrheitsclans im Jahr 1995 das Grundstück enteignet hatten, woraufhin die Männer den Beschwerdeführer festnahmen, ihn in ihr Lager in einem Waldstück brachten und ihn dort schwer misshandelten. Diesem wurde insbesondere durch den Schlag mit einem Gewehrkolben ein Bruch des Oberschenkels zugefügt, zudem wurden Zigaretten an seinem Körper ausgedrückt. Nach fünf Tagen gelang es der Mutter des Beschwerdeführers, diesen nach Verhandlung mit den im Herkunftsort ansässigen Ältesten des Clans und der Zahlung eines Lösegelds aus der Gefangenschaft freizukaufen. Es wurde dabei die Drohung ausgesprochen, dass sie den Beschwerdeführer töten würden, sollte er nochmals nach XXXX zurückkommen. Der Beschwerdeführer befand sich in der Folge in mehrmonatiger stationärer Behandlung in einer Krankenanstalt in Kenia.
Nachdem der Beschwerdeführer im Juni 2014 von Kenia nach Mogadischu abgeschoben worden war, entschloss er sich zur Ausreise Richtung Europa, welche er im gleichen Monat antrat.
Festgestellt wird, dass dem Beschwerdeführer in seiner Herkunftsregion mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität von privater Seite aufgrund seiner Familienzugehörigkeit droht, gegenüber welcher die staatlichen Behörden Somalias keinen effektiven Schutz bieten können. Ebensowenig verfügt er in seinem Herkunftsort über ein familiäres oder Clan-Netz, welches ihm in Bezug auf die vorgebrachte Bedrohung durch Angehörige eines in der Heimatregion vorherrschenden Clans Schutz bieten könnten.
1.1.3. Dem Beschwerdeführer wurde mit den unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Spruchpunkten II. und III. des angefochtenen Bescheides der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, wobei die Behörde in der Entscheidungsbegründung festgehalten hat, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Mogadischu für ihn mit einer realen Gefahr einer unmenschlichen Behandlung einhergehen würde.
1.1.4. Die beschwerdeführende Partei ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia werden die Folgenden Feststellungen getroffen:
Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten
Die Sicherheitslage bleibt instabil und unvorhersagbar (AMISOM 7.8.2019, S.2). Zwar ist es im Jahr 2018 im Vergleich zu 2017 zu weniger sicherheitsrelevanten Zwischenfällen und auch zu einer geringeren Zahl an Todesopfern gekommen, doch ist die Sicherheitslage weiterhin schlecht. Sie ist vom bewaffneten Konflikt zwischen AMISOM (African Union Mission in Somalia), somalischer Armee und alliierten Kräften auf der einen und al Shabaab auf der anderen Seite geprägt. Zusätzlich kommt es in ländlichen Gebieten zu Luftschlägen (NLMBZ 3.2019, S.17). Weiterhin führt der Konflikt unter Beteiligung der genannten Parteien zu zivilen Todesopfern, Verletzten und Vertriebenen (USDOS 13.3.2019, S.1). Wer sich in Somalia aufhält, muss sich der Gefährdung durch Terroranschläge, Kampfhandlungen, Piraterie sowie kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein (AA 17.9.2019). Auch der Konflikt um Ressourcen (Land, Wasser etc.) führt regelmäßig zu Gewalt (BS 2018, S.31).
Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017, S.21; vgl. BMLV 3.9.2019).
Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden - etwa Dhusamareb oder Guri Ceel. In Puntland gilt dies für größere Gebiete, darunter Garoowe (BFA 8.2017, S.21/91f; vgl. BMLV 3.9.2019).
Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2019). Auch das Maß an Kontrolle über bzw. Einfluss auf einzelne Gebiete variiert. Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, ist die Situation in Puntland und - in noch stärkerem Ausmaß - in Süd-/Zentralsomalia komplexer. In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben; oder die von niemandem kontrolliert werden; oder deren Situation unklar ist (LIFOS 9.4.2019, S.6).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (17.9.2019): Somalia - Reise- und Sicherheitshinweise - Reisewarnung, URL, Zugriff 17.9.2019
-
ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2019): Africa (Data through 19 January 2019), URL, Zugriff 23.1.2019
-
AMISOM (7.8.2019): Progress Report of the Chairperson of the Commission on the situation in Somalia/AMISOM, URL, Zugriff 22.8.2019
-
BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Somalia Country Report, URL, Zugriff 19.3.2019
-
BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, URL, Zugriff 31.5.2019
-
LIFOS - Lifos/Migrationsverket (Schweden) (9.4.2019): Somalia - Folkbokförning, medborgarskap och identitetshandlngar, URL, Zugriff 8.5.2019
-
NLMBZ - Ministerie von Buitenlandse Zaken (Niederlande) (3.2019):
Country of Origin Information Report on South and Central Somalia (nicht veröffentlichte englische Version), niederländische Version auf URL, 18.6.2019
-
USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Somalia, URL, Zugriff 18.3.2019
Süd-/Zentralsomalia
Die Sicherheitslage bleibt volatil (UNSC 15.8.2019, Abs.13; vgl. AA 17.9.2019). Al Shabaab bleibt auch weiterhin die größte Quelle von Unsicherheit in Somalia (SRSG 3.1.2019, S.3; vgl. SEMG 9.11.2018, S.4; UNSC 21.12.2018, S.3).
Al Shabaab führt nach wie vor eine effektive Rebellion (LWJ 8.1.2019). Al Shabaab hat sich ihre operative Stärke und ihre Fähigkeiten bewahrt (UNSC 21.12.2018, S.3; vgl. NLMBZ 3.2019, S.20), führt weiterhin Angriffe auf Regierungseinrichtungen, Behördenmitarbeiter, Sicherheitskräfte, internationale Partner und öffentliche Plätze - z.B. Restaurants und Hotels - durch (UNSC 15.8.2019, Abs.13; vgl. AA 17.9.2019).
Dabei hat sich die Gruppe in erster Linie auf die Durchführung von Sprengstoffanschlägen und gezielten Attentaten verlegt (SRSG 3.1.2019, S.3) und kann sowohl gegen harte (militärische) als auch weiche Ziele vorgehen (NLMBZ 3.2019, S.10). Al Shabaab bleibt zudem weiterhin in der Lage, komplexe asymmetrische Angriffe durchzuführen (SEMG 9.11.2018, S.4). Neben Angriffen auf militärische Einrichtungen und strategischen Selbstmordanschlägen auf Regierungsgebäude und städtische Gebiete wendet al Shabaab auch Mörser- und Handgranatenangriffe an, legt Hinterhalte und führt gezielte Attentate durch (NLMBZ 3.2019, S.10). Al Shabaab verfügt auch weiterhin über Kapazitäten, um konventionelle Angriffe und größere Attentate (u.a. Selbstmordanschläge, Mörserangriffe) durchzuführen (LWJ 15.10.2018). Al Shabaab ist auch in der Lage, fallweise konventionelle Angriffe gegen somalische Kräfte und AMISOM durchzuführen, z.B. am 1.4.2018 gegen sogenannte Forward Operational Bases der AMISOM in Buulo Mareer, Golweyn und Qoryooley (Lower Shabelle) (SEMG 9.11.2018, S.22). Nach anderen Angaben kann al Shabaab keine konventionellen Angriffe mehr durchführen. Die Gruppe hat sich v.a. auf Sprengstoffanschläge und gezielte Attentate verlegt (SRSG 3.1.2019, S.3).
Im März und April 2019 kam es zu einem signifikanten Anstieg an Angriffen in Mogadischu. Es kommt weiterhin zu Anschlägen mit improvisierten Sprengsätzen, Mörserangriffen und gezielten Attentaten. Alleine im März 2019 wurden 77 Anschläge mit Sprengsätzen verzeichnet - die höchste Zahl seit 2016. Der Großteil dieser Anschläge betraf Mogadischu, Lower Shabelle, Lower Juba und Gedo (UNSC 15.5.2019, Abs.12f). Ähnliches gilt für den Monat Ramadan (5.5.-3.6.); danach ging die Zahl an Vorfällen zurück (UNSC 15.8.2019, Abs.14). Von Gewalt durch al Shabaab am meisten betroffen sind Mogadischu, Lower und Middle Shabelle; Jubaland, Bay und Hiiraan sind zu einem geringeren Ausmaß betroffen (UNSC 21.12.2018, S.4).
Al Shabaab hat auch die Angriffe mit Mörsern verstärkt. Dabei ist eine zunehmende Treffsicherheit zu verzeichnen. Außerdem führt die Gruppe weiterhin (sporadisch) komplexe Angriffe durch (UNSC 15.5.2019, Abs.14f).
Kampfhandlungen: In Teilen Süd-/Zentralsomalias (südlich von Puntland) kommt es zu örtlich begrenzten Kampfhandlungen zwischen somalischen Sicherheitskräften/Milizen bzw. AMISOM (African Union Mission in Somalia) und al Shabaab (AA 4.3.2019, S.16; vgl. AA 17.9.2019). Die Gruppe führt täglich kleinere Angriffe auf AMISOM, Armee und Regierung durch, alle paar Wochen kommt es zu einem größeren Angriff (BS 2018, S.7). Dies betrifft insbesondere die Regionen Lower Juba, Gedo, Bay, Bakool sowie Lower und Middle Shabelle. Die Region Middle Juba steht in weiten Teilen unter Kontrolle von al Shabaab (AA 4.3.2019, S.16). Zivilisten sind insbesondere in Frontbereichen, wo Gebietswechsel vollzogen werden, einem Risiko von Racheaktionen durch al Shabaab oder aber von Regierungskräften ausgesetzt (LIFOS 3.7.2019, S.22). Die Bezirke Merka, Qoryooley und Afgooye sind nach wie vor stark von Gewalt betroffen, das Gebiet zwischen diesen Städten liegt im Fokus von al Shabaab (ME 27.6.2019). In Süd-/Zentralsomalia bleibt al Shabaab auch für Stützpunkte von Armee und AMISOM eine Bedrohung. Sie behält die Fähigkeit, selbst in schwer befestigte Anlagen in Mogadischu einzudringen (LWJ 3.9.2018).
Ferner kommt es immer wieder auch zu Auseinandersetzungen somalischer Milizen untereinander (AA 17.9.2019). Auch somalische und regionale Sicherheitskräfte töteten Zivilisten und begingen sexuelle Gewalttaten - v.a. in und um die Region Lower Shabelle (USDOS 13.3.2019, S.11). Zusätzlich wird die Sicherheitslage durch die große Anzahl lokaler und sogar föderaler Milizen verkompliziert (BS 2018, S.8). Es gibt immer wieder bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Milizen einzelner Sub-Clans bzw. religiöser Gruppierungen wie Ahlu Sunna Wal Jama'a (AA 4.3.2019, S.16; vgl. HRW 17.1.2019). Seit dem Jahr 1991 gibt es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden (AA 4.3.2019, S.16).
Bei Kampfhandlungen gegen al Shabaab, aber auch zwischen Clans oder Sicherheitskräften kommt es zur Vertreibung, Verletzung oder Tötung von Zivilisten (HRW 17.1.2019).
Gebietskontrolle: Die Gebiete Süd-/Zentralsomalias sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen. Allerdings ist die Kontrolle der somalischen Bundesregierung im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkt; die Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete liegt bei den Regierungen der Bundesstaaten, welche der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen (AA 4.3.2019, S.5). Die Regierung war nicht immer in der Lage, gewonnene Gebiete abzusichern, manche wurden von al Shabaab wieder übernommen (BS 2018, S.7). Mittlerweile wird zumindest versucht, nach der Einnahme neuer Ortschaften rasch eine Zivilverwaltung einzusetzen, wie im Zuge der Operation Badbaado 2019 in Lower Shabelle zu erkennen war. Trotzdem beherrschen die neu errichteten Bundesstaaten nicht viel mehr als die größeren Städte. Der effektive Einfluss von AMISOM und den somalischen Verbündeten bleibt meist auf das jeweilige Stadtgebiet konzentriert. Teils kommt es zu weiteren (militärischen) Exkursionen (ME 27.6.2019). Die meisten von Regierung/AMISOM gehaltenen Städte sind aber Inseln im Gebiet der al Shabaab (LI 21.5.2019a, S.3; vgl. BFA 8.2017, S.26). AMISOM muss an vielen Einsatzorten von UNSOS aus der Luft oder über See versorgt werden, da Überlandrouten nur eingeschränkt nutzbar sind (UNSC 21.12.2018, S.9).
In einigen Städten ist es in jüngerer Vergangenheit zu Verbesserungen gekommen. Dies gilt mehrheitlich auch für Mogadischu (ME 27.6.2019). Eine Infiltration von unter Kontrolle der Regierung stehenden Städten mittels größerer Kampfverbände von al Shabaab kommt nur in seltenen Fällen vor. Bisher wurden solche Penetrationen innert Stunden durch AMISOM und somalische Verbündete beendet. Eine Infiltration der Städte durch verdeckte Akteure von al Shabaab kommt in manchen Städten vor (BFA 8.2017, S.26; vgl. BMLV 3.9.2019). Andererseits führen ausstehende Soldzahlungen zu Meutereien bzw. zur Aufgabe gewonnener Gebiete durch Teile der Armee (z.B. in Middle Shabelle im März 2019) (BAMF 1.4.2019).
Al Shabaab kontrolliert große Teile des ländlichen Raumes in Süd-/Zentralsomalia und bedroht dort die Städte (LWJ 8.1.2019). Außerdem kontrolliert al Shabaab wichtige Versorgungsrouten und hält gegen Städte unter Regierungskontrolle Blockaden aufrecht (HRW 17.1.2019).
AMISOM/Operationen: Die Truppensteller von AMISOM glauben nicht daran, dass Regierungskräfte über die notwendigen Kapazitäten verfügen, um wichtige Sicherheitsaufgaben zu übernehmen (HRW 17.1.2019). Die Regierung ist selbst bei der Sicherheit von Schlüssel-Einrichtungen auf AMISOM angewiesen (BS 2018, S.7). Vor desaströsen Auswirkungen eines voreiligen Abzugs von AMISOM wird gewarnt (SRSG 13.9.2018, S.5). Bereits ein Teilabzug im Rahmen einer "Rekonfiguration" könnte zur Aufgabe sogenannter Forward Operating Bases (FOBs) führen (UNSC 15.5.2019, Abs.72). Die Kräfte von AMISOM sind ohnehin überdehnt (ME 27.6.2019), und schon in den Jahren 2016 und 2017 fielen manche Städte aufgrund des Abzugs von AMISOM zurück an al Shabaab (LI 21.5.2019a, S.1). Auch im Rahmen der Truppenreduzierung im Jahr 2019 hat AMISOM FOBs räumen müssen - etwa Faafax Dhuun (Gedo); andere wurden an die somalische Armee übergeben (ME 14.3.2019).
Nach 2015 hat AMISOM keine großen Offensiven gegen die al Shabaab mehr geführt (ISS 28.2.2019; vgl. SEMG 9.11.2018, S.22), der Konflikt befindet sich in einer Art "Warteschleife" (ICG 27.6.2019, S.1). Im aktuellen Operationsplan von AMISOM sind ausschließlich kleinere offensive Operationen vorgesehen, welche insbesondere der Absicherung relevanter Versorgungsrouten dienen. Tatsächliche Vorstöße auf das Gebiet der al Shabaab sind so gut wie keine vorgesehen. Das heißt, dass AMISOM lediglich auf die Absicherung wesentlicher gesicherter Räume (v.a. Städte) und wichtiger Versorgungsrouten abzielt (ME 14.3.2019). In diesem Sinne ist auch die Operation Badbaado (Lower Shabelle) zu sehen, bei welcher v.a. somalische Truppen herangezogen wurden (ME 27.6.2019). Ein weiteres Zurückdrängen von al Shabaab durch AMISOM kann auf dieser Grundlage nicht erwartet werden (ME 14.3.2019).
Islamischer Staat (IS): Neben al Shabaab existieren in Süd-/Zentralsomalia auch kleinere Zellen des sog. IS (LWJ 16.11.2018). Deren Aktivitäten haben sich ausgedehnt, der IS verübt Mordanschläge in - v.a. - Mogadischu, Afgooye und Baidoa (SEMG 9.11.2018, S.4/28f; vgl. LWJ 4.1.2019; NLMBZ 3.2019, S.15). Dort verfügt der IS über ein Netzwerk. Unklar bleibt, ob dieses mit der IS-Fraktion in Puntland in Kontakt steht (SEMG 9.11.2018, S.4/28f; vgl. NLMBZ 3.2019, S.16). Insgesamt hat sich der IS im Zeitraum Oktober 2017 bis August 2018 zu 50 Attentaten bekannt, tatsächlich konnten nur 13 verifiziert werden (SEMG 9.11.2018, S.4/28f). Die Fähigkeiten des IS in und um Mogadischu sind auf gezielte Attentate beschränkt (UNSC 21.12.2018, S.3).
Zivile Opfer: Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur durch al Shabaab führten 2018 zu hunderten zivilen Todesopfern und Verletzten (HRW 17.1.2019). Allerdings sind Zivilisten nicht das Primärziel (NLMBZ 3.2019, S.12; vgl. LWJ 9.11.2018), wiewohl sie als Kollateralschaden in Kauf genommen werden (NLMBZ 3.2019, S.12; vgl. LI 28.6.2019, S.8). So wurde z.B. als Grund für einen Angriff auf das Sahafi Hotel in Mogadischu am 9.11.2018 von al Shabaab angegeben, dass do