Entscheidungsdatum
23.12.2019Norm
AuslBG §12bSpruch
W178 2224188-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Drin Maria PARZER als Vorsitzende und Herr Dr. Johannes PFLUG und Herrn Dr. Peter SCHNÖLLER als fachkundige Laienrichter über die Beschwerde der Frau XXXX , StA Iran, vertreten durch Schwarz Schönherr RAe GmbH, gegen den Bescheid des AMS, Wien Esteplatz vom 02.07.2019, Zl. 08114/ GF:3986061, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben. Das Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz hat der nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zuständigen Behörde unverzüglich schriftlich zu bestätigen, dass Frau XXXX die Voraussetzungen für die Zulassung als sonstige Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 AuslBG iVm § 41 Abs. 2 Z 2 NAG bei der Arbeitgeberin XXXX GmbH erfüllt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (Bf) hat mit Antrag vom 15. März 2019 bei der Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde gemäß § 41 Abs 2 Z 2 NAG bzw. nach § 12b Abs. 1 AuslBG die Zulassung als Schlüsselkraft (Nachhilfelehrerin) begehrt. Als Dienstgeber war die XXXX GmbH vorgesehen.
2. Mit Bescheid vom 2. Juli 2019 wurde-nach Durchführung eines Ersatzkraftverfahrens-der Antrag abgelehnt. Im Wesentlichen wurde zur Begründung angeführt, dass das Unternehmen XXXX GmbH laut Gewerbeberechtigung generell für nicht deutschsprachige Schüler und Studenten ausgerichtet sei; es sei nicht ersichtlich, dass speziell nur eine Person mit Farsi-Kenntnissen eine Beschäftigung ausüben könne. Die Antragstellerin sei informiert worden, dass ein überzogenes Anforderungsprofil vorliege. Es seien Personen abgewiesen worden, die zwar Nachhilfe in Mathematik und Informatik ausüben könnten, aber kein Farsi sprechen.
3. Dagegen wurde seitens der XXXX GmbH Beschwerde erhoben. Zur Begründung wurde angeführt, dass das Geschäftskonzept der der Gesellschaft darin bestünde, Nachhilfe für Schüler und Studenten mit nichtdeutscher Muttersprache in Farsi anzubieten; die einzige Gesellschafterin der Arbeitgeberin wäre Iranerin, lebe seit einigen Jahren in Österreich und kenne viele hier wohnende Iraner. Das Nachhilfeinstitut soll die anfangs noch bestehende Sprachbarriere überbrücken, um die Materie bestmöglich vermitteln zu können. Zielgruppe seien Schüler und Studenten, die am Anfang ihrer Schul-bzw. Universitätslaufbahn stünden. Die entsprechende Nachfrage wäre gegeben. Bei der Forderung im Vermittlungsauftrag nach fließenden Farsi -Kenntnissen handle es sich somit nicht um ein überzogenes Anforderungsprofil, sondern dies wäre für die Realisierung des beabsichtigten Geschäftsmodells erforderlich. Die vom AMS vermittelte Ersatzkraft wäre für das konkrete Geschäftsmodell völlig ungeeignet gewesen. Das AMS habe keinen Bewerber mit fließenden Farsi- Kenntnissen vorgeschlagen. Die Beschwerdeführerin verfüge über die geforderten Qualifikationen.
4. Am 9.12.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt. Frau XXXX als Geschäftsführerin der potentiellen Arbeitgeberin XXXX GmbH wurde einvernommen. Weiters wurde im Auftrag des Gerichts ein Businessplan (Beilage zur Niederschrift) vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Frau XXXX , Staatsangehörigkeit Iran, geboren am XXXX , hat im Iran das Studium der "Angewandten Mathematik" absolviert und das Diplom "Industrial Engineering-System Management & Produktivität" erworben. Sie hat am technischen Institut für Informatik in Teheran von 2004 bis 2011 als IT-Trainerin gearbeitet. Sie verfügt über Englischkenntnisse auf dem Niveau von B1, nachgewiesen durch ein IELTS Zertifikats vom 3.5.2018 (zertifiziertes Institut).
Zwischen der XXXX GmbH, die als Arbeitgeberin (AG) vorgesehen ist und der Bf wurde ein Arbeitsvertrag abgeschlossen, der ein Entgelt von € 3200 brutto für die Tätigkeit als Nachhilfelehrerin in den Fächern Mathematik und Informatik für Farsi sprechende SchülerInnen und StudentIinnen als Tätigkeit vorsieht.
Die Gesellschaft hat ihre Geschäftstätigkeit (Nachhilfeinstitut) konkret noch nicht begonnen, es wurde das Geschäftsmodell entwickelt, der Markt beurteilt und erste Werbemaßnahmen gesetzt. Frau XXXX (Geschäftsführerin der AG) schätzt die mögliche Nachfrage an den speziellen Nachhilfestunden in Farsi so ein, dass ca. 1000 Stunden jährlich nachgefragt werden, die von der Bf geleistet werden sollen. Es ist geplant, den Nachhilfeunterricht bis auf Weiteres in der Wohnung der Schüler/der Studenten durchzuführen; es werden keine eigenen Büroräumlichkeiten angemietet. Die Geschäftsführerin und Gesellschafterin der GmbH verfügt privat über Mittel, die sie bei Liquiditätsproblemen zuschießen kann.
Das Ersatzkraftverfahren wurde mit dem im Akt des AMS aufliegenden Anforderungsprofil, dass zusammen mit der AG erstellt wurde, durchgeführt und es hat sich eine Person gemeldet, die Mathematik als Nachhilfe geben könnte, aber nicht Farsi spricht. Diese wurde von der AG abgelehnt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akt des AMS, insbesondere aus dem Schlusszeugnis des Bachelorstudiums (in deutscher Übersetzung) der islamischen Azad Universität in Teheran, dem Diplom (in deutscher Übersetzung) vom 06.04.2015, ebenfalls der islamischen Azad Universität betreffend den Studiengang "Industrial Engineering-System Management & Produktivität", weiters der Bestätigung (in deutscher Übersetzung) des Direktorat der technischen Berufsausbildung der Provinz XXXX (Iran) vom 16.5.2018 über die Tätigkeit der Bf als IT-Trainerin von 2004 bis 21.01.2012 beim technischen Institut für Informatik und dem Zeugnis über den IELTS Test (International English Language Testing System) des British Council; weiters wurden die Ergebnisse der mündlichen Verhandlung vom 09.12.2019, einschließlich des vorgelegten Businessplans (Beilage zur Niederschrift der mündlichen Verhandlung) herangezogen.
Die in der Beschwerde und im Businessplan herangezogenen Zahlen (Bevölkerungsstatistik der Statistik Austria, AK-Studie zu Nachhilfekosten, Daten zu Migration und Integration der Statistik Austria u.a) sind von öffentlichen Einrichtungen erstellt und allgemein zugänglich. Diese Zahlen werden vom Gericht nicht in Frage gestellt.
Zu beurteilen ist, ob die Schlüsse, die die beteiligte XXXX GmbH aus dem Zahlenmaterial für die Marktchancen eines Nachhilfeinstitutes wie geplant zieht, nachvollziehbar und plausibel sind.
Die Angabe der Geschäftsführerin, im Falle eines Liquiditätsengpasses, Kapital nachzuschießen bzw. dazu in der Lage zu sein, wird im Gesamtzusammenhang der Angaben als glaubhaft eingeschätzt wird. Die Geschäftsführerin kennt auch die iranische Community in Österreich und es ist ihr zuzubilligen, deren Finanzkraft und Bedürfnisse einzuschätzen. In dem Zusammenhang ist auch erwähnenswert, dass die Mutter der Beschwerdeführerin in Teheran ein Nachhilfeinstitut betreibt und Frau XXXX daher die Branche kennt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1 Gesetzliche Grundlagen
Gemäß § 12b Z 1 AuslBG werden Ausländer zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft zugelassen, wenn sie die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage C angeführten Kriterien erreichen und für die beabsichtigte Beschäftigung ein monatliches Bruttoentgelt erhalten, das mindestens 50 vH oder, sofern sie das 30. Lebensjahr überschritten haben, mindestens 60 vH der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, zuzüglich Sonderzahlungen beträgt.
Gemäß § 4 Abs.1 Z. 2 AuslBG ist einem Arbeitgeber auf Antrag eine Beschäftigungsbewilligung für den im Antrag angegebenen Ausländer zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zulässt (Arbeitsmarktprüfung), wichtige öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen und die Gewähr gegeben erscheint, dass der Arbeitgeber die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhält.
Gemäß § 4b Abs 1 AuslBG lässt die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes (§ 4 Abs. 1) die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zu, wenn für die vom beantragten Ausländer zu besetzende offene Stelle weder ein Inländer noch ein am Arbeitsmarkt verfügbarer Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, die beantragte Beschäftigung zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen auszuüben. Unter den verfügbaren Ausländern sind jene mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, EWR-Bürger, Schweizer, türkische Assoziationsarbeitnehmer (§ 4c) und Ausländer mit unbeschränktem Arbeitsmarktzugang (§ 17) zu bevorzugen. Der Prüfung ist das im Antrag auf Beschäftigungsbewilligung angegebene Anforderungsprofil, das in den betrieblichen Notwendigkeiten eine Deckung finden muss, zu Grunde zu legen. Den Nachweis über die zur Ausübung der Beschäftigung erforderliche Ausbildung oder sonstige besondere Qualifikationen hat der Arbeitgeber zu erbringen.
3.2 Es ist unstrittig, auch seitens der belangten Behörde, dass die Bf die erforderliche Mindestpunktanzahl nach der Anlage C erreicht.
3.3 Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid in Frage gestellt, dass das Anforderungsprofil den betrieblichen Notwendigkeiten entspricht. Das Gericht sieht es als gerechtfertigt an, dass Farsi-Kenntnisse gefordert werden, weil die Erteilung von Nachhilfe in der Muttersprache der SchülerInnen und StudentInnen wesentlicher Teil des Geschäftskonzepts ist. Die AG hat daher eine Bewerbung, die durch das AMS vermittelt wurde, zu Recht abgelehnt hat, weil sie dieses Kriterium nicht erfüllte.
Das Ersatzkraftverfahren wurde erfolglos durchgeführt und § 4b AuslBG steht einer Bewilligung nach § 12b Abs 1 AuslBG nicht entgegen.
Die Beschwerdeführerin selbst erfüllt unstrittig die geforderten Kriterien.
3.4 Es ist weites gemäß § 4 Abs 1 Z 2 Abs AuslBG zu prüfen, ob die Gewähr gegeben erscheint, dass der Arbeitgeber die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhält. Es handelt sich dabei um eine Rechtsfrage.
Der Maßstab für die Bewertung ist das "Gegebenerscheinens der Gewähr" nach § 4 Abs 1 Z. 2 AuslG, vgl. VwGH vom 08.09.1987, Zl. 87/09/0141, vgl. Deutsch/Nowotny/Seitz, Ausländerbeschäftigungsgesetz 2, § 4, Rz 20. Das bedeutet, dass keine Umstände vorliegen dürfen, die nach der Überzeugung der Behörde (des Gerichts) die künftige Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften als zweifelhaft erscheinen lassen
Unter Würdigung aller Feststellungen geht das Gericht davon aus, dass sowohl die Einhaltung der arbeitsrechtlichen Vorschriften, insbesondere die Gehaltszahlung, als auch die Meldung zur Sozialversicherung und die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge hinreichend gewährleistet erscheint. Nach den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung am 09.12.2019 bietet die XXXX GmbH, vertreten durch die Geschäftsführerin Frau XXXX , diese Gewähr. Das ergibt sich einerseits aus dem vorgelegten Business-Plan und andererseits aus den dazu gemachten Ergänzungen und Klarstellungen. Die Gesellschafterin und Geschäftsführerin konnte glaubhaft versichern, dass - selbst wenn die wirtschaftliche Entwicklung des Betriebes unter den Erwartungen bleibt - von der Gesellschafterin Kapital nachgeschossen werden kann. Es ist dabei auch nicht außer Acht zu lassen, dass für aushaftende Sozialversicherungsbeiträge im Insolvenzfall eine Haftung der Geschäftsführerin besteht.
Es ist noch darauf hinzuweisen, dass nicht der zu erwartende Erfolg des Nachhilfeinstitutes bei Anstellung von Frau XXXX unter den oben genannten Bedingungen zu beweisen ist, sondern dass das Gericht lediglich prüfen muss, ob die Gewähr für die Einhaltung der genannten Vorschriften gegeben erscheint. Letzteres kann bestätigt werden.
3.5 Andere Gründe, die zu einer Versagung der positiven Stellungnahme führen würden, sind nicht hervorgekommen. Mit dem zugesagten Gehalt von € 3.200,-- ist das Tatbestandselement, dass das Entgelt mindestens 60 % der Höchstbeitragsgrundlage (das sind 2019 € 3.120,--) ausmachen muss, erfüllt.
3.6. Es ist daher festzustellen, dass die Voraussetzungen für eine Rot-Weiß-Rot-Karte gemäß § 12b Z 1 AuslBG vorliegen; die belangte Behörde hat die NAG-Behörde dementsprechend zu verständigen.
Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Ersatzkraft, Punktevergabe, Rot-Weiß-Rot-Karte, VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W178.2224188.1.00Zuletzt aktualisiert am
10.03.2020