Entscheidungsdatum
02.01.2020Norm
AsylG 2005 §35Spruch
W185 2170706-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 21.08.2017, Zl. Damaskus-OB/KONS/1824/2017, aufgrund des Vorlageantrages von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch das Österreichische Rote Kreuz, Landesverband OÖ, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 30.05.2017, beschlossen:
A)
Das Verfahren wird gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG als gegenstandslos eingestellt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Syriens, stellte am 02.05.2016 bei der Österreichischen Botschaft Damaskus (im Folgenden: ÖB Damaskus) unter Anschluss diverser Unterlagen einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005.
Als Bezugsperson wurde der angebliche Ehemann, XXXX , geb. XXXX , angeführt. Der Bezugsperson sei mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vom 25.02.2016 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden.
In der Folge übermittelte die ÖB Damaskus den Einreiseantrag zur weiteren Veranlassung an das Bundesamt.
Das Bundesamt teilte mit Schreiben vom 11.01.2017 gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder eines Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Begründend wurde ausgeführt, dass gemäß § 35 Abs 2 und 3 AsylG ein gemeinsames Familienleben iSd Art 8 EMRK bestanden habe müssen. Es sei anzunehmen, dass kein aufrechtes Familienleben bestanden habe. Näheres ergebe sich aus der beiliegenden Stellungnahme des Bundesamtes.
Mit Schreiben vom 13.01.2017 wurde der Beschwerdeführerin unter Verweis auf die Mitteilung des Bundesamtes vom 11.01.2017 seitens der ÖB Damaskus mitgeteilt, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Es erging die Aufforderung, den angeführten Ablehnungsgrund innerhalb einer Woche ab Zustellung dieses Schreibens durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen (Parteiengehör).
Die Beschwerdeführerin brachte nach gewährter Fristverlängerung am 02.02.2017 eine Stellungnahme ein. Zusammengefasst wurde darin vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin die Ehefrau der genannten Bezugsperson sei. Die Eheschließung habe am 11.12.2014 in Damaskus stattgefunden und habe dann ein gemeinsamer Haushalt bestanden. Die Registrierung der Ehe sei am 03.09.2015 erfolgt. Am 24.01.2015 habe der Gatte der Beschwerdeführer Syrien verlassen müssen. Entgegen der Ansicht der Behörde sei in § 35 AsylG eine Mindestdauer des Bestehens der Ehe nicht festgelegt. Es müsse auch der Zeitraum einer Lebensgemeinschaft vor der Eheschließung berücksichtigt werden. Dieser Zeitraum betrage gegenständlich etwa drei Jahre vor Ausreise der Bezugsperson. Auch sei festzuhalten, dass die nachträgliche Registrierung der Ehe deren Gültigkeit ab Eheschließung keinen Abbruch tue.
Nach Übermittlung der Stellungnahme an das Bundesamt, erstattete dieses am 08.05.2017 eine neuerliche (negative) Wahrscheinlichkeitsprognose. Die Gewährung desselben Status sei derzeit nicht wahrscheinlich, da eine rechtsgültige Ehe nicht habe nachgewiesen werden können. Die Ehe zwischen der Antragstellerin und der Bezugsperson sei keine gültige Ehe, da diese zum Zeitpunkt der Ausreise der Bezugsperson nicht registriert und somit nicht gültig gewesen sei. Zudem würden sich zwischen den Angaben der Bezugsperson und den vorgelegten Dokumenten Widersprüche ergeben.
Mit Bescheid der ÖB Damaskus vom 30.05.2017 wurde der Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 abgewiesen. Dies mit der Begründung, dass das Bundesamt nach Prüfung der Stellungnahme der Beschwerdeführerin an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festgehalten habe.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 28.06.2017 das Rechtsmittel der Beschwerde. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass eine religiös geschlossene und gerichtlich registrierte Ehe nach syrischem Recht Gültigkeit habe. Die Bewilligung seitens des Gerichts erfolge rückwirkend, sodass die Ehe ab religiöser Schließung als gültig anzusehen sei. Beim Formalakt der Registrierung sei eine Stellvertretung möglich. Zum Zeitpunkt der (religiösen) Eheschließung seien beide Eheleute anwesend gewesen, sodass nicht von einer ordre public-Widrigkeit auszugehen sei. Es liege somit gegenständlich eine nach syrischem Recht gültige Ehe vor, welche bereits vor der Ausreise der Bezugsperson bestanden habe. Es sei nicht nachvollziehbar, worin das Bundesamt angebliche Widersprüche erblicken wolle. Sie seien auch in keinster Weise konkretisiert worden.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 21.08.2017 wies die ÖB Damaskus die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab:
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH seien österreichische Vertretungsbehörden bezüglich der Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich der Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden. Eine Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des Bundesamtes durch die Botschaft komme daher nicht in Betracht. Daran, dass die Vertretungsbehörden an die Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes gebunden seien, und damit keinen eigenen Entscheidungsspielraum hätten, habe der VwGH in seiner Entscheidung vom 30.06.2016, Ra 2015/21/0068, festgehalten. Demnach unterliege die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung des Bundesamtes einer Überprüfung nur durch das Bundesverwaltungsgericht, wenn gegen einen Bescheid nach § 35 AsylG 2005 Beschwerde erhoben werde. Jenseits und unabhängig der angeführten Bindungswirkung teile die belangte Behörde die Ansicht des Bundesamtes, dass eine Familienangehörigeneigenschaft iSd AsylG wegen der aus den Stellungnahmen des Bundesamtes hervorgehenden Gründen nicht vorliege. Die Ehe sei erst nach Ausreise der Bezugsperson in dessen Abwesenheit registriert worden. Eine Ehe zwischen Stellvertretern widerspreche jedoch dem ordre public.
Am 01.09.2017 wurde bei der ÖB Damaskus ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht.
Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 13.09.2017, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 15.09.2017, wurde der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.
Eine Abfrage des Zentralen Fremdenregisters, des Betreuungsinformationssystems und des Zentralen Melderegisters betreffend die Beschwerdeführerin ergab, dass diese am 21.01.2019 einen Asylantrag in Österreich gestellt hat und ihr mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.05.2019 der Status einer Asylberechtigten im Familienverfahren zuerkannt wurde. Die Beschwerdeführerin ist seit 11.02.2019 im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehemann in Österreich gemeldet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt A)
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG, FPG) nicht getroffen, und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2018/57, geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. § 28 Abs. 1 VwGVG nimmt die Einstellung des Verfahrens, wozu jedenfalls die Einstellung des Beschwerdeverfahrens zu zählen ist, von der Erledigung mittels Erkenntnis ausdrücklich aus. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich aber auch, dass eine bloß formlose Beendigung (etwa durch Einstellung mittels Aktenvermerkes) eines nach dem VwGVG vom Verwaltungsgericht geführten Verfahrens nicht in Betracht kommt. Handelt es sich doch bei der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts, ein bei ihm anhängiges Verfahren nicht weiterzuführen, um eine Entscheidung iSd § 31 Abs. 1 VwGVG (vgl. zur Bejahung der Notwendigkeit der Fällung eines Beschlusses über die Verfahrenseinstellung auch Fuchs in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, § 28 VwGVG Anm 5 und § 31 VwGVG Anm 5, sowie Schmid in Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, § 28 VwGVG Anm K 3 und § 31 VwGVG Anm K 2) [ vgl. VwGH vom 29.04.2015, Zl. Fr 2014/20/0047].
In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht. Neben dem Fall der Zurückziehung der Beschwerde kann analog zu § 33 VwGG eine Einstellung auch bei Klaglosstellung des Beschwerdeführers (Wegfall der Beschwer) in Betracht kommen. Dies grundsätzlich sowohl bei formeller Klaglosstellung wegen Beseitigung des für den Beschwerdeführer belastenden Abspruchs, als auch bei materieller Klaglosstellung wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses (Art. 132 B-VG) (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren [2018] § 28 VwGVG, Anm. 5, Vgl VwGH, 28.1.2016, Ra 2015/11/007; 31.1.208, Ra 2018/10/0022).
Auf den gegenständlichen Sachverhalt finden diese allgemeinen Erwägungen Anwendung wie folgt:
Mit Bescheid der ÖB Damaskus vom 30.05.2017 wurde die Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG abgewiesen. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 21.08.2017 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Am 01.09.2017 wurde ein Vorlageantrag eingebracht.
Die Beschwerdeführerin reiste dennoch Anfang 2019, somit illegal, in das österreichische Bundesgebiet ein, befindet sich seitdem in Österreich. Sie hat am 21.01.2019 einen Asylantrag gestellt und am 17.05.2019 den Status einer Asylberechtigten im Familienverfahren zuerkannt bekommen. Das Bundesverwaltungsgericht kann kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung über den Vorlageantrag erkennen.
Das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses ist immer dann zu verneinen, wenn es für die Rechtsstellung des einzelnen keinen Unterschied macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird, bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles keinen objektiven Nutzen hat (Vgl. VwGH Ro 2016/21/0008 v. 30.06.2016). Die Beschwerdeführerin ist nunmehr in Österreich als Asylberechtigte aufhältig und führt mit ihrem Ehemann ein Familienleben, welches selbe Ziel sie ursprünglich mit der Beantragung eines Einreisetitels verfolgt hat.
Die Beschwerde ist daher als gegenstandslos geworden zu erklären, und das Verfahren ist einzustellen.
Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich im vorliegenden Fall auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Diese wird durch die Erläuterungen (ErlRV 2009 BlgNR XXIV. GP, 7) gestützt, wonach eine Einstellung des Verfahrens durch Beschluss zu erfolgen hat.
Schlagworte
Gegenstandslosigkeit, Rechtsschutzinteresse, VerfahrenseinstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W185.2170706.1.00Zuletzt aktualisiert am
10.03.2020