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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §12 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde des Dr. GV in W, vertreten durch Dr. Gerhard Schütz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Platz 2, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 15. März 1996, Zl. Abt. 12/7022/7100 B, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte am 30. Jänner 1996 mit dem bundeseinheitlich aufgelegten Formblatt die Gewährung von Notstandshilfe mit Wirkung vom 23. Jänner 1996. Im Antrag wurde die Frage 6 "Ich besuche eine Lehranstalt (Hochschule, Fachschule u.dgl.) oder einen Kurs u.dgl. Wenn ja, welcher Art?" bejaht und angefügt "Uni Wien". Aus dem mit "§ 12/4 Besuch einer Ausbildung" überschriebenen (dem Antrag folgenden) Aktenstück ergibt sich, daß der Beschwerdeführer seit 1973 an der Universität Wien als ordentlicher Hörer an der geisteswissenschaftlichen (dann auch medizinischen) Fakultät studiert. Diese Ausbildung wurde - nach dem Inhalt dieses Aktenstückes - während des letzten Dienstverhältnisses vorgenommen; das Dienstverhältnis wurde nicht zwecks Fortsetzung der genannten Ausbildung freiwillig gelöst. Das voraussichtliche Ende dieser Ausbildung ist nach dem Inhalt dieses Aktenstückes angegeben mit "auf ärztliche Anordnung soll ich lebenslang studieren". Nach Antragstellung übermittelte der Beschwerdeführer dem Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste Wien die Inskriptionsbestätigung der Universität Wien vom 24. Oktober 1995, wonach er im Wintersemester 1995/96 als ordentlicher Hörer der Studienrichtung Volkswirtschaft inskribiert ist.
Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste Wien vom 6. Februar 1996 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung der Notstandshilfe gemäß § 33 Abs. 1 i.V.m. §§ 38 und 12 Abs. 3 lit. f AlVG mangels Arbeitslosigkeit keine Folge gegeben. In der Begründung wurde nach Zitierung der angeführten Gesetzesstellen ausgeführt, daß der Beschwerdeführer nach dem Ermittlungsverfahren laufend an der Universität Wien studiere.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde dieser Berufung keine Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid bestätigt. Die belangte Behörde zitierte in der Begründung dieses Bescheides die anzuwendenden Gesetzesbestimmungen und stellte das Verwaltungsgeschehen dar. Sodann wurde ausgeführt, daß der Beschwerdeführer nach der von ihm vorgelegten Inskriptionsbestätigung als ordentlicher Hörer der Studienrichtung Volkswirtschaft an der Universität Wien inskribiert sei. Weitere Ermittlungen dazu hätten sich somit erübrigt. Die Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens sei weder beantragt worden, noch sei es notwendig, weil der Beschwerdeführer ein Studium, sollte ein solches, wie er am 1. Februar 1996 angegeben habe, tatsächlich ärztlich angeordnet worden sei, auch als außerordentlicher Hörer betreiben könne.
Der Beschwerdeführer sei im Zeitpunkt der Beantragung der Notstandshilfe am 23. Jänner 1996 ordentlicher Hörer der Universität Wien gewesen, weshalb Arbeitslosigkeit gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG nicht vorliege. Der Beschwerdeführer habe nach seinen Angaben in einem vorangegangenen Verfahren das Studium der Rechtswissenschaften abgeschlossen. Neben bzw. nach Abschluß dieses Studiums habe er als ordentlicher Hörer Philosophie, Volkswirtschaftslehre, Medizin, Geschichte, sowie ein Doktoratstudium der Rechtswissenschaften inskribiert. Durch Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung - so die Bescheidbegründung weiter - solle Arbeitslosigkeit überbrückt werden, nicht aber sollten damit vom bisherigen Ausbildungsstand gänzlich verschiedene Studien finanziert werden (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 1992, Zl. 92/08/0066). Bezüglich der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 12 Abs. 4 AlVG sei die belangte Behörde daher zur Ansicht gekommen, daß eine solche Ausnahme - im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer bereits sein Studium abgeschlossen habe - nicht zuzulassen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer meint, die Inskription alleine genüge nicht, um einen Sachverhalt nach § 12 Abs. 3 lit. f AlVG abschließend beurteilen zu können. In seinem Falle gehe es überhaupt nicht mehr um eine Berufsausbildung. Die Inanspruchnahme durch seine Studientätigkeit sei von vornherein eine andere und entsprechend auch gestaltbare, weil er unter keinerlei Abschluß- oder Ausbildungsdruck stehe. Es sei daher das angenommene Nichtvorliegen von Arbeitslosigkeit in seinem Fall zu verneinen.
Dem ist folgendes zu entgegnen:
Gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG gilt insbesondere nicht als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 leg. cit., wer in einer Schule oder einem geregelten Lehrgang - so als ordentlicher Hörer einer Hochschule, als Schüler einer Fachschule oder mittleren Lehranstalt - ausgebildet wird oder, ohne daß ein Dienstverhältnis vorliegt, sich einer praktischen Ausbildung unterzieht.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt hiezu in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. März 1997, Zl. 96/08/0145, m.w.N.) die Auffassung, daß ein Studierender, der der Universität durch die Inskription nach seiner Aufnahme als ordentlicher Hörer in der Form der Immatrikulation meldet, daß er das gewählte ordentliche Studium im betreffenden Semester beginnen oder fortsetzen werde, solange nicht als arbeitslos gilt, als er nicht in der nach den studienrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Form (nämlich der Exmatrikulation) die Beendigung seines Studiums wirksam dokumentiert. Auf die Absicht, mit der ein Student sein Studium beginnt oder fortsetzt bzw. auf die Intensität seiner Inanspruchnahme durch das Studium kommt es zufolge der formalen Anknüpfung des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG nicht an. Die Auffassung der belangten Behörde, gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG liege Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers nicht vor, ist daher zutreffend.
Der Beschwerdeführer meint, er erfülle die Voraussetzungen für die Ausnahme, wo er doch jahrelang während der Zeit seines Gemeindedienstes aber auch seiner Gerichtspraxis diese Möglichkeit und Vereinbarkeit von Arbeitsverhältnis und Studium nachweisen könne.
Die belangte Behörde führte hiezu aus, daß eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 12 Abs. 4 AlVG nicht zu erteilen sei, weil der Beschwerdeführer bereits ein Studium abgeschlossen habe.
Die belangte Behörde hatte von der Bestimmung des § 12 Abs. 4 AlVG in der ab 1. Jänner 1994 geltenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 817/1993 auszugehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, Zl. 96/08/0125 - unter Einbeziehung der Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes, aufgrund derer er (aus Anlaß eines vom Verwaltungsgerichtshof beantragten Gesetzesprüfungsverfahrens) die verfassungsrechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes nicht geteilt hat - ausführlich mit der Interpretation des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG in der Stammfassung und des § 12 Abs. 4 leg. cit. i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 817/1993 befaßt und ist dabei (soweit dies im Beschwerdefall von Bedeutung ist) zum Ergebnis gelangt, daß - bezogen auf einen dem "Studium" im Sinne des § 12 Abs. 4 AlVG obliegenden Arbeitslosen - für die Dauer seines Studiums die nicht im Ermessen der Behörde stehende Zulassung einer Ausnahme vom Ausschluß des Arbeitslosengeldes nach § 12 Abs. 3 lit. f AlVG gemäß § 12 Abs. 4 leg. cit. die Parallelität von Studium und arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung in mehr als 18 Wochen, grundsätzlich in den letzten 52 Wochen vor Eintritt der Arbeitslosigkeit, voraussetzt. Unter dem für eine Ausnahme nach § 12 Abs. 4 AlVG maßgebenden Gesichtspunkt des Erweises einer objektiven Vereinbarkeit von Studium und Beschäftigung durch die genannte Parallelität ist nicht unbedingt eine solche eines Studiums oder einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung unmittelbar vor Eintritt der Arbeitslosigkeit erforderlich; es genügt vielmehr auch ein Werkstudium während mehrerer, im wesentlichen ununterbrochener arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse. Bei Vorliegen der Voraussetzungen besteht ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der Ausnahmebewilligung und insoweit - anders als nach der Rechtslage vor dem 1. Jänner 1994, von der offenbar die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausgeht - kein Ermessen der Behörde. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG unter Hinweis auf § 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen. Unter Zugrundelegung dieser in ständiger Rechtsprechung vertretenen Interpretation des Abs. 3 lit. f und Abs. 4 des § 12 AlVG, die - mangels einer diesbezüglichen Sonderregelung - gemäß § 38 AlVG auch bei der Prüfung des Anspruches auf Notstandshilfe anzuwenden sind, kommt es im Beschwerdefall für den Anspruch des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe ab 23. Jänner 1996 darauf an, ob der Beschwerdeführer in den letzten 52 Wochen vor Eintritt seiner Arbeitslosigkeit mehr als 18 Wochen der Parallelität von Studium und
arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung aufzuweisen hat, wobei unter dem Eintritt der Arbeitslosigkeit jener Tag zu verstehen ist, der dem Tag der Beendigung des letzten arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses folgt, das für die Erfüllung der Anwartschaft für die betroffenen Leistungen der Arbeitslosenversicherung von Belang ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1997, Zl. 96/08/0157). Die belangte Behörde hat - ausgehend von ihrer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Auffassung, § 12 Abs. 4 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung, räume der Behörde weiterhin Ermessen ein - solche Feststellungen über die Dauer, den Tag und die Art der Beendigung des letzten anwartschaftsbegründenden arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses des Beschwerdeführers ebensowenig getroffen wie über die Dauer seines Studiums. Damit hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996080094.X00Im RIS seit
18.10.2001