TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/2 L501 2223308-1

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Veröffentlicht am 02.01.2020
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Entscheidungsdatum

02.01.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

L501 2223308-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Vorsitzende und den Richter Mag. Hermann LEITNER sowie den fachkundigen Laienrichter Reg. Rat. Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von Herrn XXXX , SVNR. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice vom 17.05.2019, OB XXXX betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) stattgegeben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die beschwerdeführende Partei (in der Folge bP) beantragte mit am 26.11.2018 im Sozialministeriumservice (in der Folge belangte Behörde) eingelangten Schreiben die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass.

In dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 04.03.2019 wird von einem namentlich genannten Allgemeinmediziner, basierend auf der persönlichen Untersuchung am 19.02.2019, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Folgende Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern, liegen vor: Degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Zuckerkrankheit, Bluthochdruck

Die im Hinblick auf die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gestellte Frage wurde wie folgt beantwortet:

Insbesonders zeigt hinsichtlich der Wirbelsäulenpathologie die Zusammmenschau zwischen vorliegender Bildgebung, Stellungnahme des KH Wels, dem Untersuchungsbefund und auch geschilderter Klinik einschließlich erhebbarer Mobilitätsanamnese, dass sich daraus nicht ableitet, dass eine kurze Wegstrecke nicht mehr bewältigbar ist. Auch Hypertonie und Diabetes schränken die körperliche Belastbarkeit nicht in einem solchen Ausmaß ein, als dass eine kurze Wegstrecke nicht mehr bewältigbar ist. Auch der sichere Ein-/Ausstieg ist gewährleistet, ebenso wie der sichere Transport in und mit einem öffentlichen Verkehrsmittel.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG ab. Neben der Zitierung der rechtlichen Grundlagen wurde festgehalten, dass gemäß den dem Bescheid beiliegenden und einen Teil der Begründung bildenden Ergebnissen des ärztlichen Begutachtungsverfahrens die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen.

In ihrer fristgerecht erhobenen Beschwerde bringt die bP mit näherer Begründung vor, körperlich nicht in der Lage zu sein, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

In dem hierauf von der belangten Behörde im Hinblick auf die geplante Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 05.09.2019 wird von einem namentlich bezeichneten Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie sowie Allgemeinmediziner basierend auf der klinischen Untersuchung am 13.08.2019 im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Folgende Funktionseinschränkungen liegen vor: Chronisches

Vorhofflimmern: Schwäche und eingeschränkte Belastbarkeit, Dauertherapie mit Blutverdünnung und Entwässerung, kein aktueller Fachbefund vorliegend; Wirbelsäulenbeschwerden: Radiologisch nachgewiesene degenerative Veränderungen mit Bandscheibenvorfall, Bruch des 3. Lendenwirbels 11/2018; Nicht insulinpflichtige

Zuckerkrankheit: Medikamentöse Therapie, kein aktueller HbA1c-Wert vorliegend; Bluthochdruck: Medikamentöse Kombinationstherapie;

Osteoporose: Radiologisch nachgewiesene Osteoporose, keine aktuelle medikamentöse Therapie

Die im Hinblick auf die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gestellte Frage wurden wie folgt beantwortet:

Die Gehleistung des Patienten ist aufgrund seiner Herzerkrankung sowie der Gangunsicherheit glaubhaft hochgradig eingeschränkt. Es kann eine Wegstrecke von 400m nicht aus eigener Kraft und ohne Pausen zurückgelegt werden. Es werden Gehbehelfe benötigt und es besteht Sturzgefahr. Es besteht eine Einschränkung der Standhaftigkeit. Dies insbesonders im Bezug auf das sichere Stehen, die Sitzplatzsuche oder bei einer notwendig werdenden Fortbewegung im öffentlichen Verkehrsmittel während der Fahrt. Es können höhere Niveauunterschiede (bis 30 cm) zum Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel aufgrund der Unsicherheit nicht ausreichend sicher überwunden werden. Die Benützung von Haltegriffen und -stangen ist möglich.

Bei dem Patienten besteht durch seine Herzerkrankung eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit, eine regelmäßige Medikation ist notwendig, ebenso eine Entwässerungstherapie, trotzdem finden sich Anzeichen einer leichten kardialen Dekompensation im Sinne von Ödemen. Es besteht eine deutliche Gangstörung mit Gang- und Standunsicherheit bei noch nicht diagnostizierter neurologischer Erkrankung in Kombination mit einer wohl diabetogenen Polyneuropathie.

Da das Beschwerdevorentscheidungsverfahren nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Zeit erledigt werden konnte, wurde die Beschwerde samt Akt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die bP ist österreichische Staatsangehörige, sie hat ihren Wohnsitz im Inland, und ist im Besitz eines Behindertenpasses.

Folgende Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern, liegen vor: Chronisches Vorhofflimmern:

Schwäche und eingeschränkte Belastbarkeit, Dauertherapie mit Blutverdünnung und Entwässerung, kein aktueller Fachbefund vorliegend; Wirbelsäulenbeschwerden: Radiologisch nachgewiesene degenerative Veränderungen mit Bandscheibenvorfall, Bruch des 3.

Lendenwirbels 11/2018; Nicht insulinpflichtige Zuckerkrankheit:

Medikamentöse Therapie, kein aktueller HbA1c-Wert vorliegend;

Bluthochdruck: Medikamentöse Kombinationstherapie; Osteoporose:

Radiologisch nachgewiesene Osteoporose, keine aktuelle medikamentöse Therapie

Aufgrund der bestehenden Herzerkrankung sowie einer Polyneuropathie ist die bP nicht in der Lage kurze Wegstrecken von 300 bis 400 Meter aus eigener Kraft und ohne Pausen zurückzulegen. Es werden Gehbehelfe benötigt und es besteht Sturzgefahr. Es liegt eine Gang- und Standunsicherheit vor, welche das sichere Stehen, die Sitzplatzsuche und notwendig werdende Fortbewegungen im öffentlichen Verkehrsmittel während der Fahrt gefährden. Übliche Niveauunterschiede (bis 30 cm) zum Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel können aufgrund der Unsicherheit nicht ausreichend sicher überwunden werden.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich zweifelsfrei aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde sowie des Gerichtsaktes.

Das seitens der belangten Behörde im Rahmen des Beschwerdevorentscheidungsverfahrens eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten ist ausführlich begründet, schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Die getroffenen Einschätzungen basieren auf dem im Rahmen der klinischen Untersuchung erhobenen Befund; es werden Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen beschrieben sowie deren Auswirkungen auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel.

Da die Sachverständigengutachten auch mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehen, werden sie in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Zu A) Stattgabe der Beschwerde

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG) Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist (§ 42 Abs. 2 BBG).

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen (§ 47 BBG).

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes [...]

2. die Feststellung, dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes [...]

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)

Die Auswirkungen der bestehenden Funktionseinschränkungen bedingen gemäß ständiger Rechtsprechung die Unzumutbarkeit, zumal die Erreichung des mit der Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels angestrebten Ziels nicht gewährleistet ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stützen. Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L501.2223308.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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