TE Bvwg Beschluss 2020/1/7 W116 2219844-1

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Veröffentlicht am 07.01.2020
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Entscheidungsdatum

07.01.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §69 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W116 2219844-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Mario DRAGONI als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien alias Staatenlos, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Martin DELLASEGA und Dr. Max KAPFERER, 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.05.2019, Zl. 1025819502-14805661, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1.1. XXXX (die Erstbeschwerdeführerin, in der Folge BF1) stellte nach illegaler Einreise am 18.07.2014 für sich und ihre zu diesem Zeitpunkt noch minderjährigen Söhne XXXX , XXXX 1998, (der Zweitbeschwerdeführer, in der Folge BF2) und XXXX , XXXX 1999, (der Drittbeschwerdeführer, in der Folge BF3) einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Zuge der am 21.07.2014 durchgeführten Erstbefragung gab die BF1 auf Kurdisch-Kurmanji im Wesentlichen an, dass sie in XXXX (in der Folge G), Syrien geboren sei. Sie habe bis zuletzt in G, Hasaka gewohnt, sei syrische Staatsbürgerin und gehöre der Volksgruppe der Kurden und der Religionsgemeinschaft der Jesiden (auch Yeziden) an. Sie sei verheiratet, ihr Ehemann XXXX (der Viertbeschwerdeführer, in der Folge BF4) befinde sich noch in der Türkei. Sie habe nie einen Reisepass besessen.

Zu ihrer Flucht brachte sie vor, dass sie am 09.01.2014 zu Fuß von Syrien aus in die Türkei gereist seien und sich dort sieben Monate aufgehalten hätten. Anschließend seien sie auf ein Schiff gebracht worden und mit diesem sieben Tage unterwegs gewesen. Schließlich seien sie mit einem PKW nach Österreich gebracht worden. Die Reise hätten ihre Onkel organisiert.

Zu ihren Fluchtgründen gab sie an, dass in Syrien Krieg herrsche und ihr Schwager vom Syrischen Militär getötet worden sei. Sie hätten befürchtet, dass auch ihr Ehemann und ihre Söhne vom Militär getötet würden.

Ihre beiden Söhne machten im Zuge ihrer niederschriftlichen Erstbefragung am 21.07.2014 im Wesentlichen gleichlautende Angaben.

Am 27.03.2015 stellte der Ehemann (BF4) nach Aufgriff durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Zuge der noch am gleichen Tag durchgeführten niederschriftlichen Erstbefragung gab er an, dass er am XXXX in Al Hasaka geboren und syrischer Staatsbürger sei. Er gehöre der Volksgruppe und Religionsgemeinschaft der Jesiden an. Seine Ehefrau und seine beiden Söhne würden sich bereits im Bundesgebiet aufhalten.

Er habe in G, Al Hasaka, in Syrien gewohnt und am 09.01.2014 den Entschluss zur Ausreise gefasst. Er sei dann gemeinsam mit seiner Familie von seinem Heimatort aus zu Fuß illegal über die Grenze in die Türkei gereist. Sein syrischer Reisepass würde sich beim Schlepper befinden. In der Türkei habe er eineinhalb Jahre lang in einem Flüchtlingslager verbracht. Danach sei er mit einem Schiff nach Italien und von dort mit einem PKW nach Österreich gereist. Die Reise habe sein in der Türkei lebender (namentlich genannter) Onkel organisiert.

Seine Heimat habe er wegen des Krieges verlassen. Sein Bruder sei getötet worden und sie seien vor dem Tod geflüchtet. Ihr Dorf sei zerstört worden, er könne nicht mehr in Syrien leben.

1.2. Am 30.06.2015 wurde der BF4 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die kurdische Sprache (Kurmanji) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er nach wie vor über keine Dokumente verfüge. Diese hätte ihn der Schlepper abgenommen. Konkret handle es sich dabei um ein Dokument vom Notar; er könne jedoch nicht sagen, um welches es sich dabei handeln würde, weil er nicht in die Schule gegangen sei. Er habe lediglich gewusst, dass dieses Dokument seine Identität bestätigen würde. Der Notar lebe im Dorf G, Al Hasaka, Syrien. Die Dokumente habe nicht er, sondern sein namentlich genannter und zurzeit in der Türkei lebender Onkel besorgt. Er selbst habe mit seiner Familie auf einem Berg gelebt und dort hätte es außer Kühe und Schafe keine Menschen gegeben. Den Notar kenne jeder vom Dorf und deshalb hätte der Onkel alle Dokumente für die ganze Familie bei ihm angefordert, ohne Rücksprache mit den einzelnen Familienangehörigen. Einen syrischen Reisepass besitze er nicht, lediglich einen syrischen Personalausweis, der sich beim Schlepper befinden würde.

Er habe in der Provinz Al Hasaka, im Dorf G gelebt. Die größte Stadt in dieser Provinz sei Al Hasaka und die nächst größeren Al Quamishli, Sere Kaiye (arabisch: Ras al Ain) und Al Malikia. Die Farben der Syrischen Nationalflagge konnte er auf Nachfrage nicht richtig wiedergeben. Auf die Frage nach syrischen Feiertagen nannte er den 18.11. als jesidischen Feiertag. Die Bergstraße zu seinem Dorf habe keinen Namen. Im Dorf G (arabisch XXXX ) würden 45 bis 60 Familien wohnen, es sei ca. 10 bis 15 km von Al Hasaka entfernt. In der Nähe befinde sich der Chabur-Fluss. Sein Dorf sei ganz oben und darunter würden sich die Dörfer XXXX und XXXX befinden. Die syrische Währung und deren Unterteilung kenne er nicht und er wisse auch nicht, wie syrische Autokennzeichen aussehen würden. Überall würden Kurden und in seinem Dorf auch Christen leben. Den Namen der Moschee in Al Hasaka kenne er nicht. Den jesidischen Feiertag würden sie zuhause feiern und an einem Mittwoch im März gehe man auf den Friedhof zu den Verstorbenen. Der Friedhof habe keinen Namen und liege auf dem Berg namens XXXX

Zu seinen Lebensumständen gab er an, in G geboren und dort bei seinen Eltern aufgewachsen zu sein. Er habe keine Schule besucht und als Hirte gearbeitet. Vor etwa 20 Jahren habe er seine Ehefrau traditionell und standesamtlich in Al Hasaka geheiratet. Danach habe er mit seiner Familie in einem Bauernhaus gelebt, das in seinem Eigentum sei. Er habe 200 Schafe, vier Kühe, ein Pferd, einen Esel und einen Hund besessen. Sie seien eine durchschnittliche Familie gewesen und auch finanziell sei es ihnen mittelmäßig gegangen. Wieviel er monatlich verdient habe könne er nicht sagen, er habe Käse und Joghurt erzeugt, für den Verkauf sei seine Frau zuständig gewesen. Sein Onkel habe den Lebensmitteleinkauf in der Stadt erledigt, die Einkäufe im Dorf seine Frau. Heiratsurkunde, Fotos und weitere Unterlagen würden sich in Syrien befinden. Auf die Frage, weshalb er keine Angaben über grundlegende Fakten betreffend Syrien (wie Währung, Feiertage und Autokennzeichen) machen könne, antwortete er, dass er ein einfacher Mensch sei und sich mit Geld nicht auskenne. Außerdem sei er von den Arabern verletzt worden und wolle von ihnen nichts mehr wissen.

Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass sein Bruder von den Arabern getötet worden sei. Er sei in seinen Armen gestorben. Die Araber hätten auch seinen Großvater getötet. Im Frühling 2013 sei er mit seinem Bruder und seinem Sohn A auf der Wiese bei den Schafen gewesen. Er habe Essen geholt und als er zurückgekommen sei habe er gesehen, dass sein Bruder in einer Blutlache und sein Sohn bewusstlos danebengelegen seien. Sein Sohn habe überlebt, sein Bruder sei gestorben. Sein Sohn habe von mehreren Personen auf Pferden Schläge auf den Kopf und in den Bauchbereich bekommen. Schon vorher sei ihr Dorf von den Arabern heimgesucht worden. Die Frauen seinen vergewaltigt und Schmuck und Gold mitgenommen worden. Nach dem Vorfall mit seinem Bruder habe er beschlossen das Land zu verlassen. Alle Dorfbewohner seien in ein namentlich genanntes Dorf in der Türkei (phonetisch: Nusaibin) geflüchtet. Auch sein Onkel befinde sich dort in einem Flüchtlingslager.

Er sei in seiner Heimat noch nie behördlich gesucht, angehalten oder festgenommen worden und habe auch nie Problem mit Behörden gehabt. Er sei jedoch von den Arabern wegen seiner jesidischen Religion verfolgt worden. Er habe Todesangst vor den Arabern, es gebe keine Sicherheit mehr, weil die Polizei hauptsächlich aus Arabern bestehen würde. Über die aktuelle politische Lage und über die Sicherheitslage in seinem Land wisse er Bescheid.

Am 21.09.2015 übermittelte der BF4 einen syrischen Meldezettel in arabischer Sprache an das BFA, worin XXXX als Wohnort angegeben ist.

1.3. Am 15.10.2015 wurden die BF1 und ihr älterer Sohn (BF2) vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die kurdische Sprache (Kurmanji) niederschriftlich einvernommen.

Die BF1 gab dabei im Wesentlichen an, dass sie keinen Reisepass und keinen Personalausweis besitze. Sie und ihre Familie hätten keine Dokumente bekommen, weil sie Jesiden seien. Sie habe keine eigenen Fluchtgründe, die ihres Mannes würden auch für sie gelten. Ihre Kinder seien im Dorf G geboren und hätten keine Schule besucht. Ihr Onkel habe ihre Dokumente beim namentlich genannten Dorfvorsteher besorgt. Die Kinder seien registriert, sie hätten bei ihrer Flucht aber keine Dokumente mitgenommen. Auf den Hinweis, dass die Namen ihrer Kinder keine syrischen, sondern armenische Vornahmen seien, antwortete die Beschwerdeführerin, dass es sich um die Namen ihrer Urgroßväter handeln würde. Sie seien aus Syrien und würden auch aus Syrien stammen. Ihre Einkäufe habe sie in einem kleinen Geschäft in ihrem Dorf getätigt; dieses Dorf liege nahe an der türkischen Grenze. Die Nachbardörfer würden (phonetisch) XXXX und XXXX heißen. Im Anschluss nannte sie die syrische Währung, die Farben der syrischen Flagge und machte Angaben zu den jesidischen Feiertagen. Der Friedhof liege im Dorf G. Ihre Angaben im Zuge der Erstbefragung seien richtig.

Zu ihren Lebensumständen gab sie an, dass sie in G geboren und bei ihren Eltern aufgewachsen sei. Sie habe keine Schulen besucht. Ihren Ehemann habe sie am XXXX 1986 traditionell geheiratet, von einer standesamtlichen Registrierung in Al Hasaka wisse sich nichts. Zunächst hätten sie bei ihren Schwiegereltern gelebt, dann hätten sie sich ein kleines Haus im Dorf gebaut. Sie hätten Kühe und Schafe besessen, seien eine durchschnittliche Familie gewesen und es sei ihnen auch finanziell mittelmäßig gegangen. Wegen des Krieges hätten sie alles verloren, ihr Schwager sei getötet und ihr Sohn geschlagen worden. Sie seien wegen ihrer jesidischen Religion verfolgt worden; die Soldaten der syrischen Armee hätten ihre Tiere getötet und ihren Sohn (den BF2) so fest geschlagen, dass er einen Monat Gedächtnisverlust gehabt habe. Aufgrund des Vorfalles und weil sein Onkel bei diesem Vorfall getötet worden sei, habe der BF2 begonnen sich beide Unterarme mit Rasierklingen aufzuritzen. Er sei nicht im Krankenhaus gewesen; sie habe ihn irgendwie versorgt, weil sie Angst gehabt habe, dass ihm im Krankenhaus irgendetwas passieren könnte. Der Vorfall habe sich im November 2013 ereignet.

Am 09.01.2014 hätten sie Syrien verlassen. Sie seien wegen ihrer Volksgruppe verfolgt worden. Im Falle einer Rückkehr hätte sie Angst, dass ihren Kindern etwas passieren würde und dass ihre Familie von der syrischen Armee getötet werde. Außerdem würden ihre Söhne nun in ein Alter kommen, in dem sie den Wehrdienst ableisten müssten. Sie habe Angst, dass sie an Kriegshandlungen teilnehmen müssten und getötet würden. Auf die Frage, weshalb sie nicht in einen anderen Landesteil geflohen seien, gab sie an, dass sie nahe der türkischen Grenze gelebt hätten und deshalb gleich in die Türkei geflohen seien. Über die politische Lage und Sicherheitslage in Syrien wisse sie bescheid.

Der ältere Sohn (BF2) gab im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA im Wesentlichen an, dass er über keine Dokumente verfüge; die Dokumente, die sie vom Dorfvorsteher bekommen hätten, habe ihnen der Schlepper abgenommen. Er könne sich an seine Aussagen im Zuge der Erstbefragung erinnern, diese würden der Wahrheit entsprechen.

Er sei in G, Al Hasaka geboren und bei seinen Eltern aufgewachsen. Er habe keine Schule besucht. Er sei in seiner Heimat nie verfolgt worden und habe keine Probleme mit den Behörden gehabt. Er habe lediglich einmal gekämpft, und zwar an dem Tag, als er seinem Onkel helfen wollte. Zu seinem Fluchtgründen gab er an, dass er mit seinem Onkel auf dem Feld bei den Schafen gewesen sei. Dann seien syrische Soldaten gekommen und hätten ihre Tiere mitnehmen wollen. Sein Onkel habe sich dagegen gewehrt und sei von den syrischen Soldaten geschlagen worden. Er sei ihm zu Hilfe geeilt und dabei so heftig geschlagen worden, dass er ohnmächtig geworden sei. Er sei erst wieder zuhause aufgewacht und habe heftige Kopfschmerzen gehabt. Erst einen Monat später habe man ihm erzählt, dass sein Onkel dabei getötet worden sei. Das habe ihn psychisch sehr belastet und er habe begonnen seine Unterarme mit Rasierklingen aufzuschlitzen. Im Falle seiner Rückkehr befürchte er, dass er zum Militär einrücken müsse. Es herrsche Krieg und er wolle nicht zum Militär, weil er es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne, Menschen zu töten. Außerdem habe er Angst, selbst getötet zu werden. Über die Lage im Heimatland wisse er bescheid.

1.4. Einem Aktenvermerk vom 07.01.2016 ist zu entnehmen, dass am selben Tag ergänzend zur Einvernahme noch einmal telefonisch die Staatsbürgerschaft der ganzen Familie abgeklärt worden sei. Dabei habe der BF2 angegeben, dass die ganze Familie staatenlos sei und aus Syrien stamme.

1.5. In einem Aktenvermerk betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vom 08.01.2016 stellte das BFA betreffend den Ehemann (BF4) fest, dass dessen Identität nicht feststehe. Er spreche kurdisch, sei syrischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Kurden an und sei Jeside. Es stehe fest, dass er und seine Familie einer ethno-religiösen Minderheit angehören, dass er aufgrund seiner Konfession einer staatlichen Verfolgung ausgesetzt gewesen sei und im Zuge eines Überfalles durch die Syrischen Sicherheitsbehörden sein Bruder getötet und sein Sohn verletzt worden sei. Es stehe fest, dass sein Sohn durch diesen Vorfall psychisch krank geworden sei und begonnen habe sich beide Unterarme mit einer Rasierklinge aufzuritzen. Es stehe weiters fest, dass der Antragsteller und seine Familie daraufhin ihr Heimatland illegal verlassen hätten und mit Hilfe von Schleppern über die Türkei nach Österreich gereist seien. Es habe somit festgestellt werden können, dass der Antragsteller und seine Familie einer ständigen Verfolgung durch staatliche Behörden aufgrund der Zugehörigkeit zur ethno-religiösen Minderheit ausgesetzt gewesen seien. In diesem Zusammenhang habe festgestellt werden können, dass zum aktuellen Zeitpunkt die gesamte Familie einer Verfolgung durch die syrischen Behörden ausgesetzt wäre.

Als Beweismittel wurden der vom Antragsteller im Original vorgelegte syrische Meldezettel, dessen Einvernahmeprotokolle und eine Zusammenstellung der Staatendokumentation angeführt. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass der Antragsteller hinsichtlich seiner Person und Nationalität aufgrund des vorgelegten Meldezettels und seiner Ortskenntnisse als glaubwürdig anzusehen sei. Betreffend seine Fluchtgründe schenke die Behörde den Angaben des Antragstellers zu den Umständen seiner Zugehörigkeit zu einer ethno-religiösen Minderheit Glauben. Dementsprechend sei er einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung ausgesetzt. Es ergebe sich schon aus der zugrundeliegenden Aktenlage, dass ihm bei einer Rückkehr nach Syrien eine religiös bzw. ethnisch motivierte Verfolgung durch die syrischen Organe drohen würde. Im Lichte der weiteren Feststellungen sei es offenkundig, dass Verfolgungshandlungen durch syrische Organe mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrechtliche Relevanz aufweisen würden. Auch die herangezogenen Länderinformationsblätter würden die prekäre Situation der ethno-religiösen Minderheiten in Syrien belegen. Es gebe eine jesidische Bevölkerung im Umfang von 80.000, aber die Regierung erkenne die Jesiden nicht als eine vom Islam unterschiedliche Religion an. Die Regierung betrachte die Jesiden, wie auch die muslimischen Kurden, als Bürger zweiter Klasse und gewähre ihnen deshalb die syrische Staatsbürgerschaft nicht. Von den im Distrikt Hasaka ansässigen Jesiden seien 60 Prozent staatenlos. Bei der Staatenlosigkeit handle es sich um eine besonders subtile Form der Unterdrückung und diese habe für die Jesiden weitreichend soziale und ökonomische Konsequenzen. Es werde ihnen auf diese Weise verunmöglicht, die in der Verfassung garantierten, grundlegenden bürgerlichen Rechte wahrzunehmen, darunter das Recht auf Eigentum, das Recht den Wohnort zu wechseln, die Möglichkeit auszureisen, das Wahlrecht und eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst auszuüben. Das fehlende Recht Eigentum zu erwerben und besitzen zu dürfen, habe besonders negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation der jesidischen Gemeinschaft. Die auf gemeinschaftlicher landwirtschaftlicher Produktion und gegenseitigen Tauschbeziehungen basierende Wirtschaft sei auf Grundbesitz und Grundeigentum angewiesen. Die Nichtgewährung dieses Rechtes verbunden mit Landenteignungen würden die wirtschaftliche Basis der Jesiden im großen Maße gefährden. In verschiedenen Berichten werde deshalb ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das religiöse Existenzminimum nicht mehr gewährleistet sei. Nebst dieser subtilen Form der Unterdrückung der Jesiden gebe es auch eine offensichtlichere Form. Diese bestehe darin, dass Jesiden tätlichen Übergriffen und Rechtsbrüchen durch ihre muslimischen Nachbarn ausgesetzt seien, ohne dass der Staat dagegen einschreiten und die betroffene Bevölkerung schützen würde. Dies gelte für die einundzwanzig Dörfer des sogenannten Afrin-Gebietes (im NNW von Aleppo) ebenso wie für die Bewohner des Distrikts Hasaka im Nordosten Syriens. Wegen der allgemein anhaltenden und intensiven Gefährdungslage bestehe für die Jesiden auch keine landesinterne Fluchtalternative. Zusammenfassend habe der Antragsteller ein konsistentes Vorbringen erstattet, welches mit den getroffenen Länderfeststellungen im Einklang stehe. Es sei plausibel, dass eine Person mit dem Profil des Antragstellers aufgrund der von ihm geschilderten Umständen in das Augenmerk der Sicherheitsorgane gerate und ihm Misshandlung bzw. Haft mit erheblicher Wahrscheinlichkeit drohen könne. Informationen, welche die Glaubwürdigkeit des Antragstellers massiv in Zweifel ziehen könnten, seien nicht aufgetreten. Im Zuge der rechtlichen Würdigung gelangte das BFA schließlich zu der Ansicht, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Asylberechtigung vorgelegen seien.

In dem die Ehefrau (BF1) und die beiden Söhne (BF2 und BF3) betreffenden Aktenvermerk betreffend die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten vom 08.01.2016 ist als Staatsangehörigkeit "Staatenlos" angeführt. Zu den Personen wird darin festgestellt, dass ihre Identität und Nationalität nicht feststehe. Es stehe fest, dass die Antragsteller Kurdisch sprechen und aus Syrien stammen würden. Es stehe ebenso fest, dass der Vater und Ehemann (BF4) als Bezugsperson mit Bescheid des BFA von 08.01.2016 den Asylstatus erhalten habe. Aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage im Heimatland in Verbindung mit den Angaben des BF4 habe die behauptete Flucht vor Verfolgung als begründet gewertet werden können. Es stehe fest, dass den Antragstellern im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK drohen würde.

1.6. Mit Bescheiden vom 08.01.2016 gab das BFA den Anträgen der vier als "Staatenlos (Syrien)" bezeichneten BF auf internationalen Schutz ohne nähere Begründung statt und es wurde ihnen der Status von Asylberechtigten zuerkannt. Weiters wurde gemäß § 3 Abs. 5 AsylG festgestellt, dass ihnen kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

1.7. Am 22.10.2018 wurde dem BFA ein "Kontrollblatt/Kriminalpolizeiliche Wahrnehmungsmeldung" der Polizeiinspektion Winklern vom 21.10.2018 übermittelt. Darin wird berichtet, dass am 21.10.2018 ein namentlich genannter Mann (in der Folge der Anrufer) die Polizeiinspektion Winklern telefonisch verständigt habe, dass zwei Flüchtlinge vor seiner Haustüre stehen und gegen die Tür klopfen würden. Er habe um rasche Zufahrt ersucht. Bei einer der in der Folge vor Ort angetroffenen Personen habe es sich um den BF3 gehandelt, der sich mit einem österreichischen Führerschein ausgewiesen habe. Laut seinen eigenen Angaben sei er irakischer Staatsangehöriger, laut ZMR jedoch syrischer Staatsangehöriger.

Bei der zweiten Person habe es sich um einen russischen Staatsangehörigen gehandelt. Zum Grund ihres Aufenthaltes hätten die Beiden angegeben, auf den Anrufer zu warten, da sie mit ihm etwas besprechen wollten. Sie hätten versucht ihn anzurufen. Da er jedoch am Telefon nicht mit ihnen geredet habe, seien sie hergefahren, um mit ihm ein persönliches Gespräch zu führen. Sie würden ihm nichts antun, weil sie so etwas vor Frau und Kindern nicht tun würden. Der Anrufer habe dagegen angegeben, dass er die beiden Personen nicht kennen würde. Den BF3 würde er von einem "Besuch" am Vortag kennen, der habe ihm eine "Watschn" gegeben. Den Grund des Gespräches würde er nicht kennen. Die Beiden hätten von ihm Geld gefordert, weshalb, wisse er nicht. Die Beiden hätten dann im Beisein der Beamten zum Anrufer gesagt, dass sie alles sagen würden, wenn er zu viel rede, sie hätten auch Beweise. In der Folge habe der Anrufer keine weiteren Angaben mehr gemacht bzw. angegeben, nichts zu wissen und die Beiden nicht zu kennen. Diese seien schließlich nach einer Überprüfung aufgefordert worden, den Ort zu verlassen. Dieser Aufforderung seien sie auch nachgekommen.

In weiterer Folge sei der Schwager des Anrufers aus der Wohnung gekommen und habe gegenüber den Beamten angegeben, ebenfalls nicht zu wissen, worum es gehe, jedenfalls hätten die Beiden vom Anrufer Geld gewollt. Er hätte Angst um die Sicherheit seiner Schwester und der Kinder, weil er die Typen kenne würde und diese zu allem fähig seien. Er kenne auch die Hintergründe, warum sie nach Österreich gekommen seien. Nähere Angaben habe er dann trotz Nachfrage nicht gemacht. Nachdem alle anwesenden Personen mehrfach nachdrücklich aufgefordert worden seien, den Grund für den "Besuch" bekannt zu geben, was jedoch verweigert worden sei, da es sich vermutlich um einen strafrechtlich relevanten Sachverhalt handeln könnte, sei der Anrufer ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass ihm nur geholfen werden könne, wenn er bereit sei, den Grund für den "Besuch" zu nennen. Durch Verständigung der Polizei habe dieser offensichtlich versucht, die beiden Besucher loszuwerden.

1.8. Per E-Mail vom 10.04.2019 ersuchte die zuständige Referentin des BFA die Polizeiinspektion Sillian, zum Zwecke der Einleitung eines Wiederaufnahmeverfahrens nach § 69 AVG eine personenbezogene Anfrage betreffend den "VB" in Armenien zu tätigen. Die Person sei der BF3, StA: Syrien alias Staatenlos alias Irak, dieser habe den Status eines Asylberechtigten. Bei einer polizeilichen Amtshandlung der Polizeiinspektion Winklern habe dieser angegeben, dass er irakischer Staatsbürger wäre. Aus der polizeilichen Wahrnehmungsmeldung gehe hervor, dass er mit einem russischen Staatsangehörigen angetroffen worden sei. Die Behörde gehe davon aus, dass der Statusberechtigte Staatsbürger von Armenien sei.

Einem handschriftlich auf einem Ausdruck dieses E-Mails angebrachten Aktenvermerk vom selben Tag ist zu entnehmen, dass laut der PI Sillian keine PKZ-Anfrage zu Armenien möglich wäre.

2. Die angefochtenen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl:

2.1. Mit den beschwerdegegenständlichen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.05.2019 wurden die Asylverfahren der vier BF gemäß § 69 Abs. 1 AVG von Amts wegen wiederaufgenommen.

Im Bescheid des BF3 wurde festgestellt (auszugsweise, anonymisiert):

"Fest steht, dass Sie im Zuge einer polizeilichen Amtshandlung am 21.10.2018 angaben, dass Sie irakischer Staatsbürger sind.

Fest steht, dass Sie im Beisein ihrer gesetzlichen Vertreterin (Mutter) bei der Asylantragstellung wahrheitswidrig angaben, dass sie in G/Syrien geboren wurden und syrischer Staatsbürger wären.

Fest steht, dass sie Ihre syrische Staatsangehörigkeit mit keinem unbedenklichen Identitätsdokument nachweisen können.

Fest steht, dass Sie im Beisein ihrer gesetzlichen Vertreterin (Mutter) bewusst die falsche Staatsbürgerschaft angegeben haben.

Fest steht, dass sie in Kenntnis über Ihre wahre Staatsangehörigkeit sind."

Diese Feststellungen gründete die Behörde in der Beweiswürdigung auf folgende Erwägungen:

"Aus der Kriminalpolizeilichen Wahrnehmungsmeldung vom 21.10.2018 geht hervor, dass Sie sich mit einem österreichischen Führerschein ausgewiesen haben und selbst angaben, dass Sie irakischer Staatsbürger sind. Sie selbst und auch Ihre gesetzliche Vertreterin (Mutter) gaben bei der Erstbefragung sowie auch bei der Einvernahme vor dem Bundesamt bewusst eine wahrheitswidrige Staatsangehörigkeit an. Weiters konnten sie Ihre behauptete Staatsangehörigkeit mit keinem unbedenklichen Identitätsdokument nachweisen. Da sie ja in Kenntnis über Ihre wahre Staatsangehörigkeit sind, konnte daher die Wahrung des Parteiengehörs unterbleiben. Die Zuständigkeit für die Erlassung dieses Bescheides gründe sich auf die gesetzliche Bestimmung des § 69 Abs. 4 AVG. Von der Anwendung der Bestimmung des § 45 Abs. 3 AVG habe unter Verweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 1976, Zl. 1190/75, abgesehen werden können. Danach werde das Parteiengehör lediglich dann verletzt, wenn die Behörde ihre Entscheidung auf einen Sachverhalt stütze, den die Partei nicht kenne. Zusammengefasst haben Sie und Ihre gesetzliche Vertreterin (Mutter) im gesamten Verfahren bewusst eine wahrheitswidrige Staatsangehörigkeit angegeben und somit falsches Zeugnis vor der erkennenden Behörde abgegeben. Somit wird Ihr Verfahren (Antrag vom 21.07.2014; Antrag auf internationalen Schutz) gemäß § 69 Abs. 1 AVG idgF von Amts wegen wiederaufgenommen."

In der rechtlichen Würdigung wird nach Zitat des § 69 AVG lediglich ausgeführt:

"Ihre Asylstatusanerkennung wurde durch falsches Zeugnis - Verschleierung Ihrer wahren Staatsbürgerschaft - erschlichen, daher konnten die gewonnenen Erkenntnisse der erkennenden Behörde unter § 69 Abs. 1 Z 1 AVG subsumiert werden."

In den im Übrigen gleichlautenden Wiederaufnahmebescheiden betreffend die Eltern und des Bruders (BF1, BF2 und BF4) wurde lediglich abweichend festgestellt:

"Fest steht, dass Ihr Sohn/Bruder im Zuge einer polizeilichen Amtshandlung am 21.10.2018 angab, dass er irakischer Staatsbürger ist. Demnach steht fest, dass auch Sie irakischer Staatsbürger sind.

..."

2.2. Mit Verfahrensanordnung vom 09.05.2019 wurde den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE-Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

2.3. Mit Eingabe vom 20.05.2019 gaben die oben angeführten Rechtsanwälte bekannt, dass sie von den Beschwerdeführern in gegenständlicher Rechtssache mit der rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt worden seien und stellten den Antrag auf Gewährung der Akteneinsicht.

2.4. Mit Schriftsätzen vom 04.06.2019 brachten alle vier Familienmitglieder über ihre rechtlichen Vertreter Beschwerden gegen die Bescheide vom 08.05.2019 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein. Darin werden die Bescheide in ihrem gesamten Umfang wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und inhaltlicher Rechtswidrigkeit angefochten. Zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführer im Asylverfahren vorgebracht hätten, dass sie in Syrien geboren und syrische Staatsbürger seien. Mit Bescheiden vom 08.01.2016 sei ihnen der Status von anerkannten Flüchtlingen zuerkannt und als Staatsbürgerschaft sei "Staatenlos" festgestellt worden. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 08.05.2019 sei das Asylverfahren gemäß § 69 Abs. 1 AVG wiederaufgenommen worden. Dies sei damit begründet worden, dass die Beschwerdeführer im Verfahren bewusst eine falsche Staatsbürgerschaft angegeben hätten und somit die Asylstatuszuerkennung durch falsches Zeugnis und Verschleierung ihrer wahren Staatsbürgerschaft erschlichen hätten. Dies ergebe sich aus einer kriminalpolizeilichen Wahrnehmungsmeldung vom 21.10.2018, wonach der Sohn T im Zuge einer Verkehrskontrolle selbst angeben habe, dass er irakischer Staatsbürger sei. Dabei sei jedoch nicht näher ausgeführt worden, wie diese kriminalpolizeiliche Wahrnehmungsmeldung zustande gekommen sei. Der BF3 bestreite jedoch jemals angegeben zu haben, dass er irakischer Staatsangehöriger sei. Er sie einmal im Herbst 2018 von der Polizei kontrolliert worden und habe einen Alkotest absolvieren müssen. Dabei habe er nur mit einem Beamten gesprochen und seine Herkunft bzw. Staatsangehörigkeit sei kein Thema gewesen. Er habe nie erwähnt, dass er aus dem Irak stammen würde. Vor Erlassung des Bescheides sei den Beschwerdeführern kein Parteiengehör eingeräumt worden. Damit seien die Beschwerdeführer in ihrem fundamentalen Recht auf Parteiengehör verletzt worden. Die Ansicht der Behörde, dass dies mit Verweis auf ein Erkenntnis des VwGH unterbleiben habe können, sei verfehlt, weil die Entscheidungen auf einen Sachverhalt gestützt seien, den die Beschwerdeführer nicht kennen würden. Die Beschwerdeführer hätten im Asylverfahren stets behauptet in Syrien geboren und syrische Staatsbürger zu sein. Die belangte Behörde hätte daher die kriminalpolizeiliche Wahrnehmungsmeldung, aus der die irakische Staatsangehörigkeit hervorgehen würde, den Beschwerdeführern jedenfalls zur Äußerung vorhalten müssen. Damit liege ein schwerwiegender Verfahrensmangel vor. Die Beschwerdeführer seien bis zur Zustellung der Bescheide in völliger Unkenntnis über das von der Behörde geführte Wiederaufnahmeverfahren gewesen. Im Zuge der dem rechtlichen Vertreter am 29.05.2019 gewährten Akteneinsicht sei die für die Wiederaufnahme wesentliche kriminalpolizeiliche Wahrnehmungsmeldung im vorgelegten Akt nicht enthalten gewesen. Dabei sei dem rechtlichen Vertreter auch keine Verfahrensanordnung zur Kenntnis gebracht worden, aus welcher hervorgegangen wäre, welche Aktenbestandteile aus welchem Grund von der Akteneinsicht ausgenommen wären. Die Verweigerung der Akteneinsicht in diese Aktenbestandteile sei ohne Begründung und damit rechtswidrig erfolgt. Bis zur Erhebung der Beschwerde hätten die Beschwerdeführer daher keine Kenntnis darüber, was sich am 21.10.2018 im Zusammenhang mit der betreffenden Kontrolle ereignet haben soll und aus welchen Gründen die Behörde davon ausgehe, dass die Beschwerdeführer nunmehr entgegen ihren Ausführungen irakische Staatsbürger wären. Die Erlassung der Bescheide sei reine Willkür, diese seien weder in einem rechtsstaatlichem Verfahren zustande gekommen, noch seien sie begründet oder überprüfbar.

Hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung wurde schließlich ausgeführt, dass selbst dann, wenn die Beschwerdeführer in ihrem Asylverfahren unrichtige Angeben zu ihrer Staatsbürgerschaft gemacht hätten (was ausdrücklich bestritten werde), sie die Bescheide nicht durch ein falsches Zeugnis gemäß § 69 Abs. 1 AVG herbeigeführt hätten, weil dies die Erfüllung des Tatbestandes nach § 288 StGB voraussetze und die Beschwerdeführer diesen Straftatbestand als Parteien des Verfahrens nicht erfüllen könnten.

Schließlich wurde der Antrag gestellt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, den Beschwerden Folge zu geben, die Bescheide aufzuheben und das Wiederaufnahmeverfahren einzustellen, in eventu die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

3. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Die gegenständlichen Beschwerden wurde samt Verwaltungsakten vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 05.06.2019 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt. Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 15.10.2019 wurden die gegenständlichen Rechtssachen der bis dahin zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der Gerichtabteilung W116 neu zugewiesen. Mit Eingaben vom 19.12.2019 brachten die Beschwerdeführer über ihre rechtlichen Vertreter in der Angelegenheit Fristsetzungsanträge gemäß § 38 VwGG ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Betreffend den Verlauf der die Beschwerdeführer betreffenden Asylverfahren, die von diesen dabei gemachten Angaben sowie die Entscheidungsgründe, die schließlich zur Asylanerkennung geführt haben, kann - um Wiederholungen zu vermeiden - auf die diesbezüglich umfangreichen Ausführungen im Verfahrensgang verwiesen werden.

Daraus ergibt sich, dass die Beschwerdeführer im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahmen stets gleichlautend angegeben haben, dass sie aus Syrien stammen würden und syrische Staatsangehörige seien. Davon abweichend ist lediglich einem Aktenvermerk vom 07.01.2016 zu entnehmen, dass der BF2 gegenüber dem BFA fernmündlich angegeben hätte, dass die gesamte Familie staatenlos sei und aus Syrien stamme.

Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführern daraufhin mit den Bescheiden vom 08.012016 den Status von Asylberechtigten zuerkannt. Wie sich aus den Bescheiden in Zusammenschau mit den diesen zugrundeliegenden Aktenvermerken vom 08.01.2016 ergibt, hat die Behörde ihre Entscheidung auf die Feststellung gestützt, dass die Identität und die Staatszugehörigkeit der Beschwerdeführer nicht feststehe. Es stehe jedoch fest, dass sie aus Syrien stammen würden und Jesiden seien. Der Bruder des BF1 sei von syrischen Sicherheitsbehörden getötet und der BF2 dabei verletzt worden. Zudem wären sie als Jesiden und damit als Angehörige einer ethno-religiösen Minderheit in Syrien einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt. Beweiswürdigend wurden die getroffenen Feststellungen auf die als glaubwürdig beurteilten Angaben der Beschwerdeführer, den vom BF1 vorgelegten Meldezettel, den Ortskenntnissen der Beschwerdeführer und die der Behörde vorliegende Zusammenstellung der Länderdokumentation betreffend die im Verfahren angegebene Heimatregion und die Situation der dort ansässigen Jesiden gestützt.

Die beschwerdegegenständlichen Wiederaufnahmen der Asylverfahren nach § 69 Abs. 1 AVG stützte die belangte Behörde dagegen ausschließlich auf die oben dargestellten Ausführungen von Exekutivbeamten der Polizeiinspektion Winklern in einem dem BFA übermittelten "Kontrollblatt/Kriminalpolizeiliche Wahrnehmungsmeldung", worin ua. ausgeführt wird, dass der BF3 am 22.10.2018 im Zuge einer polizeilichen Überprüfung gegenüber einem Beamten angegeben habe, dass er irakischer Staatsangehöriger sei.

Die belangte Behörde hat in der Angelegenheit keine weiteren Erhebungen durchgeführt. Weder hat sie die näheren Umstände ermittelt, wie es konkret zu den betreffenden Angaben des BF3 gegenüber dem Exekutivorgan am 22.10.2018 gekommen sein soll (insbesondere in welcher Sprache er konkret welche Angaben gemacht hat), noch hat sie die Beschwerdeführer mit der kriminalpolizeilichen Wahrnehmungsmeldung konfrontiert und ihnen damit die Gelegenheit gegeben, dazu entsprechend Stellung zu nehmen. Mit den beschwerdegegenständlichen Bescheiden hat das BFA die Asylverfahren der Beschwerdeführer ohne ein zuvor durchgeführtes Ermittlungsverfahren gemäß § 69 Abs. 1 AVG wiederaufgenommen und darin festgestellt, dass alleine aufgrund der kriminalpolizeilichen Wahrnehmungsmeldung feststehe, dass die Beschwerdeführer irakische Staatsbürger seien und daher ihren Asylstatus durch falsche Angaben im Asylverfahren erschlichen hätten.

Es ist festzustellen, dass vor dem Hintergrund sämtlicher in den Akten aufliegenden Beweismittel jedenfalls alleine auf Grundlage der kriminalpolizeilichen Wahrnehmungsmeldung vom 22.10.2018 keinesfalls mit der notwendigen Sicherheit darauf geschlossen kann, dass die Beschwerdeführer tatsächlich irakische Staatsbürger wären und sich ihren Asylstatus durch falsche Angaben über ihre Staatsangehörigkeit erschlichen hätten.

2. Beweiswürdigung:

Der hier entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem Inhalt der von der Behörde vorgelegten Akten. Insbesondere ergibt sich daraus zweifelsfrei, dass das BFA jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, um den für eine Wiederaufnahme nach § 69 Abs. 1 AVG notwendigen Sachverhalt tatsächlich mit der dafür notwendigen Sicherheit feststellen zu können. Der belangten Behörde ist zwar insofern zuzustimmen, dass die Mitteilung der Polizei, dass der BF3 im Zuge einer polizeilichen Amtshandlung am 22.10.2018 entgegen seiner bisherigen Aussagen im Asylverfahren angegeben habe, irakischer Staatsangehöriger zu sein, einen ausreichenden Anlass dafür darstellt, um zu prüfen, ob allenfalls die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der Asylverfahren nach § 69 Abs. 1 AVG vorliegen könnten. Aber selbst wenn sich nach einer entsprechenden Überprüfung ergeben sollte, dass der BF3 diese Aussage gegenüber dem Exekutivorgan frei von allfälligen Missverständnissen oder Übersetzungsfehlern tatsächlich so getätigt hat, könnte ohne weitere Ermittlungen alleine daraus noch nicht mit der notwendigen Sicherheit darauf geschlossen werden, dass sämtliche Familienmitglieder in ihren Asylverfahren falsche Angaben zu ihrer Staatsangehörigkeit und zu ihrem Herkunftsland gemacht und sich so ihren Asylstatus erschlichen hätten. Denn ebenso wäre es denkbar, dass der BF3 am 22.10.2018 gegenüber der Polizei - aus welchen Gründen auch immer - falsche Angeben gemacht hat. Zudem ist die Behörde bereits in ihren Asylbescheiden den Angaben der Beschwerdeführer über ihre syrische Staatsangehörigkeit nicht gefolgt, sondern von einer Staatenlosigkeit ausgegangen.

3. Rechtliche Beurteilungen:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Zu A):

Gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist.

Gemäß § 69 Abs. 3 AVG kann unter den Voraussetzungen des Abs. 1 die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

Im gegenständlichen Verfahren stützte das BFA die amtswegige Wiederaufnahme des gegenständlichen Verfahrens auf § 69 Abs. 1 Z 1 AVG mit der Begründung, dass die Beschwerdeführer Ihre Asylstatusanerkennung im Verfahren vor dem BFA durch falsches Zeugnis und Verschleierung Ihrer wahren Staatsbürgerschaft erschlichen hätten.

Unter Erschleichung eines Bescheides ist die Herbeiführung des Bescheids durch die Partei mittels verpönter Einflussnahme auf die Entscheidungsgrundlagen zu verstehen. Ein Erschleichen liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vor, wenn der Bescheid in der Art zustande gekommen ist, dass bei der Behörde von der Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht wurden und diese Angaben dem Bescheid zugrunde gelegt wurden, wobei die Verschweigung wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist (VwGH 22.03.2012, 2011/07/0228; VwGH 20.09.2011, 2008/01/0777).

Zur Annahme einer Erschleichung müssen drei Voraussetzungen kumulativ vorliegen, nämlich objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung, ein Kausalitätszusammenhang zwischen der unrichtigen Angabe der Partei und dem Entscheidungswillen der Behörde und letztlich die Irreführungsabsicht der Partei, nämlich eine Behauptung wider besseres Wissen in der Absicht, daraus einen Vorteil zu erlangen (VwGH 08.06.2006, 2004/01/0470 mwN). Ob Irreführungsabsicht vorliegt, kann nur aus den das rechtswidrige Verhalten der Partei begleitenden Umständen geschlossen werden (VwGH 17.05.2011, 2007/01/1144 mwN).

Im gegenständlichen Fall lag nach Ansicht der Behörde eine derartige Erschleichung des Asylstatus im Asylverfahren der Beschwerdeführer deshalb vor, weil diese darin fälschlich angegeben hätten, dass sie syrische Staatsangehörige seien, wogegen nun aufgrund einer Aussage des BF3 im Zuge einer polizeilichen Amtshandlung am 21.10.2018 feststehe, dass sie in Wirklichkeit irakische Staatsbürger seien.

Wie oben festgestellt und in der Beweiswürdigung näher ausgeführt, kann aber vor dem Hintergrund sämtlicher in den Akten aufliegenden Beweismittel alleine auf Grundlage der kriminalpolizeilichen Wahrnehmungsmeldung vom 22.10.2018 keinesfalls mit der notwendigen Sicherheit darauf geschlossen werden, dass die Beschwerdeführer tatsächlich irakische Staatsbürger sind. Es steht daher nach dem aktuellen Ermittlungsstand nicht fest, dass die Angaben der Beschwerdeführer im Asylverfahren betreffend ihre Staatsangehörigkeit objektiv unrichtig waren. Darüber hinaus mangelt es den beschwerdegegenständlichen Bescheiden auch an der notwendigen Darstellung eines entsprechenden Kausalzusammenhangs zwischen den vermeintlich unrichtigen Angaben der Beschwerdeführer betreffend ihre Staatsangehörigkeit und dem Entscheidungswillen der Behörde betreffend die Asylanerkennung, zumal diese bereits in den Asylbescheiden entgegen den Angaben der Beschwerdeführer eben nicht von einer syrischen Staatsangehörigkeit, sondern von Staatenlosigkeit ausgegangen ist.

Der oben dargestellte § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG bildet die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG durch die Verwaltungsgerichte hat der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von einem prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht präzisierend wie folgt festgehalten (VwGH vom 06.07.2016, Ra 2015/01/0123):

"In § 28 VwGVG 2014 ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg cit vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN)."

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer- Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).

Wie oben dargestellt, liegt hier ein derartig krasser Fall von Ermittlungslücken vor, weil die Behörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, um den für eine Wiederaufnahme nach § 69 Abs. 1 AVG notwendigen Sachverhalt tatsächlich feststellen zu können. Vielmehr hat sie ohne Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens entschieden und die Bescheide mit Ausführungen begründet, welchen jeder Begründungswert fehlt.

Eine gänzliche Nachholung des von der Behörde durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Dass eine erste unmittelbare Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes und angesichts der im gegenständlichen Fall gänzlich unterlassenen Sachverhaltsermittlungen - nicht ersichtlich.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde zunächst zu ermitteln haben, wie konkret die inkriminierten Angaben des BF3 am 22.10.2018 gegenüber dem Exekutivorgan zustande gekommen sind, um allfällige Missverständnisse oder Übersetzungsfehler ausschließen zu können. In der Folge wird eine niederschriftliche Einvernahme sämtlicher Beschwerdeführer notwendig sein. Und schließlich werden die Aussagen der Beschwerdeführer vor dem Hintergrund ihrer Angaben im Zuge der Asylverfahren und der diesen zugrunde gelegten Länderinformationen entsprechend zu würdigen sein. Sollte die Behörde dabei nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangen, dass die Beschwerdeführer im Asylverfahren tatsächlich falsche Angaben betreffend ihre Staatsangehörigkeit gemacht haben, wäre entsprechend den oa Ausführungen zu § 69 Abs. 1 Z 1 AVG in weiterer Folge zu prüfen und entsprechend begründet darzulegen, ob diese auf eine Irreführungsabsicht der Beschwerdeführer zurückzuführen ist und inwieweit sie tatsächlich für den Entscheidungswillen der Behörde kausal gewesen sind.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W116.2219844.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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