TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/8 W251 2211302-13

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.01.2020
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Entscheidungsdatum

08.01.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W251 2211302-13/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und, dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste im Jahr 2006 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.

Der dem Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes am 05.09.2008 zuerkannte Status des Asylberechtigten wurde ihm mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen (Bundesamt) und Asyl vom 22.02.2016 aberkannt und festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme. Es wurde eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen.

2. Am 08.11.2018 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Strafhaft neuerlich einen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz in Österreich (Folgeantrag). In der Folge stellte das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 11.12.2018 fest, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig sei. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde abgewiesen.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 06.12.2018 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.

4. Mit Bescheid vom 09.05.2019 wies das Bundesamt den (zweiten) Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz in Österreich wegen entschiedener Sache zurück und erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Unter einem wurde eine Rückkehrentscheidung getroffen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde dem Beschwerdeführer nicht gewährt.

5. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.04.2019, 30.04.2019 und 24.05.2019 wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.

6. Am 03.06.2019 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen und zwecks Vollziehung der mit Urteil eines Bezirksgerichtes über ihn verhängten unbedingten Freiheitsstrafe von einem Monat in eine Justizanstalt überstellt.

7. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 01.07.2019 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie der Abschiebung angeordnet.

Nach Entlassung aus der Strafhaft am 03.07.2019 wurde der Beschwerdeführer in Schubhaft genommen.

8. Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 01.07.2019. Das Bundesverwaltungsgericht wies diese als unbegründet ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

9. Mit Bescheid vom 30.07.2019 erteilte das Bundesamt dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Unter einem erließ das Bundesamt gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot und erkannte einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde abgewiesen.

10. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.10.2019, 20.11.2019 und 11.12.2019 wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.

11. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht am 30.12.2019 die Akten gemäß §22a BFA-VG vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.2. Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

1.3. Der Beschwerdeführer wurde von 07.12.2018 bis 03.06.2019 in Schubhaft angehalten. Am 03.06.2019 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen und trat eine gerichtliche Haftstrafe an. Seit der Entlassung aus der Strafhaft am 03.07.2019 befindet sich der Beschwerdeführer in Schubhaft.

1.4. Der Beschwerdeführer ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

3.1. Der Beschwerdeführer weist in Österreich folgende strafgerichtlichen Verurteilungen auf:

Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 05.08.2011 wurde der Beschwerdeführer als junger Erwachsener wegen des Vergehens der Hehlerei gemäß § 164 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 22.09.2015 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall und Abs. 2 Z 3 SMG sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG im Tatzeitraum Frühjahr 2014 bis April 2015 in einem das 15-fache der Grenzmenge überschreitenden Ausmaß zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 27.02.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Teilnahme an einer terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs. 2 StGB sowie des Verbrechens der Ausbildung für terroristische Zwecke gemäß § 278e Abs. 2 StGB (unter Bedachtnahme auf eine vorangegangene Verurteilung) zu einer unbedingten Zusatzfreiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren rechtskräftig verurteilt. Der Beschwerdeführer hat sich während eines näher genannten Zeitraumes in den Jahren 2013 und 2014 an einem näher genannten Ort in Syrien und in anderen Orten als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung in dem Wissen beteiligt, dass er dadurch diese oder deren strafbare Handlungen fördert (§ 278 Abs. 3 StGB), indem er in ein Ausbildungslager einer näher genannten Gruppierung reiste, sich dort einer terroristischen Ausbildung unterzog und bis zu seiner Rückkehr nach Österreich an Kampfhandlungen dieser terroristischen Vereinigung, unter anderem am Angriff auf ein näher genanntes Gebäude, teilnahm und sich zu Beginn der oben angeführten Tathandlung etwa einen Monat lang in der Herstellung oder im Gebrauch von Sprengstoff, Schuss- oder sonstigen Waffen oder schädlichen oder gefährlichen Stoffen oder in einer anderen ebenso schädlichen oder gefährlichen spezifisch zur Begehung einer terroristischen Straftat nach § 278c Abs. 1 Z 1 bis 9 oder 10 StGB geeigneten Methode oder einem solchen Verfahren unterweisen ließ, um eine solche terroristische Straftat unter Einsatz der erworbenen Fähigkeiten zu begehen, indem er in dieser Zeit eine Ausbildung in einem Lager einer näher genannten Gruppierung in einem Ort in Syrien absolvierte, wobei er im Gebrauch von Schusswaffen geschult wurde.

Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 03.04.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt. Der Beschwerdeführer hat eine näher genannte Person in einer näher genannten Justizanstalt am Körper verletzt, indem er dieser Person einen Faustschlag gegen das Gesicht versetzte, wodurch sich die Person eine Prellung des linken Augapfels und eine Rissquetschwunde an der linken Augenbraue zuzog.

Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 04.03.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von einem Monat rechtskräftig verurteilt. Dabei wurde das reumütige Geständnis mildernd und die überaus brutale Vorgangsweise erschwerend gewertet.

3.2. Der Beschwerdeführer ist ein islamistischer Extremist, der der Salafistenszene zuzurechnen ist. Der Beschwerdeführer und seine Brüder befürworten den IS (islamischer Staat - gelistete Terrororganisation).

3.3. Der Beschwerdeführer hat wiederholt gegen die österreichische Rechtsordnung verstoßen; hervorzuheben ist:

Er wurde etwa im Jahr 2012 vier Mal rechtskräftig wegen Geschwindigkeitsübertretungen, sieben Mal wegen Abgabenverkürzung nach dem Parkometergesetz, einmal wegen Überholens, einmal wegen Fahrens auf Gehwegen, drei Mal wegen Missachtung des Park- und Halteverbots, zwei Mal wegen Fahrens ohne Führerschein, drei Mal nach dem Kraftfahrgesetz wegen der Fahrzeugzulassung und einmal wegen der Verletzung der Ausweispflicht nach dem Fremdenpolizeigesetz verwaltungsbehördlich bestraft. Da er die verhängten Geldstrafen nicht beglich, wurden über ihn Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.

Im Jahr 2013 wurde der Beschwerdeführer neuerlich einmal wegen Geschwindigkeitsübertretung, fünf Mal wegen Abgabenverkürzung nach dem Parkometergesetz, zwei Mal wegen Missachtung des Park- und Halteverbots, sechs Mal nach dem Kraftfahrgesetz wegen der Fahrzeugzulassung und einmal wegen Störung der öffentlichen Ordnung verwaltungsbehördlich bestraft. Da er die verhängten Geldstrafen nicht beglich, musste er neuerlich Ersatzfreiheitsstrafen verbüßen.

Eine Landespolizeidirektion ermittelte zudem gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachts der Veruntreuung eines Mercedes Benz CLS 350, den er geleast, jedoch - nachdem er mit den Raten in Rückstand geraten ist - nicht zurückgestellt habe. Es waren EUR 33.778,-- aushaftend.

Der Beschwerdeführer wurde in den Jahren 2014 und 2015 einmal rechtskräftig wegen der Überlassung des Fahrzeuges an eine Person ohne erforderliche Lenkberechtigung, einmal wegen Fahrens ohne Führerschein, einmal wegen Verletzung der Höchstgeschwindigkeit, einmal wegen Missachtung des Park- und Halteverbots, einmal wegen Verletzung des Meldegesetzes, drei Mal wegen Verweigerung der Lenkerauskunft nach dem Kraftfahrgesetz und zwei Mal wegen Missachtung der Pickerlpflicht verwaltungsbehördlich bestraft.

Im Jänner 2015 ersuchte eine Landespolizeidirektion um die Einziehung des Konventionsreisepasses des Beschwerdeführers wegen des Verdachts der Verbindung zum islamischen Extremismus/Terrorismus. Der Konventionsreisepass wurde schließlich im Zuge einer Verkehrskontrolle eingezogen.

3.4. Darüber hinaus wurde der Beschwerdeführer während seiner Anhaltung in Haft wegen mehrfachen Fehlverhaltens bestraft bzw. ermahnt. So wurde etwa in der Zelle des Beschwerdeführers wiederholt ein Mobiltelefon aufgefunden und der Beschwerdeführer sodann in eine Einzelzelle verlegt.

3.5. In Österreich leben die Ehefrau des Beschwerdeführers sowie seine Eltern und Geschwister. Der Beschwerdeführer befand sich in den vergangenen Jahren durchgehend in Haft und hat daher in den vergangenen Jahren weder mit seiner nunmehrigen Ehefrau noch mit den anderen Verwandten im gemeinsamen Haushalt gelebt. Die genannten Angehörigen konnten den Beschwerdeführer auch nicht von seinen schweren Straftaten und den weiteren, zahlreichen Verstößen gegen die österreichische Rechtsordnung abhalten.

3.6. Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird er untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten um sich einer Abschiebung zu entziehen.

3.7. Am 22.05.2018 wurde ein Heimreisezertifikatsverfahren betreffend den Beschwerdeführer bei der russischen Botschaft eingeleitet. Am 01.03.2019 wurde der Beschwerdeführer bei der russischen Botschaft interviewt. Er war jedoch nicht kooperativ und weigerte sich Fragen zu beantworten und seine Identität bekannt zu geben.

Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats sowie die neuerliche Durchführung eines Interviews wurden mehrfach vom Bundesamt urgiert.

Mit Schreiben vom 12.11.2019 gab das Ministerium für innere Angelegenheiten der Russischen Föderation bekannt, dass eine Übernahme des Beschwerdeführers vorläufig abgelehnt wird, da in den Registern des Innen Ministeriums von Russland kein Foto des Beschwerdeführers vorhanden ist und die Identität des Beschwerdeführers nicht feststeht. Die Botschaft teilte mit, dass für eine Identifizierung des Beschwerdeführers eine schriftliche Bestätigung eines nahen Verwandten, der in den jeweiligen Registern des Innenministerium eingetragen ist, benötigt werde. Bei Vorlage einer schriftlichen Bestätigung der Mutter des Beschwerdeführers sowie Bekanntgabe deren Telefonnummer und Vorlage eines Fotos des Beschwerdeführers wäre eine Identifizierung möglich.

Die Mutter des Beschwerdeführers wohnt in Österreich. Diese wurde mittels Bescheid zu einem Termin beim Bundesamt geladen. Diese konnte den Termin jedoch wegen einer Erkrankung nicht wahrnehmen. Es erfolgte eine neuerliche Ladung der Mutter des Beschwerdeführers mittels Bescheid für den 10.01.2020.

Die russische Botschaft teilte dem Bundesamt mit, dass grundsätzlich die Bereitschaft zur Durchführung eines neuen Interviews zur Identifizierung vorhanden ist.

Am 29.11.2019 erfolgte durch das Bundesamt ein Amtshilfeersuchen an ein Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung zwecks Mitteilung von Erkenntnissen und Identitätsfeststellung. Dieses ergab, dass der Beschwerdeführer und seine Familie unzweifelhaft aus einer russischen Teilrepublik stammen würden.

Am 29.11.2019 wurde ein Ansuchen an die Botschaft der Republik Georgien betreffen die Ausstellung eines Heimreisezertifikats gestellt. Die Antwort dieser Botschaft ist noch ausständig.

3.8. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer ist möglich. Diese verzögert sich, da der Beschwerdeführer nicht mit den Behörden zusammenarbeitet, um eine Abschiebung zu verhindern. Nach Ausstellung eines Heimreisezertifikats erfolgt eine zeitnahe Abschiebung des Beschwerdeführers.

3.9. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit 11.12.2019 hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Akten des Bundesamtes für Fremden-wesen und Asyl, den Akt des Asylgerichtshofes zur Zahl 315471-1, die Akten des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Zahlen 1315471-2, 1315471-3, 1315471-5, 2211302-1, 2211302-2, 2211302-3, 2211302-4, 2211302-5, 2211302-6, 2211302-7, 2211302-8, 2211302-9, 2211302-10, 2211302-11 und 2211302-12, in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungsinformationssystem und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang, zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister sowie aus dem Auszug aus dem Fremdenregister und aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1.2. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des Beschwerdeführers. Die Anträge des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurden rechtskräftig abgewiesen bzw. zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist daher weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Dass er Staatsangehöriger der Russischen Föderation ist, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben. Es gibt bisher keine Anhaltspunkte, wonach diese Angaben unrichtig sein könnten

1.3. Die Feststellungen zu den erlassenen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gründen auf den Eintragungen im Zentralen Fremdenregister sowie aus den vorgelegten Bescheiden.

Dass der Beschwerdeführer seit 03.07.2019 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1.4. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim Beschwerdeführer eine Haftunfähigkeit vorliegen würde. Dass der Beschwerdeführer Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft und etwa dadurch belegt, dass er am 23.09.2019 in einem Zahnambulatorium behandelt wurde.

2. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

2.1. Aus der Einsichtnahme in das Strafregister sowie aus den im Akt einliegenden Urteilen ergeben sich die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers. Die auszugsweise festgestellten Verstöße des Beschwerdeführers gegen die österreichische Rechtsordnung hat bereits das Bundesamt im Bescheid vom 01.07.2019 festgehalten. Diese ergeben sich zum Teil auch aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres sowie dem Akteninhalt und sind überdies unstrittig.

2.2. Die Feststellungen zu den in Österreich aufhältigen Familienangehörigen des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt (vgl. etwa Seite 4 der Niederschrift vom 03.12.2018).

Dass sich der Beschwerdeführer in den vergangenen Jahren durchgehend in Haft befand und in den vergangenen Jahren weder mit seiner nunmehrigen Ehefrau noch mit den anderen Verwandten im gemeinsamen Haushalt gelebt hat, ergibt sich aus einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister in Zusammenschau mit einer Einsichtnahme in das Strafregister.

Die genannten Angehörigen konnten den Beschwerdeführer auch nicht von seinen schweren Straftaten und den weiteren, zahlreichen Verstößen gegen die österreichische Rechtsordnung abhalten. Es kann nicht von einem aufrechten, gefestigten Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich ausgegangen werden.

2.3. Dass der Beschwerdeführer nicht gewillt ist, mit den Behörden zu kooperieren und sich an die Rechtsordnung in Österreich zu halten, ergibt sich aus dem festgestellten bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers, seinen strafrechtlichen Verurteilungen sowie auch seinem Verhalten während der Haft. Dass er nicht bereit ist, freiwillig in den Herkunftsstaat zurückzukehren oder am Verfahren zu seiner Außerlandesbringung mitzuwirken, hat er selbst angegeben; dies geht etwa auch aus dem Bericht über den Termin in der Konsularabteilung der Botschaft der Russischen Föderation hervor.

Das Gericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten werde. Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer sein bisher jahrelang gezeigtes Verhalten ändern werde.

2.4. Die Feststellungen zum Heimreisezertifikatsverfahren ergeben sich aus dem Verfahrensakt und aus den vom Bundesamt vorgelegten Unterlagen. Sobald ein Heimreisezertifikat vorliegt, erfolgt eine zeitnahe Abschiebung des Beschwerdeführers.

2.5. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit 11.12.2019 ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. - Fortsetzungsausspruch

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 FPG, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).

3.1.3. Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung ist das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Zur Sicherung der Abschiebung kommt Schubhaft darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.1.4. Im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Es wurde bereits ein Heimreisezertifikatsverfahren bei der russischen Botschaft eingeleitet. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats wurde vom Bundesamt bereits mehrfach urgiert. Sobald ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer ausgestellt wird, erfolgt zeitnah eine Abschiebung des Beschwerdeführers.

3.1.5. Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus.

Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht, er ist nicht kooperativ. Der Beschwerdeführer konnte weder durch seine Familienangehörigen noch durch Strafhaften zu einem rechtskonformen Verhalten bewegt werden. Der Beschwerdeführer weigert sich das österreichische Bundesgebiet freiwillig zu verlassen.

Sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose haben bei dem Beschwerdeführer ein erhöhtes Risiko des Untertauchens sowie einen Sicherungsbedarf ergeben. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.6. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Es steht außer Streit, dass der Beschwerdeführer familiäre Bezugspunkte in Österreich aufweist. Es ist aber gerade dieses familiäre Umfeld, welches umso mehr die kriminelle Laufbahn des Beschwerdeführers als bedenklich scheinen lässt, sodass vor dem Hintergrund einer notwendigen Gesamtschau die Begehung weitere Delikte in Freiheit zu erwarten ist; dies umso mehr, als nicht einmal die Anhaltung in Strafhaft den Beschwerdeführer davon abhielt.

Das Bundesamt hat nach Rechtskraft der aufenthaltsbeendenden Maßnahme umgehend ein Heimreisezertifikatsverfahren gegen den Beschwerdeführer eingeleitet. Das Bundesamt hat die Ausstellung eines Heimreisezertifikats regelmäßig urgiert und somit auf eine besonders kurze Anhaltung in Schubhaft hingewirkt.

Die Dauer der Schubhaft ist durch das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer bedingt. Dass sich die Erlangung dieses Dokumentes verzögert, ist dem Verhalten des Beschwerdeführers zuzurechnen, da er an seiner Identitätsfeststellung nicht mitwirkt und mit den Behörden nicht kooperiert. Es obliegt dem Beschwerdeführer durch eine Kooperation mit den Behörden und Mitwirkung bei seiner Identitätsfeststellung die Dauer der Schubhaft möglichst kurz zu halten.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen - insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung - zumal der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass er sich behördlichen Verfahren entzieht und im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er dieses Verhalten in Zukunft ändert.

Nach Ausstellung eines Heimreisezertifikats erfolgt umgehend eine Abschiebung des Beschwerdeführers. Die Ausstellung des Heimweisezertifikats scheint derzeit wahrscheinlich. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen ist zudem jedenfalls gewährleistet, dass eine allfällige weitere wesentliche Verlängerung der Schubhaft einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen sein wird. Bei einer im Sinne des § 80 Abs. 4 Z. 4 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten scheint die Aufrechterhaltung der seit 03.07.2019 bestehenden Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft verhältnismäßig.

Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

3.1.7. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung sowie die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom Beschwerdeführer in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des Untertauchens des Beschwerdeführers besteht.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.1.8. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine "ultima ratio" dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des Beschwerdeführers zu gewährleisten.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.1.9. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft, öffentliche Interessen,
Rückkehrentscheidung, Schubhaft, Sicherungsbedarf, Strafhaft,
strafrechtliche Verurteilung, Überprüfung, Untertauchen,
Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W251.2211302.13.00

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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