Entscheidungsdatum
08.01.2020Norm
ASVG §18aSpruch
W156 2215823-2/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichterin über die Beschwerde von H XXXX D XXXX , SVNR XXXX , STA Österreich, gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, vom 08.02.2019, Zl. HVBA/ XXXX , zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und es wird festgestellt, dass
H XXXX D XXXX von 01.01.1988 bis 31.05.1993 zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG berechtigt war.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit erstmaligem Antrag vom 23.12.2015, beantragte die Beschwerdeführerin (im Folgenden BF) die Berechtigung zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG iVm § 669 ASVG für Zeiten der Pflege ihres von Zöliakie betroffenen Kindes T XXXX D XXXX , geboren XXXX .
Die Pensionsversicherungsanstalt wies diesen Antrag mit Bescheid, AZ: HVBA- XXXX , vom 08.02.2019 ab. Begründend führte die PVA an, dass aufgrund des fachärztlichen Begutachtungsergebnisses die Arbeitskraft nicht gänzlich beansprucht werde.
Gegen diesen Bescheid erhob die BF Beschwerde, die sie beim Bundesverwaltungsgericht einbrachte, und führte im Wesentlichen aus, dass in der Zeit von 1988 bis 1993 die Pflege und Betreuung eines Kindes mit Zöliakie nicht mit der heutigen Situation vergleichbar sei. Es habe kaum diätischen Lebensmittel (glutenfrei), gegeben und die BF habe ständig schriftlich bei den Lebensmittelherstellern sowie deren Vorlieferanten nach den verwendeten Zutaten anfragen müssen. Sie habe weiters alles sehr zeitaufwändig selbst zubereiten müssen. Zuständigkeitshalber wurde die Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht am 05.03.2019, innerhalb der Beschwerdefrist, an die PVA weitergeleitet.
Mit Schreiben vom 20.03.2019 legte die PVA die als fristgerecht zu beurteilende Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt samt Stellungnahme dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
In ihrer Stellungnahme verwies die PVA auf die vom chefärztlichen Dienst aufgrund der dem Antrag beigelegten Befunde aus den Jahren 1981, 1985 und 1999 gemachten Feststellungen, dass die Arbeitskraft der BF durch die Pflege ihres Kindes nicht gänzlich beansprucht worden sei, sodass grundsätzlich die Möglichkeit einer Beschäftigung ohne Entgegenkommen des Dienstgebers bestanden hätte, ohne dass sich dadurch Nachteile in der Entwicklung des Kindes ergeben hätten.
Mit Beschluss vom 04.09.2019 bestellte das Bundesverwaltungsgericht Herrn Univ.-Prof Dr. Kurt Widhalm als nichtamtlichen Sachverständigen gemäß § 52 Abs. 2 AVG iVm § 17 VwGVG zum Sachverständigen aus dem Bereich Interne Medizin und ersuchte diesen bezogen auf den Zeitraum von 01.01.1988 bis 31.05.1993 um Beantwortung der folgenden Fragen:
"1. War die Behandlung von Zöliakie im verfahrensrelevanten Zeitraum auf dem gleichen Stand wie heute? Welche medizinischen Maßnahmen waren im verfahrensrelevanten Zeitraum (Jänner 1988 bis Mai 1993) für die bei dem Sohn der Beschwerdeführerin bestehende Behinderung bekannt?
2. Zu welchen Vorkehrungen für den Tagesablauf hat man aus ärztlicher Sicht Elternteilen von Zöliakie-kranken Kindern im verfahrensrelevanten Zeitraum (Jänner 1988 bis Mai 1993) geraten (etwa Besorgung der Lebensmittel, Zubereitung der Speisen, Hygienemaßnahmen, Ermöglichung eines kindgerechten Alltages)?
3. Zu welchen konkreten Diätmaßnahmen hat man aus ärztlicher Sicht Elternteilen von Zöliakie-kranken Kindern im verfahrensrelevanten Zeitraum (Jänner 1988 bis Mai 1993) geraten?
4. Musste bei der beim Sohn der Beschwerdeführerin erforderlichen Diät auf die Verwendung von nicht mit belasteten Lebensmitteln in Berührung gekommenem Kochgeschirr und Besteck geachtet werden?
5. Welche gesundheitlichen Konsequenzen hätte die Einnahme einer Mahlzeit mit belasteten Lebensmitteln für ein 8 bis 13-jähriges Kind zur Folge?
6. Welche gesundheitlichen Konsequenzen hätte eine länger dauernde nicht konsequente Einhaltung der vorgeschriebenen Diät im Alter von 8 bis 13 Jahren zur Folge?
7. Konnte man Elternteile von Zöliakie-kranken Kindern im verfahrensrelevanten Zeitraum (Jänner 1988 bis Mai 1993) an vom Krankenversicherungsträger angebotene Diät-Beratungsstellen verweisen?
8. Wäre eine ganztägige Betreuung des damals 8 bis 13-jährigen T
XXXX D XXXX , in einer außerhäuslichen Einrichtung im verfahrensrelevanten Zeitraum (Jänner 1988 bis Mai 1993) möglich gewesen und wenn ja, unter welchen Bedingungen?
9. Bedarf es bei Zöliakie-kranken Kindern regelmäßiger ärztlicher Kontrollen? Wenn ja, wie oft bzw. in welchen zeitlichen Abständen?
10. Welchen Stellenwert haben Erziehungs-, Motivations- und Kontrollmaßnahmen durch einen Elternteil, damit ein Kind im Alter von 8 bis 13 Jahren die Diät (zu Hause und in der Schule) im medizinisch erforderlichen Ausmaß einhalten bzw. eigenständig erlernen kann? Was hat man in diesem Zusammenhang aus fachärztlicher Sicht Eltern eines Zöliakie-kranken Kindes im Alter von 8 bis 13 Jahren im verfahrensgegenständlichen Zeitraum (Jänner 1988 bis Mai 1993) geraten?
11. Konnte man zöliakiebetroffene Kinder im verfahrensrelevanten Zeitraum (Jänner 1988 bis Mai 1993) an vom Krankenversicherungsträger angebotene Diät-Beratungsstellen verweisen, und wenn ja, ab welchem Alter?
12. Kann aus medizinischer Sicht ein bestimmtes Alter genannt werden, ab dem ein Kind im Allgemeinen selbst in der Lage ist bei altersentsprechender Aufklärung seine Krankheit und die notwendige besondere Ernährungsform zu beherrschen und gleichzeitig einen seinem Alter angemessenen Alltag (Schule, Hort, Freizeitgestaltung mit Freunden) zu leben?
13. Ist diese Altersgrenze für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum (Jänner 1988 bis Mai 1993) höher anzusetzen als heute? War die Einhaltung der erforderlichen Diät im verfahrensgegenständlichen Zeitraum unter denselben Bedingungen zu bewerkstelligen wie heute?
14. Kann aus heutiger Sicht ärztlicherseits mit einem geringen, mittleren oder hohen Wahrscheinlichkeitsgrad festgestellt werden, ob Herr T XXXX D XXXX , im Alter von 8 bis 13 Jahren schon in der Lage gewesen sein wird, die notwendige besondere Ernährungsform zu beherrschen und gleichzeitig einen seinem Alter angemessenen Alltag (Schule, Hort, Freizeitgestaltung mit Freunden) zu leben?
15. Kann aus heutiger Sicht ärztlicherseits mit einem geringen, mittleren oder hohen Wahrscheinlichkeitsgrad festgestellt werden, ob Herr T XXXX D XXXX , im Alter von 12 bis 13 Jahren aufgrund seiner Zöliakiebetroffenheit noch auf eine starke psychische Unterstützung (Motivation) der Mutter angewiesen gewesen sein wird?"
Mit fachärztlichem Gutachten vom 22.10.2019 führte Univ-Prof Dr. Widhalm folgendes aus:
"Die Beweisaufnahme am 21.10.2019 ergab folgende Fakten:
Anthropometrie des T XXXX D XXXX , geb. XXXX : 201 cm/107 kg, Body Cornposition 22% Fettgehalt. Die Diagnose Zöliakie wurde im Rahmen der stationären Aufnahme zwischen 09.02.1981 und 11.02.1981 an der Universitätskinderklinik Wien gestellt. Für die Diagnose nach Durchführung einer Dünndarmbiopsie zeichnete Herr OA Dr. Gerhard Granditsch verantwortlich.
Ein ärztliches Zeugnis, unterzeichnet von Univ.-Doz. Dr. G. Granditsch, vom 13.11.1985 bestätigt nochmals die damals gestellte Diagnose Zöliakie (glutensensitive Enteropathie).
Aus der Anamnese ergibt sich, dass der Patient T XXXX D XXXX von Oktober 1980 bis Februar 1981 permanent Durchfälle hatte und mit einem Jahr 8,8 kg wog.
Unmittelbar nach Stellung der Diagnose und Beginn der zöliakiespezifischen gluterfreien Diät kam es zu einem Gewichtsanstieg, zu einem besseren Gedeihen und zum Verschwinden der Durchfälle sowie auch zu einer deutlichen Verbesserung der psychophysischen Situation.
Die in dem Gerichtsauftrag gestellten Fragen werden chronologisch wie folgt beantwortet:
ad 1) War die Behandlung von Zöliakie im verfahrensrelevanten Zeitraum auf dem gleichen Stand wie heute?
Antwort: Die Diagnoseverfahren und therapeutischen Konsequenzen für die Zöliakie wurden erst in den späten 1970er-Jahren in die klinische Routine eingeführt und waren damals zumindest in Mitteleuropa relativ neu und unbekannt. Das heißt mit anderen Worten, dass sowohl die Behandlung als auch die daraus folgenden medizinischen Maßnahmen im verfahrensrelevanter Zeitraum mit den diagnostischen Möglichkeiten und therapeutischen Konsequenzen in der heutigen Zeit in keiner Weise vergleichbar sind. Die Expertise an der Universitätskinderklinik Wien war damals unique und in keiner Weise allgemein verfügbar.
ad 2) Zu welchen Vorkehrungen für den Tagesablauf hat man aus ärztlicher Sicht Elternteilen von zöliakiekranken Kindern im verfahrensrelevanten Zeitraum geraten (Besorgung der Lebensmittel, Zubereitung der Speisen, Hygienemaßnahmen, Ermöglichung eines kindergerechten Alltages)?
Antwort: Bei der Zöliakie handelt es sich um eine sogenannte glutensensitive Enteropathie, das heißt ein im Getreide befindliches Protein kann von der Dünndarmschleimhaut nicht adäquat resorbiert und aufgenommen werden, sodass es in der Folge zu einer fast totalen Abflachung der Dünndarmzotten kommt, die die Resorptionsfläche auch für andere essentielle Nahrungsbestandteile signifikant einschränkt. Folge davon sind Resorptionsstörungen, permanente Durchfälle, Gedeihstörung bis zu Blutungen, aber auch erhebliche psychische Beeinträchtigung durch die nicht vorhandene Resorption von essentiellen Nährstoffen und durch ständiges Unwohlsein.
Die einzige kausale Therapie besteht in der Vermeidung von gliadinhältigen Lebensmitteln und Speisen. Da jedoch Getreideprodukte und Mehl in fast allen Lebensmitteln enthalten sind (z.B. Würste, Mehlspeisen, selbstverständlich Brot und Brotbestandteile etc.), ist es notwendig, alle Lebensmittel, die auch in Spuren Gliadin enthalten, zu vermeiden. Dies war im Zeitraum von Jänner 1988 bis Mai 1993 außerordentlich schwierig, da es nur in Wien eine Bäckerei gab, die gliadinfreies Brot für Zöliakiepatienten hergestellt hat. Alle anderen Nahrungsmittel waren zur damaligen Zeit in gliadinfreier Form nicht verfügbar. Aus diesem Grunde musste eine Diät in der Weise zusammengestellt werden, dass sämtliche Speisen mit Grundnahrungsmitteln hergestellt wurden, die kein Gluten bzw. auch keine glutenhältigen Produkte und Lebensmittel enthalten durften. Dies war damals ein außerordentlich aufwendiger Vorgang, der eine entsprechende Beschäftigung mit den Lebensmitteln erforderte und auch eine Kenntnis des Gliadingehaltes und der Zusammensetzung der wichtigsten Lebensmittel voraussetzte.
ad 3) Zu welchen konkreten Diätmaßnahmen hat man aus ärztlicher Sicht Elternteilen von zöliakiekranken Kindern im verfahrensrelevanten Zeitraum geraten?
Antwort: Die zuvor genannten Diätmaßnahmen mussten streng eingehalten werden, da auch eine geringe Zufuhr von Gliadin bereits zum Wiederauftreten von Symptomen führen konnte bzw. auch unter Umständen toxische Reaktionen beim Patienten hervorrufen konnten. Für die Zubereitung der Speisen gab es ausführliche Diätvorschriften, die von mit Zöliakie vertrauten Diätassistentinnen und Ernährungswissenschaftlern peinlichst genau zusammengestellt werden mussten.
ad 4) Musste bei der beim Sohn der Beschwerdeführerin erforderlichen Diät auf die Verwendung von nicht mit belastenden Lebensmitteln in Berührung gekommenem Kochgeschirr und Besteck geachtet werden?
Antwort: Ja, sehr wohl; bereits ganz geringe Mengen von Gliadin konnten toxische/allergische Reaktionen beim betroffenen Patienten auslösen.
ad 5) Welche gesundheitlichen Konsequenzen hätte die Einnahme einer Mahlzeit mit belastenden Lebensmitteln für ein 8- bis 13-jähriges Kind zur Folge?
Antwort: Schon eine Mahlzeit hätte massive Reaktionen wie das Wiederauftreten von Durchfällen und Bauchschmerzen auslösen können und außerdem eine länger dauernde Schädigung der wiederhergestellten Dünndarmschleimhaut hervorrufen können.
ad 6) Welche gesundheitlichen Konsequenzen hätte eine länger dauernde nicht konsequente Einhaltung der vorgeschriebenen Diät im Alter von 8 bis 13 Jahren zur Folge?
Antwort: Eine Nichteinhaltung der gliadinfreien Diät hätte folgende
Konsequenzen: Beginn von Durchfällen, Mangelernährung, Infektionsneigung, Wachstumsstillstand bis zu schweren Blutungen, psychische Veränderungen.
ad 7) Konnte man Elternteile von zöliakiekranken Kindern im verfahrensrelevanten Zeitraum an vom Krankenversicherungsträger angebotene Diätberatungsstellen verweisen?
Antwort: So weit ich informiert bin, gab es diese angebotenen Diätberatungsstellen zum damaligen Zeitpunkt überhaupt nicht.
ad 8) Wäre eine ganztätige Betreuung des damals 8- bis 13-jährigen T XXXX D XXXX in einer außerhäuslichen Einrichtung im verfahrensrelevanten Zeitraum möglich gewesen und wenn ja, unter welchen Bedingungen?
Antwort: Dies wäre nur möglich gewesen, wenn in der entsprechenden Einrichtung eine speziell geschulte Ernährungsfachkraft anwesend gewesen wäre, die außerdem die Möglichkeit gehabt hätte, gliadinfreie Speisen für den Patienten T XXXX D XXXX zusammenzustellen. Da die Kenntnisse damals noch rudimentär und nicht allgemein verfügbar waren, hätte es solche Personen ja auch gar nicht gegeben.
ad 9) Bedarf es bei zöliakiekranken Kindern regelmäßiger ärztlicher Kontrollen? Wenn ja, wie oft und in welchem zeitlichen Abstand?
Antwort: Ärztliche Kontrollen sind in den ersten zwei Jahren in Abständen von zwei bis drei Monaten unabdingbar, mit zunehmendem Alter können die Intervalle für die Kontrollen verlängert werden.
ad 10) Welchen Stellenwert haben Erziehungs-, Motivation- und Kontrollmaßnahmen durch einen Elternteil, damit ein Kind im Alter von 8 bis 13 Jahren die Diät (zuhause und In der Schule) im medizinisch erforderlichen Ausmaß einhalten bzw. eigenständig erlernen kann? Was hat man in diesem Zusammenhang aus fachärztlicher Sicht Eltern einer zöliakiekranken Kindes im Alter von 8 bis 13 Jahren im verfahrensgegenständlichen Zeitraum geraten?
Antwort: Die Eltern wurden damals durch intensive Schulungen darauf aufmerksam gemacht, dass behutsame und sorgfältige Erziehungsmaßnahmen notwendig seien, um die Kinder an eine derartige sehr aufwendige Ernährungsweise zu gewöhnen und sogenannte Ausreißer zu vermeiden. Der Patient T XXXX D XXXX berichtete mir bei der Beweisaufnahme, dass er sich sehr wohl an Geburtstagsfeiern mit befreundeten Kindern erinnern kann, bei denen er immer angehalten war, keine der angebotenen Torten zu essen. Dies hat offenbar auch psychische Irritationen ausgelöst, die die Eltern mit großem Einfühlungsvermögen bei dementsprechendem Ernährungs-Regime dem Kind erklären mussten.
ad 11) Konnte man zöliakiebetroffene Kinder im verfahrensrelevanten Zeitraum an vom Krankenversicherungsträger angebotene Diätberatungsstellen verweisen und wenn ja, in welchem Alter?
Antwort: Soweit ich mich erinnern kann - ich war in der besagten Zeit als Oberarzt an der Universitätskinderklinik tätig - gab es keine derartigen Diätberatungsstellen.
ad 12) Kann man aus medizinischer Sicht ein bestimmtes Alter nennen, ab dem ein Kind im Allgemeinen selbst in der Lage ist, bei altersentsprechender Aufklärung seine Krankheit und die notwendige Sonderernährungsform zu beherrschen und gleichzeitig einen seinem Alter angemessenen Alltag (Schule, Hort, Freizeitgestaltung mit Freunden) zu leben?
Antwort: Eine Nennung eines diesbezüglichen Alters ist fast unmöglich, da Kinder sehr unterschiedlich auf eine derartige Diät reagieren und sich auch sehr individuell mit einer derartigen Situation abfinden. Festzuhalten ist auch, dass gerade im präpubertären Alter Probleme der Adhärenz von derartigen Maßnahmen gegeben sind und hier eine besonders intensive psychologische und edukatorische Betreuung der Kinder notwendig ist.
ad 13) Ist diese Altersgrenze für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum höher anzusetzen als heute? War die Einhaltung der erforderlichen Diät im verfahrensgegenständlichen Zeitraum unter denselben Bedingungen zu bewerkstelligen wie heute?
Antwort: Sicherlich nicht, da es heute eine Unzahl von Produkten, die gliadinfrei sind, gibt, die eine einigermaßen normale Ernährung in ungleich größerem Ausmaß ermöglichen als zur damaligen Zeit.
ad 14) Kann aus heutiger ärztlicher Sicht mit einem geringen, mittleren oder hohen Wahrscheinlichkeitsgrad festgestellt werden, ob Herr T XXXX D XXXX im Alter von 8 bis 13 Jahren schon in der Lage gewesen sein wird, die notwendig besondere Ernährungsform zu beherrschen und gleichzeitig einen seinem Alter angemessenen Alltag (Schule, Hort, Freizeitgestaltung mit Freunden) zu leben?
Antwort: Dies ist mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit festzustellen, aus den obgenannten Gründen der damaligen Nichtverfügbarkeit von gliadinfreien Lebensmitteln.
ad 15) Kann aus heutiger Sicht ärztlicherseits mit einem geringen, mittleren oder hohen Wahrscheinlichkeitsgrad festgestellt werden, ob Herr T XXXX D XXXX im Alter von 12 bis 13 Jahren aufgrund seiner Zöliakiebetroffenheit noch auf eine starke psychische Unterstützung (Motivation) der Mutter angewiesen gewesen sein wird?
Antwort: Dies ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen.
Abschließend erlaube ich mir festzuhalten, dass erst um das Jahr 2000 die Nahrungs- und Lebensmittelindustrie langsam gliadinfreie Lebensmittel und Produkte auf den Markt gebracht hat. Heute gibt es eine Unzahl von gliadinfreien Lebensmitteln, die auch für Personen beworben werden, die keine glutensensitive Enteropathie haben. Dadurch ist es aber sichergestellt, dass verschiedene auch wohlschmeckende Produkte und Speisen angeboten werden, die es im verfahrensrelevanten Zeitraum in keiner Weise gab. Eine einigermaßen schmackhafte Ernährung für einen zöliakiebetroffenen Patienten in dem verfahrensgegenständlichen Zeitraum herzustellen, war außerordentlich schwierig und erforderte große Sachkenntnisse, Phantasie, Aufmerksamkeit und das intensive Studium der damals noch sehr kargen Literatur."
Mit Parteiengehör vom 18.11.2019 wurde der BF und der belangten Behörde das Gutachten vom 22.10.2019 zur Stellungnahme übermittelt.
Die BF gab mit Schreiben vom 23.12.2019 eine Stellungnahme ab, die belangte Behörde enthielt sich einer Stellungnahme.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF wohnte mit ihrem Sohn, T XXXX D XXXX , geb. XXXX, im verfahrensgegenständlichen Zeitraum im gemeinsamen Haushalt im Inland. Im Jahr 1981 wurde beim Sohn der BF Zöliakie diagnostiziert. Für den Sohn der BF wurde jedenfalls von 01/1988 bis 05/1993 erhöhte Familienbeihilfe bezogen. Aufgrund seines Leidens muss der Sohn der BF strenge glutenfreie Diät halten. Folge von Zöliakie sind Resorptionsstörungen, permanente Durchfälle, Gedeihstörung bis zu Blutungen, aber auch erhebliche psychische Beeinträchtigung durch die nicht vorhandene Resorption von essentiellen Nährstoffen und durch ständiges Unwohlsein. Die einzige kausale Therapie besteht in der Vermeidung von gliadinhältigen Lebensmitteln und Speisen.
Die BF hat diese Diät durch kontinuierliche Recherche bei den Herstellern von Lebensmitteln und tägliches Vorbereiten aller Mahlzeiten ihrem Sohn ermöglicht.
Der Sohn der BF ist bedingt durch die konsequente Einhaltung einer komplett glutenfreien Diät gesund und normal entwickelt.
Die BF erwarb im verfahrensgegenständlichem Zeitraum keine Pensionsversicherungszeit. Ab dem 01.06.1993 war die BF vollversichert als Angestellte beschäftigt.
Für den Sohn der BF wurde im verfahrensgegenständlichen Zeitraum erhöhte Familienbeihilfe bezogen.
Beweiswürdigung:
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, durch Einholung eines schriftlichen internistisch fachärztlichen Sachverständigengutachtens von Univ.-Prof Dr. Kurt Widhalm vom 22.10.2019.
Die für die Beurteilung wesentlichen Beweismittel sind allen Verfahrensparteien bekannt.
Dass im verfahrensgegenständlichen Zeitraum erhöhte Familienbeihilfe für T XXXX D XXXX bezogen wurde, wurde durch die belangte Behörde nicht bestritten, ebensowenig der gemeinsame Haushalt mit der BF.
Dass im verfahrensgegenständlichen Zeitraum keine Versicherungszeiten der BF vorliegen ergibt sich aus den Versicherungsauszug.
Die Diagnose Zöliakie ergibt sich aus den vorgelegten Befunden aus den Jahren 1981, 1985 und 1999.
2. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1.1. Maßgebliche Rechtslage:
§ 18 a Abs. 1 - 3 ASVG i.d.F BGBl. Nr. BGBl. Nr. 2/2015 lautet:
"Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes
§ 18a. (1) Personen, die ein behindertes Kind, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, unter überwiegender Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen.
(2) Die Selbstversicherung ist für eine Zeit ausgeschlossen, während der
1. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 2/2015)
2. eine Ausnahme von der Vollversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Z 3 besteht oder auf Grund eines der dort genannten Dienstverhältnisse ein Ruhegenuß bezogen wird oder
3. eine Ersatzzeit gemäß § 227 Abs. 1 Z 3 bis 6 oder § 227a vorliegt.
(3) Eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 wird jedenfalls dann angenommen, wenn und so lange das behinderte Kind
1. das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht (§ 2 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985) noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,
2. während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,
3. nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 40. Lebensjahres dauernd bettlägrig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf.
§ 669 Abs. 3 ASVG, idF BGBl I Nr 125/2017 lautet:
"Die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18a kann auf Antrag von Personen, die irgendwann in der Zeit seit dem 1. Jänner 1988 die zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt haben, nachträglich beansprucht werden, und zwar für alle oder einzelne Monate, längstens jedoch für 120 Monate, in denen die genannten Voraussetzungen vorlagen. § 18 Abs. 2 ist sinngemäß anzuwenden."
§ 669 Abs.3 in der Fassung BGBl. I Nr. 125/2017 lautet:
"Die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18a kann auf Antrag von Personen, die irgendwann in der Zeit seit dem 1. Jänner 1988 die zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt haben, nachträglich beansprucht werden, und zwar für alle oder einzelne Monate, längstens jedoch für 120 Monate, in denen die genannten Voraussetzungen vorlagen. § 18 Abs. 2 ist sinngemäß anzuwenden."
Mit BGBI. I Nr. 125/2017 wurde § 669 Absatz 3 ASVG dahingehend geändert, dass die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18a auf Antrag von Personen, die irgendwann in der Zeit seit dem 1. Jänner 1988 die zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt haben, nachträglich beansprucht werden kann, und zwar für alle oder einzelne Monate, längstens jedoch für 120 Monate, in denen die genannten Voraussetzungen vorlagen.
Mit Abänderungsantrag vom 30.06.2017 zum Gesetzesentwurf im Bericht des Sozialausschusses 1698 der Beilagen über die Regierungsvorlage 1613 betreffend ein Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz wurde die derzeit geltende Bestimmung des § 669 Abs. 3 ASVG angenommen und heißt es in den erläuternden Bemerkungen:
"Im Jahr 2015 wurden die Voraussetzungen für die beitragsfreie Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18a ASVG für Personen, die ein behindertes Kind pflegen, insofern geändert, als insbesondere die Anspruchsvoraussetzung "vollständige Beanspruchung der Arbeitskraft" durch "überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft" ersetzt wurde. Um pensionsrechtliche Härten für Personen zu vermeiden, die während der Pflege eines behinderten Kindes teilzeitbeschäftigt waren, soll auch die rückwirkende Anrechnung von - wie bisher - bis zu zehn Jahren ermöglicht werden, wenn die zum Zeitpunkt der AntragsteIlung geltenden Voraussetzungen während der Pflegezeiten erfüllt waren.
Mit dieser Regelung soll ein Zeichen der Solidarität gegenüber dem Engagement von Personen gesetzt werden, die im Familienkreis und außerhalb von stationären Einrichtungen behindert Kinder oder Angehörige pflegen und betreuen.
Die Kosten dieser Maßnahme werden als äußerst gering eingeschätzt, weil vermutlich sehr wenige Personen betroffen sind und weil keine Auswirkungen auf das Pensionsantrittsalter zu erwarten sind."
Die BF beansprucht mit Antrag vom23.12.2015 eine Berechtigung zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG für die Zeiträume von Jänner 1988 bis einschließlich Mai 1993.
Wie sich aus den Feststellungen ergibt, erwarb die BF im verfahrensgegenständlichen Zeitraum keine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung und standen der Berechtigung zur Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG keine Ausschließungsgründe gemäß § 18a Abs. 2 Z 1 und Z 3 ASVG entgegen.
Da gemäß § 669 Abs. 3 ASVG nur ganze Monate erworben werden können, waren für die hier gegenständliche Beurteilung der Zeitraum Jänner 1988 bis einschließlich Mai 1993 aufzugreifen.
§ 18a Abs 1 ASVG in der hier anzuwendenden Fassung lautete wie folgt:
"Personen, die ein behindertes Kind, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, unter überwiegender Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen."
Die BF wohnte mit ihrem Sohn, in der verfahrensgegenständlichen Zeit im gemeinsamen Haushalt im Inland. Sie bezog für ihren Sohn erhöhte Familienbeihilfe.
Zu prüfen bleibt, ob das Element der für den verfahrensrelevanten Zeitraum gesetzlich geforderten überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft der BF vorliegt.
Gemäß § 18a Abs. 3 ASVG in der für diesen Zeitraum maßgeblichen Fassung liegt eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 vor, wenn und so lange das behinderte Kind
1. das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht (§ 2 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985) noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,
2. während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,
3. nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 40. Lebensjahres dauernd bettlägrig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf.
§ 18a Abs. 3 Z 2 ASVG ist so auszulegen, dass eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft iSd Abs. 1 legcit auch dann vorliegt, wenn ein schulpflichtiges behindertes Kind zwar die Schule besucht (also nicht wegen seiner Behinderung von der Schulpflicht befreit ist), aber dennoch ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf. Es ist im Wege entsprechender Sachverständigengutachten zu klären, ob (und in welchem Umfang) unter Berücksichtigung des Alters und der spezifischen Behinderung des Kindes dessen ständige Betreuung auch außerhalb der Zeit des Schulbesuches erforderlich ist und ob bei Unterbleiben dieser Betreuung die Entwicklung des Kindes im Verhältnis zu einem ähnlich behinderten Kind, dem diese Zuwendung zuteil wird, benachteiligt oder gefährdet ist. (VwGH 16.11.2005, 2003/08/0261).
Der Sohn der BF war nicht von der Schulpflicht befreit. Er besuchte in der hier zu beurteilenden Zeit die Schule.
Aus dem Umstand, dass der Sohn der BF aktuell an keinen Spätfolgen seiner Zöliakiebetroffenheit leidet, ist für den vorliegenden Fall lediglich zu schließen, dass der Sohn während seiner gesamten Kindheit optimal medizinisch versorgt und von der BF optimal betreut wurde. Über den Aufwand, der dies ermöglicht hat, ist damit noch nichts gesagt.
Die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegte chefärztliche Stellungnahme war für die hier vorzunehmende Beurteilung nicht heranzuziehen, da sie sich ausschließlich auf die Befunde aus den Jahren 1981, 1985 und 1999 bezieht, aus denen nicht hervorgeht, ob der Sohn der BF im verfahrensgegenständlichen Zeitraum (01/1988 bis 06/1993) ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedurfte.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis 2014/08/0084 vom 19.1.2017 zu einem Fall betreffend § 18b ASVG klargestellt hat, stellt die in § 18a ASVG durch das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz - SVAG, BGBl. I Nr. 2/2015, normierte Legaldefinition "überwiegende" Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege eines behinderten Kindes - im Gegensatz zu § 18b ASVG - nicht (primär) auf eine zeitliche Inanspruchnahme durch die Pflege (hier: Anzahl der Pflegestunden), sondern auf speziell für behinderte Kinder zugeschnittene andere Kriterien ab.
Wie sich aus dem im Beschwerdeverfahren eingeholten internistischen Sachverständigengutachten ergibt, konnte Zöliakie im hier relevanten Zeitraum zwar diagnostiziert werden. Für von Zöliakie betroffene Kinder und ihre Eltern allerdings in diesem Zeitraum kaum Beratung und Unterstützung bei der Behandlung. Zudem war zu dieser Zeit selbst in Wien lediglich eine Bäckerei vorhanden, die glaidinfreies Brot herstellte. Gliadinfreie Lebensmittel waren nicht allgemein erhältlich und war die Besorgung von gliadinfreien Lebensmittel ein aufwendiger Vorgang, da es im verfahrensgegenständlichen Zeitraum keine Auszeichnungspflicht für allfällige Allergene gab. Es ist daher davon auszugehen, dass die BF Mutter eines zöliakiebetroffenen Kindes, was den Einkauf von Lebensmitteln betrifft, bereits einen erheblichen Mehraufwand gegenüber Eltern gesunder Kinder zu tragen hatte.
Der von der BF behauptete weitere Mehraufwand im Alltag bestand darin, für den von Zöliakie betroffenen Sohn täglich gesondert Mahlzeiten streng diätisch zuzubereiten. Zudem war darauf einzuwirken, dass der Sohn der BF bei auswärtigen Feierlichkeiten sich nicht an den dort befindlichen glutenhaltigen Speisen bedient, was zu psychischen Belastungen des Sohnes geführt hat.
Der Sohn der BF war im verfahrensgegenständlichen Zeitraum 8 bis 13 Jahre alt.
Für die Beurteilung der Frage, ob dieser durch die Behinderung des Sohnes der BF bedingte, besondere Organisationsaufwand im Sinne einer möglichst ungestörten altersgemäßen Entwicklung des Kindes als notwendig zu beurteilen war, war im Besonderen auf das eingeholte fachärztliche Sachverständigengutachten Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung dieses Gutachtens ist insbesondere zu beachten, dass sich der Sohn der BF im verfahrensgegenständlichen Zeitraum präpubertären Alter befand, in dem Jugendliche aufgrund des Alters zu Problemen mit der Adhärenz derartiger Vorsichtsmaßnahmen neigen und eine besonders intensive psychologische und edukatorische Betreuung benötigen.
Unter Berücksichtigung dieses Gutachtens, das auf die spezielle Situation der von Zöliakie betroffenen Jugendlichen eingeht, erscheint insbesondere das Vorbringen der BF, sie habe ihrem Sohn in der verfahrensgegenständlichen Zeit genau die Speisen (glutenfrei) zubereitet und für z.B. Schullandwochen oder Einladungen bei Freunden mitgegeben, keineswegs übertrieben. Zudem ist auch in Zusammenschau mit dem Sachverständigengutachten erwiesen, dass mit Rücksicht auf das Alter von 8 bis 13 Jahren eine aufwendige Erziehungs- und Motivationsarbeit notwendig ist, um dem Kind so eine altersentsprechende soziale Entwicklung zu ermöglichen.
Auch muss unter Einbeziehung des obigen Gutachtens davon ausgegangen werden, dass der als selbstverständlich vorausgesetzte Umstand, dass Geschirr und Besteck vor seinem Gebrauch stets gründlich gereinigt wird, eine Kontamination also mit relativ einfachen Mitteln vermieden werden kann, nicht ohne weiteres auf das Verhalten eines im Alter von 8 bis 13 Jahren befindlichen Kindes trotz Kenntnis seiner Zöliakiekrankheit bei der Zubereitung von Speisen übertragen werden kann. Vor diesem Hintergrund ist für den vorliegenden Fall davon auszugehen, dass sich der Sohn der BF, den Tag über nicht (gleich einem gesunden Kind) mit glutenfreien Speisen versorgen, sich selbst verpflegen und gleichzeitig einen altersentsprechenden Alltag in Schule und Freizeit - gleich einem gesunden Kind - leben hätte können.
Die von der BF im verfahrensgegenständlichen Zeitraum geleisteten zeitaufwendigen Arbeiten waren somit notwendig, um eine weitgehend ungestörte Entwicklung ihre s Sohnes ähnlich der eines gesunden Kindes zu ermöglichen. Zusammenfassend war im vorliegenden Fall daher davon auszugehen, dass die von der BF im verfahrensgegenständlichen Zeitraum für ihren Sohn durchgeführte behinderungsbedingte Betreuung erforderlich war, weil bei Unterbleiben dieser Betreuung die Entwicklung des Kindes im Verhältnis zu einem ähnlich behinderten Kind, dem diese Zuwendung zuteil wird, benachteiligt oder gefährdet gewesen wäre. Die Arbeitskraft der BF wurde durch diese Betreuungsarbeit überwiegend iSd einschlägigen Judikatur beansprucht.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Arbeitskraft, Pensionsversicherung, Sachverständigengutachten,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W156.2215823.2.00Zuletzt aktualisiert am
10.03.2020