Entscheidungsdatum
08.01.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
I414 2214021-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Vorsitzender und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzerin über die Beschwerde vonXXXX, vertreten durch die Arbeiterkammer Tirol, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (SMS) vom 18.12.2018, Zl. XXXX, betreffend den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung", in nichtöffentlicher Sitzung, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid vom 18.12.2018 wies das Sozialministeriumsservice, Landessstelle Tirol (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) den Antrag von Herrn XXXX (in der Folge als Beschwerdeführerin bezeichnet) auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass ab.
Begründend wurde ausgeführt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar sei, wenn eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe zurückgelegt werden könne oder wenn die Verwendung des erforderlichen Behelfs die Benützung des öffentlichen Transportmittels in hohem Maße erschwere. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauerhafte Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb des Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen auswirke. Die Zumutbarkeit sei auch nicht gegeben, wenn erhebliche Einschränkungen, eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder eine hochgradige Sehbehinderung, Blind- oder Taubblindheit vorliegen.
Das Ermittlungsverfahren habe gezeigt, dass keiner der angeführten Punkte zutreffe. Es sei ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt worden, welches Stellung zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel genommen habe und diese verneine.
Dagegen erhob der durch die Arbeiterkammer Tirol vertretene Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig Beschwerde und führte zusammengefasst aus, dass er an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (Grad IV) leide und schon aus diesem Grund die körperliche Belastbarkeit massiv eingeschränkt sei. Er könne höchstens eine Strecke von 200 Metern zurücklegen und müsse danach eine Pause von mindestens 10 Minuten einlegen. Der Beschwerde wurden lungenfachärztliche Befunde beigelegt, welche eine COPD III bis IV-Erkrankung belegen und gleichzeitig einen fortwährend exzessiven Nikotinmissbrauch festhalten.
Am 04.02.2019 wurde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Es wurde ein ergänzendes Gutachten bei Dr. S. eingeholt. Diese führte in ihrem Gutachten vom 13.06.2019 aus wie folgt (anonymisiert durch BVwG):
"Unter Einbeziehung aller Befund und Gutachten wird nun aufgrund des Akteninhaltes beurteilt, ob die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus medizinischer Sicht zumutbar ist oder nicht.
An Befunden sind im Akt relevant:
1. AB KH Natters- stationärer Aufenthalt 2.11.-6.11.2018
Evaluierung bei COPD IV, Medikamentenauflistung, keine Dauersauerstofftherapie
"Die Blutgasanalyse in Ruhe und bei Belastung sowie nächtliche Pulsoxymetrie ohne O2 ergab derzeit keine Indikation für eine Dauer-02-Therapie.... Herr XXX wurde am 8.11.2018 in gutem AZ cardiorespiratorisch stabil nach Hause entlassen."
2. AB Dr. B. - FA für Lungenheilkunde 09/2018
Schwere COPD III-IV, persistierender exzessiver Nikotinabusus
"Berodual, Spiolto, Prednisolon 5mg ex, Foster PPI weiter
Lifestylemodifikation!! "
GUTACHTEN im Sinne der Fragestellungen:
a) Ja, der Beschwerdeführer kann eine kurze Wegstrecke (ca. 300 bis 400m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe zurücklegen.
b) Ja, der Beschwerdeführer kann eine kurze Wegstrecke ohne Unterbrechung zurücklegen.
c) Ja, ein sicherer Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist möglich.
d) Entfällt, da Behelfe bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht erforderlich sind.
e) Nein, die dauernden Gesundheitsschädigungen wirken sich nicht auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens (zu überwindende Niveauunterschiede) und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen aus.
f) Nein, beim Beschwerdeführer bestehen keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten.
g) Beim Beschwerdeführer besteht eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung im Stadium III- IV bei persistierendem exzessiven Nikotinabusus, jedoch ohne dokumentierten Langzeitsauerstoffbedarf (ein mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff müsste nachweislich dauerhaft benützt werden).
h) Es bestehen beim Beschwerdeführer keine erheblichen Einschränkungen psychischer oder neurologischer Fähigkeiten, jedoch eine Intelligenzminderung nach Geburtstrauma.
Zusammengefasst lässt sich feststellen: aus medizinischer Sicht ergibt sich kein ausreichender Nachweis, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dauernd unzumutbar wäre."
Den Verfahrensparteien wurde das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht. Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme wurde von keiner Seite Gebrauch gemacht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:
Der Beschwerdeführer ist am XXXX geboren und hat seinen Wohnsitz in Österreich. Der Beschwerdeführer ist in Besitz eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 60% seit dem Jahr 1996.
Folgende Funktionseinschränkungen liegen beim Beschwerdeführer vor:
chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ohne Dauersauerstofftherapie und eine geburtsbedingte Großhirnschädigung.
Das Ein- und Aussteigen sind dem Beschwerdeführer möglich. Beim Stehen oder Sitzen im Verkehrsmittel kommt es zu keiner Einschränkung, der sichere Transport ist möglich. Der Beschwerdeführer ist auf keine Hilfsmittel angewiesen. Des Weiteren kann er auch kurze Wegstrecken von 300-400 Meter ohne Hilfsmittel und Unterbrechung zurücklegen.
Der Beschwerdeführer ist nicht hochgradig sehbehindert, blind oder taubblind. Es besteht keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems und trotz Vorliegens von COPD III-IV besteht keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit. Der Beschwerdeführer ist auf keine Langzeitsauerstofftherapie angewiesen.
Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu Wohnort und Alter der Beschwerdeführerin sowie zum Pass ergeben sich aus dem vorgelegten Akt der belangten Behörde und sind unstrittig.
Die Feststellungen zu den funktionellen Einschränkungen des Beschwerdeführers basieren auf dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten der Dr. S, einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 14.12.2018. Darin wurden die vorgelegten früheren Sachverständigengutachten sowie die vorgebrachten ärztlichen Unterlagen angeführt und berücksichtigt.
Die Feststellung zur Zumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel ergibt sich ebenso aus dem oben angeführten Gutachten und insbesondere aber aus dem ergänzend eingeholten Gutachten der Dr. S.. Darin fanden auch die neuesten lungenfachärztlichen Befunde Berücksichtigung und zeichnet die Sachverständige ein nachvollziehbares Bild hinsichtlich der körperlichen Belastbarkeit. Die vom erkennenden Gericht explizit zum Vorbringen des Beschwerdeführers gestellten Fragen beantwortete die Gutachterin eingehend, schlüssig und nachvollziehbar. Es wurde widerspruchsfrei dargestellt, dass zwar eine COPD IV-Erkrankung vorliegt, der Beschwerdeführer aber nicht auf eine Langzeittherapie angewiesen ist und ihm das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ohne Unterbrechung und somit auch ohne fremde Hilfe möglich und zumutbar ist.
Die Gutachten nehmen Bezug auf alle Umstände und legen die medizinische Sicht dar. Sie stehen mit den allgemeinen Gesetzen der Logik im Einklang, sind schlüssig und vollständig und ihnen wurde nicht (auf derselben fachlichen Ebene) entgegen getreten. Die Ausführungen in der Beschwerde beschränken sich auf das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke und wurden die weiteren Voraussetzungen wie Ein- und Aussteigen oder der sichere Transport im Verkehrsmittel nicht bestritten. Aus diesen Gründen legt der erkennende Senat diese Gutachten unter freier Beweiswürdigung seiner Entscheidung zu Grunde.
Dass der Beschwerdeführer nicht hochgradig sehbehindert, blind oder taubblind ist und bei ihm keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems besteht, ergibt sich aus den Gutachten und ist unstrittig. Zur Frage nach der erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit gibt die Sachverständige unter Pkt. g) Auskunft und wird das Nichtvorliegen auf den fehlenden Langzeitsauerstoffbedarf gestützt. Dabei handelt es sich letztlich aber um eine Rechtsfrage und wird hiezu in der rechtlichen Beurteilung noch näher einzugehen sein.
Im Übrigen wäre es jedoch dem Beschwerdeführer frei gestanden, das im Auftrag der Behörde bzw. des Gerichtes erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften bzw. zu widerlegen zu versuchen. Dies ist im gegenständlichen Verfahren nicht erfolgt (vgl. VwGH vom 26.02.2008, Zl. 2005/11/0210). Es erfolgte auch keine Stellungnahme mehr zum Ergänzungsgutachten und steht der maßgebliche Sachverhalt dadurch für den erkennenden Senat zweifelsfrei fest.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht
§ 6 und 7 Abs. 1 BVwGG lauten wie folgt:
"Einzelrichter
§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Senate
§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen."
§ 45 Abs. 3 und 4 BBG lautet wie folgt:
"(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."
Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.
Die §§ 1, 17 und 58 Abs. 1 und 2 VwGVG lauten wie folgt:
"§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.
(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt."
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten wie folgt:
"ABSCHNITT VI
BEHINDERTENPASS
§ 40 (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
§ 42 (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
(2) Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
§ 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu."
§ 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 2013/495, lautet wie folgt:
"Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen."
3.2.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. ua. VwGH vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186, oder vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128).
Nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. S. wirken sich die dauernden Gesundheitsschädigungen nicht maßgebend auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens sowie auf das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke aus. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht eingeschränkt.
Im gegenständlichen Fall ist die Frage der erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit zu klären. Nach den erläuternden Bemerkungen betreffen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
-arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
-Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
-hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
-Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
-COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
-Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
-mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Beim Beschwerdeführer liegt unbestritten eine COPD IV-Erkrankung vor, eine Langzeitsauerstofftherapie ist nicht indiziert und wurde dies in den Gutachten übereinstimmend mit den Angaben auf den ärztlichen Befunden schlüssig festgehalten.
Somit fehlt es an einer Voraussetzung für eine unbedingtes Vorliegen der erheblichen körperlichen Belastbarkeit und war dem widerspruchsfreien Gutachten folgend festzustellen, dass eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann. Der Zu- und Ausstieg sowie der sichere Transport wurden nicht in Frage gestellt und war insgesamt festzuhalten, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" im Behindertenpass nicht vorliegen, weshalb die Beschwerde abzuweisen war.
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Nach § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Wurde - wie im vorliegenden Fall - kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße - und zu begründende - Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH). Gemäß Abs. 3 leg.cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde sowie aus den eingeholten Gutachten und beschränkt sich gegenständlicher Fall auf eine Rechtsfrage. Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zum ergänzend eingeholten Sachverständigengutachten wurde nicht Gebrauch gemacht, da weder von der belangten Behörde noch vom vertretenen Beschwerdeführer ein Schriftsatz einlangte. Der Sachverhalt gilt für den erkennenden Senat somit als erwiesen und unbestritten. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Frage der erheblichen körperlichen Belastbarkeit; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I414.2214021.1.00Zuletzt aktualisiert am
10.03.2020