TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/9 W156 2222598-1

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Veröffentlicht am 09.01.2020
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Entscheidungsdatum

09.01.2020

Norm

ASVG §18b
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W156 2222598-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichterin über die Beschwerde der Frau G XXXX R XXXX , 5 XXXX XXXX , EXXXX XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, vom 24.06.2019, Zl. HVBA XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet

abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang:

I.1. Die Beschwerdeführerin stellte am 18.03.2019 bei der Pensionsversicherungsanstalt einen Antrag nach auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18b ASVG für Zeiten der Pflege der nahen Angehörigen K XXXX R XXXX .

I.2. Die Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, anerkannte mit Bescheid vom 24.06.2019, Zl. HVBA XXXX , den Anspruch ab dem 01.03.2018 und begründete den Bescheid wie folgt:

"Beiträge zur Selbstversicherung können nur für Beitragszeiträume entrichtet werden, welche nicht mehr als zwölf Monate vor der Antragstellung liegen."

I.3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig Beschwerde und führte darin aus, dass sie seit April 2011 ihre Mutter pflege. Sie habe aufgrund mangelnder Information und der Pflegesituation erst vor kurzem davon Kenntnis erhalten, dass für pflegende Angehörige ein Anspruch auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung bestehe. Aufgrund der Regelung verliere sie 7 Pensionsjahre und beantrage die Selbstversicherung ab dem 01.04.2011 zu berücksichtigen.

I.4. Die gegenständliche Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 20.08.2019 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin lebt mit der nahen Angehörigen R XXXX K XXXX im gemeinsamen Haushalt und pflegt diese seit April 2011. Die nahe Angehörige bezieht seit 01.04.2011 Pflegegeld der Stufe 3.

Die Beschwerdeführerin stellte am 18.03.2019 den Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege einer nahen Angehörigen.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und ist unbestritten.

3. Zu A): Abweisung der Beschwerde

3.1. Materiellrechtliche Grundlagen:

Gemäß § 18b Abs. 1 ASVG können sich Personen, die einen nahen Angehörigen oder eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, solange sie während des Zeitraumes dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Je Pflegefall kann nur eine Person selbstversichert sein.

Gemäß § 18b Abs. 2 leg.cit. beginnt die Selbstversicherung mit dem Zeitpunkt, den die pflegende Person wählt, frühestens mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Pflege aufgenommen wird, spätestens jedoch mit dem Monatsersten, der dem Tag der Antragstellung folgt.

Gemäß § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG gelten als Beitragszeiten Zeiten einer freiwilligen Versicherung, wenn die Beiträge innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf des Beitragszeitraumes, für den sie gelten sollen, oder auf Grund einer nachträglichen Selbstversicherung nach § 18 oder § 18a in Verbindung mit § 669 Abs. 3 wirksam (§ 230) entrichtet worden sind.

3.2. Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet dies:

Die Bestimmung des § 18b ASVG selbst schränkt die anzuerkennenden Zeiten vor der Antragstellung nicht ein. Gemäß § 225 Abs. 3 erster Fall ASVG sind allerdings Zeiten einer freiwilligen Selbstversicherung - und um eine solche handelt es sich bei der Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines nahen Angehörigen gemäß § 18b ASVG - nur dann als Beitragszeiten aus der Zeit nach dem 31.12.1955 anzusehen, wenn die Beiträge innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf des Beitragszeitraumes, für den sie gelten sollen, entrichtet worden sind.

Daraus ergibt sich, dass Zeiten, die länger als 12 Monate nach den Beitragszeitraum liegen, nicht als Beitragszeiten einer freiwilligen Selbstversicherung heranzuziehen sind.

Im gegenständlichen Fall ist gemäß § 76b Abs. 6 ASVG Beitragszeitraum der Kalendermonat. Wurde der Antrag am 18.03.2019 gestellt, ist der erstmögliche Beitragsmonat - gemäß § 225 Abs. 3 ASVG 12 Monate zurückgerechnet - der März 2018. Zeiträume, die nunmehr vor dem 01.03.2018, also mehr als 12 Monate vor Antragstellung, liegen, können sohin nicht als Beitragszeiten für die freiwillige Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18b herangezogen werden.

Sofern vorgebracht wurde, dass aufgrund des Mangels an gebündelten Informations- und Beratungsmöglichkeiten der Beschwerdeführerin durch die verspätete Antragstellung ein Verlust von 7 Pensionsjahren entstanden ist, ist folgendes auszuführen:

Die Bestimmungen des ASVG in der für das gegenständliche Verfahren geltenden Fassung wurden ordnungsgemäß kundgemacht, sodass sie aufgrund des Legalitätsprinzipes für die Pensionsversicherungsanstalt, die als erstinstanzliche Behörde im funktionalen Sinn agierte, als auch für die Beschwerdebehörde verbindlich sind.

Es wird nicht verkannt, dass die Pflege eines nahen Angehörigen für den oder die Pflegende im Gegensatz zu behördlichen Angelegenheiten dringlicher ist, dem Bundesverwaltungsgericht kommt aber nicht die Aufgabe zu, im Wege einer weitherzigen Interpretation rechtspolitische Aspekte zu berücksichtigen, die den Gesetzgeber bisher (bewusst oder unbewusst) nicht veranlasst haben, eine Gesetzesänderung vorzunehmen.

3.3. Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr. 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl Nr. C 83 vom 30.03.2010 S 389 entgegenstehen.

In seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7.401/04 (Hofbauer/Österreich 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), hat der EGMR unter Hinweis auf seine frühere Judikatur dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigen. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische Fragen" ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft, und im Zusammenhang mit Verfahren betreffend "ziemlich technische Angelegenheiten" ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige, hingewiesen (vgl. auch die Entscheidung des EGMR vom 13. März 2012, Nr. 13.556/07, Efferl/Österreich; ferner etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2013, Zl. 2010/07/0111, mwN) (VwGH 19.03.2014, 2013/09/0159).

Die Beschwerdeführerin hat keine Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerde beantragt.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG auch nicht für erforderlich. Weder kann dem Grundsatz der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs im vorliegenden Fall durch eine mündliche Verhandlung besser und effizienter entsprochen werden, noch erscheint eine mündliche Verhandlung im Lichte des Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC geboten (vgl. mwN Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 5 zu § 24 VwGVG).

Vielmehr erschien der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage geklärt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25 a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 3 B-VG nicht zulässig, weil es hinsichtlich des § 18b iVm. § 225 Abs. 1 Z 3 ASVG nicht an einer Rechtsprechung fehlt oder diese uneinheitlich ist.

Im Übrigen treffen §§ 18b und 225 Abs. 1 Z 3 ASVG ASVG eine klare Reglung (im Sinne der Entscheidung des OGH vom 22.03.1992, 5 Ob 105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Antragstellung, Antragszeitraum, Pensionsversicherung,
Selbstversicherung, Zeitraumbezogenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W156.2222598.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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