TE Bvwg Beschluss 2020/1/9 G310 2223486-1

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Veröffentlicht am 09.01.2020
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Entscheidungsdatum

09.01.2020

Norm

AsylG 1997 §7
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

G310 2223486-1/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Mag. Gaby WALTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Albanien, vertreten durch Embacher Neugschwendtner Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.07.1995, Zl. XXXX, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird die Beschwerdevorentscheidung

zur Gänze aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit dem oben angeführten Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführer (BF) auf internationalen Schutz vom 23.05.1995 abgewiesen.

Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenats (UBAS) vom XXXX.05.1999, Zl. XXXX, wurde der Berufung des damaligen Berufungswerbers mit der Verfahrensidentität XXXX, geb. am XXXX, StA. der Bundesrepublik Jugoslawien, gegen den Bescheid des Bundesasylamts (BAA) vom XXXX.07.1995, Zl. XXXX, stattgegeben und gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl gewährt. Darin wird zusammengefasst angeführt, dass es sich beim BW um einen Staatsangehörigen der Bundesrepublik Jugoslawien mit albanischer Nationalität handle, der aus XXXX, Bezirk XXXX, Kosovo, stamme. Da es sich bei ihm um einen ethnischen Albaner aus dem Kosovo handle, bestehe für ihn schon aus diesem Grund eine objektiv nachvollziehbare Verfolgungsgefahr. Es sei glaubhaft, dass ihm aus Gründen seiner Nationalität asylrelevante Verfolgung drohe.

Am 08.08.2018 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eine Stellungnahme des BF ein, wonach mitgeteilt wurde, dass die Identitätsangaben des BW, welche durch einen albanischen Reisepass belegt werden können, nun mehr wie folgt lauten: XXXX, geb. am XXXX, StA. Albanien. Es werde bedauert, ursprünglich falsche Angaben gemacht zu haben. Es werde nicht verkannt, dass damit die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl nicht mehr vorliegen, jedoch gebe es dermaßen intensive familiäre und private Bindungen zum Bundesgebiet, dass Aufenthaltsbeendigungen nicht mehr zulässig seien und zumindest ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen sei. Es werde ersucht, die Identitätsdaten richtig zu stellen.

Am 13.08.2019 wurde der BF vor dem BFA niederschriftlich einvernommen und gab unter anderem an, im oben angeführtem Verfahren falsche Angaben gemacht zu haben und habe nie eine Gefahr im Kosovo bestanden. Er sei in XXXX in Albanien geboren worden. Im Mai 1995 sei er legal mit seinem Reisepass ausgereist, habe diesen aber damals bei der Einvernahme beim BAA nicht vorgewiesen.

Die gegenständliche Stellungnahme und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vom BFA vorgelegt und langten am 18.09.2019 ein.

Mit Beschluss des BVwG vom 04.10.2019, GZ. G310 2223486-1/2Z wurde das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 VwGVG von Amts wegen wiederaufgenommen, da beim BF aufgrund der objektiv bewusst unrichtigen Angaben bzw. des Verschweigens seiner tatsächlichen Staatsangehörigkeit von einer Irreführungsabsicht ausgegangen wurde.

Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des BVwG. Entscheidungswesentliche Widersprüche liegen nicht vor.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Bescheidbeschwerden) in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2). Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Bescheidbeschwerden in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist dann an die rechtliche Beurteilung gebunden, von der das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Die Zurückverweisungsmöglichkeit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ist eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte. Eine Aufhebung des Bescheides kommt nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder seine Feststellung durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Behörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Behörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

Die Verwaltungsgerichte haben nicht nur bei Vorliegen der in den Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG genannten Voraussetzungen in der Sache selbst zu entscheiden, sondern nach Maßgabe des § 28 Abs. 3 VwGVG grundsätzlich auch dann, wenn trotz Fehlens dieser Voraussetzungen die Verwaltungsbehörde dem nicht unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063). Wenn die Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt unzureichend festgestellt hat, indem sie keine für die Sachentscheidung brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert hat, ist eine Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zulässig (VwGH 28.03.2017, Ro 2016/09/0009).

Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen hier die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung durch das BVwG nicht vor. Weder steht der maßgebliche Sachverhalt fest noch würde seine Feststellung durch das Gericht die Prozessökonomie fördern. Es liegt vielmehr eine gravierende Ermittlungslücke vor, die Erhebungen notwendig macht, die das BFA als Spezialbehörde rascher und effizienter nachholen kann.

In Zusammenschau des neu hervorgekommenen Aspektes der albanischen Staatsbürgerschaft mit den Angaben des BF im vorangegangenen Verfahren auf internationalen Schutz, wird zweifelsohne ersichtlich, dass der BF entscheidungsrelevante Tatsachen im damaligen Verfahren bewusst verschwieg und daraus resultierend objektiv unrichtige Angaben machte. Die in Frage stehenden Angaben sind jedoch von wesentlicher Bedeutung, da die Staatsangehörigkeit eines Fremden im Verfahren auf internationalen Schutz naturgemäß von zentraler Bedeutung ist.

Auf der Grundlage der bisherigen Ermittlungen ist keine abschließende rechtliche Beurteilung des Sachverhalts möglich; dieser ist vielmehr in einem ganz wesentlichen Punkt, nämlich in Bezug auf die tatsächliche Staatsangehörigkeit der BF, ergänzungsbedürftig. Aufgrund der nicht absehbaren Weiterungen des Verfahrens nach Durchführung der notwendigen Erhebungen führt es weder zu einer Kostenersparnis noch zu einer Verfahrensbeschleunigung, wenn das BVwG diese selbst durchführt, zumal zu diesem entscheidenden Sachverhaltselement im Hinblick auf Frage der Zuerkennung internationalen Schutzes keine Ermittlungsergebnisse vorliegen.

Der angefochtene Bescheid ist somit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an das BFA zurückzuverweisen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG, weil schon aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Die Revision war wegen der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung über die Anwendung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs. 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen (siehe z.B. VwGH 08.11.2018, Ra 2018/22/0232).

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Beschwerdevorentscheidung,
Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G310.2223486.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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