TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/10 W218 2223771-1

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Veröffentlicht am 10.01.2020
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Entscheidungsdatum

10.01.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W218 2223771-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Marion STEINER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , bevollmächtigt vertreten durch Dr. Steiner & Mag. Isbetcherian, Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom 06.08.2019, PassNr. XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 06.08.2019 stellte das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) fest, dass mit einem Grad der Behinderung von 30 vH die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien.

2. Gegen diesen Bescheid wurde vom bevollmächtigten Vertreter fristgerecht Beschwerde erhoben. Unter Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der Beschwerdeführerin bereits im Jahr 1994 ein Behindertenpass mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 vH ausgestellt worden sei. In weiterer Folge erhöhte sich der Gesamtgrad der Behinderung aufgrund Hinzukommen weiterer Leiden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass nunmehr ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 vH vorliegend sei, sondern hätte ein Gesamtgrad der Behinderung von über 50 vH festgestellt werden müssen. Die belangte Behörde hätte weitere Gutachten aus den Fachbereichen der Orthopädie, der Inneren Medizin, der Neurologie und Psychiatrie sowie der Lungenheilkunde einholen müssen.

3. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten langten am 26.09.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH.

Die Beschwerdeführerin leidet an folgenden Funktionseinschränkungen:

1. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Pos.Nr.: 02.01.02, Grad der Behinderung 30%

2. Chronisch obstruktive Atemwegserkrankung, Pos.Nr.: 06.06.02, Grad der Behinderung 30%

3. Diabetes mellitus, Pos.Nr.: 09.02.01, Grad der Behinderung 20%

4. Zustand nach Brustkrebs links, Pos.Nr.: 08.03.01, Grad der Behinderung 20%

5. Zustand nach Milzextirpation, Pos.Nr.: 10.03.11, Grad der Behinderung 10%

6. Zustand nach Gebärmutterentfernung mit leichter Harninkontinenz, Pos.Nr.: 08.03.02, Grad der Behinderung 10%

7. Degenerative Gelenksveränderungen, Pos.Nr.: 02.02.01, Grad der Behinderung 10%

8. Zustand nach Kataraktoperation beidseits mit Abfall der zentralen Sehschärfe rechts auf 0,9 bei erhaltener Sehschärfe von 1,0 links, Pos.Nr.: 11.02.01, Grad der Behinderung 10%

Da die Beschwerdeführerin keinen Gesamtgrad der Behinderung von 50% (fünfzig v.H.) erreicht, sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt.

2. Beweiswürdigung:

Die eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten sind schlüssig und nachvollziehbar, sie weisen keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin erhobenen klinischen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Im medizinischen Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin, wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, am 26.06.2019, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Die medizinische Sachverständige stufte die Funktionseinschränkung unter laufender Nummer 1 "Degenerative Wirbelsäulenveränderungen" schlüssig und nachvollziehbar aufgrund der mäßiggradigen Bewegungseinschränkung ohne neurologische Defizite unter der Positionsnummer 02.01.02 mit dem unteren Rahmensatz mit einem Grad der Behinderung von 30 vH ein. Im Rahmen der persönlichen Untersuchung durch die medizinische Sachverständige wurden geringe Bewegungseinschränkungen objektiviert, die Rotation sowie die Seitneigung war im Bereich der Halswirbelsäule bis zur Hälfte eingeschränkt, im Bereich der Brustwirbelsäule und der Lendenwirbelsäule zu einem Drittel, es war kein Klopfschmerz vorhanden. Im Röntgenbefund vom 13.03.2019 konnte eine geringe Streckfehlhaltung und eine mäßig diffuse Osteoporose diagnostiziert werden. Eine Verschlechterung des Grades der Behinderung seit dem Vorgutachten aus dem Jahr 2014 ist somit nicht objektivierbar und wurde die Funktionseinschränkung weiterhin mit einem Grad der Behinderung von 30 vH eingestuft.

Die Funktionseinschränkung unter laufender Nummer 2 "Chronisch obstruktive Atemwegserkrankung" wurde schlüssig und nachvollziehbar nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung - übereinstimmend mit der Einstufung im Rahmen des Vorgutachtes aus dem Jahr 2014 - unter der Positionsnummer 06.06.02 mit einem Grad der Behinderung von 30 vH eingestuft, da diese medikamentös kompensierbar ist. Die medizinische Sachverständige untersuchte auch die Lunge der Beschwerdeführerin und führte die Sachverständige im Gutachten an:

"Pulmo: Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe". Eine Verschlechterung des Zustandes seit der Erstellung des Vorgutachtens im Jahr 2014 konnte nicht objektiviert werden.

Das unter laufender Nummer 3 angeführte Leiden "Diabetes mellitus" hat die medizinische Sachverständige nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung schlüssig und nachvollziehbar unter der Positionsnummer 09.02.01 mit dem mittleren Rahmensatz mit einem Grad der Behinderung von 20 vH eingestuft, da durch orale Medikation ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt werden kann. Aus dem Blutbefund vom 01.04.2019 ergibt sich ein Blutzuckerwert von 107 mg/dl und befindet sich dieser Wert im Referenzbereich von 60 - 110 mg/dl. Es ergab sich im Vergleich zum Vorgutachten keine Verschlechterung des Zustandes des nichtinsulinpflichtigen Diabetes mellitus und erfolgte die Einstufung mit demselben Grad der Behinderung.

Die medizinische Sachverständige nahm die Einschätzung unter laufender Nummer 4 "Zustand nach Brustkrebs links" schlüssig und nachvollziehbar unter der Positionsnummer 08.03.01 mit einem Grad der Behinderung von 20 vH vor. Im Vergleich zum Vorgutachten hat es aufgrund des Ablaufes der Heilungsbewährung einer Änderung der Einstufung der Funktionseinschränkung bedurft. Im Vorgutachten wurde das Leiden unter der Positionsnummer 13.01.03 "Entfernte Malignome mit weiterführender Behandlungsnotwendigkeit innerhalb der Heilungsbewährung je nach Funktionsstörung" mit einem Grad der Behinderung von 50 vH eingestuft. Da die in der Einschätzungsverordnung angeführte Heilungsbewährung von fünf Jahren nunmehr abgelaufen ist, wurde die Funktionseinschränkung unter der Positionsnummer 08.03.01 "Fehlbildungen, Teilresektionen, Resektionen der Brust oder der äußeren Genitale" eingestuft. Aus dem Mommographiebefund vom 13.03.2019 geht ein unauffällig strukturiertes Drüsenparenchym mit narbigen Veränderungen hervor. Es finden sich keine suspekten Verdichtungen oder Mikroverkalkungen und keine sonographischen Auffälligkeiten. Aufgrund des Ausbleibens von Rezidivgeschehen wurde von der medizinischen Sachverständigen der mittlere Rahmensatz von 20 vH gewählt. Eine Verbesserung des Zustandes konnte daher objektiviert werden und ist die Herabsetzung des Grades der Behinderung um 3 Stufen somit gerechtfertigt.

Die medizinische Sachverständige stufte die Funktionseinschränkung unter laufender Nummer 5 "Zustand nach Milextirpation" schlüssig und nachvollziehbar unter der Positionsnummer 10.03.11 und übereinstimmend mit dem Vorgutachten aus dem Jahr 2014 mit dem fixen Rahmensatz von 10 vH ein.

Die unter laufender Nummer 6 angeführte Funktionseinschränkung "Zustand nach Gebärmutterentfernung mit leichter Harninkontinenz" wurde von der medizinischen Sachverständigen unter der Positionsnummer 08.03.02 "Fehlbildung, Fehlen, Entfernung der Gebärmutter" mit dem fixen Rahmensatz von 10 vH eingestuft. Diese Einstufung wurde bereits im Vorgutachten aus dem Jahr 2014 vorgenommen.

Die medizinische Sachverständige stufte das Leiden unter laufender Nummer 7 "degenerative Gelenksveränderungen" unter der Positionsnummer 02.02.01 mangels Funktionseinschränkungen mit einem Grad der Behinderung von 10 vH ein. Im Rahmen der medizinischen Untersuchung war der Beschwerdeführerin der Nackengriff und Schürzengriff sowie der Faustschluss und Spitzgriff beidseits uneingeschränkt möglich. Die Gelenke sind altersentsprechend frei beweglich. Die Beweglichkeit in Hüftgelenken und Kniegelenken ist frei und waren der Beschwerdeführerin der Zehenspitzen-, Fersen- und der Einbeinstand mit Abstützen möglich. Da keine Verschlechterung der Funktionseinschränkung objektivierbar ist, war der Grad der Behinderung gleichlautend wie im Vorgutachten aus dem Jahr 2014 einzustufen.

Der Facharzt für Augenheilkunde stufte die neu aufgenommene Funktionseinschränkung "Zustand nach Kataraktoperation beidseits mit Abfall der zentralen Sehschärfe rechts auf 0,9 bei erhaltener Sehschärfe von 1,0 links" nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin am 26.06.2019 unter der Positionsnummer 11.02.01 mit einem Grad der Behinderung von 10 vH ein, wobei der Linsenzuschlag bereits abgegolten ist. Im Rahmen der persönlichen

Untersuchung erhob der Augenfacharzt folgenden Fachstatus: "Visus:

Rechtes Auge: -0,5 + 2,0/175° = 0,9; Linkes Auge -0,75 + 1,75/90° = 1,0".

Die Ärztin für Allgemeinmedizin erstellte aufgrund der Aktenlage am 04.07.2019 eine Gesamtbeurteilung und stufte den Gesamtgrad der Behinderung mit 30 vH ein. Der führende Grad der Behinderung wird durch die weiteren Leiden nicht erhöht, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt.

Eine Glaukomatöse Gesichtsfeldeinschränkung ist nicht befundmäßig belegt, konnte daher nicht objektiviert werden und erreicht somit keinen Grad der Behinderung. Die Osteopenie erreicht ohne Folgeschäden ebenfalls keinen Grad der Behinderung. Die im Vorgutachten unter laufender Nummer 8 eingestufte "chronische Gastritis" konnte mangels vorliegender Befunde nicht mehr objektiviert werden und wurde somit nicht mehr in die Beurteilung einbezogen.

Die Ärztin für Allgemeinmedizin führte in der Gesamtbeurteilung vom 04.07.2019 zudem schlüssig und nachvollziehbar aus, dass die Herabsetzung des Grades der Behinderung um insgesamt 4 Stufen im Vergleich zum Vorgutachten aufgrund des Ablaufs der Heilungsbewährung ohne Rezidivgeschehen der damals unter laufender Nummer 1 angeführten Funktionseinschränkung gerechtfertigt ist. Die weiteren Funktionseinschränkungen wurden gleichbleibend eingestuft, eine Verschlechterung konnte nicht objektiviert werden.

Im Rahmen der Beschwerde wurde kein Vorbringen erstatten, woraus sich ein schlechterer Gesundheitszustand als gutachterlich beurteilt ableiten lässt, sondern wurde lediglich allgemein die Nichtnachvollziehbarkeit der Verringerung des Grades der Behinderung konstatiert. Weitere Befunde und Unterlagen wurden nicht vorgelegt. Darüber hinaus ist auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin im Rahmen der persönlichen Untersuchung bei der Ärztin für Allgemeinmedizin am 26.06.2019 zu den derzeitigen Beschwerden zu verweisen: "Alle meine Nachsorgeuntersuchungen sind in Ordnung. Zur Kontrolle gehe in 1 mal im Jahr. Ich habe auch Asthma und Schmerzen in den Beinen. Die sind übermüdet, die Ärzte können aber nichts finden." Auch daraus lässt sich kein schlechterer Gesundheitszustand als gutachterlich befundet ableiten.

Soweit in der Beschwerde darum ersucht wurde, Fachärzte aus den Bereichen der Orthopädie, der Inneren Medizin, der Neurologie und Psychiatrie sowie der Lungenheilkunde hinzuzuziehen, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Behörden iZm der Einschätzung des Grades der Behinderung verpflichtet sind, zur Klärung medizinischer Fachfragen ärztliche Gutachten einzuholen. Das Gesetz enthält aber keine Regelung, aus der erschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten bestimmter Richtung bestünde. Es besteht demnach kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit der eingeholten Gutachten an (vgl. VwGH 24.06.1997, Zl. 96/08/0114).

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet die eingeholten Sachverständigengutachten als schlüssig, vollständig und nachvollziehbar. In einer Zusammenschau der vorliegenden Befunde, des Gutachtens und des Umstands, dass die Beschwerdeführerin den Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegentreten ist, geht der erkennende Senat davon aus, dass die Sachverständigengutachten bzw. der darin festgelegte Grad der Behinderung von 30 v.H. der Entscheidung zugrunde zu legen ist.

Die eingeholten Sachverständigengutachten stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Die Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(§ 40 Abs. 1 BBG)

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(§ 41 Abs. 1 BBG)

Auszug aus der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) idgF:

"Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten."

Da ein Grad der Behinderung von 30 (dreißig) vH festgestellt wurde und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.

Der Rechtsprechung des EGMR kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.4.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.6.1993).

Im Erkenntnis vom 18.01.2005, GZ. 2002/05/1519, nimmt auch der Verwaltungsgerichtshof auf die diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR (Hinweis Hofbauer v. Österreich, EGMR 2.9.2004) Bezug, wonach ein mündliches Verfahren verzichtbar erscheint, wenn ein Sachverhalt in erster Linie durch seine technische Natur gekennzeichnet ist. Darüber hinaus erkennt er bei Vorliegen eines ausreichend geklärten Sachverhalts das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise an, welches das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gestatte (vgl. VwGH vom 4.3.2008, 2005/05/0304).

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde auf gutachterlicher Basis ermittelt. Zudem wurde von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde kein Vorbringen erstattet, welches eine weitere Erörterung notwendig erschienen ließ.

Im Hinblick auf obige Überlegungen sah der erkennende Senat daher unter Beachtung der Wahrung der Verfahrensökonomie und -effizienz von einer mündlichen Verhandlung ab, zumal auch eine weitere Klärung der Rechtssache hierdurch nicht erwartbar war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W218.2223771.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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