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41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des N in Ried im Innkreis, vertreten durch Dr. Benno Wageneder und Dr. Claudia Schoßleitner, Rechtsanwälte in 4910 Ried im Innkreis, Adalbert-Stifter-Straße 16, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 3. Dezember 1997, Zl. Gem(Stb) - 401557/5 - 1997/Sch, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 3. Dezember 1997 wurde der Antrag des Beschwerdeführers - eines jugoslawischen Staatsbürgers - vom 21. Jänner 1997 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft unter gleichzeitiger Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft auf die Ehegattin und die mj. Kinder Diana und Diar gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 i.V.m. §§ 11, 16, 17 und 18 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 i.d.F. BGBl. Nr. 505/1994 (StbG), abgewiesen. Zur Begründung stützte sich die belangte Behörde darauf, daß der Beschwerdeführer vom Landesgericht Ried am 30. März 1994 wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 Strafgesetzbuch rechtskräftig verurteilt worden sei. Zudem lägen zehn Verwaltungsübertretungen vor, welche die belangte Behörde nach Datum des Strafbescheides, übertretener Gesetzesstelle und verhängter Strafe aufzählte. Weiters sei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 20. Dezember 1994 über den Beschwerdeführer ein Waffenverbot verhängt worden.
Auf Grund der Verurteilung durch das Landesgericht Ried, des verhängten Waffenverbotes und der zahlreichen, zum Teil schwerwiegenden Verwaltungsübertretungen bilde der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, wobei auch nicht auszuschließen sei, daß sein bisheriges Verhalten nicht weiterhin eine derartige Gefahr darstellen werde. Er erfülle die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG nicht.
Die belangte Behörde setzte fort:
"Gemäß § 11 StbG hat sich die Behörde bei der Ausübung des ihr im § 10 leg. cit. eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Gesamtverhalten der Partei leiten zu lassen.
Auf Grund der Tatsache, daß sich Herr G. trotz des langjährigen Aufenthaltes in Österreich nicht in die österreichische Rechtsordnung einfügen konnte, gelangte die Behörde zur Ansicht, daß der Staatsbürgerschaftswerber auch die vorgenannte Verleihungsvoraussetzung nicht erfüllt.
Zu einem positiv zu wertenden Gesamtverhalten gehört auch die Befolgung der österreichischen Rechtsnormen."
Im Rahmen der Gewährung von Parteiengehör habe der Beschwerdeführer vorgebracht, daß die Verurteilung schon lange zurückliege und die anderen Vorfälle bereits vor fünf Jahren passiert seien. Seit seiner Heirat führe der Beschwerdeführer ein "normales Familienleben".
Dazu stelle die belangte Behörde fest, daß weder die Verurteilung, fünf der insgesamt zehn Verwaltungsübertretungen, noch das Waffenverbot fünf Jahre zurücklägen. Die Eheschließung sei 1992 erfolgt, daher sei es auch nicht richtig, daß sich seit dieser Zeit der Umgang des Beschwerdeführers mit den österreichischen Rechtsnormen gebessert habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer bringt vor, er wohne seit mehr als zehn Jahren in Österreich und habe von der Bezirkshauptmannschaft Ried am 7. März 1989 ein Konventionsreisedokument erhalten. Er sei seit 1992 verheiratet, seither seien zwei Kinder geboren worden.
Der Beschwerdeführer rügt Aktenwidrigkeit, da die belangte Behörde drei Verwaltungsübertretungen angeführt habe, die Bestrafungen seiner Ehegattin beträfen. Weitere Bestrafungen beträfen zwar ihn, es handle sich aber um geringfügige Übertretungen, bei manchen lasse sich der Sachverhalt nicht mehr feststellen, weil die Akten nach Ablauf der Tilgungsfrist vernichtet worden seien. Nach dem Urteil des Landesgerichtes Ried habe er seine ehemalige Geliebte am 16. September 1992 durch eine gegenüber ihrer Mutter gemachte Äußerung gefährlich bedroht. Er sei zu einer sechswöchigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG darf die österreichische Staatsbürgerschaft einem Fremden nur verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dabei vom Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers, welches wesentlich durch das sich aus der Art, Schwere und Häufigkeit der von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt wird, auszugehen. Hiebei stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte ab, sondern es ist lediglich maßgebend, ob es sich um Rechtsbrüche handelt, die den Schluß rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit oder die öffentliche Ruhe und Ordnung erlassene Rechtsvorschriften mißachten. Aus der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die - allenfalls - negative Einstellung des Betreffenden gegenüber den zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetzen deutlich zum Ausdruck (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. März 1998, Zl. 97/01/0898).
Der vorliegende Bescheid enthält zur Beurteilung der nach den obigen Ausführungen gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG maßgeblichen Kriterien jedoch keine ausreichenden Feststellungen. Die belangte Behörde hat lediglich die Tatsache der gerichtlichen Verurteilung, zehn Verwaltungsübertretungen und die Verhängung des Waffenverbotes festgestellt und dazu ohne nähere, auf das konkrete Verhalten des Beschwerdeführers eingehende Begründung die Ansicht vertreten, der Beschwerdeführer bilde eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit. Für die Beurteilung des Gesamtverhaltens und die auf dieser Grundlage zu erstellende Prognose über das künftige Verhalten des Beschwerdeführers, der sich nach der Aktenlage (OZl. 2a) seit 7. Jänner 1987 in Österreich aufhält und dem mit Bescheid vom 10. April 1987 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde (OZl. 4, S. 1), erforderliche Feststellungen über die Art und Schwere der der gerichtlichen Verurteilung und den verwaltungsrechtlichen Bestrafungen zugrundeliegenden Straftaten fehlen zur Gänze. Auch zu der herangezogenen Verhängung eines Waffenverbotes fehlen Feststellungen zur Gänze, aus welchem Grund dieses ausgesprochen wurde. Die belangte Behörde hat sich auch nicht mit der sogar in der Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 10. März 1997 (OZl. 4, S. 1) enthaltenen Feststellung, daß sich das Verhalten des Staatsbürgerschaftswerbers deutlich gebessert habe - die letzte Verwaltungsübertretung stamme aus dem Jahre 1994 - auseinandergesetzt.
Im übrigen ist der Beschwerdeführer mit der Rüge der Aktenwidrigkeit im Recht. Denn wie sich aus dem Verwaltungsakt, OZl. 4, Seite 4, eindeutig ergibt, wurden die unter den Punkten 8 bis 10 in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführten Verwaltungsstrafen nicht gegen den Beschwerdeführer, sondern gegen seine Ehegattin verhängt.
Soweit die belangte Behörde das Vorliegen der Verleihungsvoraussetzung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG verneinte, belastete sie daher ihren Bescheid mit einem Verfahrensmangel.
Wollte die belangte Behörde unabhängig von der Begründung nach § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG für den Fall, daß diese Verleihungsvoraussetzung doch nicht zu verneinen sei, eine Ermessensentscheidung treffen, so hat sie - abgesehen davon, daß die Begründung diesbezüglich in sich wiedersprüchlich ist (einerseits Erwähnung des § 11 StbG samt Hinweis auf Ermessen, andererseits im nächsten Absatz "..auch die vorgenannte Verleihungsvoraussetzung nicht erfüllt") - ihre Ermessensentscheidung nicht so begründet, daß eine Überprüfung, ob sie von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, möglich ist. Denn sie hat auch hier keine nachvollziehbare Begründung hinsichtlich des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers gegeben und auch den Umstand, daß der Fremde Flüchtling ist, im Gegensatz zu der in § 11 zweiter Satz StbG normierten Bedachtnahme auf den Umstand, daß der Fremde Flüchtling im Sinne der Konvention vom 28. Juli 1951, BGBl. Nr. 55/1955, oder des Protokolls, BGBl. Nr. 78/1974, über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, ist nicht einbezogen.
Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998010099.X00Im RIS seit
20.11.2000