Entscheidungsdatum
13.01.2020Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
G314 2226855-1/18E
G314 2226855-2/15E
Gekürzte Ausfertigung des am 27.12.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.12.2019
I. über die Beschwerde des afghanischen Staatsangehörigen XXXX, geboren amXXXX, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 06.12.2019 und die Anhaltung in Schubhaft zwischen 06.12.2019 und 10.12.2019 (G314 2226855-1 des Bundesverwaltungsgerichts) zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und die Anordnung der Schubhaft
sowie die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft zwischen 06.12.2019 und 10.12.2019 für rechtswidrig erklärt.
B) Der Bund (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von EURO 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
C) Der Antrag der Behörde auf Ersatz ihrer Aufwendungen wird
abgewiesen.
D) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
II. über die Beschwerde des afghanischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 10.12.2019 und die Anhaltung in Schubhaft zwischen 10.12.2019 und 23.12.2019 (G314 2226855-2 des Bundesverwaltungsgerichts) zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und die Anordnung der Schubhaft
sowie die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft zwischen 10.12.2019 und 23.12.2019 für rechtswidrig erklärt.
B) Der Bund (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von EURO 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
C) Der Antrag der Behörde auf Ersatz ihrer Aufwendungen wird
abgewiesen.
D) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Gemäß § 58 Abs 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dem gesetzlichen Gebot, Bescheide zu begründen, ist als Ausdruck eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens besondere Bedeutung beizumessen. Ein Begründungsmangel kann eine wesentliche Mangelhaftigkeit darstellen (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 417 ff).
Ein wesentlicher Begründungsmangel bewirkt die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheids, auch wenn dieser in Form eines Mandatsbescheids zu erlassen ist, zumal auch derartige Bescheide einer Begründung bedürfen. Ein wesentlicher Begründungsmangel ist ein solcher, der zur Folge hat, dass die behördliche Entscheidung in ihrer konkreten Gestalt die konkret verhängte Schubhaft nicht zu tragen vermag (siehe VwGH 05.10.2017, Ro 2017/21/0007).
Beide angefochtenen Bescheide weisen derartig gravierende Begründungsmängel auf: Der Bescheid vom 06.12.2019 hat eine Begründung, die nicht den Beschwerdeführer betrifft, sondern einen gänzlich anderen Sachverhalt, sodass er die Anordnung der Schubhaft und die Anhaltung des BF bis 10.12.2019 nicht zu tragen vermag.
Auch die Begründung des Bescheids vom 10.12.2019 ist grob mangelhaft, zumal darin der mittlerweile vom BF gestellt Antrag auf internationalen Schutz nicht erwähnt wird, sondern aktenwidrig ausgeführt wird, dass er in Österreich keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Außerdem ist nicht konkret begründet, warum ein "Dublin"-Sachverhalt vorliegen soll, sondern erschöpft sich die Begründung dazu in der Wiedergabe des Gesetzestexts und einiger schablonenhafter Textbausteine, die nicht auf den konkreten Fall Bezug nehmen.
Überdies kann nicht beurteilt werden, ob die Außerlandesbringung des BF wahrscheinlich ist, zumal dazu vom BFA keine Unterlagen vorgelegt wurden, obwohl das BVwG das BFA am 20.12.2019 dazu aufforderte, alle Bezug habenden Akten zu übermitteln. Auch der in der Verhandlung vorgelegte Aktenvermerk weist keinen konkreten, auf den vorliegenden Einzelfall bezugnehmenden Inhalt auf.
Da der BF am 23.12.2019 aus der Schubhaft entlassen wurde, ist keine Feststellung gemäß § 22a Abs 3 BFA-VG zu treffen.
Gemäß § 22a Abs 1a BFA-VG iVm § 35 VwGVG hat die Behörde dem vollständig obsiegenden BF jeweils antragsgemäß den Schriftsatzaufwand in der Höhe des Pauschalbetrags gemäß § 1 Z 1 VwG-AufwErsV von EUR 737,60 zu ersetzen. Die Behörde als unterlegene Partei hat dagegen keinen Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen, sodass der darauf gerichtete Antrag abzuweisen ist.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil das BVwG in beiden Beschwerdeverfahren keine Rechtsfrage von der über den Einzelfall hinausgehenden, grundsätzlichen Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte. Ob ein Schubhaftbescheid einen wesentlichen Begründungsmangel aufweist, ist stets eine Frage des Einzelfalls, daher nicht generell zu klären und als einzelfallbezogene Beurteilung grundsätzlich nicht revisibel, wenn diese Beurteilung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage in vertretbarer Weise vorgenommen wurde (VwGH 05.10.2017, Ro 2017/21/0007).
Das nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 27.12.2020 verkündete Erkenntnis wird gemäß § 29 Abs 5 VwGVG in gekürzter Form ausgefertigt, weil innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 29 Abs 2a VwGVG kein Antrag auf eine schriftliche Ausfertigung gemäß § 29 Abs 4 VwGVG gestellt wurde.
Schlagworte
gekürzte AusfertigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2226855.2.00Zuletzt aktualisiert am
10.03.2020