Entscheidungsdatum
14.01.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W111 2164397-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. DAJANI, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Somalia, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.12.2019, Zl.: 1101385906-190911234, zu Recht:
A) I. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG sowie gemäß §§ 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 und 55 Abs. 1a FPG, jeweils idgF, als unbegründet abgewiesen.
II. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Erstes Verfahren auf internationalen Schutz:
1.1. Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger Somalias, reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 09.01.2016 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag erfolgte die polizeiliche Erstbefragung des Beschwerdeführers und dieser gab, nach seinem Fluchtgrund gefragt, an, dass er sein Heimatland Somalia aus zwei Gründen verlassen habe. Erstens gehöre er einem kleinen Stamm an, welcher in Somalia eine Minderheit sei und werde deshalb immer diskriminiert und zweitens arbeite er für eine türkische medizinische Organisation, welche von der al Shabaab nicht akzeptiert werde. Der Antragsteller habe wegen seiner Arbeit Drohungen von al Shabaab bekommen und in Todesangst beschlossen Somalia zu verlassen; das seien alle Fluchtgründe.
1.2. Am 13.04.2017 brachte der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.
Am 14.07.2017 langte die Aktenvorlage vom 11.07.2017 im Bundesverwaltungsgericht ein.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.07.2017 beauftragt, gemäß § 19 Abs. 6 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2016, den Antragsteller so rasch wie möglich, längstens jedoch binnen acht Wochen ab Zustellung, niederschriftlich zu befragen.
Der Beschwerdeführer wurde am 13.09.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich befragt. Er gab nach seinem Fluchtgrund gefragt zusammengefasst an, dass er vor seiner Ausreise im türkischen Krankenhaus in Mogadischu gearbeitet habe und deswegen ab 05.05.2015 ca. drei Wochen lang mit fünf bis sechs Anrufen telefonisch bedroht und auch aufgefordert worden sei, dass er für die al Shabaab arbeiten müsse. Der Beschwerdeführer sei am 24.05.2015 von al Shabaab entführt und wieder freigelassen worden. Er vermute, dass er für al Shabaab Bomben ins Krankenhaus transportieren hätte sollen. Am 25.07.2015 sei der Beschwerdeführer von Sicherheitskräften gefragt worden, wo sich die Bombe und die Pistole befinden. Am 24.09.2015 sei es zu einer Explosion gekommen, bei der ein Arbeitskollege des Beschwerdeführers verletzt worden sei; auf konkrete Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, es sei keine Explosion gewesen, sondern ein Angriff, der ihm gegolten habe. Danach habe sich der Beschwerdeführer ein türkisches Visum besorgt und sei am 31.10.2015 legal, über den internationalen Flughafen Mogadischu, in die Türkei gereist.
1.3. Mit rechtskräftigem Erkenntnis vom 31.12.2018, Zl. W215 2164397-1/12E, sprach das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.12.2018 in Spruchteil A) aus, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 09.01.2016 (I.) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 sowie (II.) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abgewiesen wird, (III.) ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen wird, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wird, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Bundesrepublik Somalia zulässig ist und (IV.) gemäß § 55 FPG die Frist für dessen freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage. Die Revision wurde in Spruchteil
B) gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
Das Bundesverwaltungsgericht legte jener Entscheidung neben Feststellungen zur allgemeinen Situation in Somalia den folgenden individuellen Sachverhalt zugrunde:
"1. Die Identität des Antragstellers kann nicht festgestellt werden. Der Antragsteller ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Somalia, gehört dem Clan der Geledi an und ist moslemischem (sunnitischen) Glaubens.
2. Der Antragsteller hat vor seiner Ausreise in der Hauptstadt Mogadischu gearbeitet und gelebt. Es kann weder festgestellt werden, dass der Antragsteller ausgereist ist, weil er als Angehöriger des Clans der Geledi diskriminiert wurde noch, weil er wegen einer Arbeit als Dolmetscher in der Telefonzentrale des türkischen Krankenhauses in Mogadischu, von al-Schabaab bedroht wurde. Es kann zudem nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller seinen Herkunftsstaat verlassen hat, weil er für al-Schabaab Bomben ins Krankenhaus transportieren und/oder für diese kämpfen hätte sollen. Es kann nicht festgestellt werden, dass es am 24.09.2015 in Mogadischu eine Explosion und/oder einen Überfall von al-Schabaab auf einen Arbeitskollegen des Antragstellers gab, der dabei verletzt wurde. Weites kann nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller von Sicherheitskräften gefragt wurde, wo sich die Bombe und die Pistole befinden. Es kann schließlich nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller in der Bundesrepublik Somalia, bevor er in Mogadischu gelebt hat, in XXXX , in der Lower Shebelle Region, in Zentralsomalia gelebt hat.
3. Der Antragsteller ist ein gesunder Mann im arbeitsfähigen Alter, der vor seiner Ausreise in der Hauptstadt Mogadischu, in den Stadtteilen XXXX und XXXX in der Benadir Region, in Zentralsomalia gelebt hat. Der Antragsteller hat in der Bundesrepublik Somalia zwölf Jahre lang die Schule besucht und dort, zusätzlich zu seiner Muttersprache Somali, Türkisch, Arabisch und Englisch gelernt. Der Antragsteller konnte immer seinen Lebensunterhalt im Herkunftsstaat erwirtschaften, seine legale Ausreise über den internationalen Flughafen in Mogadischu mit einem türkischen Visum finanzieren und einen Schlepper, der ihn für 1200.- US Dollar illegal von Belgrad nach Österreich brachte. Es kann nicht festgestellt werden, dass sein Vater tatsächlich an einem Herzinfarkt verstorben ist und sich die Lebensgefährtin, die Mutter und die Familie des Antragstellers nicht länger in der Bundesrepublik Somalia aufhalten.
4. Der Antragsteller ist 23 Jahre alt, kinderlos, hat seine Lebensgefährtin, mit der er nach moslemischem Ritus im Herkunftsstaat verheiratet ist, dort zurückgelassen und ist zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal nach Österreich gereist. Er hält sich nachweislich seit seinem Antrag auf internationalen Schutz vor drei Jahren im Bundesgebiet auf. In Österreich leben keine Verwandte des Antragstellers. Der Antragsteller hat im Jahr 2017 an einem Deutschkurs Niveau A1/A2 teilgenommen, aber keine Deutschprüfung abgelegt. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 04.12.2018 konnten sich der Antragsteller nur in gebrochenem Deutsch verständigen. Der Antragsteller war nie in der Lage seinen Lebensunterhalt in Österreich zu bestreiten; er lebt ausschließlich von der Grundversorgung."
In rechtlicher Hinsicht hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers, aus Furcht vor al Shabaab Somalia verlassen zu haben, aufgrund der näher dargestellten beweiswürdigenden Erwägungen nicht den Tatsachen entspreche und der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung eine Verfolgung wegen seiner Clanzugehörigkeit und/oder Befragung durch Regierungsvertreter nicht länger als fluchtrelevant dargestellt habe, sodass dieser eine wohlbegründete Furcht vor asylrelevanter Verfolgung in seinem Herkunftsstaat nicht glaubhaft machen hätte können.
In Bezug auf die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die generell angespannte Lage in Somalia nicht verkannt werde, allerdings reiche die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK nicht aus. Der Beschwerdeführer habe in Somalia vor seiner Ausreise in der Hauptstadt Mogadischu in den Stadtteilen XXXX , die unter der Kontrolle der AMISOM stehen, gelebt. Der Beschwerdeführer wäre jedenfalls nicht obdachlos, könnte er doch auch nach seiner Rückkehr dort leben. Der Beschwerdeführer habe im Verfahren nicht detailliert und konkret dargelegt, im Fall der Rückkehr keine Lebensgrundlage vorzufinden bzw. dass seine Grundbedürfnisse nicht gedeckt werden könnten. Die Familie des Beschwerdeführers habe immer den Lebensunterhalt erwirtschaften können. Der Beschwerdeführer habe angegeben, bis zur Ausreise in Mogadischu immer Arbeit gehabt zu haben und er könne daher auf Grund seiner langjährigen Schulausbildung, dem Umstand, dass er im Herkunftsstaat eine Dolmetscherausbildung mit mehreren Sprachen absolviert habe, sowie seiner Berufserfahrung im Herkunftsstaat, nach seiner Rückkehr wieder einer Arbeit nachgehen. Wie aus den Länderfeststellungen hervorginge, sei die Hauptstadt Mogadischu eine Stadt mit vermutlich deutlich über einer Million Einwohner, einschließlich einer großen Anzahl Binnenvertriebener; die größte Gefahr ginge von terroristischen Aktivitäten der al Shabaab aus. Die Hauptziele dafür seien die Regierung und die internationale Gemeinde. So richteten sich auch die jüngeren Anschläge mit einer Autobombe vom 10.09.2018 auf ein Regierungsgebäude, eine Sprengfalle am 24.09.2018 gegen ein Fahrzeug der somalischen Armee, der Bombenanschlag am 10.11.2018 gegen ein Hotel, weil dieses bei somalischen Regierungsvertretern beliebt sei, zwei Sprengfallen am 06.11.2018 auf Konvois der AMISOM, die Sprengfalle am 20.11.2018 habe auf das Fahrzeug eines Abgeordneten abgezielt, der Anschlag am 02.12.2018 habe sich gegen einen Mitarbeiter des Telekommunikationsministeriums gerichtet und jener am 05.12.2018 gegen AMISOM-Soldaten. Die Situation in Mogadischu sei nicht derartig, dass jeder Mensch in der Stadt einem Risiko entsprechend Artikel 3 EMRK ausgesetzt wäre. Die Stadtbewohner seien leider meist dann betroffen, wenn sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind. Jeder Stadtbürger könne sein eigenes Risiko weiter minimieren, indem er Gebiete oder Einrichtungen meidet, die klar als Ziel der al-Shabaab erkennbar seien. Der Beschwerdeführer habe 12 Jahre lang die Schule besuchen können und habe sogar an der Universität studieren wollen, was mit den Länderinformationen übereinstimme, dass die Geledi kein Minderheitenclan seien, der diskriminiert werde. Die Geledi gehören dem Clanverbund der Digil-Mirifle bzw. Rahanweyn an, wobei die Geledi einer von sieben Unterclans der Digil seien. Es gebe keine Berichte über traditionelle Konflikte auf Clanebene. Geledi leben in Zentralsomalia sowohl in Mogadischu als auch in XXXX . Dass der Beschwerdeführer Hunger leiden müsste, habe sich im Verfahren nicht ergeben. Aus den Länderfeststellungen ginge hervor, dass die jüngsten Vorhersagen von FEWSNET auf eine Verbesserung der Nahrungssicherheit in jenen Gebieten, die 2016 bis 2017 von Dürre betroffen waren, hindeuten. Nach der Gu-Regenzeit werde bestätigt, dass sich die Lage bezüglich Nahrungsmittelsicherheit in Somalia insgesamt verbessert hätte. Die Ergebnisse würden darauf hindeuten, dass die prognostizierten Ernteerträge die besten seit dem Jahr 2010 werden könnten. Positiv sei auch der Ausblick für die kommenden Deyr-Regenzeit (Anmerkung: Oktober bis Dezember) mit im Mittel überdurchschnittlichen Regenprognosen. Der Beschwerdeführer komme aus einer Region mit der Bewertung gelb (Phase 02 von 04, Lage angespannt), laut Karte von UN OCHA 01.08.2018 bis 05.09.2018 mit Prognose August bis Dezember 2018. Der Beschwerdeführer habe während des gesamten Asylverfahrens angegeben, er habe keine wirtschaftlichen Probleme in Somalia gehabt.
Ein "real risk", dass es durch die Rückführung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen wird, könne demnach nicht erkannt werden, außergewöhnliche Umstände im Sinne der Judikatur des EGMR, die gegen eine Abschiebung in die Bundesrepublik Somalia sprechen, seien nicht erkennbar.
2. Zweites Verfahren auf internationalen Schutz:
2.1. Am 06.09.2019 brachte der Beschwerdeführer infolge seiner Rücküberstellung aus Frankreich den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz ein, zu dem er am gleichen Datum vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt wurde. Auf Vorhalt seines am 07.01.2019 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens und befragt nach den Gründen seiner neuerlichen Antragstellung führte der Beschwerdeführer aus, seine bisherigen Gründe blieben aufrecht. Sein neuer Grund sei, dass sich die Lage in Somalia geändert hätte, es gebe dort nun eine starke Dürre. Der Beschwerdeführer habe keine Familie und keine Angehörigen in Somalia und hätte Angst, vor Hunger zu sterben.
Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 06.11.2019 gab der Beschwerdeführer im Beisein einer Rechtsberaterin und einer Dolmetscherin zusammengefasst zu Protokoll, er sei gesund, habe im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben getätigt und besitze keine somalischen Dokumente. Der Beschwerdeführer sei sunnitischer Moslem, gehöre dem Stamm der Rahanweyn an, habe keine Kinder und sei infolge einer im Februar 2019 per Telefon nach islamischen Ritus erfolgten Scheidung geschieden. Im Vorfeld seiner Ausreise habe der Beschwerdeführer immer in XXXX gelebt, seine Familie wohne nunmehr in Kenia. Der Beschwerdeführer habe in Somalia eine zwölfjährige Schulbildung absolviert und sei als Dolmetscher für Türkisch tätig gewesen. Seine wirtschaftliche Situation vor Ausreise sei normal gewesen. Zu den Gründen seiner Folgeantragstellung auf internationalen Schutz führte der Beschwerdeführer aus, er würde wegen der in Somalia herrschenden Dürre gerne hierbleiben. Die alten Probleme seien unverändert, er wolle nicht nach Somalia zurück. Im Falle einer Rückkehr hätte er Angst um sein Leben. In Österreich habe er keine Verwandten, er habe jedoch Kontakt zu einer Familie in seiner Wohngemeinde aufgebaut.
2.2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12.12.2019 wurde der Folgeantrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom 06.09.2019 sowohl hinsichtlich des Status der Asylberechtigten als auch jenes des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). In Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). In Spruchpunkt VI. wurde festgehalten, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestünde.
Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, der Beschwerdeführer habe im neuerlichen Asylverfahren keine glaubwürdigen weiteren asylrelevanten Gründe vorgebracht und es habe sich kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben. Soweit sich der Beschwerdeführer abermals auf die bereits im vorangegangenen Verfahren dargelegten Ausreisegründe berufe, sei festzuhalten, dass diese durch das Bundesverwaltungsgericht als nicht glaubwürdig befunden worden wären. Die seine Person betreffende allgemeine Lage im Herkunftsstaat habe sich zufolge dem dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 20.11.2019, seit Rechtskraft seines ersten Verfahrens nicht geändert. Die Phase der Dürre in Somalia sei mittlerweile vorüber und begründe überdies keinen im Sinne des Asylgesetzes relevanten Sachverhalt. Da weder in der maßgeblichen Sachlage, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen, eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere Beurteilung des Antrages nicht von vorneherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, stehe die Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.12.2018 einem inhaltlichen Abspruch über seinen Folgeantrag entgegen. Gründe für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG hätten sich im Verfahren nicht ergeben. Der Beschwerdeführer hätte in Österreich keine Angehörigen oder sonstigen Verwandten, er sei zu keinem Zeitpunkt seines Aufenthalts einer Erwerbstätigkeit nachgegangen und sei von Unterstützung durch den Staat abhängig gewesen. Der Beschwerdeführer verfüge über Deutschkenntnisse, sei jedoch nicht selbsterhaltungsfähig und habe keine tiefgreifende Integrationsverfestigung erlangt. Zwischen dem Zeitpunkt des rechtskräftigen Abschlusses des ersten Verfahrens und dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung im gegenständlichen Verfahren sei keine entscheidungsrelevante Änderung der privaten und familiären Situation des Beschwerdeführers eingetreten.
2.3. Gegen den angeführten, dem Beschwerdeführer am 12.12.2019 zugestellten, Bescheid wurde durch die nunmehr bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation mit Eingabe vom 23.12.2019 fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde eingebracht, in welcher u. a. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wurde. Begründend wurde unter Verweis auf den Abschnitt über "Grundversorgung und Humanitäre Lage" der im angefochtenen Bescheid angeführten Länderberichte ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nicht mehr nach Somalia zurückkehren könne, da er aufgrund der Dürre befürchte, dort an Hunger zu sterben. Die Behörde habe sich im angefochtenen Bescheid unzureichend mit diesem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt und sich nicht mit der aus der Dürre resultierenden Nahrungsmittelknappheit befasst. Hinzu komme, dass die Familie des Beschwerdeführers nicht mehr in Somalia lebe, sondern aufgrund der Dürre nach Kenia verzogen sei. Der Beschwerdeführer befürchte, im Falle einer Rückkehr nach Somalia aufgrund der Folgen der Dürre und des mangelnden familiären Netzes in eine bedrohliche Situation zu geraten.
2.4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 08.01.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Somalia, gehört der Volksgruppe der Rahanweyn (Geledi) an und bekennt sich zum moslemischen Glauben sunnitischer Ausrichtung. Seine Identität steht nicht fest. Beschwerdeführer ist ein gesunder Mann im arbeitsfähigen Alter, der vor seiner Ausreise in der Hauptstadt Mogadischu, in den Stadtteilen XXXX , gelebt hat. Der Beschwerdeführer hat in Somalia zwölf Jahre lang die Schule besucht und dort, zusätzlich zu seiner Muttersprache Somali, Türkisch, Arabisch und Englisch gelernt. Der Beschwerdeführer konnte seinen Lebensunterhalt im Herkunftsstaat im Vorfeld der Ausreise eigenständig erwirtschaften. Infolge illegaler Einreise in das Bundesgebiet stellte der Beschwerdeführer am 09.01.2016 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
1.2. Mit rechtskräftigem Erkenntnis vom 31.12.2018, Zl. W215 2164397-1/12E, sprach das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen eines Verfahrens über die Verletzung der Entscheidungspflicht aus, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 09.01.2016 (I.) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 sowie (II.) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abgewiesen wird, (III.) ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen wird, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wird, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig ist und (IV.) gemäß § 55 FPG die Frist für dessen freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Der Beschwerdeführer reiste in der Folge illegal nach Frankreich, wo er am 02.02.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
1.3. Am 06.09.2019 stellte der Beschwerdeführer infolge seiner Rücküberstellung aus Frankreich den verfahrensgegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Zu dessen Begründung brachte der Beschwerdeführer weder neue Fluchtgründe, noch neue Beweismittel oder eine Änderung der Lage im Herkunftsstaat oder eine sonstige Änderung der privaten Verhältnisse im Vergleich zu dem im Dezember 2018 rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren vor. Der Beschwerdeführer berief sich einerseits abermals auf seinen ursprünglichen Ausreisegrund sowie andererseits auf die in seinem Herkunftsstaat herrschende Dürre, vor deren Hintergrund er eine unzureichende Nahrungsmittelversorgung befürchte.
1.4. Eine wesentliche Änderung der den Beschwerdeführer betreffenden asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat oder eine wesentliche Änderung in sonstigen in der Person der beschwerdeführenden Partei gelegenen Umständen kann nicht festgestellt werden. Dem Beschwerdeführer steht unverändert die Möglichkeit offen, sich in Somalia, insbesondere der Hauptstadt Mogadischu, niederzulassen und seinen Lebensunterhalt durch Teilnahme am Erwerbsleben eigenständig zu bestreiten.
Eine maßgebliche Änderung des Gesundheitszustandes der beschwerdeführenden Partei seit der rechtskräftigen Entscheidung in ihrem letzten inhaltlichen Asylverfahren wurde nicht behauptet und kann nicht festgestellt werden.
1.5. Der Beschwerdeführer bezog während seiner Aufenthalte im Bundesgebiet Leistungen aus der Grundversorgung und war nicht selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer hat in Österreich Bekannte, jedoch keine Familienangehörigen oder sonst engen sozialen Bezugspersonen. Dieser hat sich grundlegende Deutschkenntnisse angeeignet, jedoch keinen Nachweis über eine absolvierte Sprachprüfung vorgelegt. Der Beschwerdeführer hat nicht vorgebracht, dass sich seit dem Zeitpunkt des rechtskräftigen Abschlusses seines vorangegangenen Verfahrens eine maßgebliche Änderung seiner privaten oder familiären Situation ergeben hätte. Eine ausgeprägte und verfestigte individuelle Integration der beschwerdeführenden Partei in Österreich liegt nicht vor.
Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.
1.6. Die allgemeine Situation im Herkunftsstaat hat sich gegenüber der in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31.12.2018 über die Nichtzuerkennung des Status des Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten festgestellten Lage in keiner für das vorliegende Verfahren relevanten Weise geändert. Dies ist vom Beschwerdeführer gegenüber dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht dargetan worden und ergibt sich auch nicht aus den im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Länderberichten oder der Beschwerde.
1.7. Zur Sicherheitslage in Mogadischu sowie zur Versorgungslage in Somalia finden sich im angefochtenen Bescheid insbesondere die folgenden Feststellungen:
Benadir / Mogadischu
Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM (PGN 8.2019; vgl. BMLV 3.9.2019). Die vormals für Verbesserungen in der Sicherheitslage verantwortliche Mogadishu Stabilization Mission (MSM) (UNSC 5.9.2017, Abs.11) wurde nunmehr deaktiviert. Ihre Aufgaben wurden erst an die 14th October Brigade übertragen, mittlerweile aber von der wesentlich verstärkten Polizei übernommen. Letztere wird von Armee, AMISOM und Polizeikontingenten von AMISOM unterstützt (BMLV 3.9.2019). Nach wie vor reicht die in Mogadischu gegebene Stärke der unterschiedlichen Sicherheitskräfte aber nicht aus, um eine flächendeckende Präsenz sicherzustellen (BMLV 3.9.2019).
Für al Shabaab bietet die Stadt schon alleine aufgrund der dichten Präsenz von Behörden und internationalen Organisationen viele attraktive Ziele (NLMBZ 3.2019, S.23). Diesbezüglich ist es der Regierung nicht gelungen, eine erfolgreiche Strategie zur Bekämpfung von al Shabaab in der Stadt umzusetzen. Die Gruppe ist in der Lage, in weiten Teilen des Stadtgebiets Anschläge durchzuführen (LIFOS 3.7.2019, S.42).
Es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab die Kontrolle über Mogadischu zurück erlangt (BMLV 3.9.2019). In Mogadischu besteht kein Risiko, von al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden (BMLV 3.9.2019; vgl. BFA 8.2017, S.51). Bei einem Abzug von AMISOM aus Mogadischu droht hingegen die Rückkehr von al Shabaab (ICG 27.6.2019, S.5).
Sprengstoffanschläge: Im September und Oktober 2018 ging die Anzahl an Anschlägen vorübergehend zurück; dahingegen nahm in diesem Zeitraum die allgemeine Kriminalität zu (UNSC 21.12.2018, S.3f). Danach hat die Zahl an größeren Anschlägen in und um Mogadischu zugenommen (UNSC 15.8.2019, Abs.16). Es kommt regelmäßig zu Sprengstoffanschlägen oder aber zu gezielten Tötungen. Üblicherweise zielt al Shabaab mit größeren (mitunter komplexen) Angriffen auf Offizielle, Gebäude und Fahrzeuge der Regierung, Hotels, Geschäfte, Militärfahrzeuge und -Gebäude sowie Soldaten von Armee und AMISOM (LIFOS 3.7.2019, S.23f). Betroffen sind Regierungseinrichtungen, Restaurants und Hotels, die von nationalen und internationalen Offiziellen frequentiert werden (BS 2018, S.9; UNSC 15.5.2019, Abs.12). Im März und April 2019 kam es zu einem signifikanten Anstieg der Aktivitäten, fast täglich war ein Anschlag mit einem improvisierten Sprengsatz zu verzeichnen (UNSC 15.5.2019, Abs.12). Vereinzelt kommt es zu großangelegten komplexen Angriffen durch al Shabaab, so etwa am 9.11.2018 auf das Sahafi Hotel (50 Tote, darunter sieben Angreifer) (UNSC 21.12.2018, S.3f). Bei einem Selbstmordanschlag im Juli 2019 kamen u.a. der Bürgermeister von Mogadischu und drei District Commissioners ums Leben (Mohamed 17.8.2019; vgl. AJ 25.7.2019).
Zivilisten: Generell unterstützt die Zivilbevölkerung von Mogadischu nicht die Ideologie von al Shabaab. Andererseits fühlen sich die Menschen von der Regierung nicht adäquat geschützt (LIFOS 3.7.2019, S.25). Al Shabaab greift Zivilisten nicht spezifisch an (NLMBZ 3.2019, S.23; vgl. LIFOS 3.7.2019, S.25). Diese leiden auf zwei
Arten an der Gewalt durch al Shabaab: Einerseits sind jene einem erhöhten Risiko ausgesetzt, die in Verbindung mit der Regierung stehen oder von al Shabaab als Unterstützer der Regierung wahrgenommen werden (LIFOS 3.7.2019, S.42). Andererseits besteht für Zivilisten das Risiko, bei Anschlägen zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (LIFOS 3.7.2019, S.25/42; vgl. NLMBZ 3.2019, S.23) und so zum Kollateralschaden von Sprengstoffanschlägen und anderer Gewalt zu werden (LIFOS 3.7.2019, S.25).
Auch wenn Mogadischu von Sicherheitskräften und AMISOM geschützt wird, kann al Shabaab indirekt Kontrolle ausüben. Dadurch wird die Mobilität der Stadtbewohner im Alltag eingeschränkt (LIFOS 3.7.2019, S.21).
Es besteht zwar gemäß mehreren Berichten kein Risiko, alleine aufgrund der eigenen Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden. Trotzdem sind Clan und Clanzugehörigkeit in Mogadischu nach wie vor relevant (SEM 31.5.2017, S.35).
Geographische Situation: Al Shabaab ist im gesamten Stadtgebiet präsent, das Ausmaß ist aber sehr unterschiedlich (LIFOS 3.7.2019, S.25f). Dabei handelt es sich um eine verdeckte Präsenz und nicht um eine offen militärische (BMLV 3.9.2019). Nicht alle Teile von Mogadischu sind bezüglich Übergriffen von al Shabaab gleich unsicher. So sind z.B. jene Teile, in welche Rückkehrer siedeln (u.a. IDP-Lager) besser vor al Shabaab geschützt. IDP-Lager stellen für die Gruppe kein Ziel dar (NLMBZ 3.2019, S.24). Jedenfalls ist al Shabaab nahezu im gesamten Stadtgebiet in der Lage, verdeckte Operationen durchzuführen bzw. Steuern und Abgaben einzuheben (BMLV 3.9.2019).
Die meisten Anschläge richten sich gegen Villa Somalia, Mukarama Road, Bakara-Markt, die Flughafenstraße und Regierungseinrichtungen. Auch Dayniile ist stärker betroffen. Gebiete, die weiter als 10 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegen, werden teilweise von al Shabaab kontrolliert. Vor allem Dayniile, Yaqshiid und Heliwaa werden als unsichere Gebiete erachtet (LIFOS 3.7.2019, S.25f).
2018 waren die Bezirke Dayniile, Dharkenley, Hawl Wadaag und Hodan, in geringerem Ausmaß die Bezirke Heliwaa und Yaqshiid von Gewalt betroffen. Zivilisten waren 2018 v.a. in den Bezirken Dharkenley, Hawl Wadaag, Hodan, in geringerem Ausmaß in Dayniile, Heliwaa, Waaberi und Yaqshiid von gegen sie gerichteter Gewalt betroffen (ACLED - siehe Tabelle weiter unten).
Auch der sogenannte Islamische Staat (IS) hat in Mogadischu Anschläge und Attentate verübt, die eigene Präsenz ausgebaut (LIFOS 3.7.2019, S.25).
Vorfälle: In Benadir/Mogadischu lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 1,65 Millionen Menschen (UNFPA 10.2014, S.31f). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2017 insgesamt 217 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 186 dieser 217 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2018 waren es 207 derartige Vorfälle (davon 177 mit je einem Toten). Die Zahl an Zwischenfällen mit Todesopfern (meist ein Todesopfer) in der Region Benadir entwickelte sich in den vergangenen Jahren folgendermaßen (es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der ca. 50% betragenden Ungenauigkeit von ACLED nicht berücksichtigt):
Tabelle kann nicht abgebildet werden
(ACLED 2016) (ACLED 2017) (ACLED 2019)
Dabei handelte es sich laut ACLED Datenbank bei folgenden Fällen um "violence against civilians" (es handelt sich hierbei jedoch um keine exakten Zahlen, da ACLED zahlreiche Unschärfen aufweist):
Tabelle kann nicht abgebildet werden
(ACLED 2016) (ACLED 2017) (ACLED 2019)
Quellen:
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Grundversorgung/Wirtschaft
Wirtschaft und Arbeit
Generell erholt sich die somalische Wirtschaft weiterhin von der Dürre der Jahre 2016 und 2017. Das Wirtschaftswachstum lag 2017 bei 2,3% (UNSC 21.12.2018, S.4), 2018 bei ca. 2,8% (UNSC 15.8.2019, Abs.22) und wird vom Internationalen Währungsfonds für 2019 und 2020 auf jeweils 3,5% prognostiziert. Das Wachstum hat sich also erholt, die Inflation wurde gebremst und das Handelsdefizit reduziert. Zur wirtschaftlichen Erholung beigetragen haben gute Regenfälle und wachsende Remissen (BLO 27.2.2019), die Erstarkung des Agrarsektors, die Konsolidierung von Sicherheit und die Zunahme privater Investitionen und von Geldflüssen aus Geberländern (UNSC 21.12.2018, S.4). Eine der Triebfedern der wirtschaftlichen Entwicklung ist also die Diaspora, welche begonnen hat, in Somalia (v.a. Mogadischu und die Hauptstädte der Bundesstaaten) zu investieren (BS 2018, S.5). Auch zahlreiche Agenturen der UN (etwa UN-Habitat, UNICEF, UNHCR) sind tatkräftig dabei das Land wiederaufzubauen (ÖB 9.2016, S.23).
Allerdings hat sich das BIP pro Kopf seit 2013 von 316 US-Dollar auf 313 US-Dollar verringert, da die Bevölkerung schneller wächst als das BIP (UNSC 15.8.2019, Abs.22; vgl. UNSC 21.12.2018, S.4). Das Wirtschaftswachstum ist für die meisten Somalis zu gering, als dass sich ihr Leben dadurch verbessern würde (UNSC 21.12.2018, S.4). Außerdem behindern al Shabaab und andere nichtstaatliche Akteure kommerzielle Aktivitäten in Bakool, Bay, Gedo und Hiiraan und unterbinden die Leistung humanitärer Hilfe (USDOS 13.3.2019, S.21). Folglich gehört Somalia auch weiterhin zu den ärmsten Ländern der Erde. Bei den gängigen Indikatoren zur Messung der wirtschaftlichen Entwicklung (BSP, Lebenserwartung, Mütter- und Kindersterblichkeit) liegt Somalia zumeist auf den letzten Plätzen. In Puntland ist die Situation besser (AA 5.3.2019a). Insgesamt sind zuverlässige Daten zur Wirtschaft unmöglich zu erhalten bzw. zu verifizieren (ÖB 9.2016, S.2).
Staatshaushalt: Aufgrund der fehlenden Kontrolle über das Territorium - aber auch hinsichtlich technischer Fähigkeiten - war die Regierung bisher nicht in der Lage, ein nationales Steuersystem aufzubauen. Selbst für grundlegende Staatsausgaben ist das Land auf externe Geber angewiesen; ca. 46% der Staatsausgaben entfallen auf die nationale Sicherheit (BS 2018, S.36). Die staatlichen Steuereinnahmen nehmen zu, die Finanzverwaltung wird besser und das Vertrauen der Wirtschaft wächst (SRSG 13.9.2018, S.2; vgl. UNSC 21.12.2018, S.5). Durch Verbesserungen bei der Finanzgebarung hat Somalia nunmehr das Potenzial, einen weiter positiven makroökonomischen Kurs einzuhalten und Raum für Investitionen über konzessionäre Darlehen zu schaffen (AA 5.3.2019a). Das Budget für 2019 wird mit 340 Mio. US-Dollar veranschlagt, im Jahr 2018 waren es ca. 277 Mio. 56% des Budgets stammen aus eigenen Einnahmen, 44% werden von Gebern beigesteuert (UNSC 21.12.2018, S.5).
Arbeit / Lebensunterhalt: Es gibt kein nationales Mindesteinkommen (USDOS 13.3.2019, S. 37). Zugang zu Bildung und Arbeit stellt in vielen Gebieten eine Herausforderung dar (ÖB 9.2016, S.18), auch wenn in Puntland und Teilen Südsomalias - insbesondere Mogadischu - der tertiäre Bildungsbereich boomt (BS 2018, S.32). Der Wirtschaft ist es nicht gelungen, ausreichend Beschäftigung zu schaffen - v.a. für Frauen und Junge (UNSC 21.12.2018, S.47). In einer von Jahrzehnten des Konflikts zerrütteten Gesellschaft hängen die Möglichkeiten des Einzelnen generell sehr stark von seinem eigenen und vom familiären Hintergrund ab (BS 2018, S.30). Aufgrund des Fehlens eines formellen Banksystems ist die Schulden-Kredit-Beziehung (debt-credit relationship) ein wichtiges Merkmal der somalischen Wirtschaft und Gesellschaft. Dabei spielen Vertrauen, persönliche und Clan-Verbindungen eine wichtige Rolle - und natürlich auch der ökonomische Hintergrund. Es ist durchaus üblich, dass Kleinhändler und Greissler anschreiben lassen (RVI 9.2018, S.4).
Die Mehrheit der Bevölkerung lebt von Subsistenzwirtschaft, sei es als Kleinhändler, Viehzüchter oder Bauern. Zusätzlich stellen Remissen für viele Menschen und Familien ein Grundeinkommen dar (BS 2018, S.26). Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist direkt oder indirekt von der Viehzucht abhängig (UNOCHA 31.7.2019, S.2; vgl. OXFAM 6.2018, S.4). Die große Masse der werktätigen Männer und Frauen arbeitet in Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei (62,8%). Der nächstgrößere Anteil an Personen arbeitet als Dienstleister oder im Handel (14,1%). 6,9% arbeiten in bildungsabhängigen Berufen (etwa im Gesundheitsbereich oder im Bildungssektor), 4,8% als Handwerker, 4,7% als Techniker, 4,1% als Hilfsarbeiter und 2,3% als Manager (UNFPA 8.2016b).
Studien darüber, wie Menschen in Mogadischu ihren Lebensunterhalt bestreiten, haben sich auf die am meisten vulnerablen Gruppen der Stadt konzentriert: Auf IDPs und Arme (urban poor). Für diese Gruppen ist es charakteristisch, dass sie humanitäre Unterstützung erhalten. Sie stellen etwa 20% der Bevölkerung von Mogadischu. Diese Gruppen profitieren nur zu einem äußerst geringen Anteil von Remissen (2% der Befragten; somalische Gesamtbevölkerung: 30%). Die Männer dieser Bevölkerungsgruppen arbeiten oft im Transportwesen, am Hafen und als Bauarbeiter; Frauen arbeiten als Hausangestellte. Eine weitere Einkommensquelle dieser Gruppen ist der Kleinhandel - v.a. mit landwirtschaftlichen Produkten. Zusätzlich erhalten sie Nahrungsmittelhilfe und andere Leistungen über wohltätige Organisationen (LI 1.4.2016, S.10). NGOs und der Privatsektor bieten den Menschen grundlegende Dienste - vor allem in urbanen Zentren (OXFAM 6.2018, S.4).
Von in der Reintegrationsphase befindlichen ehemaligen Angehörigen der al Shabaab wurden im September 2017 folgende Berufe genannt:
Köhler; Hilfsarbeiter am Bau in Dayniile (10 Tage pro Monat; 10 US-Dollar pro Tag); Koranlehrer am Vormittag in Dayniile (120 US-Dollar pro Monat); Rickshaw-Fahrer; Transporteur mit einer Eselkarre (10-12 US-Dollar pro Tag); Transporteur mit einer Scheibtruhe (Khalil 1.2019, S.30). Ärzte verdienen im Banadir Hospital 1.500-2.000 US-Dollar, Krankenschwestern 400-600 US-Dollar (FIS 5.10.2018, S.36). Generell hat die verbesserte Sicherheitslage in den Städten zu einem Bau-Boom geführt (OXFAM 6.2018, S.4).
Die Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge, Rückkehrer und andere vulnerable Personengruppen sind limitiert. So berichten Personen, die aus Kenia in Orte in Süd-/Zentralsomalia zurückgekehrt sind, über mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten (USDOS 13.3.2019, S.22f). Eine Arbeit zu finden ist mitunter schwierig, verfügbare Jobs werden vor allem über Clan-Netzwerke vergeben. Auch Unternehmensgründer sind auf den Clan angewiesen. Generell ist das Clan-Netzwerk vor allem außerhalb von Mogadischu von besonderer Relevanz (FIS 5.10.2018, S.22). Männer, die vom Land in Städte ziehen, stehen oft vor der Inkompatibilität ihrer landwirtschaftlichen Kenntnisse mit den vor Ort am Arbeitsmarkt gegebenen Anforderungen (DI 6.2019, S.22f; vgl. OXFAM 6.2018, S.10). Die Zugezogenen tun sich schwer, eine geregelte Arbeit zu finden (OXFAM 6.2018, S.10); außerdem wird der Umstieg von Selbstständigkeit auf abhängige Hilfsarbeit oft als Demütigung und Erniedrigung gesehen. Darum müssen gerade IDPs aus ländlichen Gebieten in die Lage versetzt werden, neue Fähigkeiten zu erlernen, damit sie etwa am informellen Arbeitsmarkt oder als Kleinhändler ein Einkommen finden. Dies geschieht auch teilweise (DI 6.2019, S.22f). Generell finden Männer unter anderem auf Baustellen, beim Graben, Steinebrechen, Schuhputzen oder beim Khatverkauf eine Arbeit. Ein Großteil der Tätigkeiten ist sehr anstrengend und mitunter gefährlich. Außerdem wird von Ausbeutung und Unterbezahlung berichtet (OXFAM 6.2018, S.10).
Arbeitslose: Seitens der Regierung gibt es für Arbeitslose keinerlei Unterstützung (LI 1.4.2016, S.11). In einer Studie von IOM aus dem Jahr 2016 gaben arbeitslose Jugendliche (14-30 Jahre) an, in erster Linie von der Familie in Somalia (60%) und von Verwandten im Ausland (27%) versorgt zu werden (IOM 2.2016, S.42f). Insgesamt ist das traditionelle Recht (Xeer) ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfall- (SEM 31.5.2017, S.5/32f; vgl. GIGA 3.7.2018) bzw. Haftpflichtversicherung. Die Mitglieder des Qabiil (diya-zahlende Gruppe; auch Jilib) helfen sich bei internen Zahlungen - z.B. bei Krankenkosten - und insbesondere bei Zahlungen gegenüber Außenstehenden aus (GIGA 3.7.2018). Neben der Kernfamilie scheint der Jilib [Anm.: untere Ebene im Clansystem] maßgeblich für die Abdeckung von Notfällen verantwortlich zu sein. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder - je nach Ausmaß - an untere Ebenen (z.B. Großfamilie) (SEM 31.5.2017, S.9/32ff).
Arbeitslosenquote: Die Arbeitslosenquote ist landesweit hoch (USDOS 13.3.2019, S.23), wobei es zu konkreten Zahlen unterschiedlichste
Angaben gibt: Laut einer Quelle liegt die Erwerbsquote (labour force participation) bei Männern bei 58%, bei Frauen bei 37% (UNSC 21.12.2018, S.4). Eine weitere Quelle erklärt im August 2016, dass 58% der männlichen Jugendlichen (Altersgruppe 15-35) ökonomisch aktiv sind, während drei von zehn Jugendlichen arbeitslos sind (UNFPA 8.2016a, S.4). In einer anderen Quelle wird die Arbeitslosenrate für 2016 mit 6,6% angeführt (BS 2018, S.25). Wieder eine andere Quelle nennt für 2012 eine Jugendarbeitslosigkeit von 67% bei 14-29jährigen (DI 6.2019, S.22). Eine weitere Quelle nennt bei 15-24jährigen eine Quote von 48% (OXFAM 6.2018, S.22FN8). Bei einer Studie aus dem Jahr 2016 gaben hingegen nur 14,3% der befragten Jugendlichen (Mogadischu 6%, Kismayo 13%, Baidoa 24%) an, gegenwärtig arbeitslos zu sein. Dies kann auf folgende Gründe zurückzuführen sein: a) dass die Situation in diesen drei Städten anders ist, als in anderen Teilen Somalias; b) dass die wirtschaftliche Entwicklung seit 2012 die Situation verbessert hat;
c) dass es nun mehr Unterbeschäftigte gibt; d) dass die Definition von "arbeitslos" unklar ist (z.B. informeller Sektor) (IOM 2.2016).
In einer eingehenden Analyse hat UNFPA im Jahr 2016 Daten zur Ökonomie in der somalischen Gesellschaft erhoben. Dabei wird festgestellt, dass nur knapp die Hälfte der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter (15-64) überhaupt am Arbeitsleben teilnimmt. Der Rest ist "ökonomisch inaktiv"; in diese Gruppe fallen in erster Linie Hausfrauen, gefolgt von Schüler/Studenten, pensionierten oder arbeitsunfähigen Personen. Bei den ökonomisch Aktiven wiederum finden sich in allen Lebensbereichen deutlich mehr Männer (UNFPA 8.2016b):
• Ländlich: 68,8% der Männer - 40,5% der Frauen
• Urban: 52,6% der Männer - 24,6% der Frauen
• IDP-Lager: 55,2% der Männer - 32,6% der Frauen
• Nomaden: 78,9% der Männer - 55,6% der Frauen (UNFPA 8.2016b)
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UN-HABITAT führt ein Ausbildungsprogramm für Jugendliche in Somalia, namentlich in Kismayo, Garoowe und Mogadischu durch. 400 jungen Frauen und Männern der Altersgruppe 15-35 sollen Kenntnisse im Bauwesen, Wirtschaft, Gründertum und Soft Skills vermittelt werden (UNHABITAT 16.8.2018). Auch der Bürgermeister von Mogadischu hat im Feber 2019 ein Projekt gestartet, bei welchem 400 Jugendliche aus Mogadischu, Baidoa und Kismayo eine Berufsausbildung erhalten sollen. Das Projekt wird von UNDP finanziert (AMISOM 28.2.2019).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (Deutschland) (5.3.2019a): Somalia - Wirtschaft, URL, Zugriff 10.4.2019
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AMISOM (28.2.2019): 28 February 2019 - Morning Headlines [Quelle:
Goobjoog News], Newsletter per E-Mail
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BLO - Bloomberg (27.2.2019): IMF Sees Somalia's GDP Growth Accelerating to 3.5% in 2019, URL, Zugriff 13.3.2019
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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Somalia Country Report, URL, Zugriff 19.3.2019
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DI - Development Initiatives (6.2019): Towards an improved understanding of vulnerability and resilience in Somalia, URL, Zugriff 9.7.2019
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FIS - Finnish Immigration Service (Finnland) (5.10.2018): Somalia:
Fact-Finding Mission to Mogadishu and Nairobi, January 2018, URL, Zugriff 4.6.2019